MusikWelt: British Lion

Steve Harris


Wirklich Weltklasse ist kein Stück auf „British Lion“. Dennoch ist die Scheibe eine durch und durch sympathische und ehrlich klingende Angelegenheit. Wer Metal will, wird hier aber definitiv nicht fündig. Ganz knappe fünf Punkte von mir – eine Wertung bei der zugegeben auch eine Menge Sympathie für unseren Mann durchklingt. Wer mit solchen Gefühlen nichts anfangen kann, muss einen Punkt abziehen. Besser als vieles, was im Rock-Bereich veröffentlicht wird, bleibt „British Lion“ dennoch.

Gesamteindruck: 5/7


Keine Perfektion und kein Metal, dafür erdiger, unpretentiöser Rock.

Für diese Platte gilt ein altes Klischee: Es ist alles eine Frage der Erwartungen. Viele haben im Vorfeld damit gerechnet, dass „British Lion“ in Ausrichtung und Qualität irgendetwas mit Iron Maiden zu tun hat. Dem ist nicht so; lediglich ganz leicht wirft das Flaggschiff der NWoBHM gelegentlich seinen Schatten auf das erste Solo-Projekt, von Band-Boss Steve Harris. Musikalisch orientiert sich „‚Arry“ vornehmlich an Heroen seiner eigenen Jugend, also erdigem Rock á lá UFO oder Thin Lizzy und punkigem wie The Who. Dass „British Lion“ überhaupt so stark mit dem sympathischen Bassisten und seinem Hauptbetätigungsfeld assoziiert wird, ist ohnehin ein zweischneidiges Schwert. Einerseits war das natürlich dem Bekanntheitsgrad und der Verbreitung der Debüt-Scheibe sehr zuträglich – weshalb wohl vor allem die Plattenfirma auf die Verwendung seines Namens bestand (ursprünglich war British Lion der Name der Band). Andererseits: Siehe oben – die Erwartungen, die das weckt, können praktisch nur enttäuscht werden. Zumindest für ein breiteres Publikum, wie diverse Rezensionen zeigen.

Die teilweise gnadenlosen Verrisse werden dem, was auf dieser Scheibe geboten wird, aber nicht gerecht. Im Gegenteil, Harris liefert mit seinen nicht mehr ganz jungen Mannen ein zwar keineswegs perfektes, aber doch angenehm zu hörendes Album ab. Bei den ersten Durchgängen merkt man davon allerdings tatsächlich nicht so viel, lediglich, dass das Ganze mehr dem Rock als dem Metal zuzuordnen ist, fällt sofort auf. Ein paar Stücke bleiben dann aber doch schnell hängen. „Lost Words“ ist musikalisch und textlich eher melancholisch und schafft es, beim Hörer eine Art verträumter Sehnsucht zu wecken. Der Schluss ist fast schon Singer/Songwriter-artig aufgebaut – insgesamt ein schönes, unaufdringliches Stück Musik. „Us Against The World“ lebt hingegen von seiner eingängigen Gesangsmelodie und ein paar beinahe schon verschüchtert wirkenden, Iron Maiden-mäßigen Gitarrenläufen. Ebenfalls sehr gelungen ist „The Chosen Ones“, bei dem überdeutlich die Zuneigung unseres Mannes für The Who zu hören ist. Um es direkt zu sagen: Dieser Song könnte locker als Titelmelodie für eine Serie aus dem „CSI“-Universum durchgehen; insbesondere „Won’t Get Fooled Again“ (CSI: Miami) dürfte hier Pate gestanden haben. Ansonsten bleibt noch der schöne, akustische Rausschmeißer „The Lesson“ zu erwähnen, eine völlig kitschfreie, mit Streichern und Piano unterlegte Ballade.

Die übrigen Songs fallen demgegenüber ein wenig ab. Immer noch im grünen Bereich sind das recht eingängige „A World Without Heaven“ und „These Are The Hands“. Beim Rest will auch nach zig Durchläufen der Funke nicht recht überspringen. Insbesondere der Opener „This Is My God“ kann mich persönlich überhaupt nicht überzeugen und ist dementsprechend schlecht platziert. Wirklichen Totalausfall gibt es zwar keinen auf „British Lion“, mehr als unterer Durchschnitt wird bei „Karma Killer“, dem nach Muse für Arme klingenden „Judas“ und dem symptomatisch betitelten, irgendwo zwischen Bon Jovi und Aerosmith verortbaren „Eyes Of The Young“ aber nicht geboten.

Größter Kritikpunkt für viele Hörer ist der Gesang, der – große Überraschung! – nicht nach Bruce Dickinson klingt. Tatsächlich fehlt Richard Taylor die Power seines Maiden-Pendants. Das Organ des Sängers klingt am ehesten ein wenig nach diversen Prog Rock-Bands, die größte Ähnlichkeit dürfte man bei Claudio Sanchez (Coheed And Cambria) finden, ohne dass Taylor dessen Variabilität erreicht. Insgesamt ist die Stimme sehr unaufdringlich und klingt angenehm – nicht mehr und nicht weniger; ein schlechter Sänger ist Richard Taylor jedenfalls nicht. In einer Metal-Band würde er wohl ohne Wenn und Aber untergehen, für „British Lion“ passt seine Stimme jedoch sehr gut.

