SpielWelt: SteamWorld Dig

„SteamWorld Dig“ gehört zu der Art von Spielen, die die Zeit regelrecht fressen. Man kann einfach nicht aufhören, nach Schätzen zu suchen, um sich nur noch dieses oder jenes Upgrade zu kaufen, das dann natürlich auch noch schnell ausprobiert werden will, bevor man sich schwört, das Spiel jetzt aber wirklich und sofort beiseite zu legen. Das ist eine Gemeinsamkeit, die „SteamWorld Dig“ mit Spielen wie „FTL“ und – auch szenariotechnisch – „Spelunky“ und „The Swindle“ teilt.

Gesamteindruck: 5/7


Kurz(weilig).

Im Vergleich zu seinen Indie-Kameraden hat das Spiel des schwedischen Studios Image & Form einen Vorteil: Es setzt die Frustgrenze wesentlich höher an, d. h. man gerät als Spieler weniger oft in die Situation, das Spiel genervt in die Ecke pfeffern zu wollen. Das liegt meines Erachtens vorwiegend am fehlenden Zeitlimit: In „SteamWorld Dig“ passiert nichts, wenn man sich Zeit lässt. Man kann in den Höhlen nach Lust und Laune graben und so oft an die Oberfläche zurückkehren, wie man will – ohne dass die Zeit abläuft wie in „The Swindle“, ohne, dass ein böser, unbesiegbarer Geist á lá „Spelunky“ auftaucht und ohne dass die Rebellenflotte das eigene Schiff einholt, wie es leidgeprüfte „FTL“-Spieler immer wieder erleben.

Die Handlung in Kurzfassung
Als dampfbetriebener Roboter Rusty buddelt man sich durch die Mine, die man von seinem Onkel Joe geerbt hat. In den Tiefen warten Schätze, es drohen aber auch verschiedene Gefahren wie Monster, Säuretümpel oder herabstürzende Steine. Je tiefer man gräbt, desto gefährlicher wird es – gut also, dass man an der Oberfläche den geschürften Reichtum gegen allerlei Upgrades eintauschen kann, um eine Chance gegen den fiesen Endgegner zu haben.  

Dass die bereits erwähnte Frustgrenze vergleichsweise hoch angesetzt ist, ist allerdings nicht nur ein Vorteil. Bei genauerem Hinsehen ist genau das gleichzeitig der größte Fluch von „SteamWorld Dig“, weil das Roboterabenteuer dadurch viel zu einfach ist. Natürlich stirbt man immer mal wieder, selbstverständlich überlegt man dann und wann, wie man am besten vorgeht und ab und zu gibt es auch ein paar Physik-Rätsel zu lösen. Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es nicht sehr lange dauert, bis man den (einzigen) Endgegner erreicht, der dann auch nicht allzu schwer zu besiegen ist. Dabei hilft auch, dass die Steuerung im Vergleich zum direktesten Verwandten „The Swindle“ wesentlich angenehmer ausfällt. Und weil auch extreme Frustmomente wie der Verlust der gesamten Beute wie in „Spelunky“ wegfallen, kann man „SteamWorld Dig“ auch Einsteigern in derartige Spiele bedenkenlos empfehlen. Uneingeschränkt positiv fallen übrigens auch Soundtrack und Grafik aus. „Liebevoll“ ist das Stichwort, das mir zu beiden einfällt.

Dass das Spiel relativ einfach ist, wirkt sich vor allem in Kombination der Länge bzw. Kürze von „SteamWorld Dig“ negativ aus. In meinem Fall heißt das, dass das Spiel sehr viel Spaß macht, dass man regelrecht süchtig danach wird, seine Mine immer tiefer voranzutreiben. Bis dann viel zu schnell das Finale da ist und jeder Anreiz  fehlt, es noch einmal zu probieren. Das ist mir persönlich einfach zu wenig um trotz hohem Fun-Faktor eine bessere Wertung zu vergeben. Ein regelrechter Zeitfresser bleibt das Spiel dennoch, wenn auch nur für wenige Stunden – um sein Sozialleben braucht man sich wegen „SteamWorld Dig“ jedenfalls keine großen Sorgen zu machen, um es mal so auszudrücken.

