FilmWelt: Sieben

Das Jahr 2017. Mittlerweile hat man alle möglichen und unmöglichen Dinge in Filmen gesehen. Es gibt jede Menge Material, das in eine ähnliche Kerbe wie „Sieben“ haut. Und genau jetzt tauchte der Film, der in meiner Erinnerung immer als Meisterwerk abgeheftet war, in den Empfehlungen des Streaming-Dienstes meiner Wahl auf. Grund genug, mal wieder bewusst reinzusehen, erstmals seit vielen, vielen Jahren.

Gesamteindruck: 6/7


Gut gealterter Psychothriller.

Erinnerungen täuschen gerne mal. „Sieben“ habe ich erstmals kurz nach seinem Erscheinen im Jahr 1995 gesehen, ich denke es wird ein Jahr später gewesen sein, als der Film erstmals im Free TV gelaufen ist. Seither immer mal wieder im Programm, habe ich eigentlich nie mehr eingeschalten, zumindest nicht über die volle Länge. Dabei kam mir „Sieben“ beim ersten Ansehen vor gut 20 Jahren wie ein absolutes Meisterwerk vor. Das kann verschiedene Gründe haben – für mich war der Film damals definitiv etwas vollkommen Neuartiges. Optik und Atmosphäre, Machart, Drehbuch, Schauspieler und auch die für einen Hollywood-Film geradezu unglaubliche Härte in manchen Szenen hatte ich so noch nicht erlebt. „Sieben“ war somit der erste Film seiner Art, zumindest in meiner Wahrnehmung.

Aus heutiger Sicht kann man sagen, dass der Film um den Serienkiller, der sich an den Sieben Todsünden orientiert, außergewöhnlich gut gealtert ist. Die Bilder suchen nach wie vor ihresgleichen, man kann im Endeffekt tatsächlich von einem Kunstwerk sprechen. Die dadurch erzeugte Atmosphäre, die in einem ewig verregneten Moloch agierenden Ermittler – das alles hat etwas vom film noir. Dazu kann man Regisseur David Fincher nur gratulieren, speziell das Spiel mit den Farben ist einzigartig und erzeugt einen solch abgrundtiefen Pessimismus, wie man ihn selten in einem Blockbuster sieht. An alledem gab es 1995 nichts auszusetzen und daran hat sich bis heute nichts geändert.

Gleiches gilt für die Hauptdarsteller. Morgan Freeman (als desillusionierter, im Grunde seines Herzens aber gutmütiger Cop kurz vor der Pension) und Brad Pitt (als dessen ehrgeiziger Nachfolger) ergänzen sich ganz wunderbar. Vor allem das Spiel des damals noch sehr jung wirkenden Pitt kann an der Seite des erfahrenen Freeman voll und ganz überzeugen, speziell in der intensiven Schlussszene. Kevin Spacey als Bösewicht tritt über weite Strecken des Films nicht in Erscheinung, wenn er dann endlich auftaucht, macht er seine Sache solide. Ganz glaubwürdig scheint es mir aber nicht zu sein, wie er die Polizei zum Narren hält, was aber weniger am Schauspieler liegt, sondern an der mangelhaften Charakterzeichnung im Drehbuch. Bleibt Gwyneth Paltrow, als Polizistenfrau, deren Charakter ebenfalls nicht sonderlich Tiefgang aufweist – ihre Rolle ist wohl eher als dramaturgische Unterstützung gedacht gewesen. Das ist in Ordnung, allerdings übertreibt es Paltrow für mein Dafürhalten und legt mir etwas zu viel Theatralik in ihren Charakter.

All das sind allerdings keine Probleme, die „Sieben“ zu einem schwachen Film machen. Denn auch die Handlung passt, auch wenn sie – aus heutiger Sicht! – nicht sonderlich innovativ scheint. 1995 war das anders, zumindest für mich. Leider leistet sich das Drehbuch diverse Schwächen, über die ich damals in meiner ersten Begeisterung hinweggesehen habe, die ich heute aber doch recht deutlich empfinde. Die mangelnde Entwicklung der Charaktere habe ich angesprochen – das betrifft vor allem Serienkiller John Doe, über den man für meinen Geschmack viel zu wenig erfährt. Es ist und bleibt ein Rätsel, wie er es schafft, seine Taten langfristig dermaßen perfekt zu begehen und die „richtigen“ Spuren zu legen. An dieser Stelle hätte man sich dringend tiefgehendere Einblicke gewünscht. Stattdessen fokussiert sich der Film auf die Tätigkeiten der Ermittler, die aber immerhin mit ausreichend Persönlichkeit ausgestattet wurden.