Eine kritische Anmerkung muss aber trotz aller Sympathie gestattet sein: Wieso wurde der Bass derart Maiden-mäßig in den Vordergrund gemischt? Steve Harris hat natürlich seinen eigenen, „lauten“ Stil, aber dennoch wäre hier etwas mehr Zurückhaltung angebracht gewesen. So ist es natürlich schwer, als homogene, gleichberechtigte Band wahrgenommen zu werden, auch wenn Harris das in Interviews immer wieder betont hat.


Track – Titel – Länge – Wertung

  1. This Is My God – 4:57 – 2/7
  2. Lost Worlds – 4:58 – 6/7
  3. Karma Killer – 5:29 – 3/7
  4. Us Against The World – 4:12 – 6/7
  5. The Chosen Ones – 6:27 – 6/7
  6. A World Without Heaven – 7:02 – 5/7
  7. Judas – 4:58 – 3/7
  8. Eyes Of The Young – 5:25 – 3/7
  9. These Are The Hands – 4:28 – 5/7
  10. The Lesson – 4:15 – 5/7


Gesamteindruck: 5/7 


Steve Harris auf “British Lion” (2012):

  • Richard Tyler − Vocals
  • Steve Harris − Bass
  • David Hawkins – Guitar, Keyboards
  • Grahame Leslie − Guitar
  • Barry Fitzgibbon − Guitar
  • Simon Dawson − Drums
  • Ian Roberts − Drums
  • Richard Cook − Drums

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BuchWelt: „Millennium-Trilogie“ – Zusammenfassende Bewertung

Stieg Larsson


Nach den Einzel-Rezensionen zu „Verblendung“, „Verdammnis“ und „Vergebung“ ist an dieser Stelle ein kurzes Fazit über Stieg Larssons „Millennium-Trilogie“ als Ganzes angebracht – damit sich Neueinsteiger bereits vor dem Kauf des ersten Bandes ein Bild machen können.

Gesamteindruck: 5/7


Gut zu lesen, jedoch alles andere als perfekt.

Die Trilogie zu lesen benötigt im Endeffekt mehr Zeit, als man nach Band 1 annehmen möchte. Eine Vermutung ist, dass das Werk ursprünglich gar nicht als Trilogie bzw. Fortsetzungsgeschichte gedacht war – so würden sich zumindest Unterschiede im Erzähltempo zwischen den einzelnen Bänden erklären lassen. Der erste Teil ist wesentlich flüssiger und konsistenter geschrieben als beide Nachfolger, die mit seitenlangem Füllmaterial zu kämpfen haben, das streckenweise völlig überflüssig, andernorts einfach schwach geschrieben ist. Das bremst den Lesefluss gehörig ein und führt dazu, dass man zwischendurch genervt Querlesen möchte.

Wer sich mit dieser Problematik arrangieren kann, sieht sich mit einem weiteren Problem konfrontiert. In Band 1 gibt es nur Andeutungen davon, in Band 2 geht es dann aber mit „Superhelden-Fähigkeiten“ bei den Ermittlern, insbesondere bei Lisbeth Salander, los. Das ist teilweise ausgesprochen unglaubwürdig, speziell für eine an sich so ernsthafte und ernsthaft geschriebene Romanreihe. Auch muss Stieg Larsson ein wenig zu oft den Zufall bzw. eine Art „deus ex machina“ bemühen, um die Protagonisten auf die richtige Spur zu lotsen oder einer scheinbar ausweglosen Situation zu befreien.

Davon abgesehen ist die „Millennium-Trilogie“ eine gute, wenn auch nicht ausgezeichnete Thriller-Reihe. Mir persönlich sind die angesprochenen Mängel ein bisschen zu schwerwiegend für eine bessere Gesamtwertung. Die Filme habe ich in meiner Wertung übrigens bewusst völlig außen vor gelassen – zum Einen, weil ich nur Teile der schwedischen Verfilmung kenne, zum anderen, weil ich nicht der Ansicht bin, dass das eine etwas mit dem anderen zu tun hat.

Einzelwertungen:

  1. Verblendung: 4/7
  2. Verdammnis: 4/7
  3. Vergebung: 5/7

Gesamteindruck: 5/7


Autor: Stieg Larsson
Umfang: 3 Bände, ca. 2.300 Seiten
Originaltitel:
Män som hatar kvinnor / Flickan som lekte med elden / Luftslottet som sprängdes
Gelesene Sprache: Deutsch


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BuchWelt: Vergebung

Stieg Larsson


Trotz einiger Mängel ist „Vergebung“ durchaus lesenswert. Allein damit man – wenn man es bis zu Teil 3 der „Millennium-Trilogie“ geschafft hat – erfährt, wie alles ausgeht. Auch ist es ja nicht so, dass sich Stieg Larsson nicht auf gutes Schreiben versteht – er füllt nur einfach immer wieder Seiten mit langweiligem Material. Wenn man darüber hinwegsehen kann, erhält man mit „Vergebung“ einen guten, wenn auch nicht erstklassigen Thriller.