Für Spielspaß, Idee und Ausführung gibt es fünf Punkte, mit etwas mehr größerem Umfang hätten es definitiv mehr sein können.

Gesamteindruck: 5/7


Genre: Jump n‘ Run, Metroidvania, Action-Adventure
Entwickler: Image & Form
Jahr: 2013
Gespielt auf: PC


 

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BuchWelt: Der Krake

China Miéville


„Der Krake“ ist das erste Werk von China Miéville, das ich gelesen habe. Dass gleich meine Premiere so schwierig zu bewerten sein würde, hätte ich nicht gedacht. Denn rein vom Klappentext her klingen sowohl dieses als auch seine anderen Werke durchaus nach Stoff, den ich gerne lese. Und auch während und nach der Lektüre wollte ich dieses Buch unbedingt mögen. Es schien mir unverzeihlich, dass ich damit nicht warm werden konnte. Und doch muss ich so ehrlich sein und sagen: „Der Krake“ hat mir über weite Strecken nicht gefallen.

Gesamteindruck: 3/7


(Zu) abgefahren.

Das Problem, das ich mit „Der Krake“ habe, ist nicht die Story an sich. Die besteht aus einer guten, nicht alltäglichen Idee, eingebettet in eine Welt, die der unseren entspricht, letztlich aber doch ganz anders funktioniert. Die Mär von Zauberern, Hexen, Engeln und anderen merkwürdigen Wesen, die unbemerkt unter uns leben, ist guter Stoff, den ich persönlich bisher vor allem von Sergej Lukianenko (die „Wächter“-Serie) oder Neil Gaiman („American Gods“) kannte. „Der Krake“ haut mit seinen verschiedenen Kulten, mit Göttern und Magie in eine sehr ähnliche Kerbe. Leider schafft es China Miéville jedoch nicht, aus diesen Zutaten eine durchgehend fesselnde Geschichte zu basteln. Im Gegenteil, mehrere Probleme haben mir die Lektüre länger werden lassen, als es die gar nicht so umfangreiche Haupthandlung vermuten lässt.

Inhalt in Kurzfassung
Die Hauptattraktion in einem Londoner Museum ist ein Riesenkalmar, der präpariert in Formalin in einem großen Glasbehälter schwimmt. Als das Exponat auf unerklärliche Weise verschwindet, gerät Kurator und Durchschnittstyp Billy Harrow in einen Strudel bizarrer Ereignisse. Die Suche nach dem riesigen Tintenfisch führt ihn zu einem mysteriösen Kult, der den Kalmar als Gott verehrt. Doch damit nicht genug, der Held wider Willen erfährt nach und nach, dass es in „seiner“ Stadt von mysteriösen Sekten und Kulten wimmelt und dass Zauberei und Magie nicht nur existieren, sondern durchaus gefährlich sein können.  

„Der Krake“ bzw. sein Autor ist ein Vertreter des „New Weird“, einer relativ neuen Literaturströmung, die vor allem in der Science Fiction eingeordnet werden könnte, würde sie sich nicht vor allem durch Aufweichung von Genre-Grenzen auszeichnen. In diesem Fall haben wir es mit einer Mischung aus (Urban) Fantasy, Science Fiction, Thriller und Krimi zu tun, garniert mit britisch-trockenem Humor. Klingt gut? Mag sein, letztlich muss man aber konstatieren, dass sich das Buch – zumindest stellenweise – genauso zerfahren liest, wie man nach dieser Beschreibung befürchtet. Die Handlung folgt zwar einem roten Faden; der verschwindet allerdings immer wieder im Wust der (mal besseren, mal schlechteren) Ideen. Bei vielen im positiven Sinne absurden Einfällen hat man das Gefühl, dass China Miéville geradezu gezwungen war, sie mit aller Gewalt in der Geschichte unterzubringen. Die Handlung bringen sie allerdings nicht wirklich voran. Entsprechend ist das Lesevergnügen einem ständigen Auf und Ab unterworfen.

Gute Ideen allein reichen nicht.

