Oft belächelt als billiger schwarz-weiß-Film, in dem ein Typ im Gummikostüm Papp-Hochhäuser zum Einsturz bringt, ist der originale „Godzilla“ von 1954 heute zu Recht ein Klassiker. Das ist auch einer Neufassung zu verdanken, die Szenen beinhaltet, die für die internationalen Versionen herausgeschnitten wurden. Denn so macht der Film wesentlich mehr Sinn und zeigt ein differenziertes Bild, das nicht mehr so viel mit der dumpfen Monster-Action zu tun hat, die dem westlichen Publikum damals suggeriert wurde.
Gesamteindruck: 6/7
Unerwartet düster und ernst.
Als Godzilla 1954 auf der Leinwand erschien, hätte wohl niemand gerechnet, dass das Monster mit dem charakteristischen Urschrei die Herzen der Zuschauer im Sturm erobern würde. Heute, 2018, gibt es mehr als 30 Filme mit der riesigen Echse, die bis auf aktuell zwei US-Adaptionen samt und sonders aus Japan stammen. Eine unglaubliche Erfolgsgeschichte, wenn man bedenkt, mit welchen Mitteln die Filme jahrzehntelang produziert wurden.
Inhalt in Kurzfassung
Vor einer Insel im japanischen Meer sinken aus unbekanntem Grund mehrere Schiffe. Schließlich wird als Ursache der Havarien ein riesiges, Saurier-ähnliches Monster, von den Inselbewohnern „der Godzilla“ genannt, ausgemacht. Alle Versuche, den Giganten, der Kurs auf Tokio nimmt, aufzuhalten, scheitern und die Stadt wird von Godzilla in Schutt und Asche gelegt. Die machtlosen Militärs müssen das Schicksal Japans schließlich in die Hände eines Wissenschaftlers legen, der eine Möglichkeit gefunden hat, dem Monster beizukommen. Dabei gerät er allerdings selbst in eine moralische Zwickmühle.
Ich habe den 1954er „Godzilla“ bis vor wenigen Tagen tatsächlich kein einziges Mal gesehen, die schwarz-weiß-Bilder haben mich immer abgeschreckt. Und auch das Wissen um die teilweise naiven Effekte und merkwürdigen Dialoge späterer Godzilla-Filme war nicht hilfreich – ich konnte mir nicht vorstellen, dass ein bald 65 Jahre alter Film besser sein könnte als so mancher seiner Nachfolger. Glücklicherweise habe ich mich nun doch entschlossen, diese Lücke in meiner Filmographie endlich zu schließen. Denn: „Godzilla“ ist tatsächlich ein kraftvoller, düsterer und exzellent gemachter Film.
Zunächst ein paar Worte zur Optik: Es ist ja bekannt, dass das Monster von einem Schauspieler in einem Ganzkörperkostüm dargestellt wurde (der 2017 verstorbene Haruo Nakajima verkörperte Godzilla bis 1972). Stilistisch ist das schon ein krasser Unterschied zum thematisch ähnlich gelagerten King Kong, der mit seiner Stop-Motion-Technologie bereits 1933 die Ära der Spezialeffekte eingeläutet hatte. Interessanterweise stört diese Tatsache den Filmgenuss wesentlich weniger, als man annehmen könnte. Im Gegenteil, Godzilla sieht gar nicht so unecht aus – vielleicht gerade weil der Film in schwarz-weiß gehalten wurde. Und auch die angerichteten Verwüstungen, die das Markenzeichen aller Godzilla-Filme sind, sehen dank detaillierter und liebevoller Modelle weniger naiv aus als es heute mit der fortgeschrittenen Computertechnologie oft gelingen will.
Gnadenloser Kampf ohne jeglichen Humor.
Was den Film von seinen Nachfolgern abhebt, hat allerdings nicht so viel mit der Optik zu tun. Es ist vielmehr die düstere Grundstimmung, die „Godzilla“ auszeichnet. Das beginnt bereits mit dem Verhalten des Ungeheuers: Godzilla hatte 1954 noch nichts von einem heldenhaften Beschützer der Menschheit, der sich gerne auch mit anderen Monstern zusammentut, um Japan oder sogar die Welt zu retten. Im Gegenteil, das Monster ist gnadenlos, zerstört nicht nur Tokio sondern tötet dabei auch unzählige Menschen. Diese Kollateralschäden werden auch durchaus plakativ dargestellt, was ich in einem Monsterfilm aus den 1950er Jahren so nicht erwartet hätte.
Damit wird auch deutlich, was heute kaum mehr jemandem bewusst ist: Godzilla ist einerseits natürlich ein Unterhaltungsfilm, andererseits aber auch eine starke Allegorie auf die Schrecken der Atombombenabwürfe auf Japan im Rahmen des 2. Weltkrieges. Das kommt in den Dialogen immer wieder heraus und zeigt sich auch in der Machtlosigkeit der Menschen gegenüber dem Monster, das mit ungeheurer Gewalt über sie hereinbricht. Entsprechend humorlos und ernst ist der Film auch – ebenfalls ein krasser Unterschied zum Großteil der Folgeproduktionen. Dass Godzilla am Ende nur mit einer Waffe aufgehalten werden kann, die zur Massenvernichtung geeignet wäre, sorgt zum Schluss noch einmal für einen ganz speziellen Twist in Hinblick auf das traurige Schicksal von Hiroshima und Nagasaki.
Alles in allem ist der originale „Godzilla“ für mein Dafürhalten ein sehr guter Film. Einer, den man als Fan des Monsters sowieso gesehen haben muss, der aber auch für Filmhistoriker interessant sein dürfte. Und auch für Menschen, die entweder einfach unterhalten werden wollen (denn auch das tut der Film) oder sich gerne absurd verpackte Allegorien auf reale Ereignisse ansehen. Gerade letzteres ist ein irrwitziger Zugang, für den den Machern von „Godzilla“ aller Respekt gebührt.
Gesamteindruck: 6/7
Originaltitel: ゴジラ (Gojira)
Regie: Ishirō Honda
Jahr: 1954
Land: Japan
Laufzeit: 96 Minuten
Besetzung (Auswahl): Akira Takarada, Momoko Kōchi, Akihiko Hirata, Takashi Shimura, Haruo Nakajima
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