SpielWelt: The Swindle

Geschockt starre ich auf den Bildschirm: „Flora Firebearer is deceased“ steht dort zu lesen. Meine treue Diebin mit den violetten Haaren, den Tattoos im Gesicht und einem dieser wunderbaren Namen, die das Spiel generiert, hat immerhin fünf Tage und ebenso viele erfolgreiche Raubzüge durchgehalten. Etwas, das weder ihrem Vorgänger Nat Forgestock noch ihrem Nachfolger Lew Huntington II vergönnt war, die jeweils an Tag 1 ihrer Arbeit das Leben lassen mussten. Und warum? Weil ich a) zu gierig war und b) im falschen Moment die Taste „A“ anstatt „D“ gedrückt habe, als es galt, eine Mine zu entschärfen. Herzlich willkommen zu einem ganz normalen Tag in „The Swindle“.

Gesamteindruck: 4/7


Leider überwiegt der Frust.

„The Swindle“ ist in einem Steampunk-London des 18. Jahrhunderts angesiedelt. Dampfbetriebene Roboter und Computer kurz vor dem Auseinanderfallen bestimmen das optisch vorwiegend in Brauntönen gehaltene Bild. Wer eine Ader für diesen Look hat, wird dem Spiel mit seiner liebevollen, handgezeichneten Grafik allein schon deshalb viel abgewinnen können – ich persönlich nehme mich da keineswegs aus. Dazu gehört auch die hervorragende Sound- und Musikkulisse, die sich ausgezeichnet ins Gesamtbild einfügt. Grafisch, atmosphärisch und soundtechnisch ist an „The Swindle“ also definitiv nichts auszusetzen, wovon man sich bspw. hier überzeugen kann.

Das Spielprinzip ist denkbar einfach: Der Spieler steuert einen Dieb, der in gut gesicherten Gebäuden auf Beutezug zu geht. Ultimatives Ziel ist es, bei Scotland Yard einzusteigen und die dort entwickelte künstliche Intelligenz, die künftige Diebestouren unmöglich macht, vor der Fertigstellung auszuschalten. Dafür steht ein Zeitrahmen von 100 Tagen (=Leben) zur Verfügung, wobei auch gelungene „Heists“ den Countdown um jeweils einen Tag reduzieren. Letztlich hat man also genau 100 „Spielzüge“, um das Ziel zu erreichen, auf dem Weg dorthin Geld zu sammeln und seinen Dieb zum perfekten Verbrecher hochzuzüchten. Aufgebaut sind die Touren immer gleich: Die Spielfigur wird vor einem Haus abgesetzt. Es gibt eine Vorder- und eine Hintertür, durch welche man tritt, ob man sich durch die Wand bombt oder eine Scheibe einschlägt, bleibt dem Spieler überlassen. Das Ganze spielt sich in der aus klassischen Jump n‘ Runs bekannten 2D-Ansicht ab, wobei es allerdings kein automatisches Scrollen gibt und der Spieler sich frei auf dem Bildschirm bewegen kann. Bewacht werden die Anwesen von allerlei Robotern und Fallen, die es zu vermeiden und/oder auszuschalten gilt. Bei manchen Gegnern hilft beispielsweise ein Schlag auf den Kopf, bei anderen muss man sich mehr vorsehen und manche Sicherheitsmaßnahme sollte man besser komplett umgehen.

Auf jeder Tour sammelt der Spieler Geld, mit dem man sich Upgrades kaufen kann, zum Beispiel verbesserte Sprungkraft, Werkzeuge zum Hacken von Computerterminals (die mehr Geld aufs Konto spülen), Bomben um Wege freizusprengen oder Anzeigeinstrumente, von denen ablesbar ist, wie viel Geld überhaupt noch im Haus ist. Es gibt eine Vielzahl an Fähigkeiten, die die diebische Arbeit entsprechend erleichtern – das ist auch notwendig, weil der Schwierigkeitsgrad steil ansteigt. Da jedes Gebäude nach dem Zufallsprinzip generiert wird, sind die Möglichkeiten schier endlos und es fällt weniger auf, dass der Spielverlauf immer ähnlich ist – genretypisch für die sogenannten Rogue-likes. Genau wie die Tatsache, dass der permanente Tod der Spielfigur praktisch zum Spielprinzip gehört. Jeder Fehltritt ist tödlich und hat das sofortige Ende des Raubzuges unter Verlust des aktuell gesammelten Geldes zur Folge. Ist der Dieb tot und es stehen weiterhin genügend Tage zur Verfügung, kann man sofort mit einer neuen Spielfigur weitermachen, die – immerhin ein Zugeständnis – die vorher erworbenen Upgrades behält. Dabei schlägt die eigene Gier dem Spieler immer wieder ein Schnippchen: Riskiere ich es, die vor mir liegende Mine zu entschärfen, um das dahinter sichtbare Geldbündel einzustreichen? Oder gebe ich mich mit dem zufrieden, was ich habe und bringe mich in Sicherheit? Diese Entscheidung bestimmt im Wesentlichen das Spielgeschehen und lässt einen immer wieder schier verzweifeln – siehe den Einleitungstext zu dieser Rezension – wenn der Dieb, zu dem man fast schon eine Beziehung aufgebaut hat, plötzlich das Zeitliche segnet.