Gesamteindruck: 5/7


Furioses, oft konstruiert wirkendes Finale mit kleineren Längen.

„Vergebung“ ist das Finale der „Millennium-Trilogie“ des schwedischen Autors Stieg Larsson, der in diesem Buch versucht, die losen Enden der Vorgänger halbwegs brauchbar zusammenzuführen. Das gelingt ihm großteils gut, manchmal schießt er allerdings über das Ziel hinaus.

Zunächst fällt auf, dass sich ein großer Teil der Handlung in „Vergebung“ nicht auf die bisherigen Hauptpersonen Lisbeth Salander und Mikael Blomkvist konzentriert. Das Augenmerk wird viel stärker als noch in den Vorgängern auf deren Gegenspieler bzw. Verbündete gelegt. Prinzipiell fügt das der Trilogie sehr interessante Facetten hinzu, allerdings macht diese Ergänzung einige weitere, sehr langatmige Einführungen notwendig. Insbesondere was die anfangs noch sehr mysteriöse „Sektion“ betrifft, holt Larsson sehr weit in die schwedische Vergangenheit aus. Genaue Beschreibungen sind ja durchaus wünschenswert und löblich – es gelingt dem Autor aber wieder einmal nicht, die Exkurse wirklich spannend und interessant zu gestalten.

Überhaupt bezieht auch dieser Roman seine Spannung allein daraus, die Hauptpersonen bei ihren Ermittlungen zu beobachten. Und auch diesmal ist Lisbeth Salander der wesentlich interessantere, weil vielschichtigere und kontroversere Charakter als der langweilige und im Endeffekt auch unsympathisch wirkende Journalist. Dazwischen gibt es zwar auch lesenswerte Passagen – aber für einen Umfang von ca. 865 Seiten sind das einfach zu wenige. So wirkt alles unnötig in die Länge gezogen.

Davon unabhängig gibt es in „Vergebung“ ein Problem, das auch schon in „Verdammnis“ durchschimmerte: Einiges an der spannenden Kernhandlung wirkt sehr weit hergeholt bzw. konstruiert und unwahrscheinlich. Viel zu oft lässt Larsson den reinen Zufall ein Problem lösen. Das wirkt dann teilweise, als ob er gute Ideen nicht zu Ende gedacht hätte. Sehr schade – einige bis zu „Vergebung“ noch lose Handlungsstränge hätten durchaus bessere Lösungen verdient. Paradoxerweise ist aber gerade die Auflösung für meinen Geschmack zu hastig ausgefallen. Die Ereignisse überschlagen sich, es gibt mehrere Verhaftungen – und genau an dieser Stelle wären ein paar mehr Angaben über das Schicksal der Betroffenen wünschenswert gewesen.

Gesamteindruck: 5/7


Autor: Stieg Larsson
Originaltitel: Luftslottet som sprängdes.
Erstveröffentlichung: 2007
Umfang: 864 Seiten
Gelesene Sprache: Deutsch
Gelesene Version: Taschenbuch


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MusikWelt: Iron

Ensiferum


Das Zweitwerk der finnischen Band Ensiferum wird den hohen Erwartungen, die mit dem exzellenten Debüt „Ensiferum“ (2001) gesteckt wurden, aus meiner Sicht sehr gut gerecht. Da mir sowohl der Vorgänger als auch der Nachfolger „Victory Songs“ insgesamt eine Spur besser gefallen, „Iron“ aber alles andere als schlecht ist, vergebe ich hier gute sechs Punkte. Fans der Band und Freunde folkiger Melodien mit aggressivem Gesang können auf jeden Fall bedenkenlos zugreifen.

Gesamteindruck: 6/7


Zweitwerk, das die hohen Erwartungen erfüllt.

Von den zehn Songs, die uns Ensiferum auf „Iron“ kredenzen, sind zumindest sechs außerordentlich gut gelungen. Das Titelstück bietet beispielsweise eingängiges, markantes Riffing, das von fanfarenhaften Keyboards unterlegt ist, an deren Klang man sich allerdings erst einmal gewöhnen muss. Ist das passiert, wird man das Hauptthema kaum noch los – eignet sich auch sehr gut, um live („Tätätädä-Tätätädä!“) für Stimmung zu sorgen. „Into Battle“ ist hingegen die Fortführung des „Battle Song“, was leicht an der Ähnlichkeit in Namen und Text zu bemerken ist. Das Stück ist fast genauso gut gelungen wie der „Vorgänger“, hier hat man nichts anbrennen lassen. Interessant sind auch die beiden ruhigeren Lieder: „Lost In Despair“ ist eine klassische Ensiferum-Ballade mit rauem Klargesang, die auf einer Stufe mit „The Wanderer“ von „Victory Songs“ (2007) steht. „Tears“ ist eher ungewöhnlich – hier gibt es Frauengesang zu hören. Mutige Entscheidung, die sich lohnt – der Song passt zwar nicht ganz zum restlichen Material, gefällt aber ob seiner Außergewöhnlichkeit dennoch sehr gut. Ebenfalls stark: das sanft beginnende und sich danach immer mehr steigernde „LAI LAI HEI“, bei dem zum Teil auf Finnisch gesungen wird. Das alles wird lediglich von „Tale Of Revenge“ in den Schatten gestellt – eine echte Hymne mit unwiderstehlicher Keyboardmelodie und außergewöhnlicher Gesangslinie in der Bridge – exzellent umgesetzt und extrem eingängig, vereint das Stück alle Trademarks der Band in sich.

