Serpent Isle
Manchmal treibt das Festhalten an Prinzipien seltsame Blüten: Richard „Lord British“ Garriott hatte Anfang der 1980er geschworen, jedes Spiel seiner „Ultima“-Saga werde auf einer brandneuen Engine basieren. Diese Ansage hielt bis 1993, dann kam „Serpent Isle“ (1993), das zwar ein neues „Ultima“ darstellte, sich dabei aber der für „Ultima VII: The Black Gate“ (1992) geschriebenen Engine bediente. Die Folge war die bis heute wohl kurioseste Nummerierung der Spielegeschichte.
Gesamteindruck: 5/7
Der Tragödie zweiter Teil.
Für Origin Systems war das Versprechen Richard Garriotts, das freilich noch zu ganz anderen Zeiten gemacht worden war, zu einem Problem geworden: Spätestens mit „Ultima V: Warriors of Destiny“ (1988) waren die Entwicklungskosten massiv angestiegen, die folgenden Serienteile gehörten gar zu den jeweils teuersten Produktionen ihrer Zeit. Aus wirtschaftlicher Sicht war es daher untragbar, hochentwickelte, kostenintensive Engines nach einem einzigen Spiel auf den Müll zu werfen. So kam es zu den „Ultima VI“-Spin-offs („The Savage Empire“, 1990 und „Martian Dreams“, 1991). Und so kam es vor allem zu „Ultima VII Part Two: Serpent Isle“. Auch dessen Bezeichnung lässt im ersten Moment auf ein Add-on schließen, in Wirklichkeit handelt es sich jedoch um ein eigenständiges, ohne den Vorgänger lauffähiges Spiel. Das hätte es meines Erachtens auch als „Ultima VIII“ sein können – aber hier scheint sich Garriott trotz seines schwindenden Einflusses bei Origin, das mittlerweile vom ehemaligen Erzfeind Electronic Arts aufgekauft worden war, durchgesetzt zu haben.
Darum geht’s:
Nachdem der Avatar die Schwarze Pforte geschlossen und damit dem Guardian diesen Weg nach Britannia verbaut hatte, war der Jubel eher verhalten ausgefallen: Der rotgesichtige Unhold blieb eine Gefahr, seine Gehilfen waren entkommen und der Held hatte die Möglichkeit verloren, in seine irdische Heimat zurückzukehren. Immerhin war in den Hinterlassenschaften von Batlin, jenes Schurken, der dem Guardian bei seinem Vorhaben geholfen hatte, ein Hinweis gefunden worden: Auf der fernen Schlangeninsel, so stellte man fest, wurden finstere Pläne geschmiedet, Britannia doch noch zu unterwerfen…
„Serpent Isle“ setzt die in „The Black Gate“ begonnene Story praktisch nahtlos fort. Dennoch muss man sich erst einmal völlig neu orientieren, denn erstmals seit „Ultima III: Exodus“ (1983) ist nicht das bekannte Britannia Schauplatz der Handlung, sondern ein weit entferntes Eiland, eben die namensgebende Schlangeninsel. Der Vorteil einer solchen Änderung liegt auf der Hand: Britannia kannte man mittlerweile in- und auswendig, es war also höchste Zeit, endlich einmal neue Gebiete zu erforschen. Damit fühlt sich auch der Veteran fast wie am Anfang seiner „Ultima“-Abenteuer: Man hört von wundersamen Orten, muss diese aber erst einmal ausfindig machen und dabei unbekannte Gefahren meistern. Eigentlich eine gute Sache, allerdings merkt man hier auch, wie schwierig die Orientierung seit „Ultima VI“ geworden ist: Die Grafik ist detailliert und schön gezeichnet, aber die (nach wie vor völlig unbewegliche) Kamera ist ein oder zwei Stufen zu dicht am Geschehen. Das spielte freilich keine so große Rolle, als man sich noch über bekanntes Terrain bewegte – hier macht die Perspektive es gehörig schwer, sich zurechtzufinden.