All das klingt ja nicht schlecht, zumindest für jene, die grundsätzlich mit einem solchen Spielprinzip etwas anfangen können. Woran hapert es bei „The Swindle“ also? Warum gibt es im Vergleich zum recht ähnlich gelagerten „FTL“ keine bessere Wertung? Es sind im Wesentlichen drei Dinge, die das Steampunk-Abenteuer immer wieder am Spagat zwischen Lust und Frust scheitern lassen:

  • Steuerung: Ich weiß nicht, wie sich „The Swindle“ auf der Konsole spielt. Auf dem PC ist die Steuerung trotz einiger Möglichkeiten zur individuellen Belegung vor allem dazu geeignet, sich die Finger zu verknoten. Das führt einerseits dazu, dass man immer mal wieder den falschen Knopf drückt, was meist den Tod zur Folge hat. Andererseits passiert es wahnsinnig schnell, dass man beispielsweise zu weit oder zu kurz springt, was ebenso tödlich enden kann. Man muss letztlich sehr exakt arbeiten, was über die PC-Tastatur kaum funktioniert. So richtig flüssig und intuitiv will das Spiel daher nicht von der Hand gehen, was aber notwendig wäre. Denn man läuft ohnehin oft genug in Fallen und wird von Gegnern entdeckt, auch noch an der Belegung der Tastatur zu scheitern ist Frust pur.
  • Balancing: Natürlich ist man weder in diesem, noch in anderen Spielen zu Beginn mit Reichtum gesegnet. Hat man aber ein Spielprinzip, das den ständigen Tod der Spielfigur quasi billigend in Kauf nimmt, braucht es schon ganz besonders flotte Abläufe, um den  Gamer bei der Stange zu halten. In „The Swindle“ ist jedoch zu Beginn ewig langes Spielen notwendig, um sich die entscheidenden Upgrades leisten zu können. Und wehe, man macht dabei einen Fehler: Einmal falsch investiert, braucht man weitere (gefühlte) Ewigkeiten, um genug Geld für bessere Fähigkeiten zusammenzutragen. Damit hat man ständig das Gefühl, dass einem die Programmierer vorschreiben wollen, welche Upgrades man haben MUSS. Im Extremfall führt eine falsche Investition dazu, dass das Spiel aufgrund einer frühen Fehlentscheidung nicht mehr schaffbar ist, weil die Frist abläuft. Einen Hinweis darauf gibt es nicht – um herauszufinden, ob man es packt oder nicht, muss man bis zum bitteren Ende durchhalten (oder erfahren genug sein, um abschätzen zu können, wie lange man sich auf jeder der 6 Stufen, die es bis zum Finale gibt, aufhalten darf). Das fällt am Anfang, wenn alles noch neu ist, nicht so sehr ins Gewicht – spätestens nach dem 3. gescheiterten Versuch, das Endgame überhaupt zu erreichen (noch keine Rede von Schaffen), stellt sich dadurch der nackte Frust ein. Und sogar, wenn man es mal bis zum bockschweren Finale schafft: Dort einen Fehler zu machen ist ein unglaublicher Rückschlag – 400.000 Pfund kostet ein erneuter Versuch. Diese Summe zu sammeln benötigt wieder einige Tage, sodass man es pro Spieldurchgang kaum öfter als zwei Mal versuchen kann, Scotland Yard zu besiegen. Und dann wieder bei Tag 1 zu beginnen ist sehr anstrengend – ein knapperes Zeitlimit und dafür ein schnellere Ablauf hätten vermutlich Wunder gewirkt.
  • Leveldesign: Zufallsgenerierte Levels sind eine großartige Erfindung. In „The Swindle“ haben sie aber einen mächtigen Haken: Das Spiel nimmt keinerlei Rücksicht darauf, welche Fähigkeiten und Upgrades sich der Spieler gekauft hat. So steht man öfter als einem lieb sein kann vor unmöglichen Aufgaben und muss einen wertvollen Tag abschreiben. Beispielsweise hat man zu Beginn noch keine Bomben. Dem Spiel ist das egal und es baut trotzdem Korridore in die Anwesen ein, die man nur durch eine Sprengung erreichen kann. Die Folge: Bargeld bleibt liegen, ohne dass man als Räuber etwas dafür kann. Und auch später im Spiel sind einige Herausforderungen geradezu kindisch einfach, während andere trotz hochgezüchteter Spielfigur nicht schaffbar sind.