Unter den restlichen vier Songs befinden sich zwei Instrumentals, die ja immer Geschmacksache sind. Mir gefallen beide recht gut, unbedingt brauche ich solche Tracks aber nicht. Lediglich „Sword Chant“ (mit etwas merkwürdig klingendem Gesang) und „Slayer Of Light“ (trotz bretthartem, thrashigem Riff) fallen ein wenig ab, haben keinen allzu großen Widererkennungswert.


Track – Titel – Länge – Wertung

  1. Ferrum Aeternum – 3:28 – 5/7
  2. Iron – 3:53 – 6/7
  3. Sword Chant – 4:44 – 5/7
  4. Mourning Heart (Interlude) – 1:23 – 4/7
  5. Tale of Revenge – 4:30 – 7/7
  6. Lost in Despair – 5:37 – 7/7
  7. Slayer of Light – 3:10 – 5/7
  8. Into Battle – 5:52 – 6/7
  9. LAI LAI HEI – 7:15 – 7/7
  10. Tears – 3:20 – 7/7

Gesamteindruck: 6/7 


Ensiferum auf “Iron” (2004):

  • Jari Mäenpää – Vocals, Guitar
  • Markus Toivonen – Guitar, Vocals
  • Jukka-Pekka Miettinen – Bass
  • Oliver Fokin – Drums, Percussion
  • Meiju Enho – Keyboards
  • Kaisa Saari [Guest] – Vocals, Tin Whistles

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BuchWelt: Verdammnis

Stieg Larsson


„Verdammnis“ ist eines der Bücher, die man zwischendurch gelegentlich gerne wieder ins Regal stellen möchte – damit verpasst man aber den Zeitpunkt, an dem endlich einige Handlungsstränge geklärt werden. Die volle Punktzahl kann es für einen verhältnismäßig großen Anteil an Füllmaterial natürlich bei Weitem nicht geben, aber für gute vier Punkte reicht es. Sowohl der Vorgänger „Verblendung“ als auch der Nachfolger „Vergebung“ haben im Endeffekt wesentlich mehr zu bieten. Das Buch endet übrigens „mittendrin“, weiterlesen in „Vergebung“ ist also Pflicht. Der Cliffhanger macht alles andere so oder so nahezu unmöglich.

Gesamteindruck: 4/7


Schwächster Teil der „Millennium-Trilogie“.

Teil 1 der „Millennium-Trilogie“, „Verblendung“ ist ein guter, über weite Strecken ausgesprochen spannender Thriller. Zwar nicht absolute Spitzenklasse, aber doch weit über dem Durchschnitt. Dementsprechend groß waren meine Erwartungen an den Folgeroman „Verdammnis“. Um das Fazit gleich vorwegzunehmen: Ja, auch „Verdammnis“ ist spannend. Allerdings gibt es einige Einschränkungen, die ich so nicht erwartet hätte.

Was als erstes auffällt: Die Einführung war in „Verblendung“ zumindest teilweise langatmig und umständlich. In „Verdammnis“ ist sie schlicht langweilig. Spätestens, wenn der Autor beschreibt, welche Möbel sich Lisbeth Salander bei Ikea kauft, ist man versucht, zumindest quer zu lesen. Insgesamt dauert es diesmal mindestens 200 (gefühlt eher 400) Seiten, bis die Geschichte an Fahrt gewinnt. A pro pos Geschichte: Was Larsson dem Leser in „Verdammnis“ vorsetzt, scheint anfangs nicht der Rede wert zu sein. Natürlich ist das Thema Mädchenhandel ein ausgesprochen brisantes und tragisches Kapitel. Aber der Autor zieht diesen dünnen roten Faden bis weit über die Hälfte des Buches dermaßen in die Länge, dass man sich im Nachhinein tatsächlich fragt, womit die Seiten davor eigentlich gefüllt waren. Erst dann – um einen Ausdruck Larssons zu gebrauchen – „fallen die Puzzleteile an ihren Platz“ und das ganze Ausmaß der Geschichte beginnt sich zu erschließen. Wobei nach wie vor viele Fragezeichen bleiben; um alles zu erfahren, muss man schon auch „Vergebung“ lesen.