Ob die Handlung an sich überzeugt, lässt sich auch nicht ganz leicht beantworten. Zumindest ist die Komplexität der Geschichte enorm und ich bin mir relativ sicher, dass kein anderes „Ultima“ inklusive „The Black Gate“ jemals so viel Text in Form von Dialogen, Schriftrollen und Büchern hatte. Doch dieses Schwert ist durchaus zweischneidig und selbst ich, erfahrener Rollenspieler und Freund guter Stories, muss zugeben, dass ich weite Teile der umfangreichen Dialoge maximal überflogen, oft sogar einfach schnell durchgeklickt habe. Dazu etwas weiter unten mehr, an dieser Stelle sei gesagt, dass „Serpent Isle“ wohl eine der am aufwändigsten ausgearbeiteten Geschichten seiner Zeit erzählt.
Wenig Neues in Sachen Technik.
In technischer Hinsicht hat sich seit „The Black Gate“ aufgrund der Wiederverwertung der Engine recht wenig getan, sprich: Wir haben es hier mit dem kleinsten Unterschied zwischen zwei Serienteilen zu tun, nur Ultima I und II lagen ähnlich nahe beieinander (allerdings mit deutlich simpleren Mitteln). Daher sind auch optische Verbesserungen Mangelware, genannt seien in diesem Zusammenhang aber das Intro und die Charakter-Portraits, letztere müssen auf damaligen Bildschirmen nahezu foto-realistisch gewirkt haben. Ein Wermutstropfen: Die Auswahl an Gesichtern für die eigene Spielfigur ist reichlich unsympathisch, was aufgrund der vielen Dialoge stärker ins Gewicht fällt, als man glauben möchte. Die Spielgrafik ist hingegen mit jener von „The Black Gate“ ident, heißt: sehr bunt, ausgesprochen detailliert – und, wie erwähnt, ganz schön unübersichtlich, speziell, wenn man in bewaldete Gebiete kommt.
Der Sound ist in meinen Ohren hingegen ein Rückschritt: Die Musik dudelt sehr beliebig und uninspiriert vor sich hin, vor allem aber scheint sie aus wenigen und sehr kurzen Stücken zu bestehen, sodass man mit ständigen Wiederholungen leben muss. Die Geräuschkulisse entsprich qualitativ ungefähr der des Vorgängers, allerdings nervt sie wegen der ständigen Stürme, die die Schlangeninsel heimsuchen, deutlich schneller (vor allem Blitz & Donner in Dauerschleife sind nahezu unerträglich). Eine Besonderheit: Das Intro wartet erneut mit Sprachausgabe auf; neben dem einmal mehr tadellos gesprochenen Guardian gibt es einen Wachmann zu hören und, fast schon legendär: Richard Garriott, der es sich nicht hatte nehmen lassen, sein alter ego Lord British persönlich einzusprechen… Nun, der Mann mag ein Genie sein, was Programmierung und Story-Telling betrifft – und für die Erschaffung von „Ultima“ sind ihm alle, die ein Faible für Rollenspiele haben, ohnehin auf Ewig zu Dank verpflichtet. Zu einem professionellen Synchronsprecher haben ihn seine Verdienste jedoch nicht gemacht, wie man sich. hier zu Gemüte führen kann (glücklicherweise gibt seine Lordschaft nur wenige Sätze zum Besten).