Und so sind es letztlich diverse Unwahrscheinlichkeiten und wenig ausgearbeitet scheinende Handlungsstränge, die „Sieben“ den Status des Meisterwerkes verwehren. Natürlich ist das aus heutiger Sicht leicht gesagt – aber 90% aller „Criminal Minds“-Folgen zeigen die Ermittlungsarbeit ausgefeilter. Weil man aber nicht vergessen darf, dass es diese Serie und viele Filme ohne „Sieben“ in der Form vermutlich gar nicht geben würde, gibt es dennoch 6 Punkte. Nicht nur aus nostalgischen Gründen, sondern weil der Film atmosphärisch tatsächlich bis heute seinesgleichen sucht und durchaus als Pionier angesehen werden kann. Nicht perfekt, klar, aber dennoch wegweisend.

Gesamteindruck: 6/7


Originaltitel: Se7en
Regie: David Fincher
Jahr: 1995
Land: USA
Laufzeit: 127 Minuten
Besetzung (Auswahl): Morgan Freeman, Brad Pitt, Gwyneth Paltrow, Kevin Spacey, John C. McGinley, R. Lee Ermey, Richard Roundtree



 

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FilmWelt: Jurassic World

Wovon soll ein Film des „Jurassic Park“-Franchise handeln? Das ist natürlich eine rhetorische Frage, mehr als dass das Experiment schiefgeht und die Schöpfung sich gegen ihren Schöpfer wendet, ist noch niemandem dazu eingefallen. Was für Teil 1 (1993) neu, innovativ und grandios umgesetzt wurde, flachte ab Teil 2 (1997) zusehends ab und war spätestens ab da überdeutlich als Versuch, den Fans das Geld aus der Tasche zu ziehen, erkennbar. Teil 4 der Reihe macht es leider nicht besser. Es scheint, als ob dieser Stoff mittlerweile ausgedient hat.

Gesamteindruck: 2/7


Nur ein weiterer Sargnagel für eine Legende.

Der Weg zu „Jurassic World“ war lang und steinig. Ursprünglich hätte der 4. Teil der „Jurassic Park“-Saga bereits kurz nach seinem Vorgänger (2001) erscheinen sollen. Streitigkeiten („kreative Differenzen“, wie es so schön heißt), der Tod von „DinoPark“-Autor Michael Crichton (2008) und diverse andere Unwägbarkeiten (darunter der Verlust des gesamten Original-Casts aus Teil 1, der eigentlich angefragt worden war; einzige Ausnahme: BD „Dr. Wu“ Wong) verzögerten die Arbeiten am Film immer wieder. Schließlich war es aber doch so weit und 2015 schaffte die langerwartete Fortsetzung endlich den Sprung ins Kino.

Nach Genuss des Films muss man sich jedoch fragen, ob es nicht besser gewesen wäre, die Geschichte endgültig ruhen zu lassen. Tatsächlich ist „Jurassic World“ in meiner Wahrnehmung ein Film, der zeigt, dass es heute schwierig geworden ist, gehaltvolle Blockbuster zu machen. Oder ist das so gewünscht? Ich weiß es nicht. Und damit komme ich auf meine Eingangsfrage zurück: Was soll in einem Film aus diesem Franchise eigentlich passieren? Die Story scheint fix vorgegeben zu sein, Abweichungen sind offenbar nicht möglich. Zumindest war es in keinem der vier Teile anders. Das Problem liegt bei „Jurassic World“ aber tiefer – denn auch, wenn man akzeptiert, dass die Handlung sich nur um die Frage „Wie retten wir die Menschen vor den Dinos, die sich (schon wieder) anders verhalten, als gedacht?“ dreht, haben wir es hier einfach mit keinem guten Film zu tun.

