MusikWelt: Hatebreeder

Children of Bodom


Children of Bodom aus dem finnischen Espoo galten in ihren Anfängen als (technische) Ausnahmekönner. Ihr Debüt „Something Wild“ (1997) war für meinen Geschmack noch etwas zu ungezügelt. Die jungen Musiker schienen häufig zu vergessen, dass einen guten Song mehr als die Summe seiner Einzelteile ausmacht – mochten die auch noch so stark sein. Das zweite Album, „Hatebreeder“ (1999), ist hingegen die eine sehr starke Symbiose aus mörderischer Wildheit, die aber gerade soweit strukturiert wurde, dass ein Großteil der Tracks auf dem Album binnen Sekunden zündet und sich – noch wichtiger – als nachhaltig erweist.

Gesamteindruck: 6/7


Ausgezeichnetes Zweitwerk.

Vom Zeitpunkt dieser Rezension (2019) aus gesehen, stehen „Hatebreeder“ und sein im Jahr 2000 erschienener Nachfolger „Follow the Reaper“ genau für die Children of Bodom, von denen Fans der ersten Stunde so häufig voller Begeisterung sprechen. Mir selbst geht es ebenso – auf jedem späteren Release habe ich mit der sprichwörtlichen Lupe nach Spuren dieser zwei Referenzwerke gesucht. Oft genug vergebens, aber das ist eine andere Geschichte… Vergleicht man „Hatebreeder“ jedenfalls mit dem zwei Jahre zuvor erschienenen Debüt „Something Wild“, sind die Zutaten erst einmal identisch: Heiser hervorgebellter Gesang trifft auf ein klassisches Heavy Metal-Gerüst mit dominanten Lead-Gitarren und Keyboards. Kann man unter Melodic Death Metal abheften, tat man damals auch – ich würde die Chose aber eher als typisch finnischen, schnell und melodiös gespielten Heavy Metal bezeichnen; inklusive gelegentlicher Death Metal-Ausbrüche und Growls.

Überlegen ist „Hatebreeder“ seinem Vorgänger dank des stark verbesserten Songwritings. Die damals noch sehr jungen Helden aus Espoo gehen wesentlich fokussierter zur Sache und kommen schneller und treffsicherer auf den Punkt. Das mag ein bisschen an rauer Unbekümmertheit gekostet haben – mich stört das aber nicht, weil „Hatebreeder“ schlicht und einfach wesentlich angenehmer und besser hörbar ist. Ob das ein Gütekriterium für ein Metal-Album ist, sei dahingestellt, im Falle von Children of Bodom empfinde ich es gemeinhin jedenfalls so, was wohl auch den Hauptgrund für meine Probleme mit späteren Veröffentlichungen darstellt.

Dreigeteiltes Album.

Neun Songs gibt es auf „Hatebreeder“ (von Zeitgenossen übrigens gern als „grünes Album“ bezeichnet, in Abgrenzung zum „roten“ „Something Wild“ und „blauen“ „Follow the Reaper“) zu hören. Vier davon bleiben unter der 4-Minuten-Marke, nur einer geht länger als 5 Minuten. Damit ist auch diese Platte ein eher kurzes Vergnügen, was allerdings nicht weiter stört, weil es Children of Bodom schon immer gut zu Gesicht gestanden ist, rasch auf den Punkt zu kommen. Wichtiger als die Länge ist aber ohnehin die Songqualität. Von dieser Front ist zu berichten, dass die Finnen mit „Warheart“, „Silent Night, Bodom Night“ und – vor allem – „Towards Dead End“ drei Nummern geschrieben haben, deren Güte sie bis heute eher selten erreichen konnten. Ja, es gibt eine Handvoll Songs, die ähnlich stark sind, aber besser geht es für meinen Geschmack kaum, wenn es um das klassische Bodom-Feeling geht.

Neben diesen Klassikern gibt es mit „Black Widow“, „Children of Bodom“ und „Downfall“ drei weitere Nummern, die ebenfalls aller Ehren wert sind. Komplett machen die Dreiteilung von „Hatebreeder“ der Titeltrack, „Bed of Razors“ und – als für mein Gefühl schwächster Song des Albums – „Wrath Within“. Man muss dabei aber bedenken, dass auch diese drei Tracks keineswegs Totalausfälle sind. Sie stinken halt gegen den Rest der Platte, den man problemlos auf Dauerrotation hören kann, ab – auch ob einer gewissen Gleichförmigkeit.

Fazit: Näher als mit „Hatebreeder“ und – das wusste man zu dessen Erscheinen natürlich noch nicht – „Follow the Reaper“ waren Children of Bodom einem echten Meisterwerk meiner Meinung nach bis heute zu keinem Zeitpunkt. Dass es nicht ganz reicht, liegt im Falle des grünen Albums an drei übermächtigen und drei außerordentlich starken Songs, die den Rest des Albums – und das ist immerhin ein Drittel – komplett aus dem Bewusstsein des Hörers verdrängen. Für 6 von 7 Punkten reicht es aber locker. Falls es tatsächlich noch jemanden geben sollte, der dieses Werk noch nicht kennt: Anhören!


metal-archives.com

Track – Titel – Länge – Wertung

  1. Warheart – 4:07 – 7/7
  2. Silent Night, Bodom Night – 3:12 – 7/7
  3. Hatebreeder – 4:21 – 5/7
  4. Bed of Razors – 3:56 – 5/7
  5. Towards Dead End – 4:54 – 7/7
  6. Black Widow – 3:58 – 6/7
  7. Wrath Within – 3:54 – 4/7
  8. Children of Bodom – 5:14 – 6/7
  9. Downfall – 4:34 – 6/7