In Hinblick auf Bedienung und Nutzer:innenführung gibt es ebenfalls wenig Neues zu vermelden. Leider, denn gewisse Unzulänglichkeiten des Vorgängers wurden übernommen, wie ich weiter unten noch ausführen werde. Zeitgenössische Rezensionen berichten übrigens von der stärkeren Performance des Programms, die Ruckel-Orgien von „The Black Gate“ sollen eliminiert worden sein. Kann man aus heutiger Sicht freilich nicht mehr richtig beurteilen, mir sind stellenweise aber auch in „Serpent Isle“ starke Leistungseinbrüche aufgefallen, wenn viel am Schirm los war. Ansonsten gab es ab und an mal einen Absturz, außerdem kann man sich in die eine oder andere Sackgasse manövrieren, was man nur durch regelmäßiges Speichern und unterschiedliche Spielstände einigermaßen kompensieren kann. Bugs habe ich übrigens auch erlebt, allerdings eher selten, wobei im Internet zu lesen ist, dass man an einigen Stellen durchaus aufpassen muss, sich keinen echten „Plot-Stopper“ einzufangen. Zusammenfassen kann man es wohl so: „Serpent Isle“ ist insgesamt auf hohem technischen Niveau, was aber nicht über gewisse Schwächen hinwegtäuschen sollte, die schon am Vorgänger zu Recht kritisiert wurden.
Vorkenntnisse? Nicht zwingend erforderlich.
Zunächst ein kleiner Exkurs zum Umfeld des Spiels: „Serpent Isle“ kam Ende März 1993 auf den Markt – und musste sich damit (wie schon „The Black Gate“ im Jahr zuvor) hinter dem kleinen Bruder anstellen. In diesem Fall war das „Ultima Underworld II: Labyrinth of Worlds“, das bereits im Jänner 1993 zu kaufen war. Ein paar Worte über diese unglückliche Konstellation habe ich in meiner Rezension zum zweiten Teil des 3D-Spin-offs verloren. Im Rückblick waren „Underworld II“ und „Serpent Isle“, die beide nicht ganz an die Erfolge ihrer Vorgänger anknüpfen konnten, übrigens die letzten, von Zeitgenoss:innen uneingeschränkt als wohlwollend wahrgenommenen Spiele der Reihe.
„Serpent Isle“ ist, wie erwähnt, technisch gesehen ein eigenständiges, ohne „The Black Gate“ lauffähiges Spiel. Inhaltlich ist es allerdings eng mit seinem Vorgänger verbunden, indem es dessen offenes Ende aufgreift (es findet übrigens sogar die in „Ultima Underworld II: Labyrinth of Worlds“ erzählte Story Erwähnung, das allerdings so am Rande, dass es vernachlässigbar ist). Weil die Handlung aber auf die abgelegene Schlangeninsel verfrachtet wurde, gibt es im Spiel jedoch relativ wenige Berührungspunkte zu „The Black Gate“. Ein klarer Vorteil für Neueinsteiger:innen, denn abgesehen vom tieferen Verständnis für gewisse Schlüsselstellen, das man nur als Kenner:in der „Ultima“-Reihe hat, lässt sich „Serpent Isle“ so gut für sich allein spielen, wie kaum einer seiner Vorgänger. Was, am Rande angemerkt, die Bezeichnung als „Ultima VII Part 2“ sogar noch eine Spur abstruser macht.
An dieser Stelle sei mir aber noch ein anderer Einschub erlaubt: „Serpent Isle“ ist meines Erachtens ein Spiel, das trotz seines späten Erscheinens sehr viel für das World-Building der „Ultima“-Reihe tut. Dazu muss ich kurz ausholen: Die Schlangeninsel mag wie eine völlig neue Spielwiese wirken – im „Ultima“-Universum ist sie es aber gar nicht, wir haben es vielmehr mit einer Rückkehr in bereits bekanntes Terrain zu tun. Wir erinnern uns: Die Ereignisse am Ende von „Ultima III: Exodus“ haben den Kontinent Sosaria verwüstet, weite Teile verschwanden im Meer, zurück blieb jener Teil, der ab „Ultima IV: Quest of the Avatar“ als Britannia unter der Herrschaft von Lord British Schauplatz der Handlung sein sollte. Die Schlangeninsel ist ein verschollen geglaubter Teil von Sosaria und wurde vom Avatar in „Ultima I: The First Age of Darkness“ (1981) bereist – damals war sie als „Lands of Danger and Despair“ bekannt und unser Freund Shamino (!) war dort, gemeinsam mit dem King of the White Dragon, der Herrscher. Auf all das greift „Serpent Isle“ zurück, mehr noch: Es erzählt die Geschichte eben jenes Landes und seiner Bewohner:innen fort. Klar, vieles davon ist retconning, wie man so schön sagt, aber dennoch hebt es das „Ultima“-Universum, das zwar immer gut erzählt war, aber auch mit Problemen in der Kontinuität zu kämpfen hatte, auf ein völlig anderes Niveau. Chapeau dafür – und vor allem auch dafür, wie anders die Bewohner:innen der Schlangeninsel unseren Lord British und seine Tugenden sehen.