Beginnen wir mit den Charakteren: Flach, flacher, am flachsten – die Personen, die im mittlerweile eröffneten Vergnügungspark werkeln, sind eine Schande für kantige, starke und perfekt ausgearbeitete Rollen wie Dr. Ian Malcolm oder John Hammond. Das gilt sowohl für die Helden als auch für die Verwaltungsmannschaft; lediglich zwei Charaktere haben mich einigermaßen überzeugt: Der schon genannte, erneut von BD Wong gespielte Genetiker Dr. Henry Wu, der als eiskalter Wissenschaftler sehr glaubwürdig agiert (leider aber nicht allzu oft im Bild ist) und der Leiter des Sicherheitsdienstes Vic Hoskins, dargestellt von Vincent D’Onofrio. Letzterer spielt seine Rolle gut, hat allerdings das Problem, dass ihm das Drehbuch eher dümmlich dastehen lässt. Ich meine: Dinosaurier zur militärischen Nutzung abrichten? Schlaue Idee, nach allem, was in den bisherigen Filmen passiert ist. Und was gibt es noch, was in keinem der bisherigen Filme fehlen durfte? Richtig, zwei nervende Kinder. Aber Schwamm drüber, das ist wohl ein notwendiges Übel. Leider, denn so wie die Handlung sich darstellt, wäre das auch ohne die beiden Brüder locker möglich gewesen – mehr als anwesend zu sein, machen die eh nicht. Identifikationsfläche? Fehlanzeige.

Inhaltlich ist es so, dass der Film der Thematik nichts Neues hinzufügen kann. Die Dinos befreien sich aus ihren Käfigen und fressen die Besucher – hätte man sich eigentlich denken können. Noch schlimmer ist aber, dass die Park-Betreiber noch naiver agieren, als sie es im ersten Teil tun. Schlauere, schnellere und größere Dinos zu züchten, die es in freier Wildbahn so nie gegeben hat, ist grundsätzlich eine dumme Idee. Für den Film ist es geradezu fatal, weil man merkt, dass der Indominus Rex letztlich nur eingebaut wurde, um einen neuen Antagonisten zu haben. Immerhin hat das der fiktive Park mit dem Film gemein – größer und böser ist halt nicht immer besser. Dafür erhält der Tyrannosaurus Rex nun endlich seine Rolle als Held in Form des deus-ex-machina, was ein bisschen lächerlich wirkt. Und auch die bisher so furchteinflößenden Velociraptoren sind mittlerweile zu Tieren verkommen, die man mit Klicker-Training unter Kontrolle bekommen kann. Eine gute Idee? Mitnichten, es ist einfach nur unfreiwillig komisch, wenn der Held auf seinem Motorrad, eskortiert von einem Rudel der schnellen Räuber, auf die Jagd geht.

Und doch, es gibt auch bei „Jurassic World“ Positives zu vermerken. Der Film hat mit seinen Vorgängern (nämlich mit allen!) gemein, dass die Dinosaurier-Action voll und ganz stimmt. Die Urzeitwesen sind nahezu perfekt in Szene gesetzt und sehen unglaublich realistisch aus. Interessanterweise ist hier der Unterschied zu den frühen 1990ern gar nicht so groß – ein schönes Zeichen dafür, wie gut „Jurassic Park“ eigentlich gealtert ist. Und: Die eine oder andere Anspielung auf das Original hat es dann doch noch in den Film geschafft. Das ist aber leider bei weitem nicht genug, um „Jurassic World“ zu einem wenigstens mittelmäßigen Film zu machen. Sehr traurig, wie hier eine Legende demontiert wurde. Aber das war ja eigentlich schon beim katastrophalen „Jurassic Park 3“ der Fall.

