MusikWelt: Something Wild

Children of Bodom


Children Of Bodom nehmen in meiner persönlichen musikalischen Historie eine ähnliche Stellung ein wie HammerFall: Sie waren für meinen endgültigen Einstieg in den Metal (mit-)verantwortlich. Sie haben mich lange Zeit begleitet, ich war Fan der ersten Stunde und glaubte damals nicht, dass „meiner“ Band jemals etwas misslingen würde. Und doch: Wie bei den schwedischen Power Metallern ist auch die Karriere der finnischen Melodic Deather gekennzeichnet von einer steilen Erfolgskurve auf die der unausweichliche Fall folgen sollte. „Something Wild“, das Debüt der Truppe aus Espoo, datiert aus dem großartigen Metal-Jahr 1997. Und auch wenn der Erstling von Children of Bodom nicht ganz so stark ist wie andere Veröffentlichungen aus jenem Jahr, ließ sich zumindest erahnen, dass Children of Bodom für Großes bestimmt waren.

Gesamteindruck: 3/7


(Zu) Wild.

Der Effekt, wenn man „Something Wild“ anno 2019 erstmals nach langer Zeit hört, ist ähnlich dem musikalisch völlig anders gelagerten HammerFall-Debüt „Glory to the Brave“: Das ist alles nicht schlecht, aber die damalige Euphorie (die eigene und die vieler anderer Zeitzeugen) scheint im Nachgang ein bisschen übertrieben. Die mag sich zwar durch die für den gemeinen Metal-Fan zähen Jahre vor 1997 erklären lassen – Fakt ist jedoch, dass mich „Something Wild“ heute nicht mehr so richtig vom Hocker reißt. Im Vergleich zum Erstwerk von HammerFall fällt das sogar noch mehr ins Gewicht, weil Children of Bodom auf ihrem Debüt keinen Übersong á lá „Glory to the Brave“ zu bieten haben.

Begibt man sich auf Spurensuche, kommt man dem Problem relativ rasch auf die Schliche: „Something Wild“ besteht aus vielen starken Ansätzen. In manchen Fällen reicht das für richtig gute Songs, insgesamt wirkt die Platte aber chaotisch und wie Stückwerk. Nicht falsch verstehen: Viele Fans schätzen bis heute die jugendliche Wildheit, mit der die Band hier voll auf Angriff geht. Das sei jedem unbenommen – ich persönlich finde aber die um den Dreh strukturierteren Nachfolger, die den genialen Ideen tatsächlich Raum zum Atmen geben, stärker.

Kurz, knackig – und stellenweise anstrengend.

Auf „Something Wild“ werden 7 Songs in knapp 36 Minuten dargeboten. Kurz und knackig ist das Album demnach, was kein Nachteil ist und die Anstrengung beim Hören in Grenzen hält. Ja, richtig gelesen: Diese Platte kann tatsächlich etwas anstrengend sein, ein Attribut, das leider auch auf einige der neuesten Alben von Children of Bodom zutrifft. Als voll und ganz gelungen empfinde ich auf dem Debüt nur zwei Nummern: „Red Light in My Eyes, Pt. 1“ und „Touch Like Angel of Death“. Ersteres verfügt dank guten Refrains und klassischen Aufbaus über hohen Wiedererkennungswert – abgesehen davon sehe ich mich selbst vor über 20 Jahren, wie ich lauthals „Hate! I can’t control it anymore!“ brülle, was mir damals ziemlich rebellisch vorkam. „Touch Like Angel of Death“ ist der Rausschmeißer und ein Track, der zeigt, dass die Finnen tatsächlich etwas von Songwriting verstehen, auch wenn die Nummer hart an der Grenze ist, die das pure Chaos von sinnigem Liedgut trennt.

Der Rest der Songs besteht aus guten und schwächeren Parts, ohne dass eine Nummer durchgängig stark wäre. Daher erinnert man sich auch kaum, wie die Stücke als Ganzes klingen – oder könnte jemand aus dem Stegreif „The Nail“ erkennen, wenn man das legendäre Intro weglassen würde? Ein anderes Beispiel für meine Probleme mit „Something Wild“ ist „Lake Bodom“, das aus einem starken Intro und dem grandiosen Anfangsriff herzlich wenig macht. Oder das aus interessanten, fast schon an atmosphärischen Black Metal erinnernde Parts bestehende „In the Shadows“. Gerade an dieser Nummer lassen sich a) die vermeintliche Orientierungslosigkeit, die man einer jungen Band aber nicht vorwerfen mag und b) diverse großartige Ansätze erkennen, die leider nicht in einen komplett schlüssigen Song umgesetzt werden. Und so ist man ständig versucht, „Schade!“ zu denken, wenn man sich „Something Wild“ anhört: Schade, dass das dauernd durchscheinende Potenzial nicht so richtig abgerufen wird.