„Verdammnis“ hat ca. 770 Seiten und ist damit deutlich länger als „Verblendung“. Das ist prinzipiell natürlich kein Kritikpunkt, nur ist der Inhalt nicht durchgehend spannend. So richtig Fahrt nimmt die Geschichte erst im letzten Drittel auf und es wird tatsächlich ein Höchstmaß an Spannung geboten. Zu diesem (relativ spätem) Zeitpunkt zieht Larsson tatsächlich alle Register der Thriller-Kunst; es gibt Action, spannende und interessante Schlussfolgerungen und sogar die eine oder andere Überraschung. Plötzlich macht es auch wieder Spaß, die Figuren bei ihrem Bemühen, Licht in das Dickicht des Falles zu bringen, zu beobachten. Ganz zum Schluss übertreibt es der Autor mit den körperlichen Fähigkeiten seiner eigenwilligen Ermittlerin zwar etwas (um es deutlich zu sagen: so ein übertriebenes Superhelden-Finale hat man seit dem Dan Brown-Machwerk „Illuminati“ nicht gelesen) , aber das kann die Vorfreude auf den Abschluss der Trilogie kaum schmälern.

Gesamteindruck: 4/7


Autor: Stieg Larsson
Originaltitel: Flickan som lekte med elden.
Erstveröffentlichung: 2006
Umfang: 768 Seiten
Gelesene Sprache: Deutsch
Gelesene Version: Taschenbuch


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BuchWelt: Verblendung

Stieg Larsson


„Verblendung“ ist ein gutes, spannendes Buch – nicht mehr und nicht weniger. Über einige Unzulänglichkeiten kann man hinwegsehen, wenn man kein allzu strenger Leser ist. Die überschwänglichsten Bewertungen, die man im Internet sehr häufig findet, sollte man allerdings ignorieren – auch wenn das Buch keineswegs schlecht ist, der beste Thriller aller Zeiten ist es mit Sicherheit nicht.

Gesamteindruck: 4/7


Guter Thriller mit kleinen Schönheitsfehlern.

„Verblendung“ ist der erste Teil der zwischen 2005 und 2007 posthum (Autor Stieg Larsson starb 2004) veröffentlichten „Millennium-Trilogie“. Insbesondere durch zwei Verfilmungen (2009/Skandinavien, 2011/Hollywood) nahm der Hype um die schwedische Romanreihe geradezu gigantische Ausmaße an, was bei mir dazu geführt hat, erst einmal einen großen Bogen um die Bücher zu machen. Irgendwann hat mich dann aber doch die Neugier gepackt und ich wollte wissen, was es damit auf sich hat.

Unabhängig vom Bestseller-Status ist „Verblendung“ ein über weite Strecken spannendes, angenehm zu lesendes Werk. Um das zu entdecken gilt es allerdings, zunächst die ersten 100 bis 150 Seiten zu überstehen. Die Einführung in die Geschichte und die Vorstellung der Hauptpersonen nimmt viel Platz in Anspruch. Grundsätzlich lobenswert, allerdings liest sich das stellenweise doch sehr langatmig und holprig. Das hat auch damit zu tun, dass die Charaktere nicht so ausgefeilt sind, wie man es sich als Leser wünscht – fast alle Personen wirken wie Abziehbilder verschiedener Klischees. Die Handlung spielt in einer sehr großen und weit verzweigten Familie; entsprechend wurden alle Typen, die man so ähnlich aus Familienromanen und/oder Seifenopern kennt, eingebaut. Auch die beiden Ermittler, also die eigentlichen Hauptpersonen der „Millennium-Trilogie“, sind nicht so tiefgründig, wie gelegentlich suggeriert wird. Beide wirken stark überzeichnet. Während man das bei der wesentlich interessanteren Figur „Lisbeth Salander“ noch tolerieren kann, tut die Prinzipientreue des Journalisten „Mikael Blomkvist“ beinahe weh. Daran ändert sich leider bis zum Schluss nichts – Charakterentwicklung gibt es in „Verblendung“ keine.

Abgesehen von den sub-optimalen Figuren ist die eigentliche Handlung sehr spannend umgesetzt, sobald sie nach der Einführung an Fahrt aufnimmt. Das Buch startet als Geschichte über Wirtschaftskriminalität, ein Handlungsfaden, der aber relativ bald in den Hintergrund tritt und erst am Ende wieder aufgenommen wird. Den größten Teil des Romans nimmt die dazwischen liegende Detektivarbeit in einem Jahrzehnte zurückliegenden, mutmaßlichen Mordfall ein. Hier ist es so, dass die Ermittlungen und die teilweise unorthodoxen Methoden sehr detailliert und lebendig beschrieben werden. Einige Schlussfolgerungen der Helden erscheinen zwar relativ unglaubwürdig, aber auch daraus bezieht das Buch seine Spannung. Enttäuschend ist hingegen das Finale, das nach der so schön formulierten und beschriebenen Detektivarbeit ein wenig lieblos und überhastet wirkt. Dennoch – die Handlung ist im grünen Bereich. Vorwerfen muss sich der Autor lediglich lassen, dass es praktisch keine unerwarteten Wendungen gibt. Das ist schade, die Story hätte sicher einiges mehr an Überraschungen hergegeben.