PS: „Jurassic World“ soll dabei nach aktuellem Stand den Auftakt einer neuen Trilogie bilden. Entsprechende Hinweise finden sich in zumindest einem Dialog. Das kann ja heiter werden…

Gesamteindruck: 2/7


Originaltitel: Jurassic World
Regie: Colin Teverow

Jahr: 2015
Land: USA
Laufzeit: 124 Minuten
Besetzung (Auswahl): Chris Pratt, Bryce Dallas Howard, Irrfan Khan, Vincent D’Onofrio, Ty Simpkins, Nick Robinson, BD Wong



 

FilmWelt: Last House on the Left

Remakes sind in Hollywood ja schon seit geraumer Zeit en vogue. Vermutlich ein Zeichen dafür, dass in der Traumfabrik die Ideen knapp werden. Oder dafür, dass man sich nach den Klassikern sehnt, sie aber gerne in zeitgemäßem Gewand sehen möchte. Ob „Das letzte Haus links“ (1972) von Horror-Spezialist Wes Craven († 2015) jemals ein Klassiker war, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich habe mir das Remake von 2009 (Regie: Dennis Iliadis) also gänzlich unvereingenommen angesehen. Vielleicht sollte ich das mit dem Original nachholen, denn die 2009er-Fassung ist alles andere als empfehlenswert.

Gesamteindruck: 2/7


Ein Klassiker auf brav gezogen.

Mein erster Gedanke nach dem Genuss von „Last House on the Left“ war: FSK 18? Echt? Gut, das kann man relativieren, als seit geraumer Zeit Volljähriger hat man halt schon vielfach härteren Stoff gesehen. Zwei, drei grausige Szenen sind zwar dabei (am Schlimmsten: das Richten einer gebrochenen Nase!), aber dass ein Film wie „Logan“ (2017) eine 16er-Freigabe bekommt, „Last House on the Left“ hingegen ab 18 sein soll, kommt mir wie ein schlechter Witz vor. Aber genug davon, für den erwachsenen Zuseher spielt es ohnehin keine Rolle. Es zeigt allerdings, dass ich den Film nicht aufgrund plakativer und sinnloser Gewalt eine schlechte Bewertung gebe, weil solche kaum vorhanden ist. Ironischerweise scheint genau das die Original-Version von 1972 ausgezeichnet und zu einem zumindest kleinen Klassiker gemacht zu haben.

Das Remake aus dem Jahr 2009 krankt meiner Ansicht nach jedenfalls gleich an mehreren Stellen. Da sind zunächst die Schauspieler bzw. die Charaktere, die allesamt blass und farblos bleiben. Die Dialoge wirken wahlweise dümmlich oder gezwungen. Dazu kommt, dass man ständig den Eindruck hat, dass die Figuren eigentlich eine Geschichte und Tiefgang haben sollten, was aber nicht richtig zur Geltung kommt. Es ist, als ob Teile der Charakterentwicklung einfach dem Rotstift zum Opfer gefallen wären. Symptomatisch die Szene, in der einer der Bösewichte die Familie sinngemäß „Wer zum Teufel seid ihr eigentlich?“ fragt. Eine gute Frage, wie ich finde, die Antwort bleibt man uns aber schuldig. Hat das vielleicht mit dem Original-Film zu tun? Ich weiß es nicht. Es würde aber auch nichts nutzen, wenn es so wäre, weil ein solches Remake ja auch für sich allein funktionieren sollte. Ob es im Übrigen versteckte oder offene Anspielungen auf die Craven-Verfilmung von 1972 gibt, kann ich natürlich nicht sagen.

Die Story mit ihrer Opfer-Täter-Umkehr ist grundsätzlich interessant, auch wenn man mittlerweile bereits ähnliche Filme gesehen hat. Das ändert leider nichts daran, dass dieser Film schlicht und ergreifend langweilig ist. Denn das Drehbuch kommt meines Erachtens viel zu behäbig daher – bis Regisseur Dennis Iliadis zur Sache kommt, gilt es, haufenweise langweiliges Bla Bla zu überstehen. Noch dazu hat „Last House on the Left“ das Manko, dass er nicht nur inhaltlich, sondern auch optisch sehr glatt gebügelt wirkt. Unheimlich oder gar verstörend ist hier nichts, sogar die typischen Kulissen, die bei ähnlich gelagerten Streifen immer schön versifft und ekelerregend sind, fehlen. Wer eine Inhaltsangabe des Originals liest, wird, auch ohne den Film gesehen zu haben, erkennen, dass Wes Craven damals wesentlich kompromissloser und dreckiger zu Werke gegangen ist. Das Remake wirkt dagegen wie ein 08/15-Slasher aus Hollywood: Bemüht, den Zuseher gelegentlich zu erschrecken, insgesamt aber einfach viel zu brav.