Schade drum, denn auch wenn man zu Beginn noch sehr viel Ehrgeiz entwickelt hätten die Diebestouren noch viel mehr Potential gehabt. Vermutlich hätte eine etwas flüssigere Steuerung schon für eine bessere Wertung gereicht. Wenn man sich leichter tun würde, schnelle und geradezu virtuose Raubzüge durchzuführen, würden auch der hohe Schwierigkeitsgrad und das ausbaufähige Balancing keine so große Rolle mehr  spielen. Wenn man aber zum 30. Mal die gesamte, mühevoll gesammelte Beute verliert, weil man eine Wand einen Millimeter zu tief hinuntergerutscht ist, ist man geneigt, das Spiel frustriert in die Ecke zu werfen. Was gar nicht so leicht ist, wenn man es wie ich auf gog.com käuflich erworben hat.

Leider überschreitet „The Swindle“ immer wieder recht deutlich die Frustgrenze, an der ein solches Spiel immer entlang schrammen muss – im Idealfall halt ohne in den jenseitigen Bereich zu rutschen. Aber nur rund 100 gelungene Raubzüge in über 700 Versuchen sprechen eine deutliche Sprache (diese Statistik blendet das Spiel aktuell bei mir am Startbildschirm ein). Gute 4 Punkte, weil das Spiel trotz alledem eine magische Anziehungskraft ausübt und man immer wieder versucht, es endlich einmal bis zu Endgame zu schaffen. Ich würde „The Swindle“ wahnsinnig gern noch lieber mögen, aber es fehlt einfach ein kleines bisschen Feintuning.

Gesamteindruck: 4/7


Genre: Jump n‘ Run, Stealth, Rogue-like, Geschicklichkeit
Entwickler: Size Five Games
Jahr: 2015
Gespielt auf: PC


 

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BuchWelt: Kryson IV – Das verlorene Volk

Bernd Rümmelein


„Das verlorene Volk“ ist Band IV des 6-bändigen Fantasy-Zyklus „Kryson“, geschrieben vom deutschen Autor Bernd Rümmelein. Auf WeltenDing werden nach und nach Rezensionen zu allen Bänden veröffentlicht, abschließend gibt es eine Gesamtbewertung des Zyklus. Wer eine Kaufempfehlung möchte, sollte also bis dahin warten.

Gesamteindruck (Band IV): 4/7


Hält das bisherige Niveau der „Kryson“-Reihe

Einmal mehr weckt der Titel eines „Kryson“-Buches Erwartungen. „Das verlorene Volk“ (gemeint sind die sagenumwobenen Nno-bei-Maya) kommt jedoch – wie es schon bei der „Schlacht am Rayhin“ in Band I war – nur sehr knapp zu Ehren. Immerhin kann man sich dann auch gleich vorstellen, wie es wohl in Band V („Das Buch der Macht“) sein wird. Das aber nur am Rande, der Inhalt ist ja wichtiger als der Titel. Und in diesem Bereich gelingt es Bernd Rümmelein einmal mehr, das gute Gesamt-Niveau über weite Strecken zu halten. Heißt: Auch „Das verlorene Volk“ kommt nicht ohne Längen aus, ist jedoch weit davon entfernt, ein schlechtes Buch zu sein. Zwar kein Meisterwerk (wie es auch seine Vorgänger nicht waren), aber dennoch spannend und und mit guten Ideen ausgestattet.

Interessant eigentlich, wie sehr sich die „Kryson“-Bände von der Qualität her gleichen. Trotz unterschiedlicher Handlung sind es jedes Mal die gleichen Punkte, die entweder kritisiert oder gelobt werden können. So hat auch „Das verlorene Volk“ mit zwei großen Schwächen zu kämpfen, die teilweise zusammen hängen: Lektorat und Sprache. Es ist einfach schade, dass es einerseits eine über das übliche Maß hinausgehende Zahl von Tipp- und Satzzeichenfehlern sowie Wortwiederholungen gibt, andererseits die sprachliche Gestaltung und Teile des Satzbaus eine Überarbeitung benötigt hätten. Solche Dinge wären ja eigentlich recht einfach zu beheben – mag sein, dass dem mittlerweile aufgelösten Verlag einfach das Geld fehlte, ändert aber nichts daran, dass so kein guter Eindruck beim Leser entsteht. Es gibt außerdem im gesamten Zyklus inhaltliche Ungenauigkeiten, die zum Teil bei den Beschreibungen von Figuren und Landschaften auffallen. All das ist auch in „Das verlorene Volk“ vorhanden und stört den Gesamteindruck.