Das wirkt sich vor allem aufgrund der Länge des Buches nahezu katastrophal aus. Der angesprochene rote Faden mag brauchbar sein, ist aber so dünn, dass er auch auf halb so vielen Seiten locker hätte erzählt werden können. Dazwischen gibt es ein Stückwerk aus Ideen, die wie reiner Selbstzweck wirken. So werden die Figuren zwar von einem skurrilen Schauplatz zum nächsten geführt, entwickeln sich dabei praktisch aber nicht weiter. Und auch der Story bleibt kaum Zeit und kein Raum, interessant vorangetrieben zu werden.  Das macht die Lektüre insgesamt zäh und anstrengend, es dauert immer wieder lange Absätze, bis man (inhaltlich) wieder ein Stückchen vorankommt. Hat man es dann irgendwann geschafft, die 740 Seiten zu bewältigen, bleibt man einigermaßen konsterniert zurück. Die Auflösung, soweit man von einer solchen überhaupt sprechen kann, hat mich persönlich jedenfalls mehr verwirrt als befriedigt. Ein Buch wie „Der Krake“ muss zwar annähernd so skurril enden, wie die darin vorgestellten Ideen sind; das heißt aber nicht, dass der Schluss kaum verständlich daherkommen muss.

Ein Wort noch zu den Charakteren: Möglichkeiten zur Identifikation bestehen kaum. Auch, weil relativ viele Figuren durch die bizarren Szenen gehetzt werden. Näher beschrieben wird kaum jemand. So muss man sich damit abfinden, beispielsweise nicht zu erfahren, was es mit den Erzbösewichten Goss & Subby wirklich auf sich hat, wer „das Tattoo“ vor seiner Verbannung war oder wer Grisamentum eigentlich ist. Auch die extrem passive Hauptfigur Billy Harrow bleibt flach und ist kein Sympathieträger, mit dem man mitfiebern kann. Am ehesten schaffen es noch der alt-ägyptische Gewerkschaftsboss (!) Wati , die derbe Polizistin Collingswood und Dane, seines Zeichens Agent des Kraken-Kultes, den Leser für sich zu gewinnen. Das ist allerdings ein schwacher Trost, wenn man bedenkt, wie viele Charaktere im Buch eigentlich vorkommen.

Es ist bei Übersetzungen natürlich immer schwierig zu beurteilen, wie groß der Anteil des Autors am Nichtgefallen des Buches überhaupt ist. Das sei der Fairness halber erwähnt, denn vom immer wieder gepriesenen, ganz besonderen Stil China Miévilles konnte ich in diesem Buch nicht allzu viel entdecken. Im Gegenteil: Eine Neigung zu telegrammhaft abgehackten Sätzen ist das, was ein relativ früher Dämpfer für das Lesevergnügen war – auch weil man den merkwürdigen Gedankengängen stellenweise kaum folgen kann. Das ist zwar nicht der Grund für die schwache Gesamtwertung, es ist allerdings ein Puzzlestein, der dazu beiträgt.

Alles in allem ist „Der Krake“ weit davon entfernt, das schlechteste Buch aller Zeiten zu sein. Nichtsdestotrotz wirkt der Roman zum Teil, als wäre er noch in Manuskript-Form veröffentlicht worden. Eine grundlegende Überarbeitung der Handlung und eine Straffung des Drumherums hätten dem Werk meines Erachtens gut getan. So muss es für großzügige drei Punkte reichen, vor allem weil der Autor durch kreativen Einfallsreichtum glänzt. Hätte er es nur geschafft, die Hälfte seiner abstrusen Ideen mit der Geschichte, die er eigentlich erzählen will, schlüssig zu verbinden, wäre viel mehr möglich gewesen. Wie es aber nun einmal ist, glaube ich kaum, dass ich dieses Buch noch einmal zur Hand nehmen werde und würde das auch Liebhabern von kruden Genre-Mixturen nur sehr bedingt empfehlen.

Gesamteindruck: 3/7


Autor: China Miéville
Originaltitel: Kraken.
Erstveröffentlichung: 2010
Umfang: ca. 740 Seiten
Gelesene Sprache: Deutsch
Gelesene Version: Taschenbuch