Und genau dieser letzte Punkt ist es, der für die niedrige Wertung sorgt. Nimmt man dem Stoff die absurde Brutalität, wird er zwar massentauglicher und weniger umstritten, ist letztlich aber nur mehr einer unter vielen. Viel schlimmer kann es dann eigentlich nicht kommen. All das gilt meines Erachtens unabhängig davon, ob man das Original kennt oder nur das Remake gesehen hat. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass Fans von Wes Craven noch einen Punkt abziehen. Eventuell sehe ich mir den 1972er-Film irgendwann einmal an – dann gibt es natürlich auch eine Rezension hier auf WeltenDing.

Gesamteindruck: 2/7


Originaltitel: The Last House on the Left
Regie: Dennis Iliadis
Jahr: 2009
Land: USA
Laufzeit: 110 Minuten
Besetzung (Auswahl): Sara Paxton, Tony Goldwyn, Monica Potter, Garret Dillahunt, Spencer Treat Clark, Aaron Paul



 

FilmWelt: Logan – The Wolverine

17 Jahre und 9 Filme – so lange bzw. oft hat der australische Schauspieler Hugh Jackman den Wolverine bisher verkörpert. Eine verdammt lange Zeit im schnelllebigen Film-Business. In „Logan“ gibt Jackman zum vermutlich letzten Mal den wortkargen Helden mit den Adamantium-Krallen und den beeindruckenden Fähigkeiten zur Selbstheilung. Das ist nur recht und billig – einerseits war Wolverine aufgrund seiner vielen Ecken und Kanten schon immer der interessanteste aller X-Men, andererseits IST Jackman Wolverine. „Logan“ ist der Abgesang auf diese Rolle und als solcher ein durchaus guter Film geworden. Kleine Schwächen gibt es, aber grundsätzlich hätte man sich kaum ein besseres Finale wünschen können.

Gesamteindruck: 6/7


Abgesang auf den widerwilligsten aller Superhelden.

Dass es ausgerechnet den nahezu unverwundbaren Wolverine so böse erwischt wie in „Logan – The Wolverine“ (der Originaltitel lautet schlicht und einfach „Logan“, was für mein Dafürhalten wesentlich besser den Kern des Films trifft), hätte kaum jemand für möglich gehalten. Aber es ist so – der Marvel-Film zeigt uns einen Mann, der kaum mehr an den wohl beliebtesten aller X-Men erinnert. In nicht allzu ferner Zukunft gehören Wolverine und Professor X (wie immer grandios gespielt von Patrick Stewart, der offenbar niemals älter wird und nach wie vor aussieht, wie Captain Picard in den 30 Jahre alten Folgen von „Star Trek – The Next Generation“) zu den letzten freien Mutanten, die X-Men scheinen nicht mehr zu existieren. Wobei frei ein sehr relativer Begriff ist – sie fristen ein trauriges Dasein in einem öden Versteck. Der mittlerweile trotz unnatürlich langer Lebensspanne mächtig in die Jahre gekommene Wolverine hat sogar noch weniger Heldenhaftes an sich hat, als zu seinen besten Zeiten, in denen er bei weitem kein strahlender Ritter war. Tatsächlich ist es dermaßen deprimierend, den an Alzheimer erkrankten Professor und seinen einstigen Schützling, der sich als Limousinen-Fahrer über Wasser hält, dessen Verletzungen nicht mehr richtig heilen und der nur mehr humpelnd durch die Szenen schleicht, zu beobachten, dass man den Film fast als reinrassiges Drama bezeichnen könnte.

Aber nur fast – denn im krassen Gegensatz zur Nachdenklichkeit vieler Szenen lässt Regisseur James Mangold seinen Wolverine dermaßen brutal von der Leine, wie man es noch in 10 Jahren X-Men auf der großen Leinwand noch nie gesehen hat. Der tragische, ständig unglaublich schlecht gelaunte Anti-Held schnetzelt sich durch seine Gegner, dass das Blut nur so spritzt. Arme und Beine werden abgetrennt, die berühmten Adamantium-Krallen bohren sich durch Körper, Schädel werden gespalten – dass dieser Film FSK 16 sein soll, scheint mir der blanke Hohn zu sein. Irgendwie aber auch realistisch – ich mein, der Typ hat 3 lange, rasiermesserscharfe Klingen an jeder Hand – wie soll das sonst aussehen, wenn er die als Waffe einsetzt? Tatsächlich erinnert das komplette Setting in weiten Teilen an einen der klassischen, blutigen Western von früher und hebt sich damit allein schon atmosphärisch stark vom üblichen Marvel-Blockbuster-Programm ab.

