Edguy
In technischer Hinsicht kann und konnte man Edguy noch nie etwas vorwerfen. So auch auf „Rocket Ride“ (2006) nicht. Das Album bietet hervorragende Instrumentalarbeit und guten Gesang. Lediglich das kindische Covermotiv hätte man sich verkneifen sollen, aber letztlich kommt es natürlich auf die Musik an. Alles im grünen Bereich also? Mitnichten, denn – um ein altes Klischee zu verwenden – der Teufel steckt im Detail.
Gesamteindruck: 2/7
Handwerklich gut, insgesamt dennoch enttäuschend.
Lange, nämlich bis inklusive „Mandrake“ (2001), wurden von Edguy nur starke bis sehr starke Alben veröffentlicht. Auch „Hellfire Club“ (2004) war noch in Ordnung ist in meiner persönlichen Liste aber aus irgendeinem Grund so etwas wie „das vergessene Album“. Teilweise parallel dazu gab es 2001 bzw. 2002 mit „The Metal Opera Pt. I“ bzw. „Pt. II“ zwei sehr gute Avantasia-Platten, auf denen sich Mastermind Tobias Sammet von einer anderen Seite zeigen konnte, was ihm ebenfalls sehr gut gelungen ist. Und dann kam 2006 „Rocket Ride“ – meiner Meinung nach eine Zäsur, die – so zumindest mein persönlicher Eindruck – zeigt, dass diese Doppelgleisigkeit von Sammet auf Dauer nicht gut gehen konnte. Dieses Album stellt eine Wende im Schaffen von Edguy dar, die dazu geführt hat, dass die Unverwechselbarkeit der zwei Betätigungsfelder von Sammet stark eingeschränkt wurde. Ein Eindruck, der sich auf „Tinnitus Sanctus“ (2008) noch verstärken sollte. Zu beachten ist auch, dass all das in meinen Augen nicht an Edguy allein, sondern auch an der Ausrichtung von Avantasia ab „The Scarecrow“ (2008) liegt. Die Geraden, die bis dato parallel verliefen, näherten sich an, wenn man so will – mit dem Ergebnis, dass ich ab „Rocket Ride“ respektive „The Scarecrow“ bis dato (September 2015) mit beiden Bands nur mehr wenig anfangen kann.
Soviel zur Vorgeschichte, wie sie sich für mich als Musikliebhaber darstellt. Nun aber zu „Rocket Ride“. Das Songwriting ist auf diesem Album verhältnismäßig weit vom bis dahin gewohnten Edguy-Standard entfernt. Exzellent gelungene Songs gibt es in meinen Ohren eigentlich nur zwei: „Return To The Tribe“, das nach einigen Durchläufen richtig zündet und ein merkwürdig anmutendes, aber durchaus witziges „Solo“ (oder wie man das nennen will) aufweist, sowie die gleich darauf folgende Midtempo-Hymne „The Asylum“, die an alte Glanztaten denken lässt und ein ähnliches Gefühl erzeugt wie das thematisch ähnlich gelagerte „Welcome Home (Sanitarium)“ von Metallica. „The Asylum“ ist ein sehr detailliertes und ausgereift geschriebenes Lied, das sich schnell in den Gehörgängen festsetzt. Immerhin in Ordnung und damit auf dieser Platte über dem Durchschnitt sind die Edguy-typischen, recht gut ins Ohr gehenden Partykracher „Catch Of The Century“ und „Out Of Vogue“.
Leider muss an dieser Stelle mein Lob für „Rocket Ride“ enden. Der Rest der Platte bietet in meinen Ohren Stangenware und viel Durchschnitt. Es ist zwar alles recht gefällig und beinhaltet keinen Totalausfall (wenn man vom witzig gemeinten „Trinidad“ absieht, das aber letztlich noch mehr Geschmacksache als alles andere ist und bei mir einfach nicht ankommt), für eine Band mit dem Talent von Edguy ist das aus meiner Sicht aber zu wenig. Vor allem wenn man sich erinnert, welch hochklassige Alben die Truppe schon geschaffen hat. Neben „Trinidad“ finde ich besonders den Titeltrack und das schleppende „Matrix“ überflüssig und langweilig, auch nach mehreren Durchläufen wollen diese beiden Tracks nicht zünden. Ebenso geht es der Single-Auskopplung „Superheroes“, die einfach nicht in Fahrt kommt, aber zumindest live einigermaßen zu gefallen weiß. Oder „Wasted Time“, das seinem Namen alle Ehre macht – 10 Mal gehört und trotzdem weiß ich nicht, wie der Song klingt, gleiches gilt für die Pflicht-Ballade „Save Me“. Und leider ist auch das längste Stück auf „Rocket Ride“, der Opener „Sacrifice“ bestenfalls Durchschnitt, realistisch betrachtet aber einfach langweilig.
Insgesamt fehlt dem Album das berühmte und viel bemühte „gewisse Etwas“, ebenso geht die Eingängigkeit, die man sich bei Edguy wünscht, ab. Auch fehlt es bei der Produktion an „Wumms“, es ist auch an dieser Front alles mehr auf Rock und weniger auf Metal ausgerichtet – was dem Album ebenfalls nicht gut tut. Alles in allem verfolgt „Rocket Ride“ die vage auf dem Vorgänger „Hellfire Club“ (2004) angedeutete Richtungsänderung der Band weiter. Der Nachfolger „Tinnitus Sanctus“ (2008) vollendet diese Entwicklung und fällt – leider – genauso schwach aus; ich habe prinzipiell nichts gegen die eingeschlagene musikalische Richtung, wenn denn das Songwriting stimmen würde. Mehr als zwei Punkte für zwei starke Songs sind hier aber einfach nicht drin.
Track – Titel – Länge – Wertung
- Sacrifice – 8:01 – 3/7
- Rocket Ride – 4:47 – 4/7
- Wasted Time – 5:48 – 2/7
- Matrix – 4:09 – 2/7
- Return To The Tribe – 6:06 – 5/7
- The Asylum − 7:38 − 6/7
- Save Me − 3:47 − 3/7
- Catch Of The Century − 4:02 − 4/7
- Out Of Vogue − 4:36 − 4/7
- Superheroes − 3:19 − 3/7
- Trinidad – 3:28 – 2/7
Gesamteindruck: 2/7
Edguy auf “Rocket Ride” (2006):
- Tobias Sammett − Vocals
- Jens Ludwig − Lead Guitar
- Dirk Sauer − Rhythm Guitar
- Tobias „Eggi“ Exxel − Bass
- Felix Bohnke − Drums
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