Überambitioniert?

Bereits auf diesem Debüt ist merkbar, dass die jungen Finnen damals schon gestandene Musiker waren. Ihr Songwriting ist zwar noch chaotisch, aber die Leistung an den Instrumenten sehr stark. Am auffälligsten natürlich Sänger/Gitarrist Alexi „Wildchild“ Laiho und Keyboarder Janne „Warman“ Wirman, die bis heute die Eckpfeiler der Band bilden. Aber auch die Rhythmus-Fraktion weiß zu überzeugen (übrigens hat sich am Line-up von Children of Bodom seit dem Debüt, das zum Zeitpunkt dieser Rezension 22 Jahre alt ist, wenig geändert, sieht man von der Position an der zweiten Gitarre ab). An dieser Stelle sei mir ein letzter Blick nach Schweden erlaubt: „Glory to the Brave“ ist insgesamt sicher das bessere Debüt, allerdings muss man dazu sagen, dass die Musik von HammerFall deutlich einfacher gehalten ist und man auch gehörige Songwriting-Unterstützung von Jesper Strömblad (In Flames) hatte. Ob das nun bedeutet, dass Children of Bodom überambitioniert zu Werke gegangen sind oder einfach munter drauflos gespielt haben, ohne sich um irgendwelche Konventionen zu scheren, sei dahingestellt.

Abschließend noch was zum Genre: „Something Wild“ wird, wie auch der Rest der Diskographie von Children of Bodom, gemeinhin im Melodic Death Metal verortet. Das macht die Finnen zu Genre-Geschwistern von z.B. In Flames macht, die dann aber doch einigermaßen anders klingen. Der Einfachheit halber würde ich es dennoch dabei belassen, wobei man sicher darüber streiten kann, ob wir es hier nicht doch eher mit schnellem Heavy Metal mit harschen Vocals zu tun haben. Typisch für den finnischen Metal jener Zeit ist die Musik so oder so: Exzessiver, gerne neo-klassizistischer Keyboard-Einsatz und hochmelodiöse, schnelle Gitarrenleads kennzeichnen nicht nur den Output von Children of Bodom, sondern sind auch bei Bands wie Stratovarius, Nightwish und Sonata Arctica zu finden. Der größte Unterschied zu diesen Künstlern liegt – neben den härteren Riffs – in den Vocals: Frontmann Alexi Laiho singt nicht, er bellt und schreit seine Texte mit heiserer Reibeisenstimme heraus. Gleichwohl geht er dabei leider nicht so kraftvoll zu Werke wie diverse schwedische Genre-Vertreter, was er, wie ich mich dunkel erinnern kann, selbst mal indirekt in einem Interview mit den Worten „ich bin ein verdammter Gitarrist [und kein Sänger]“ eingeräumt hat. Das heißt nun aber nicht, dass die Vocals schlecht wären, Laiho hat seine Nische definitiv gefunden und klingt unverwechselbar.

3 von 7 Punkten für ein gutes, aber keineswegs herausragendes Debüt einer Band aus Finnland, von der in den folgenden Jahren noch viel zu hören sein sollte.

metal.de


Track – Titel – Länge – Wertung

  1. Deadnight Warrior – 3:21 – 3/7
  2. In the Shadows – 6:02 – 4/7
  3. Red Light in my Eyes, Pt. 1 – 4:28 – 6/7
  4. Red Light in my Eyes, Pt. 2 – 3:50 – 4/7
  5. Lake Bodom – 4:02 – 3/7
  6. The Nail – 6:17 – 2/7
  7. Touch like Angel of Death – 7:57 – 5/7

Gesamteindruck: 3/7 


Children Of Bodom auf “Something Wild” (1997):

  • Alexi „Wildchild“ Laiho – Vocals, Lead Guitars
  • Alexander Kuoppala – Rhythm Guitars
  • Henkka T. Blacksmith – Bass
  • Janne Warman – Keyboards
  • Jaska Raatikainen – Drums

Anspieltipp: Touch like Angel of Death

 

4 Gedanken zu “MusikWelt: Something Wild

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