Inhaltlich vermag der Autor seiner Reihe weitere neue Aspekte hinzuzufügen. Zur Erinnerung: Am Ende von Band III („Zeit der Dämmerung“) gab es ja einen Zeitsprung, der die Handlung viele Jahre in die Zukunft katapultierte. Das ermöglicht Rümmelein, schöne und friedvolle (aber für einen düsteren Fantasy-Roman auch langweilige) Zeiten zu überspringen und gleich wieder dort anzusetzen, wo es dramatisch wird. Letztlich trotz einiger Vorbehalte ein gelungenes Experiment, das man so in einer so dicht gepackten Reihe auch nicht oft zu lesen bekommen wird. Die größte Frage bei einem derartigen Kniff richtet sich nach der Charakterentwicklung – ist es überhaupt möglich, die Figuren Jahrzehnte in die Zukunft zu transportieren, in denen der Leser nichts von ihnen mitbekommt und trotzdem das Gefühl zu erzeugen, dass sie sich seit dem Band davor konstant weiterentwickelt haben? Ganz sauber und zufriedenstellend ist diese Kurve wohl kaum zu kriegen. Bernd Rümmelein schafft es jedoch einigermaßen, auch wenn einige Fragezeichen stehen bleiben (vor allem der Figur des Renlasol tut das Überspringen der Jahrzehnte nicht gut, aber auch den Personen, die am Ende von Band III noch Kinder waren; speziell bei Tomal fragt man sich zwangsläufig nach der Entwicklung seiner Persönlichkeit). Es braucht jedenfalls ein bisschen Zeit und ein paar Seiten, bis man sich damit abgefunden hat, dass alle Figuren wesentlich älter geworden sind und man als eigentlich allwissender Leser nicht bis kaum weiß, was ihnen in der Zwischenzeit widerfahren ist.

Abgesehen von diesen Unwägbarkeiten, die den Einen mehr, den Anderen weniger stören werden, gibt es an „Das verlorene Volk“ nicht viel auszusetzen. Bernd Rümmelein schildert die einmal mehr sehr düsteren und dramatischen Ereignisse, die Kryson heimsuchen, in schnell zu lesender, meist sehr spannender Art. Ein kleiner Nachteil, den dieses Buch seinen Vorgängern gegenüber hat, ist das Fehlen eines Höhepunktes. Zumindest für mein Gefühl – das Finale ist (ganz im Gegensatz zum Einstieg) weder aufschlussreich genug, noch lässt es einem den Atem stocken. Damit gibt es vier Punkte für „Das verlorene Volk“.

Eine Gesamtwertung der Serie folgt nach Einzelbesprechungen zu allen Bänden.

Gesamteindruck (Band IV): 4/7


Autor: Bernd Rümmelein
Originaltitel: Das verlorene Volk.
Erstveröffentlichung: 2010
Umfang: ca. 600 Seiten
Gelesene Sprache: Deutsch
Gelesene Version: Taschenbuch


 

BuchWelt: Kryson III – Zeit der Dämmerung

Bernd Rümmelein


„Zeit der Dämmerung“ ist Band III des 6-bändigen Fantasy-Zyklus „Kryson“, geschrieben vom deutschen Autor Bernd Rümmelein. Auf WeltenDing werden nach und nach Rezensionen zu allen Bänden veröffentlicht, abschließend gibt es eine Gesamtbewertung des Zyklus. Wer eine Kaufempfehlung möchte, sollte also bis dahin warten.

Gesamteindruck (Band III): 5/7


Der „Kryson“-Zyklus bleibt spannend.

Spätestens zur Hälfte des dritten Bandes von Bernd Rümmeleins „Kryson“-Zyklus wird klar, dass es nicht bei 3 Bänden bleiben kann. Die Handlungsstränge sind mittlerweile zu vielschichtig geworden und vieles ist nicht so, wie es am Anfang noch schien. Auch die Anzahl der für die Handlung wichtigen Charaktere hat sich bereits seit Band 2 erhöht – bleibt also zu hoffen, dass der Autor alle Figuren und losen Fäden zu einem guten Ende zusammenführen kann. Das ist zur „Zeit der Dämmerung“ allerdings noch Zukunftsmusik.