Gesamteindruck: 4/7


Autor: Stieg Larsson
Originaltitel: Män som hatar kvinnor.
Erstveröffentlichung: 2005
Umfang: 687 Seiten
Gelesene Sprache: Deutsch
Gelesene Version: Taschenbuch


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MusikWelt: Rocket Ride

Edguy


In technischer Hinsicht kann und konnte man Edguy noch nie etwas vorwerfen. So auch auf „Rocket Ride“ (2006) nicht. Das Album bietet hervorragende Instrumentalarbeit und guten Gesang. Lediglich das kindische Covermotiv hätte man sich verkneifen sollen, aber letztlich kommt es natürlich auf die Musik an. Alles im grünen Bereich also? Mitnichten, denn – um ein altes Klischee zu verwenden – der Teufel steckt im Detail.

Gesamteindruck: 2/7


Handwerklich gut, insgesamt dennoch enttäuschend.

Lange, nämlich bis inklusive „Mandrake“ (2001), wurden von Edguy nur starke bis sehr starke Alben veröffentlicht. Auch „Hellfire Club“ (2004) war noch in Ordnung ist in meiner persönlichen Liste aber aus irgendeinem Grund so etwas wie „das vergessene Album“. Teilweise parallel dazu gab es 2001 bzw. 2002 mit „The Metal Opera Pt. I“ bzw. „Pt. II“ zwei sehr gute Avantasia-Platten, auf denen sich Mastermind Tobias Sammet von einer anderen Seite zeigen konnte, was ihm ebenfalls sehr gut gelungen ist. Und dann kam 2006 „Rocket Ride“ – meiner Meinung nach eine Zäsur, die – so zumindest mein persönlicher Eindruck – zeigt, dass diese Doppelgleisigkeit von Sammet auf Dauer nicht gut gehen konnte. Dieses Album stellt eine Wende im Schaffen von Edguy dar, die dazu geführt hat, dass die Unverwechselbarkeit der zwei Betätigungsfelder von Sammet stark eingeschränkt wurde. Ein Eindruck, der sich auf „Tinnitus Sanctus“ (2008) noch verstärken sollte. Zu beachten ist auch, dass all das in meinen Augen nicht an Edguy allein, sondern auch an der Ausrichtung von Avantasia ab „The Scarecrow“ (2008) liegt. Die Geraden, die bis dato parallel verliefen, näherten sich an, wenn man so will – mit dem Ergebnis, dass ich ab „Rocket Ride“ respektive „The Scarecrow“ bis dato (September 2015) mit beiden Bands nur mehr wenig anfangen kann.

Soviel zur Vorgeschichte, wie sie sich für mich als Musikliebhaber darstellt. Nun aber zu „Rocket Ride“. Das Songwriting ist auf diesem Album verhältnismäßig weit vom bis dahin gewohnten Edguy-Standard entfernt. Exzellent gelungene Songs gibt es in meinen Ohren eigentlich nur zwei: „Return To The Tribe“, das nach einigen Durchläufen richtig zündet und ein merkwürdig anmutendes, aber durchaus witziges „Solo“ (oder wie man das nennen will) aufweist, sowie die gleich darauf folgende Midtempo-Hymne „The Asylum“, die an alte Glanztaten denken lässt und ein ähnliches Gefühl erzeugt wie das thematisch ähnlich gelagerte „Welcome Home (Sanitarium)“ von Metallica. „The Asylum“ ist ein sehr detailliertes und ausgereift geschriebenes Lied, das sich schnell in den Gehörgängen festsetzt. Immerhin in Ordnung und damit auf dieser Platte über dem Durchschnitt sind die Edguy-typischen, recht gut ins Ohr gehenden Partykracher „Catch Of The Century“ und „Out Of Vogue“.

Leider muss an dieser Stelle mein Lob für „Rocket Ride“ enden. Der Rest der Platte bietet in meinen Ohren Stangenware und viel Durchschnitt. Es ist zwar alles recht gefällig und beinhaltet keinen Totalausfall (wenn man vom witzig gemeinten „Trinidad“ absieht, das aber letztlich noch mehr Geschmacksache als alles andere ist und bei mir einfach nicht ankommt), für eine Band mit dem Talent von Edguy ist das aus meiner Sicht aber zu wenig. Vor allem wenn man sich erinnert, welch hochklassige Alben die Truppe schon geschaffen hat. Neben „Trinidad“ finde ich besonders den Titeltrack und das schleppende „Matrix“ überflüssig und langweilig, auch nach mehreren Durchläufen wollen diese beiden Tracks nicht zünden. Ebenso geht es der Single-Auskopplung „Superheroes“, die einfach nicht in Fahrt kommt, aber zumindest live einigermaßen zu gefallen weiß. Oder „Wasted Time“, das seinem Namen alle Ehre macht – 10 Mal gehört und trotzdem weiß ich nicht, wie der Song klingt, gleiches gilt für die Pflicht-Ballade „Save Me“. Und leider ist auch das längste Stück auf „Rocket Ride“, der Opener „Sacrifice“ bestenfalls Durchschnitt, realistisch betrachtet aber einfach langweilig.