Inhaltlich gibt es auf den ersten Blick wenig Neues zu berichten. Einmal mehr versuchen Bösewichte, Mutanten zu fangen. Viel mehr gibt es dazu nicht zu sagen. All das passiert in den üblichen Action-Sequenzen inklusive Verfolgungsjagden, in denen die zahlenmäßig weit überlegenen und bestens ausgerüsteten Gegner es nicht schaffen, ihre Opfer zu schnappen. All das unterscheidet sich kaum bis gar nicht von dem, was man praktisch aus jedem X-Men-Film kennt. Was „Logan“ besser macht, sind letztlich die Nuancen. Allein, dass man sich traut, den großen Helden dermaßen verwundbar und angeschlagen darzustellen, sieht man nicht jeden Tag. Das allein ist schon harter Tobak und erzeugt eine sehr düstere Grundstimmung. In Kombination mit den brutalen Kämpfen, in denen weder der Hauptdarsteller, noch seine quasi-Tochter, die er nach einigem Hin & Her vor ihren Häschern retten möchte, geschont werden ist das schon ein sehr eigenes Gefühl, das beim Zuseher entsteht. Um es deutlich zu sagen: Derartig wuchtige und detaillierte Gewalt gegen Kinder, aber auch durch Kinder hat man in einem Hollywood-Blockbuster vermutlich noch nie gesehen.

Letztlich ist der Film – soviel kann man, denke ich verraten – als wohl endgültiger Abgesang auf Wolverine tatsächlich ein würdiges Ende für den Helden wider Willen. Ich denke, dass auch Hugh Jackman ganz froh darüber sein wird, wobei man ja nie ausschließen sollte, dass es noch ein Comeback geben könnte, das zeitlich vor „Logan“ spielt. Ich persönlich würde aber lieber sehen, wenn es das nun endgültig mit dem Jackman-Wolverine war. Seine Darstellung des „Vielfraßes“ (denn nichts Anderes heißt „Wolverine“ auf Deutsch) hat den Charakter geprägt, zumindest für diejenigen, die mit der Comic-Vorlage nicht so firm sind. Besser als Hugh Jackman es in „Logan“ macht, ist es meines Erachtens sowieso nicht möglich.

Ganz reicht es allerdings trotz aller positiven Aspekte nicht für die Höchstwertung und den Status als Meisterwerk. Dafür hat der Film auf 138 Minuten ein paar Längen zu viel. Es hätte für mein Dafürhalten nicht geschadet, die eine oder andere Action-Szene etwas zu straffen und auch manch ruhige Sequenz wirkt etwas gestreckt auf mich. Nicht ganz ausgereift auch die Darstellung der Gegenspieler, die nicht so viel Gefahr ausstrahlen, wie sie eigentlich sollten und letztlich nicht über die simple Schwarz-/Weiß-Schablone hinauskommen. Sehr schade, da hätte es sicher Möglichkeiten für mehr Tiefe gegeben, ohne die Fokusierung auf die Titelfigur (und dessen Schützling) aus den Augen zu verlieren. Noch besser wäre im Hinblick darauf natürlich gewesen, wenn man Liev „Sabretooth“ Schreiber als Erzfeind von Wolverine erneut an den Start gebracht hätte. Schade, dass man sich da nicht einig wurde.

Das ändert aber nichts daran, dass „Logan“ der beste Wolverine-Film ist, neben „X-Men“ (2000) der beste aus dem gesamten Franchise (alle Nachfolger werden ihrerseits von den 3 Filmen um Wolverine übertroffen) und der beste von Marvel seit Ewigkeiten. Solide 6 Punkte macht das alles in allem. An die „The Dark Night“-Reihe aus dem Hause DC kommt er zwar nicht ganz heran, „Logan“ ist von allen Marvel-Filmen aber bei weitem am nächsten dran.