Gesamteindruck: 6/7 


Children Of Bodom auf “Hatebreeder” (1999):

  • Alexi „Wildchild“ Laiho – Vocals, Lead Guitars
  • Alexander Kuoppala – Rhythm Guitars
  • Henkka T. Blacksmith – Bass
  • Janne Warman – Keyboards
  • Jaska Raatikainen – Drums

Anspieltipp: Towards Dead End

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SpielWelt: Distraint

„Distraint“, ein Projekt des Finnen Jesse Makkonen, ist ein gutes Beispiel dafür, wie es Indie-Programmierer immer wieder schaffen, großen Entwicklern ein paar Nadelstiche zu versetzen: Welcher namhafte Software-Gigant würde schon als Hauptfigur einen Typen ins Rennen schicken, der im Auftrag einer skrupellosen Firma unwillige Mieter aus ihrer Wohnung ekeln soll?

Gesamteindruck: 5/7


Wahnsinn in 2D.

Was auf den ersten Blick überhaupt nicht nach einem Thema aussieht, das sich als spannendes Adventure umsetzen lässt, entpuppt sich als verstörender Psychotrip um Schuld und Sühne, um Gewissensbisse und Existenzängste. Das Spiel, wenn man es überhaupt so nennen möchte, bezieht seinen ganz besonderen Reiz aus zwei Quellen: Einerseits ist es die Geschichte, die wenig spektakulär ist, was sie aber merkwürdig realitätsnah macht und ein ungemein bedrückendes Gefühl hinterlässt. Andererseits ist die Präsentation, vor allem die düstere Grafik, geeignet, den Spieler den Wahnsinn, dem die Hauptfigur zusehends verfällt, regelrecht spüren zu lassen.

Die Handlung in Kurzfassung
Price hat ein ehrgeiziges Ziel: Er möchte Partner in der Firma „McDade, Bruno & Moore“ werden. Sein Job: Rebellische Mieter und Eigentümer zum Verkauf und Auszug zu bewegen. Mit allen Mitteln. Das Problem: Für eine solche Arbeit muss man geschaffen sein und Price ist es eindeutig nicht. Geplagt von Schuldgefühlen verschwimmen für ihn zusehends die Grenzen zwischen Realität und Fantasie – der Wahnsinn scheint die unabwendbare Folge zu sein. 

Auch wenn sich „Distraint“ der Mechanik des klassischen Point & Click-Adventures bedient, will das Spiel nicht so richtig in diese Schublade passen. Ja, man verfolgt das Geschehen aus der 2D-Seitenansicht, löst ein paar Rätsel, sammelt und benutzt Gegenstände, um voranzukommen. Allerdings ist das für mein Gefühl eher Beiwerk; der Fokus liegt klar auf einer sinisteren Atmosphäre. Damit die auch wirklich jeder Spieler voll und ganz auskosten kann, ist der Schwierigkeitsgrad von „Distraint“ weit unten angesiedelt. Probleme mit dem Durchspielen sollte daher niemand haben – die Lösung der Rätsel ist entweder logisch oder erschöpft sich im Ausprobieren bzw. im Benutzen von allem mit jedem. Sackgassen gibt es nicht und auch sonst gibt es kaum jemals Zweifel daran, was als nächstes zu tun ist.

Unepisches Finale.

Wie kann ein solches Spiel – das mit einer Dauer von etwas über 2 Stunden noch dazu ungewöhnlich kurz ausgefallen ist – dennoch so gefangen nehmen? So genau weiß ich das auch nicht, es scheint aber tatsächlich an der Kombination aus Optik (nach Möglichkeit nachts spielen), Akustik (unbedingt mit Kopfhörern spielen) und Story zu liegen. „Distraint“ ist von vorne bis hinten unglaublich düster. Wobei es nicht die oben angerissene Handlung an sich ist, die den Spieler in den Bann zieht – nein, es sind eher die Abgründe in der Seele der Spielfigur, die sich immer weiter auftun und auch die Person vor dem Bildschirm zu verschlingen drohen.

Ich merke gerade, dass mir die richtigen Worte fehlen, um das Erlebnis „Distraint“ adäquat zu beschreiben. Ich denke, man muss es selbst spielen, um die Faszination nachvollziehen zu können, die es ausübt – oder auch nicht, ich gehe stark davon aus, dass man eine Ader für eine derartige Atmosphäre haben muss, um wirklich Gefallen daran zu finden. Wer mit Figuren, die sich optisch an Karikaturen orientieren und relativ farbarmer Grafik (beides ist der Atmosphäre sehr zuträglich) etwas anfangen kann und auch mit einer unkomfortablen Steuerung (auch das hebt „Distraint“ von den alten Adventures ab, allerdings nicht positiv!) umgehen kann, wird seine …hmmm… „Freude“ mit diesem Psychotrip in 2D haben.

Abzüge gibt es für den geringen Umfang und die merkwürdig anmutende, wenig intuitive Tastatursteuerung.

Gesamteindruck: 5/7


Genre: Adventure
Entwickler: Jesse Makkonen
Publisher: Jesse Makkonen
Jahr:
2015
Gespielt auf: PC