Atmosphäre, Handlung, Komplexität.
Atmosphärisch vermittelt das Spiel stets das Gefühl eines reichen, tiefgründigen Universums, unter dessen Oberfläche noch deutlich mehr schlummert, als wir zu Gesicht bekommen. Wie schon in „The Black Gate“ sollte man sich im Übrigen nicht von der bunten Grafik in die Irre führen lassen: Auch „Serpent Isle“ ist eine sehr ernste Angelegenheit, vielleicht sogar noch einen Tick düsterer als „The Black Gate“.
Worin vorliegendes Spiel seinen Vorgänger jedenfalls übertrifft, ist die Komplexität der Handlung: Ich müsste lügen, wenn ich behaupten wollte, ich hätte alles verstanden, was auf der Schlangeninsel vor sich geht. Im Wesentlichen scheint es mir – was wiederum typisch für „Ultima“ ist – um das Herstellen von Balance zu gehen und damit die Macht ins Gleichgewicht zu… äh… naja, schon klar, dass das ein völlig anderes Franchise ist, aber ein bisschen hat mich dieser Teil der Geschichte tatsächlich an eine verkomplizierte Variante von „Star Wars“ erinnert. Dass es mitunter sehr schwer fällt, der Handlung zu folgen, liegt auch and der unglaublichen Textlastigkeit von „Serpent Isle“: Die NPCs reden wie Wasserfälle – anfangs mag das noch einigermaßen angehen und man liest interessiert mit, nach ein paar Stunden wird es aber anstrengend und öde. Die Folge: Man klickt sich immer schneller durch die Dialoge und bekommt dadurch diverse Story-Happen, aber auch Hinweise zur Lösung vielfältiger Probleme, nicht richtig mit.
Ob diese Problematik bei Origin erkannt wurde und wir es deshalb mit dem bis dahin wohl linearsten „Ultima“ überhaupt zu tun haben? Die massive Dialoglastigkeit ist jedenfalls in zweifacher Hinsicht ein Problem: Erstens gibt es kein Questlog, man muss also versuchen, aus der Vielzahl an Informationen diejenigen herauszufiltern, die man braucht, um die gestellten Aufgaben zu bewältigen. Um das auch nur annähernd zu schaffen, muss man einmal mehr zu Papier und Bleistift (oder elektronischer „Aktenführung“) greifen, was mich erstmals in der „Ultima“-Reihe große Überwindung gekostet hat, weil mir die Hinweise teils zu versteckt oder verklausuliert waren. Zweitens führen die zwar gut geschriebenen aber ewig langen Texte (hier spielen auch noch Schriftart und -größe mit hinein) dazu, dass man geradezu zum Querlesen gezwungen wird – man will ja nicht nur schmökern, sondern auch aktiv an der Rettung der Welt arbeiten. Und das geht nun einmal nur außerhalb der Dialoge.
