Ensiferum
Ensiferum konnten in ihrer Frühphase mit drei Geniestreichen überzeugen: Das Debüt „Ensiferum“ (2001) und die darauf folgenden „Iron“ (2004) und „Victory Songs“ (2007) waren ganz, ganz groß. Danach wurde es leider ein wenig zäh – und „Two Paths“ von 2017 verbessert die Situation nicht wirklich.
Gesamteindruck: 3/7
Der falsche Pfad.
Vielleicht beruht die schwankende Qualität, die ab 2007 im Hause Ensiferum eingezogen ist, auf Spätwirkungen des Abganges von Jari Mäenpää (g, v), der die Band 2004 verließ, um mit Wintersun … ähh… „durchzustarten“ (wie das aus- bzw. weitergegangen ist, ist eine andere Geschichte). So oder so gab es in den 10 Jahren zwischen „Victory Songs“ und „Two Paths“ durchaus geile Tracks zu hören. Leider stand denen im Gegenzug regelmäßig eine ähnliche Menge an mehr oder weniger belanglosem Füllmaterial gegenüber. Übrigens: In der Rückschau habe ich auch das 2015er-Werk „One Man Army“ ein bisschen zu optimistisch bewertet, 5/7 Punkten hätten es auch getan. Eine Verbesserung gegenüber den unmittelbaren Vorgängern war dennoch zu hören und man hoffte, dass die Finnen damit die Kurve gekriegt hätten.
Dass das leider nicht der Fall ist, zeigt „Two Paths“ sehr deutlich: Die Hälfte der Songs ist einigermaßen brauchbar, der Rest mehr oder weniger für die Tonne. War u.a. auch auf „Unsung Heroes“ (2012) so, dort waren die starken Tracks allerdings wesentlich besser als ihre Pendants auf „Two Paths“. Insgesamt haben wir es hier also mit dem schwächeren Album zu tun – was zwangsläufig bedeutet, dass „Two Paths“ sogar der bisherige Tiefpunkt der Diskografie der „Schwertträger“ ist.
„A path so bright…“
Positiv ist zunächst anzumerken, dass man auf „Two Paths“ auf eine überlange Nummer verzichtet. Denn seien wir uns ehrlich: Abgesehen von „Victory Song“ gibt es in dieser Hinsicht nichts, was man zwingend öfter als einmal gehört haben muss. Aber auch andere Ansätze sind – von der Grundidee her – durchaus löblich: Gesangstechnisch zeigt man sich beispielsweise variabler als je zuvor, indem man das Mikro gleich vier Protagonisten überlässt. Der Löwenanteil bleibt bei Petri Lindroos dessen Gebrüll meiner Ansicht nach immer schon sehr stark war. Neu ist, dass Gitarrist Markus Toivonnen und Bassist Sami Hinkka ebenfalls als Lead-Sänger zu hören sind. Und auch Neuzugang Netta Skog (ehemals Turisas, sie ersetzte Langzeit-Keyboarderin Emmi Silvennoinen allerdings auch nicht dauerhaft, wie man heute weiß) darf ihre Stimmbänder strapazieren.
Auf dem Papier klingt das erstmal gut und nach einer neuen Facette im Schaffen von Ensiferum. Leider ist es in der Praxis nicht ganz so gelungen, weil zumindest Hinkka kein großer Sänger vor dem Herrn ist. Markus Toivonnen auch nicht, aber dessen naiv-kauziger Gesang begleitet Ensiferum schon länger und kann durchaus als sympathisches Alleinstellungsmerkmal gelten. Allerdings sollte er dann doch eher dosiert eingesetzt werden, finde ich. Und Sami Hinkka? Der ist live bestens als Growl-Unterstützung für Lindroos und gelegentlicher Clear-Background für Toivonnen geeignet. Aber den Lead wie auf „God Is Dead“ braucht man ihm aus meiner Sicht nicht nochmal umzuhängen. Der Vollständigkeit halber: Netta Skog (u.a. auf „Feast with Valkyries“) macht ihre Sache gut, habe ich aber auch nicht anders erwartet.
Was die Instrumentierung betrifft, gibt es einen Ruck in eine für Ensiferum einigermaßen ungewohnte Ecke zu vermelden: Skog spielt ja Akkordeon statt der in der Band traditionell verwendeten Keyboards. Das lässt im einen oder anderen Song einen deutlichen Party-Einschlag entstehen (nachzuhören etwa bei „God Is Dead“ und „Don’t You Say“). Da muss man dann als Zuhörer schon mal schlucken, weil es doch extrem gewöhnungsbedürftig ist. Interessant, dass gerade zweitere Nummer trotz ihrer Einfachheit und Deplatziertheit so unterhaltsam ist, dass man sie als eines der wenigen Stücke auf „Two Paths“ immer wieder hören kann. Was aber nichts daran ändert, dass die Finnen sich dadurch selbst in eine Nische setzen, die bisher eher Spaß-Truppen wie Korpiklaani oder Alestorm vorbehalten war. Ich persönlich möchte Ensiferum dort eigentlich nicht sehen, wenn ich ehrlich bin.