Insgesamt fehlt dem Album das berühmte und viel bemühte „gewisse Etwas“, ebenso geht die Eingängigkeit, die man sich bei Edguy wünscht, ab. Auch fehlt es bei der Produktion an „Wumms“, es ist auch an dieser Front alles mehr auf Rock und weniger auf Metal ausgerichtet – was dem Album ebenfalls nicht gut tut. Alles in allem verfolgt „Rocket Ride“ die vage auf dem Vorgänger „Hellfire Club“ (2004) angedeutete Richtungsänderung der Band weiter. Der Nachfolger „Tinnitus Sanctus“ (2008) vollendet diese Entwicklung und fällt – leider – genauso schwach aus; ich habe prinzipiell nichts gegen die eingeschlagene musikalische Richtung, wenn denn das Songwriting stimmen würde. Mehr als zwei Punkte für zwei starke Songs sind hier aber einfach nicht drin.


Track – Titel – Länge – Wertung

  1. Sacrifice – 8:01 – 3/7
  2. Rocket Ride – 4:47 – 4/7
  3. Wasted Time – 5:48 – 2/7
  4. Matrix – 4:09 – 2/7
  5. Return To The Tribe – 6:06 – 5/7
  6. The Asylum − 7:38 − 6/7
  7. Save Me − 3:47 − 3/7
  8. Catch Of The Century − 4:02 − 4/7
  9. Out Of Vogue − 4:36 − 4/7
  10. Superheroes − 3:19 − 3/7
  11. Trinidad – 3:28 – 2/7

Gesamteindruck: 2/7 


Edguy auf “Rocket Ride” (2006):

  • Tobias Sammett − Vocals
  • Jens Ludwig − Lead Guitar
  • Dirk Sauer − Rhythm Guitar
  • Tobias „Eggi“ Exxel − Bass
  • Felix Bohnke − Drums

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BuchWelt: Schlafes Bruder

Robert Schneider


„Schlafes Bruder“ hätte die Höchstwertung erhalten können. Aber: Robert Schneider entwickelt an mehreren Stellen im Buch eine Tendenz zu ausufernden Beschreibungen. Die Superlative und merkwürdigen Ausdrücke, in denen er versucht, die Musik seiner Hauptfigur in Worte umzusetzen, ist für mich schlicht unlesbar. Ganze Abschnitte werden zu langwierigen und -weiligen Passagen über die Kunst einzelner Partituren und des Orgelspiels im Allgemeinen. Es ist schon klar, dass der Autor das besondere Talent seines Hauptcharakters herauszustellen versucht, was ihm auch gelingt. Er übertreibt es nur leider, sodass einige Passagen zum Querlesen einladen. Ohne diese Problematik hätte es die volle Punktzahl geben können.

Gesamteindruck: 6/7


Wortgewaltige Geschichte über unentdecktes Wunderkind.

Zunächst muss man konstatieren: „Schlafes Bruder“ hat tatsächlich – wie gelegentlich von Lesern angemerkt wird – eine gewisse Ähnlichkeit zum 1985 erschienen Roman Das Parfum (Patrick Süskind). Hier wie dort gibt es ein in seiner Kindheit unerkanntes Genie, das aufgrund seiner besonderen Begabungen unter seiner archaischen Umgebung leiden muss. Auch unerfüllte Liebe und der Versuch, aus dem engen Milieu auszubrechen, spielen in beiden Romanen eine Rolle.

Dennoch kann „Schlafes Bruder“ sehr gut für sich bestehen. „Das Parfum“ ist brutaler, direkter, handlungsintensiver, während „Schlafes Bruder“ düsterer und abstrakter daherkommt. Robert Schneider gelingt es, in einer altmodisch eingefärbten Sprache mit zahlreichen quasi-dialektischen Elementen, die Lebensumstände seines (Anti-)Helden ausgesprochen realitätsnah zu beschreiben. Das Umfeld von Tradition, Armut, Inzest und ungebildeten Bauern, in das der Autor seine Figuren setzt, wird bedrückend realistisch dargestellt. Die Betroffenheit steigert sich noch durch eine Art „Wir-Gefühl“ zwischen Erzähler und Leser, das Schneider durch geschickte Hinweise schafft und das zusätzlich das Gefühl erzeugt, eine vollkommen reale Geschichte zu lesen. Geschrieben ist „Schlafes Bruder“ sehr flüssig, das Buch ist (zumindest großteils) schnell und einfach zu lesen.

Gesamteindruck: 6/7


Autor: Robert Schneider
Originaltitel: Schlafes Bruder.
Erstveröffentlichung: 1992
Umfang: 204 Seiten
Gelesene Sprache: Deutsch
Gelesene Version: Taschenbuch


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FilmWelt: Tremors

Dieser Film mit Kevin Bacon und Fred Ward verdient das Prädikat „Kult“. Ich hatte ihn bereits vor rund 20 Jahren im TV gesehen und auf Video aufgenommen – diese Kassette habe ich mir so oft wie kaum eine andere angesehen. Da eine solche Aufnahme natürlich nicht das Gelbe vom Ei ist (vor allem mit Werbepausen) bin ich froh, dass es den Film inzwischen auch auf DVD gibt.