Fazit: Ich musste (anfangs selten, zum Ende hin immer häufiger) mit einer Komplettlösung arbeiten, weil ich mich schwerer und schwerer zum Lesen der Dialoge und ordentlichen Notizen motivieren konnte. Dass ich trotzdem fast 56 Stunden für einen kompletten Durchgang gebraucht habe, zeigt mir, wie viel Spielzeit und -spaß eigentlich drin gewesen wären. – wenn denn das Balancing zwischen Erzählung und Action etwas besser gelungen wäre. So überwiegt das Gefühl, unter der Oberfläche würde ein großartiges, tiefsinniges Abenteuer schlummern, allerdings ist die Hürde, dahin vorzudringen, viel zu hoch. Zumindest ging es mir so, ich bin aber relativ sicher, dass es auch bei anderen Spieler:innen so war und ist – egal, ob sie heute zum ersten Mal zu „Serpent Isle“ greifen oder es schon 1993 gespielt haben. Eventuell könnte das auch ein Grund dafür sein, wieso „Ultima VIII: Pagan“ (1994) so… ähem… anders ist? Ich könnte es mir zumindest vorstellen.
Die Probleme.
Abseits der fast alles überlagernden Komplexität, über die man wohl trefflich streiten kann, gibt es eine Reihe an objektiv Schwierigkeiten, die man zum Teil leider bereits aus dem Vorgänger kennt und die nicht (oder nur unzureichend) verbessert wurden:
- (Quest-)Log. Ein zentrales Problem von „Serpent Isle“ habe ich bereits in den vorigen Absätzen angedeutet: Aufgrund seiner bis zum Anschlag ausgereizten Komplexität (sowohl in der Story als auch bei vielen Rätseln) hätte dieses Spiel unbedingt ein (Quest-)Log gebraucht. Es ist selbst mit Hilfe eines Notizblocks schwierig, alle Spielelemente in angemessenem Ausmaß im Auge zu behalten, sodass es mich nicht wundern würde, wenn viele Spieler:innen bereits nach wenigen Stunden das Handtuch werfen. Oder sich an einem Walkthrough entlanghangeln, eine Versuchung, der ich ehrlich gesagt auch öfter erlegen bin, als mir lieb ist.
- Inventar. Das Inventar-Management ist eine einzige Katastrophe: Die aus „The Black Gate“ bekannten Probleme (sich überlagernde Gegenstände, keine Beleuchtung des Inventars) bestehen nicht nur weiter, sondern sind aufgrund der größeren Anzahl an Gegenständen sogar noch schlimmer geworden. Zu allem Überfluss sortiert sich das Gepäck von selbst ständig neu, sodass es wenig Sinn macht, Gegenstände innerhalb der Container systematisch zu ordnen. Und: Die Charaktere legen bei bestimmten Aktionen, z. B. beim Schlafen, ungefragt ihre Waffen in die Rucksäcke, was ebenfalls nervt. Halbwegs Abhilfe schafft wie im Vorgänger nur eines: Von Anfang an festzulegen, welchem Charakter man welche Art von Gegenständen gibt (z. B. alle Quest-Items an den Avatar, die gesamte Nahrung an Dupre usw.) und das dann auch konsequent durchzuziehen. Eine große Erleichterung bringt übrigens das Add-On „The Silver Seed“: Man erhält relativ zu Anfang einen magischen Ring, der zumindest das Schlüssel-Chaos beseitigt. Den Wert dieses kleinen Dings kann man gar nicht genug loben und es dürfte mithin der Grund ist, wieso viele Spieler:innen den ersten Besuch des Add-Ons deutlich früher in Angriff nehmen, als eigentlich vorgesehen ist.