„A path so dark…“
Es ist also durchaus etwas in Bewegung da bei Ensiferum. Leider – und das ist der Knackpunkt – sind die Songs samt und sonders nicht gut genug, um diese Entwicklung auch musikalisch ordentlich oder auch nur durchdacht wirken zu lassen. Als Beispiel sei eine der besseren Nummern, „Way Of The Warrior“ genannt, zu der es auch ein Video gibt. Hier hört man alle möglichen Versatzstücke raus, fühlt sich mal an „One More Magic Potion“, mal an „Twilight Tavern“, mal an „Token Of Time“ erinnert. Ja, lauter hochklassige Nummern, was den Qualitätsmalus von „Way Of The Warrior“ nur umso deutlicher zutage treten lässt. Ähnlich ist es beim härtesten Track, „King of Storms“, der nicht schlecht ist, aber es auch nicht schafft, so richtig den Funken überspringen zu lassen. Die restlichen guten Tracks sollte ich auch noch nennen: „Two Paths“ mit den brüderlich geteilten Vocals von Lindroos und Toivonnen, „Feast with Valkyries“, das genau den richtigen Folk-Einschlag für Ensiferum hat, dann hinten raus noch das etwas langsamere „Hail to the Victor“. Der Rest ist großteils entbehrlich, mit dem merkwürdigen „God Is Dead“ als Tiefpunkt.
Auch meine Meinung zur Produktion von „Two Paths“ ist dem Albumtitel entsprechend zweigeteilt: Einerseits ist der Sound gut. Es wurde ja einmal mehr so analog wie möglich aufgenommen, was man deutlich hört; „trocken“ ist wohl der richtige Ausdruck. Leider macht der Mix das eigentlich positive Klangerlebnis in der Praxis zunichte, denn offenbar hat es dem verantwortlichen Techniker gefallen, alle Instrumente, Effekte und Stimmen mehr oder weniger gleich laut abzumischen. Dadurch wirkt alles sehr konfus, nichts hat Raum, sich richtig zu entfalten. Die logische Folge: „Two Paths“ ist anstrengender zu hören, als es aufgrund der Songs eigentlich sein dürfte. Das alles soll aber nur eine Randnotiz sein, die Probleme liegen vordergründig ohnehin nicht in der Produktion.
Kreativität leidet unter Aktivität?
Eine Theorie, die ich in einem anderen Review gelesen habe, besagt, dass Ensiferum ihrem geradezu mörderischen Rhythmus aus Album-Tour-Album-Tour usf. Tribut zollen müssen. Kann gut sein – ich beobachte ähnliche Verschleißerscheinungen bei anderen Bands, die ebenfalls ständig unterwegs zu sein scheinen. Sabaton und Amon Amarth fallen mir da ad hoc ein. Nicht falsch verstehen: Der beste Platz für Heavy Metal ist nach wie vor auf der Bühne. Wenn dadurch aber die Kreativität leidet, sollte man sich überlegen, ob man es nicht ein wenig ruhiger angehen sollte. Ob nun gerade das der Grund ist, wieso „Two Paths“ nicht so recht zünden will, sei dahingestellt – in meinen Ohren ist es jedoch so, dass das Songwriting von Ensiferum früher wesentlich tiefer war, dass man einfach mehr zu sagen hatte. Das hier ist beliebige Stangenware, die man so keinesfalls von den einstigen Meistern ihrer Klasse hören will.
Track – Titel – Länge – Wertung
- Ajattomasta unesta – 2:12 – 3/7
- For Those About to Fight for Metal – 5:17 – 4/7
- Way of the Warrior – 3:57 – 4/7
- Two Paths – 4:48 – 5/7
- King of Storms – 5:16 – 3/7
- Feast with Valkyries – 4:08 – 5/7
- Don’t You Say – 3:59 – 4/7
- I Will Never Kneel – 5:00 – 4/7
- God Is Dead – 4:15 – 2/7
- Hail to the Victor – 5:10 – 4/7
- Unettomaan Aikaan – 3:39 – 4/7
Gesamteindruck: 3/7
Ensiferum auf “Two Paths” (2017):
- Petri Lindroos – Vocals, Guitars
- Markus Toivonen – Guitars, Vocals, Backing Vocals
- Sami Hinkka – Bass, Vocals, Backing Vocals
- Janne Parviainen – Drums
- Netta Skog – Accordeon, Backing Vocals
Anspieltipp: Two Paths