(c) critic.de

Gesamteindruck: 6/7


Originaltitel: Logan
Regie: James Mangold
Jahr: 2017
Land: USA
Laufzeit: 138 Minuten
Besetzung (Auswahl): Hugh Jackman, Patrick Stewart, Dafne Keen, Boyd Holbrook, Richard E. Grant



 

BuchWelt: Kryson II – Diener des Dunklen Hirten

Bernd Rümmelein


„Diener des dunklen Hirten“ ist Band II des 6-bändigen Fantasy-Zyklus „Kryson“, geschrieben vom deutschen Autor Bernd Rümmelein. Auf WeltenDing werden nach und nach Rezensionen zu allen Bänden veröffentlicht, abschließend gibt es eine Gesamtbewertung des Zyklus. Wer eine Kaufempfehlung möchte, sollte also bis dahin warten.

Gesamteindruck (Band II): 5/7


Großartig – aber leider nicht von Anfang an.

Bereits bei Band I („Die Schlacht am Rayhin“) von Bernd Rümmeleins Geschichte um „Kryson“, die Welt der Gegensätze, gab es einige langwierige Passagen zu überstehen. Im Folgeband „Diener des Dunklen Hirten“ ist das nicht viel anders: Die ersten 200 Seiten sind langatmig und zäh. Nicht unbedingt langweilig, aber einfach nicht flüssig geschrieben, was umso mehr auffällt, wenn man gleich nach dem grandiosen Finale von Band I weiter liest. Diese ersten Seiten zu überstehen wird nicht jedem Leser gelingen. Wer es dennoch schafft, bekommt danach jedoch ein Werk zu lesen, dass seinem Vorgänger in praktisch allen Belangen überlegen ist. Denn in der Folge gelingt es dem Autor tatsächlich, die Spannung auf durchgängig sehr hohem Niveau zu halten. Das Buch aus der Hand zu legen wird im Laufe der Lektüre zunehmend zu einer Herausforderung für den Leser.

Rümmelein schafft es sogar, einige der bisherigen Kritikpunkte zu eliminieren. Die Figuren gewinnen in „Diener des dunklen Hirten“ dramatisch an Tiefe, es werden zusätzliche Völker und Personen eingeführt und die gesamte Welt wirkt deutlich belebter und glaubwürdiger. Auch die größere Hintergrundgeschichte, die in „Die Schlacht am Rayhin“ lediglich angedeutet und in Nuancen vorhanden war, nimmt an Fahrt auf und ist von einigen Wendungen durchzogen, die immer durchdacht und auf ein Ziel ausgerichtet wirken. Interessant auch, dass der Autor seine Figuren noch weniger schont als im nicht gerade zimperlichen Serien-Auftakt. Keiner der Helden und Bösewichte wird mit Samthandschuhen angefasst, eine extrem harte Gangart, die aber durchaus gefällt.

Was leider wieder zu kritisieren ist: Wiederholungen, Wiederholungen und… Wiederholungen. Es wurde in „Die Schlacht am Rayhin“ beispielsweise erklärt, was es mit dem Bluttrinker Quadalkar auf sich hat. Mehrfach. Darüber hat man sich geärgert und gehofft, dass das Thema damit erledigt sei. Dem ist leider nicht so, diese Geschichte kehrt in Varianten wieder. Und auch sonst gibt es immer wieder Dinge zu lesen, die man schon weiß. Sehr schade.

Das und das schwache erste Drittel wiegen so schwer, dass zwei Punkte abgezogen werden müssen. Sehr schade, vor allem auch, weil der Rest von „Diener des dunklen Hirten“ den Auftakt der „Kryson“-Reihe locker in die Tasche steckt.

Eine Gesamtwertung der Serie folgt nach Einzelbesprechungen zu allen Bänden.

Gesamteindruck (Band II): 5/7kryson2


Autor: Bernd Rümmelein
Originaltitel: Diener des Dunklen Hirten.
Erstveröffentlichung: 2009
Umfang: ca. 770 Seiten
Gelesene Sprache: Deutsch
Gelesene Version: Taschenbuch