Handlungstechnisch gibt es in Band III der „Kryson“-Saga – vielleicht auch aufgrund der geringfügigen Erhöhung der Seitenzahl – einige kleinere Längen. Diese zu überwinden sollten jedoch für den interessierten Leser, der die Helden bis hierher begleitet hat, kein Problem darstellen. Im Großen und Ganzen kann auch dieses Buch stets begeistern – mit Action, unerwarteten Wendungen und einer Prise Humor. Grundsätzlich herrscht trotz einiger amüsanter Wortwechsel aber wieder die eher düstere Stimmung vor, die bereits die Vorgänger-Bände auszeichnete. Tatsächlich verschärft Rümmelein das Leiden, das einige seiner Figuren und dem Leser mittlerweile ans Herz gewachsenen Charaktere erdulden müssen, sogar noch einmal deutlich. Wer zart besaitet ist, wird aber ohnehin nicht so weit gekommen sein, alle anderen sollten mittlerweile wissen, welche Härte ihnen vom Autor zugemutet wird.

Interessant und vermutlich nicht nach jedermanns Geschmack ist der Kniff, den der Autor zum Ende hin anwendet: Eine Art Zeitsprung und ein abrupter Bruch innerhalb der sonst in sich sehr konsistenten Geschichte, der das eigentliche Finale des Bandes wie einen Fremdkörper wirken lässt. Ob diese Bruchstelle, die schließlich dazu führt, alles, was in den bisherigen drei Bänden passiert ist, wie Vorgeplänkel wirkt, gut für die Gesamthandlung ist, bleibt abzuwarten. Ein gelungener Cliffhanger ist es jedenfalls, wobei man sich fragen könnte, ob es vielleicht besser gewesen wäre, diesen Übergang an den Anfang von Band IV („Das verlorene Volk“) zu stellen. Wie auch immer: Man darf gespannt sein, wie es in Zukunft auf Kryson weitergeht. Für „Zeit der Dämmerung“ gibt es gute fünf Punkte.

Eine Gesamtwertung der Serie folgt nach Einzelbesprechungen zu allen Bänden.

Gesamteindruck (Band III): 5/7kryson3


Autor: Bernd Rümmelein
Originaltitel: Zeit der Dämmerung.
Erstveröffentlichung: 2009
Umfang: ca. 800 Seiten
Gelesene Sprache: Deutsch
Gelesene Version: Taschenbuch


 

FilmWelt: Kong: Skull Island

Der Riesenaffe, seines Zeichens erstes Filmmonster der Geschichte, feierte anno 2017 seine Rückkehr auf die große Leinwand. Und „Kong: Skull Island“ ist tatsächlich ein großartiger Film geworden. Das war so nicht unbedingt zu erwarten – aber genau wie beim amerikanischen „Godzilla“ von 2014, der übrigens vom gleichen Team produziert wurde, hat man auch hier (fast) alles richtig gemacht. Sogar noch etwas besser.

Gesamteindruck: 6/7


Starker Reboot.

Die Geschichte um den Riesengorilla Kong, der bereits seit 1933 die Kinobesucher das Fürchten lehrt, ist ein Klassiker der Filmhistorie. Entsprechend gespannt war man vor dem Kinobesuch natürlich, wie eine zeitgemäße Adaption des alt-ehrwürdigen Stoffes aussehen würde. „Kong: Skull Island“ ist natürlich nicht die erste Variante, die dem Publikum in jüngerer Zeit vorgestellt wurde. Immerhin gab es mit „King Kong“ bereits 2005 eine tiefe Verbeugung vor dem Original, die von Peter Jackson sehr ansprechend in Szene gesetzt wurde. „Skull Island“ (2017) ist nun keine Fortsetzung von Jacksons Hommage, sondern eine gänzlich eigenständige Herangehensweise, dem alten Affen erneut Leben einzuhauchen.

Rein äußerlich zeigt sich das an einem wesentlich größeren und imposanteren Kong, der eher dem entspricht, was man aus dem 1933er Original kennt. Davon abgesehen sind die üblichen Zutaten enthalten: Die ständig in Nebel und Sturm verborgene Insel, die prähistorische anmutende Tierwelt, die seltsamen Ureinwohner hinter ihrem Schutzwall, die ach-so-zivilisierten Eindringlinge, die nichts Gutes auf die Insel bringen. Trotz dieser Berechenbarkeit ist „Kong: Skull Island“ erfrischend anders. Einerseits fehlt – und das ist in diesem Fall kein Verlust – die gesamte „der Affe und die weiße Frau“-Thematik, andererseits legt der Film den Fokus sehr stark auf die namensgebende Insel und lässt den üblichen Ausflug nach New York vollkommen außen vor. Hinzu kommt ein gutes Drehbuch mit brauchbaren Dialogen und ganz coole Charaktere.

