„Blair Witch Project“ (1999) stand am Anfang eines ganzen Genres: Found Footage-Horror, die Darstellung einer filmischen Handlung in Form von pseudo-dokumentarischen Aufnahmen mit Handkameras. Davon verabschiedete man sich für die Fortsetzung „Blair Witch 2“ (2000), die auf konventionelle Methoden setzte, um bei den Zuschauern für Angst und Schrecken zu sorgen. Teil 3, schlicht „Blair Witch“ (2016) kehrt hingegen zu den Wurzeln, also den verwackelten Bildern und der Ich-Perspektive zurück. Dieses Besinnen auf die Tradition funktioniert leider nur teilweise – insgesamt gelingt es nicht ganz, die Urängste, die die Hexe von Blair 1999 noch ausgelöst hatte, erneut zu wecken.
Gesamteindruck: 4/7
Bemühter Versuch, die alte Furcht erneut zu wecken.
Es mag den heutigen Sehgewohnheiten oder dem mittlerweile gar nicht mehr so seltenen Found Footage-Stil geschuldet sein: Die Hexe von Blair hat einiges von ihrem ursprünglichen Schrecken verloren. Nicht hilfreich ist, dass der Film praktisch eine Kopie des ersten Teils ist, mit dem er daher zwangsläufig verglichen wird. Was damals neu war, ist es heute eben nicht mehr; daran ändert auch die modernere Ausstattung mit Drohnen, Ohrclip-Kameras und sonstigen Spielereien nichts.
Inhalt in Kurzfassung
20 Jahre nach den Ereignissen von „Blair Witch Project“ findet ein Student Ausschnitte von alten Videoaufnahmen im Internet und meint, darauf seine Schwester Heather Donahue zu erkennen, die damals bei den Doku-Dreharbeiten verschwunden war. Gemeinsam mit Freunden macht er sich – ausgestattet mit umfangreichem Kamera-Equipment – auf den Weg, um herauszufinden, was ihr zugestoßen ist.
An dieser Inhaltsangabe sieht man schnell das Problem, das eine solche Fortsetzung zwangsläufig hat: Man muss die Studenten irgendwie plausibel in den Wald bringen. Bei „Blair Witch 2“ war das aufgrund der Meta-Perspektive nicht sonderlich schwierig, für den dritten Teil musste dafür schon eine Geschichte geschrieben werden, die sehr stark an den Haaren herbeigezogen wirkt. Das liegt auch an der zeitlichen Diskrepanz: 20 Jahre nachdem Heather in den Wäldern verschwunden ist und Suchtrupps keinerlei Spuren gefunden haben, taucht plötzlich ein Video auf und der Held zieht gemeinsam mit seinen Freunden sofort los, in der Hoffnung, das Schwesterchen lebendig zu finden. Glaubwürdig geht anders.
Ein Großteil des Mythos, der den ersten Film damals so einzigartig machte, hatte auch mit der zugehörigen Kampagne zu tun. Durch unglaubliche Detailarbeit wurde erreicht, dass das „Blair Witch Project“ vielfach als reale Dokumentation angesehen wurde. Ein Teil dieses so sorgsam aufgebauten Images wurde bereits mit Teil 2 untergraben, heute, fast 20 Jahre später, kann man einen weiteren Film aus diesem Franchise unmöglich auf diese Weise verkaufen. Nicht nur, weil längst bekannt ist, dass die Hexe von Blair vollkommen frei erfunden ist, sondern auch, weil die flächendeckende Verbreitung und Nutzung des Internets eine solche quasi-realistische Kampagne kaum noch zulassen würde. So viel zum Hintergrund und der Problematik, die man als Zuseher, der damals sozusagen „live“ dabei war, zu jeder Sekunde von „Blair Witch“ spürt.
Für sich genommen: Passabler Horror mit atemlosen Finale.