- Kampfsystem. Auch hier ist nichts Neues zu vermelden, sobald ein Kampf beginnt, muss man sich auf völliges Durcheinander einstellen: Die gesamte Party läuft herum wie aufgescheuchte Hühner und beginnt, wahllos auf Feinde einzuprügeln. Gerne auch außerhalb des aktuellen Bildschirmausschnitts, was besonders ärgerlich ist. Theoretisch besteht zwar die Möglichkeit, gewisse Taktiken einzustellen – ich persönlich hätte aber keinerlei Unterschiede im Verhalten bemerkt. Wären die Kämpfe nicht so leicht, wäre das wohl ein Grund für eine massive Abwertung bzw. würde es das Spiel unter Umständen sogar unspielbar machen. So bleibt der Ärger zwar einigermaßen im Rahmen, angemerkt sei aber dennoch, dass man über die geringe bzw. nicht vorhandene Intelligenz der Begleiter nur verwundert den Kopf schütteln kann. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass das 1993 auf irgendeine Art und Weise Spaß gemacht haben soll.
- Handel. „Serpent Gate“ versucht sich an einem relativ komplexen System: Auf der Schlangeninsel gibt es drei Währungen die mit unterschiedlichen Wechselkursen zueinander in Beziehung stehen. Außerdem können Gold und andere Wertgegenstände in diese Währungen, von denen jede in einer anderen Stadt als Zahlungsmittel akzeptiert wird, getauscht werden. Das alles mag innerhalb der Handlung durchaus Sinn machen – für die Person vorm Bildschirm ist es aber ausgesprochen mühsam, muss man doch ständig zu den wenigen NPCs laufen, die als Wechselstuben dienen. Doch damit nicht genug: Das Handeln selbst ist leider alles andere als flüssig, denn man muss durch zahlreiche Dialogoptionen, bevor man überhaupt dazu kommt, ein Geschäft zu machen. Und auch das reicht noch nicht: Es wurde eine völlig überflüssige Funktion eingebaut, mit der man den Preis theoretisch herunterhandeln kann. Abgesehen davon, dass sehr leidlich funktioniert, verlängert und -kompliziert das die ganze Handlerei nochmal. Einziger Lichtblick: Geld braucht man im Wesentlichen nur zum Trainieren, Ausrüstungsgegenstände findet man meist zur Genüge in der Welt. Und, wie in jedem ähnlichen Spiel: Man ist relativ bald so reich und mächtig, dass man überhaupt keine finanziellen Probleme mehr hat. Was den Währungstausch nur noch ärgerlicher macht.
- Linearität. „Serpent Isle“ ist das bis zu diesem Zeitpunkt mit Abstand linearste „Ultima“. Das hat zwei Vorteile: Man weiß theoretisch immer, was man als nächstes zu tun hat („theoretisch“ weil dem die Textlastigkeit, s. o., entgegensteht) und es war für die Entwickler:innen wohl wesentlich einfacher, Logikprobleme zu umgehen oder komplett auszuschalten. Umgekehrt war es aber immer ein schönes Feature und eine wichtige Errungenschaft dieser Reihe, Aufgaben nach eigenem Gutdünken zu lösen. Hier sind hingegen alle Aufgaben strikt in der vorgegebenen Reihenfolge abzuhandeln, Abweichungen sind an kaum einer Stelle möglich. An manchen Punkten merkt man das übrigens sehr deutlich, beispielsweise, wenn ein Kraftfeld durch einen Zauber aufgehoben werden muss, den man aber erst sehr viel später im Spiel bekommt. Ich vermute, aufgrund der hohen Komplexität der Handlung war das anders kaum möglich; dennoch empfinde ich es als schade, dass ein so großes Stück Freiheit aufgegeben wurde.