Hauptdarsteller ist und bleibt jedoch der riesige Affe. Und hier unterliegt der Film nicht dem in „Godzilla“ (2014) kritisierten Phänomen: Bereits in der ersten Szene von „Skull Island“ wird klar, wer die größte Attraktion auf der Insel ist – man muss nicht stundenlang warten, um dann mit wenigen Monster-Szenen abgespeist zu werden. Kong ist sehr präsent, zum Glück aber dennoch nicht so sehr, dass sich Abnützung einstellt. Die Effekte such übrigens, nicht nur was Kong selbst betrifft, ihresgleichen, ohne dass man das Gefühl eines ständigen Overkills hat. Der Affe sieht unglaublich gut aus, seine Bewegungen sind trotz seiner unglaublichen Größe geschmeidig, die Kämpfe ansprechend. Dazu kommt ein furchteinflößender Dschungel, bevölkert von gefährlichen Urzeit-Kreaturen. Untermalt wird all das von einem grandiosen Soundtrack, der perfekt in die Zeit der Handlung (kurz nach dem Vietnam-Krieg) passt. Noch ein Punkt der auffällt: „Skull Island“ bietet zahlreiche größere und kleinere Anspielungen auf andere Filme, beispielsweise „Apocalypse Now“, was schon der Blick aufs Filmposter deutlich macht. Auch das sorgt durchaus für gute Laune, sodass man letztlich von einem rundum gelungenen Gesamtpaket sprechen kann.

Ein abschließender Tipp: Es gibt eine Post-Credit-Szene, die man sich jedenfalls ansehen sollte. Denn dadurch wird enorme Vorfreude auf weitere Monster-Filme geschürt.

Gesamteindruck: 6/7


Originaltitel: Kong: Skull Island
Regie: Jordan Vogt-Roberts
Jahr: 2017
Land: USA
Laufzeit: 119 Minuten
Besetzung (Auswahl): Tom Hiddleston, Samuel L. Jackson, John Goodman, Brie Larson,



 

Live (Kreator)

KonzertWelt: Me And That Man (Wien, 04.04.2017)

Datum: Dienstag, 4. April 2017
Location: B72 (Wien)
Tour: 
Headliner: Me And That Man
Support: Dool
Ticketpreis: 24,90 Euro (VVK)


Nergal hat den Blues.

Polens Vorzeigemetaller Adam „Nergal“ Darski ist mit seiner Band BEHEMOTH normalerweise überaus extrem unterwegs. Corpsepaint, Growling, Bühnenshows mit Feuer und allerlei Gimmicks, sogar eine Anzeige wegen „Verletzung religiöser Gefühle“ gehören im schwarz angehauchtem Death Metal seines Hauptbetätigungsfeldes praktisch zur Tagesordnung. Umso überraschender war die Bekanntgabe eines musikalisch völlig anders gelagerten Projektes, mit dem unser Mann aktuell auf Tour ist. ME AND THAT MAN nennt sich die Formation, die aus Nergal (v, g) und dem seit Jahrzehnten in Polen lebenden Briten John Porter (v, g) besteht.

Vor dem mit Spannung erwarteten Auftritt im Wiener B72 gab es aber noch eine Vorgruppe. Die mir bis dato völlig unbekannten DOOL spielten ein halbstündiges Set, das aus nur vier Songs bestand. War kein schlechter Gig, aber so richtig warm bin ich mit dem alternativ angehauchtem Prog Rock-Metal-Mix nicht geworden. Immerhin waren die durchgehend wild headbangenden Musiker mit ordentlich Spaß bei der Sache. Drei (!) Gitarren sorgten außerdem für einigermaßen fetten Sound und so konnten sich die Niederländer um Sängerin/Gitarristin Ryanne van Dorst (die auch hätte als Mann durchgehen können, aber das nur am Rande) zumindest über Achtungsapplaus freuen.

Danach wurde es richtig voll im winzigen Lokal. Das Publikum war erwartungsgemäß gemischt, auch wenn die Metalheads wohl in der Überzahl waren. Eh klar: Man kam, um „die andere Band von Nergal“ zu hören. Anfangs war das Gefühl noch merkwürdig: Ein ohne Schminke, dafür aber mit Hut und weißer (!) Gitarre bewaffneter Nergal auf der Bühne, keine oder kaum Pommesgabeln im Publikum davor. Irgendwie hatte ich das Gefühl, man musste in diesem für beide Seiten ungewöhnlichen Setting erst zueinander finden. Das gelang dann aber erstaunlich schnell. Kein Wunder, wurde als Opener mit „My Church Is Black“ doch gleich eine der vorab ausgekoppelten Nummern aus dem Debütalbum „Songs Of Love And Death“ gespielt. Eine gute Entscheidung, um das Eis zu brechen.