Obige Betrachtungen zeigen schon, dass „Blair Witch“ stark daran krankt, etwas, das eigentlich zu Ende erzählt ist, mit Methoden, die so nicht mehr funktionieren, fortsetzen zu müssen. Nimmt man den Film an und für sich her, ist er handwerklich und inhaltlich durchaus passabel. Zwar wundert man sich – wie immer bei Found Footage-Filmen – wie die Protagonisten immer wieder in Situationen, in denen es die Vernunft strikt verbietet, ihre Kameras einschalten. Das ist aber ein Zugeständnis, das man diesem Genre einfach machen muss. Das war in „Blair Witch Project“ so, das war in „Cloverfield“ so, das ist überall so, wo die Handkamera nicht nur als Stilmittel (wie in der Anfangsszene von „Der Soldat James Ryan“) eingesetzt wird, sondern Grundlage des Filmes ist.
Man folgt den Protagonisten also mit verwackelten, ruckelnden Kameraeinstellungen in den Wald, der tatsächlich nach wie vor sehr düster und unheimlich ist. Man sieht sie dort übernachten, möchte ihnen zurufen, das nicht zu tun, findet mit ihnen gemeinsam die berühmten „Strohmännchen“ und Steinpyramiden, hört unheimliche Geräusche – kurz: Man ist mittendrin im Geschehen, das man genau so schon kennt. Ein bisschen Nervenkitzel kommt aber schon auf, wenn die Studenten im Zelt die Kamera einschalten und man es von draußen knacken und knistern hört. Das gebe ich gerne zu, wer den Film allein in der Nacht ansieht, kann sich definitiv ordentlich gruseln.
Das Finale ist dann eine atemlose Kamerafahrt, Klaustrophobie, Jump-Scares und schleichendes Grauen, das auch dem Zuschauer den Atem nimmt, inklusive. Das hätte meines Erachtens sehr gut gepasst, auch dass die Hexe offenbar das Zeitempfinden oder sogar die Zeit selbst beeinflussen kann, ist eine nette Idee. Leider erliegt Regisseur Adam Wingard der Versuchung, sich nicht auf die Vorstellungskraft der Zuseher zu verlassen. Denn das war auch ein Merkmal von „Blair Witch Project“: Zu keinem Zeitpunkt gab es etwas wirklich Übernatürliches zu sehen. Das mag im ersten Moment unbefriedigend sein, lässt andererseits den Horror noch deutlich größer werden – das Unbekannte, Unbeschreibliche, Unsichtbare macht letztlich wesentlich mehr Angst, als das, was man im Finale von „Blair Witch“ zu Gesicht bekommt. Gut, nur aus dem Augen- bzw. Kamerawinkel, aber mir hat dieser kurze Blick auf etwas gereicht, das ich in einer Pseudo-Dokumentation wie dieser einfach nicht sehen wollte.
Letztlich ist „Blair Witch“ ganz gut gemacht. Der Spannungsbogen ist grundsätzlich in Ordnung, die weitgehend unbekannten Darsteller machen ihre Sache gut und stellenweise bekommt man sogar wirklich Angst. Das reicht aber nicht für eine bessere Wertung – jeder, der „Blair Witch Project“ kennt, muss hier nicht noch einmal einschalten. Der dritte Teil fügt der Serie nichts Neues hinzu (sieht man vom Technik-Update ab) und bringt den Stoff auch für sich genommen nicht weiter. Im Gegenteil, die Entmystifizierung am Ende hätte man sich schenken sollen. So kann man nur als Fazit ziehen: Unterhaltsam? Einigermaßen. Essentiell? Nein!
Gesamteindruck: 4/7
Originaltitel: Blair Witch
Regie: Adam Wingard
Jahr: 2016
Land: USA
Laufzeit: 89 Minuten
Besetzung (Auswahl): James Allen McCune, Callie Hernandez, Brandon Scott, Valorie Curry, Corbin Reid, Wes Robinson