Gesamteindruck: 7/7


Super Persiflage auf das Monster-Horror-Genre.

Wer hier einen „ernsten“ Horrorfilm (was immer das auch sein mag…) erwartet, wird maßlos enttäuscht sein. Wir haben es hier mit einer Persiflage auf das Monster-Horror-Genre zu tun, die ihresgleichen sucht, allein schon der unsägliche deutsche Titel („Im Land der Raketenwürmer“, anyone?) weist unmissverständlich darauf hin. Vor allem der gewaltige Wortwitz zwischen den beiden Hauptdarstellern (Ward und Bacon als „Spezialarbeiter“, d. h. zwei Typen, die um über die Runden zu kommen jede Arbeit machen, die gerade so anfällt) macht die „Raketenwürmer“ so sehenswert. Die Dialoge sind wirklich witzig, dabei jedoch weit vom unfreiwilligen (?) Humor vieler B-Horror-Streifen wie „Braindead“ und Konsorten entfernt.

Die Spezialeffekte (wenn man die Würmer überhaupt so nennen will), waren wohl auch 1990 nicht mehr akzeptabel, fügen sich aber perfekt ins satirische Gesamtbild ein. Aus heutiger Sicht ist es geradezu erfrischend, nicht vom Computer animierte, unförmige Monster zu sehen, sondern etwas, das offenbar aus Leder und Gummi zusammengebastelt wurde. Die schauspielerische Leistung ist auch neben Ward und Bacon alles andere als schlecht – die weitgehend unbekannte Truppe liefert sogar sehr gute Arbeit ab und verkörpert die klischeebeladenen, amerikanische Wüsten-Kleinstadtbewohner hervorragend.

Alles in allem ein Film, den Fans der gepflegten Satire unbedingt gesehen haben müssen.

Gesamteindruck: 7/7


Originaltitel: Tremors
Regie: Ron Underwood
Jahr: 1990
Land: USA
Laufzeit: 92 Minuten
Besetzung (Auswahl): Kevin Bacon, Fred Ward, Finn Carter, Victor Wong


Filmvorschau (Englisch)


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BuchWelt: Die Kriegsmeute

Michael Moorcock


Insgesamt ist „Die Kriegsmeute“ eine durchaus lesenswerte Geschichte, der zu einer besseren Punktezahl eigentlich nur ein schlüssigeres Finale fehlt.

Gesamteindruck: 5/7


Philosophisch angehauchte Suche nach dem Gral.

In „Die Kriegsmeute“ (im englischen Original wesentlich treffender „The War Hound and the World’s Pain“ betitelt) schickt Michael Moorcock ein Mitglied der bei ihm immer wieder vorkommenden Familie von Bek mitten in den Wirren des 30-jährigen Krieges auf die Suche nach dem Heiligen Gral. Diese Art von Abenteuergeschichte ist zwar grundsätzlich nicht neu, jedoch schafft es der britische Kult-Autor gekonnt, dem Themenkomplex seinen eigenen Stempel aufzudrücken.

Dabei spielt nicht nur die Handlung selbst in zwei Welten, auch die Erzählweise ist ähnlich strukturiert. Zum einen gibt es die eigentliche Jagd nach dem Gral, die sich als abenteuerlich, von überraschenden Wendungen durchzogen, immer unterhaltsam und spannend, manchmal sogar humorvoll, präsentiert. Sehr gut gelungen (auch in der deutschen Übersetzung, das Original kenne ich nicht) ist auch die Sprache des Antihelden Ulrich von Bek. Hier fühlt man sich direkt ins 17. Jahrhundert versetzt. Die Landschaftsbeschreibungen sind eher knapp, aber ausreichend, vor allem Moorcocks Zeichnung des vom langen Krieg verwüsteten Deutschlands wirkt sehr gekonnt.

Die zweite Ebene besteht aus philosophischen Betrachtungsweisen. Hier versucht der Autor die Ursachen des Leides der Welt und mögliche Wege, es zu beenden aufzuzeigen. Diese Ansichten sind teilweise allerdings so abstrakt ausgefallen, dass man den Ansätzen kaum folgen kann. Besonders deutlich wird das gegen Ende des Buches, die dort abgegebenen Erklärungen und Auflösungen wirken weit hergeholt und schwer verständlich. Grundproblem dabei ist, dass – zumindest mir – nicht ganz klar wird, wieso der Held eigentlich auf sein Abenteuer geschickt wurde. Eine richtige Lösung für das Dilemma gibt es leider nicht.

Gesamteindruck: 5/7


Autor: Michael Moorcock
Originaltitel: The War Hound and the World’s Pain.
Erstveröffentlichung: 1981
Umfang: 265 Seiten
Gelesene Sprache: Deutsch
Gelesene Version: Taschenbuch (vergriffen)


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