Nach dem ersten gegenseitigen Abtasten ging es dann richtig los und das Publikum bekam für mein Dafürhalten ein ausgesprochen feines und intensives Konzerterlebnis. Die Musik von ME AND THAT MAN ist eine interessante Melange aus Singer/Songwriter-Zeug, Blues, Country, (Gothic) Rock, Psychedelic und auch ein wenig Pop. Eine ungefähre Schnittmenge aus bekannten Namen, die einem immer wieder in den Sinn kommen, wenn man sich „Songs Of Love And Death“ anhört: ELVIS PRESLEY, JOHNNY CASH, THE DOORS, NICK CAVE & THE BAD SEEDS, DAVID BOWIE. Mundharmonika-Einsätze und Kinderchöre inklusive. Ja, das ist für den gemeinen Metalhead ungewohnt. Ich selbst bin aber sehr froh, dabei gewesen zu sein, habe danach Vinyl und T-Shirt abgegriffen und werde gerne wieder kommen, wenn ME AND THAT MAN mal wieder in der Nähe auftreten.

Auf der Bühne waren natürlich die beiden Herren, die sich den Gesang brüderlich teilten, am stärksten präsent. Unterstützung bekamen sie von einem Drummer und einem Bassisten (deren Namen ich zu meiner Schande vergessen bzw. bei der Vorstellung nicht verstanden habe), die ihnen ein ausgezeichnetes und sauberes Rhythmus-Fundament legten. Interessanterweise schien in dieser Konstellation Nergal der entspanntere und besser gelaunte der beiden Frontmänner zu sein – der Pole lachte immer wieder, bewegte sich und versuchte durchaus, mit dem Publikum und seinen Mitstreitern auf der Bühne zu interagieren. Der wesentlich ältere Porter war dagegen der Ruhepol, dabei aber durchaus nicht unsympathisch. Letztlich ergänzten sich Nergal und Porter perfekt, was auch zum gelungenen Abend beigetragen hat. Gespielt wurde das komplette aktuelle Album, dazu gegen Ende hin zwei Coverversionen, die sich nahtlos einfügten („Refill“ von der PORTER BAND, also einem anderen Betätigungsfeld von John Porter sowie als Rausschmeißer „Psycho Killer“ von den TALKING HEADS). Vom ME AND THAT MAN-eigenen Material gefielen mir neben dem genannten „My Church Is Black“ die eingängig-düsteren, mit starken Country-Anleihen versehenen „Ain’t Much Loving“ und – vor allem – „Cross My Heart And Hope To Die“ am besten. Aber auch der Rest wusste zu überzeugen, sodass man gegen 23 Uhr mit einem ausgesprochen guten Gefühl von dannen ging.

Fazit: BEHEMOTH sind auch für Metal-Verhältnisse eine unglaublich düstere Band. Man muss aber sagen, dass ME AND THAT MAN dem gar nicht so viel nachstehen, wie man meinen könnte. Das wird allerdings durch vollkommen andere Mittel erreicht – wo Nergal mit BEHEMOTH auf Härte, Aggression und Komplexität setzt, gehen ME AND THAT MAN viel sanfter, einfacher und reduzierter zu Werke. Das aber gleichzeitig auch sehr dunkel, sowohl musikalisch als auch lyrisch. Diese Kombination passt so unglaublich gut, wie ich es mir nicht erwartet hätte. Und live wird das Ganze dann nochmals aufgewertet, weil die Hauptprotagonisten derart gut miteinander harmonieren. Jeder, der mit genannten Referenzen etwas anfangen kann, sollte sich dieses Projekt nicht entgehen lassen. Jeder Metalhead, der ein wenig für andere Einflüsse offen ist, kann ebenfalls ein Ohr riskieren, dabei aber nicht erwarten, auch nur eine homöopathische Dosis Metal zu bekommen. Denn die ist schlicht nicht vorhanden, was Keinem auffallen würde, wäre nicht ein so bekannter Name im Line-Up.

