Metallica
Das erste Wort, das mir einfällt, wenn es darum geht, den Gesamteindruck von „S&M“ zu beschreiben, ist „schwierig“. In der Praxis haben wir es hier mit einem typischen Metallica-Konzert um die Jahrtausendwende zu tun, heißt: Die Songauswahl ist nicht ganz ausgewogen, vor allem ein oder zwei Nummern vom Debüt „Kill ´Em All“ (1983) vermisst man schmerzlich. Stattdessen gibt es Rohrkrepierer wie „Bleeding Me“ und „The Outlaw Torn“ zu hören. Ergänzt wird die abgesehen davon tadellose Live-Show des Vierers aus der Bay Area durch das San Francisco Symphony-Orchester, dirigiert vom 2003 verstorbenen Michael Kamen. Und genau in der Symbiose dieser beiden Elemente, Heavy Metal und Klassik, liegt das Problem.
Gesamteindruck: 3/7
Wo ist die Symbiose?
Beim ersten Durchgang von „S&M“ ist man noch guter Dinge: Man bekommt die bekannten Metallica-Standards in einer energiegeladenen Live-Version zu hören. Die Band ist „tight“, wie man so schön sagt, James Hetfield ist am Mikro deutlich besser drauf, als es zu jener Zeit gelegentlich der Fall war; nicht vergessen sollte man außerdem die grandiosen Backing Vocals von Bassist Jason Newsted, die Metallica meiner Ansicht nach auch heute noch sehr gut tun würden. Die Vorfreude wird bereits beim legendären Opener „The Ecstasy of Gold“ unermesslich groß – dass es dann ausgerechnet mit dem gefühlte Ewigkeiten dauernden Instrumental „The Call of Ktulu“ weitergeht, ist ein verschmerzbarer Dämpfer. Denn danach folgen sieben sehr starke Nummern, bevor die Kurve mit den finalen Stücken von Disc 1 deutlich abflacht.
Disc 2 beginnt mit dem im Zuge dieser Veröffentlichung auch im Radio endgültig totgespielten „Nothing Else Matters“ eher verhalten, steigert sich dann aber grandios (sieht man vom Zwischenloch „The Outlaw Torn“ ab) und endet mit dem Doppelschlag aus „Enter Sandman“ und „Battery“ standesgemäß. An alledem ist wenig auszusetzen, dass einem nicht jede Nummer gefällt, ist für ein Live-Album glaube ich normal, jeder hat ja so seine Traum-Setlist im Kopf. Man nickt ständig mit, klopft mit dem Fuß den Takt, brüllt (hoffentlich nicht in der Öffentlichkeit) bei den Refrains und Singalongs mit und freut sich generell, ein grundsolides Metallica-Konzert mit gutem, organischem Sound zu hören.
Nicht wie aus einem Guss.
Soweit so gut – irgendwann habe ich dann aber doch bemerkt, dass ich in meiner Begeisterung gar nicht so sehr auf das Orchester geachtet habe, das ja der Grund ist, wieso es diese Platte überhaupt gibt. Daran merkt man schon, dass hier etwas nicht so ganz stimmt. Ich vermute mal, meine wenig an Klassik gewöhnten Ohren haben die Orchester-Spuren relativ schnell ausgeblendet, weil diese stellenweise wie ein Fremdkörper (man könnte auch sagen: Störfaktor!) klingen. Bei einzelnen Songs wie „The Memory Remains“, „Until It Sleeps“, „For Whom the Bell Tolls“ und, ja, auch „Nothing Else Matters“, greift alles halbwegs ineinander. Wirklich gut funktioniert es aber nur bei den extra für dieses Album geschriebenen Nummern „-Human“ (allerdings per se kein so tolles Lied) und dem wahrlich großartigen und bis heute zu Recht auf Metallica-Setlists zu findenden „No Leaf Clover“ (in meinen Ohren der mit großem Abstand beste Track auf „S&M“).
Das Problem beim Rest vom Schützenfest scheint zu sein, dass Metallica ihre Songs keineswegs für die orchestrale Darbietung umgestaltet haben. Noch dazu geht die Band laut, druckvoll und – wie üblich – live etwas schneller als auf Platte zu Werke. Das Ergebnis: Wenn bei komplexeren Kompositionen wie „The Thing That Should Not Be“ und „Master of Puppets“, aber auch bei zwar einfachen, jedoch massiven Brechern wie „Battery“ oder „Fuel“ das Orchester einsetzt, gibt es so etwas wie eine Symbiose nicht mehr. Die Symphoniker scheinen frontal gegen eine unglaublich laute Metal-Band anzuspielen, es klingt stellenweise tatsächlich, als würden zwei Platten nebeneinander laufen und einfach nicht ineinander greifen. Dabei hat das nach meinem Ermessen nichts mit technischen Dingen wie Timing o. ä. zu tun – die Songs sind schlicht nicht für diese Performance ausgelegt. Eine etwas anderes Arrangement hätte wohl geholfen, denn grundsätzlich vertragen sich diese zwei Musikstile ja aufgrund ähnlicher Dynamik recht gut (wie diverse orchestrale Metal-Alben anderer Bands immer wieder gezeigt haben).
Auf „S&M“ ist das leider viel zu selten der Fall. Beim Gros der Songs ist es letztlich so, dass ich das Orchester ganz einfach nicht gebraucht hätte – und das ist natürlich ein Desaster. Vor dem Totalausfall retten das Album ein paar durchaus gelungene Songs (Kunststück, an deren grundsätzlicher Qualität ändert sich ja nichts…) und das unverwüstliche Live-Feeling eines Metallica-Konzerts. „Thema verfehlt“, hätte man in der Schule wohl gesagt.
Track – Titel – Länge – Wertung*
Disc 1
- The Ecstasy of Gold – 2:30
- The Call of Ktulu – 9:34
- Master of Puppets – 8:55
- Of Wolf and Man – 4:19
- The Thing That Should Not Be – 7:27
- Fuel – 4:36
- The Memory Remains – 4:42
- No Leaf Clover – 5:43
- Hero of the Day – 4:45
- Devil’s Dance – 5:26
- Bleeding Me – 9:01
Disc 2
- Nothing Else Matters – 6:47
- Until It Sleeps – 4:30
- For Whom the Bell Tolls – 4:52
- – Human – 4:20
- Wherever I May Roam – 7:02
- The Outlaw Torn – 9:59
- Sad but True – 5:46
- One – 7:53
- Enter Sandman – 7:39
- Battery – 7:25
Gesamteindruck: 3/7
* Bei Live- und Best of-Alben verzichte ich auf eine Einzelbewertung der Songs.
Metallica auf “S&M” (1999):
- James Hetfield − Vocals, Rhythm & Lead Guitars
- Kirk Hammett − Lead Guitars, Backing Vocals
- Jason Newsted – Bass, Backing Vocals
- Lars Ulrich − Drums
Anspieltipp: No Leaf Clover
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