- Weitere Problem(chen). Man kann es sich denken: Weil sich die Engine nicht geändert hat, hat auch „Serpent Isle“ mit einem aus heutiger Sicht umständlichen Dialogsystem und fehlenden Komfortunktionen (die Automap vermisst man schmerzlichst!) zu kämpfen. Und, ja, es bleibt weiterhin ein großer Kritikpunkt: Die Charaktere müssen nach wie vor essen, gefühlt noch öfter, als im Vorgänger. Ich kann gar nicht sagen, wie sehr das an den Nerven zerrt. Mir ist diesmal übrigens sogar einmal die gesamte Party verhungert: Betritt man früh im Spiel das Gebiet der Erweiterung „The Silver Seed“, um wenigstens den Schlüsselring, der so vieles erleichtert, zu bekommen, ist man sieben Spieltage dort gefangen. Es gibt zwar ein wenig Proviant zu finden, bei mir hat der aber nicht gereicht, um meine Charaktere eine Woche lang bei Gesundheit zu halten (und den Zauber Create Food hatte ich noch nicht). Tipp also an dieser Stelle: Wer zum ersten Mal die Erweiterung anspielt, sollte unbedingt genug zu Beißen in den Rucksäcken haben…
Fazit.
Meiner Ansicht nach ist „Serpent Isle“ ein gutes Spiel, das definitiv Potenzial zu noch höheren Weihen gehabt hätte. Dafür hätte es vermutlich „nur“ ein paar Monate länger in Entwicklung sein müssen, wobei es natürlich müßig ist, darüber zu diskutieren, ob das wirklich zu einer besseren Version geführt hätte. Dass es bis heute im Schatten seines Vorgängers steht, der nach wie vor als bestes „Ultima“ aller Zeiten gilt, hat meines Erachtens vor allem einen Grund: „The Black Gate“ war ein sehr balanciertes Erlebnis, bei dem typische Rollenspiel-Elemente wie Kampf, Magie, Charaktersystem, Dialoge und Rätsel zumeist gut aufeinander abgestimmt waren. Ich weiß, ich weiß, Teile davon kritisiere ich in meiner Rezension, was aber vor allem mi dem generell hohen Niveau der „Ultima“-Serie zu tun hat. „Serpent Isle“ schafft diese Balance generell nicht so gut, weil es den Fokus sehr stark in Richtung Erzählung verschiebt. Die anderen Aspekte sind da, sie entsprechen ungefähr dem, was „The Black Gate“ in diesem Zusammenhang bietet – und doch scheinen sie hier maximal Beiwerk zu sein.
Unterm Strich bleibt der Eindruck, „Serpent Isle“ wäre überambitioniert: Die Geschichte ist episch und wird in aller Breite erzählt, für das Drumherum, das für Rollenspieler:innen halt auch sehr wichtig ist, war im Gegenzug nicht mehr viel Platz. Das führt zu einem echten Paradoxon: „Serpent Isle“ sieht aus wie „The Black Gate“, spielt sich aber grundlegend anders. Man könnte es vielleicht auch so sehen: Der Ausflug des Avatar auf die Schlangeninsel könnte ein früher Versuch gewesen zu sein, ein Abenteuer im Sinne heutiger Walking Simulator zu schaffen – alles ist komplett auf die Erzählung einer Geschichte ausgerichtet, der ganze Rest ist, wenn man gemein sein will, notwendiges Übel. Gut, ganz so krass ist es wirklich nicht, aber ein bisschen in diese Richtung scheint es mir schon zu gehen. Ob man das nun gut oder schlecht findet, sei dahingestellt – ich persönlich glaube, dass es durchaus seine Berechtigung hat, ein solches Spiel abzuliefern. „Serpent Isle“ war vielleicht eines der ersten dieser Art, dass die Formel da noch nicht ganz ausgereift war, sollte man ihm nicht vorhalten.
Mache ich auch nicht – und daher gibt es für dieses Spiel 5 von 7 Punkten, genau wie für seinen berühmten und überaus beliebten Vorgänger. Es hätte einer mehr sein können, wenn Origin das eine oder andere technische Zipperlein ausgebessert hätte.
Gesamteindruck: 5/7
Genre: Rollenspiel
Entwickler: Origin Systems
Publisher: Origin Systems
Jahr: 1993
Gespielt auf: PC
Screenshots aus „Ultima VII Part 2: Serpent Isle“ – Copyright beim Entwickler!