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FilmWelt: Bad Fucking

Harald Sicheritz porträtiert die österreichische Provinz – und gleichzeitig auch die Seele der dortigen Bevölkerung. Das ist nicht ungewöhnlich, sondern durchaus erwartungsgemäß. Überraschender ist, dass der Regisseur seine guten Zutaten längst nicht so gekonnt einsetzt, wie man es sich erhofft hätte. Das macht „Bad Fucking“ zwar nicht zu einem schlechten Film, eine kleine Enttäuschung bleibt aber dennoch zurück.

Gesamteindruck: 4/7


Provinzielle Apokalypse.

Wer in einem Ort lebt, dessen Name im Englischen ein Synonym für schlechten Geschlechtsverkehr ist, muss erfinderisch sein. Die Einwohner von Bad Fucking (das übrigens eine Anspielung auf den real existierenden Ort Fucking in Oberösterreich ist) haben sich im gleichnamigen Film mit dieser Situation arrangiert. Die Touristen, die busweise im Provinznest einfallen, werden nach allen Regeln der Kunst ausgenommen, die Wirtschaft boomt und es herrscht generelle Zufriedenheit. Bis die Idylle schließlich von einer Naturkatastrophe unterbrochen wird und kein Fremder mehr den Weg in die Ortschaft findet. Dass das nicht gut enden kann ist klar – und irgendwie auch typisch österreichisch.

Kult-Regisseur Harald Sicheritz verfilmte 2013 mit „Bad Fucking“ das gleichnamige, nicht minder groteske Buch von Kurt Palm. Sicheritz’schen Meisterleistungen wie „Muttertag“, „Freispiel“ und „Wanted“ kann dieser Film allerdings nicht das Wasser reichen, soviel sei vorweg gesagt. Dabei stimmen die Zutaten: Die Figuren sind herrlich skurril, richtige Sympathieträger sind kaum auszumachen, was in einem solchen Streifen gerne so sein darf. Die österreichischen Provinz wird in Bild und Ton geradezu perfekt dargestellt (als jemand, der vom Land kommt, darf ich das wohl so sagen). Die Gags zünden (großteils), die Schauspieler (man kann durchaus von einem österreichischen Star-Ensemble sprechen) machen ihre Sache ausgezeichnet. Sogar die Kritik an der hinterwäldlerischen Dorfgemeinschaft passt und ist ausreichend bissig formuliert.

Woran fehlt es also? Es ist wie so oft: Der Regisseur vermag diese Einzelaspekten in kein durchgehend stimmiges Ganzes zu gießen. Im Grunde ist „Bad Fucking“ eine Aneinanderreihung von mal mehr, mal weniger lustigen Szenen. Die verbindende Geschichte ist nicht der Rede wert und macht meines Erachtens auch relativ wenig Sinn. Eigentlich hat der Versuch, dem Film eine krimi-mäßige Rahmenhandlung zu geben, sogar einen negativen Effekt: Als Zuschauer springt man natürlich auf die Jagd nach einem Mörder an, versucht, die Puzzlesteine aneinander zu fügen. Wenn das dann nicht funktioniert, weil der Film gar nicht an einer Lösung interessiert scheint, sorgt das für Enttäuschung. Letztlich ist man sich als Zuseher nie sicher, ob „Bad Fucking“ sich nun selbst ernst nimmt oder nicht. Und in einer solchen Grauzone ist das Sehvergnügen – zumindest für mich – einfach nicht so hoch, wie man es sich erhofft hätte.

Ein zweiter Punkt, der auf der negativen Seite ins Feld geführt werden kann: Wie beschrieben ist der Humor großteils durchaus brauchbar. Es gibt intelligente Satire, meist muss man sich aber eher auf Tiefschläge einstellen. Durchaus passabel, möchte ich anmerken. Allerdings stehen den durchaus witzigen Szenen auch (zum Glück wenige) diverse Ausfälle entgegen, die komplett an meinem Humor vorbeigehen. Dieser Kontrast fällt in „Bad Fucking“ extrem aus. Glücklicherweise überwiegen aber die echten Schenkelklopfer, sodass dieser Kritikpunkt zwar da, aber nicht allzu groß ist.

Fazit: Der Film ist natürlich kein kompletter Ausfall wie „3faltig“. „Bad Fucking“ weiß schon zu unterhalten. Dennoch hat man ständig das Gefühl, dass wesentlich mehr Tiefgang und Klasse möglich gewesen wären.

Gesamteindruck: 4/7


Originaltitel: Bad Fucking
Regie: Harald Sicheritz
Jahr: 2013
Land: Österreich
Laufzeit: 108 Minuten
Besetzung (Auswahl): Martina Ebm, Proschat Madani, Thomas Mraz, Wolfgang Böck, Michael Ostrowski, Bettina Redlich, Adele Neuhauser, Johannes Silberschneider