The Revenge of the Enchantress
Soeben flimmert der Abspann von „Ultima II: The Revenge of the Enchantress“ über meinen Bildschirm. Einmal mehr war ich siegreich und habe die Welt gerettet – und doch fühle ich mich nicht wie ein Held. Denn erstmals in meiner langen Karriere als Computerspieler habe ich einen Hex-Editor verwendet, um das Spiel erfolgreich zu beenden. Wie es dazu gekommen ist – und warum das nicht einmal der Hauptgrund für die mäßige Wertung ist – versuche ich in folgendem Text herauszuarbeiten.
Gesamteindruck: 1/7
Ultimative Niederlage.
Richard „Lord British“ Garriott muss bereits in jungen Jahren genau gewusst haben, was er will: Nach dem Erfolg von „Ultima“ (1981 tatsächlich noch ohne Untertitel) wollte er den zweiten Teil seiner ultimativen Saga nur einem Publisher anvertrauen, der bereit war, eine Landkarte aus Stoff zu produzieren und dem Spiel beizulegen. Später sollte das ein Markenzeichen der Reihe werden, Anfang der 1980er war es hingegen neu – und unerhört, wenn man der Legende glauben darf. Und so kam es, dass „Ultima II: The Revenge of the Enchantress“ (1982) das einzige Spiel der Reihe ist, bei dem Sierra On-Line, als Publisher fungierte. Offenbar war nur der Adventure-Spezialist davon überzeugt, dass sich der Aufwand lohnen würde.
Der Inhalt in Kurzfassung
Nach der Niederlage des bösen Zauberers Mondain kehrte trügerischer Frieden in Sosaria ein. Was niemand ahnte: Der Erzschurke hatte eine Schülerin, die sich nach dem Tod ihres Meisters versteckt hielt. Jahre später war Minax, so der Name der Magierin, mächtiger geworden als es Mondain jemals gewesen war. Auf Rache sinnend nutzte sie die Risse in Raum und Zeit, die in Folge des epischen Kampfes gegen Mondain entstanden waren, um die Erde [sic!] anzugreifen und das Raum-Zeit-Kontinuum empfindlich zu stören. Einmal mehr musste ein Held gefunden werden, der den Schaden reparieren und Minax ihrer gerechten Strafe zuführen sollte…
Wenn man möchte, kann man es überall im Netz lesen: „Ultima II: The Revenge of the Enchantress“ ist nicht nur schwach, sondern der Schandfleck einer ansonsten großartigen Reihe. Nur die letzten regulären Veröffentlichungen („Ultima VIII: Pagan“, 1994 und „Ultima IX: Ascension“, 1999) werden ähnlich argwöhnisch betrachtet wie vorliegendes Spiel. Viele Meinungen zu „Ultima II“ sind freilich aus moderner Sicht geschrieben; von zeitgenössischen Rezensenten wurde das Werk wesentlich wohlwollender betrachtet. Allerdings gab es auf dem noch sehr jungen Rollenspielmarkt auch kaum Vergleichsmöglichkeiten – von daher haben diejenigen, die „Ultima II“ bereits Anfang der 1980er erlebt haben, nicht unbedingt unrecht. Zumal es ja tatsächlich nicht nur Schlechtes zu berichten gibt. Und weil es immer schön ist, mit etwas Positiven zu beginnen, wollen wir das auch hier so handhaben.
The Good…
Zunächst ist zu sagen, dass man, wie schon beim Vorgänger, das Handbuch lesen sollte. Denn auch „Ultima II“ setzt voraus, dass man sich vorab mit den wichtigsten Infos vertraut macht, einerseits, um die Bedienung zu erlernen, andererseits, sogar noch wichtiger, um seine Fantasie entsprechend zu aktivieren. An dieser Stelle habe ich direkt die erste Verbesserung gegenüber „Ultima I“ zu vermelden: „The Revenge of the Enchantress“ verfügt über eine deutlich komplexere und ausgereiftere Geschichte als sein Vorgänger. Bevor Kritiker Schnappatmung bekommen: Das heißt nicht, dass sich das Spiel grundsätzlich besser spielt; aus meiner Sicht ist Richard Garriott jedoch eine durchaus stimmige, durchdachte und spannende Story gelungen, die er im Handbuch mit wunderschönen Worten niedergeschrieben hat.
Profil haben auch Teile des Spiels selbst gewonnen. Das beginnt schon bei der Erstellung des Charakters: Es werden zwar immer noch in der üblichen Form Punkte auf Attribute verteilt, man merkt aber schnell, dass die Abstimmung feiner geworden ist. Erstmals spielt es zudem eine merkbare Rolle, welche Klasse man wählt – so kann ein Kleriker diesmal nur die Zaubersprüche seiner Profession nutzen, die des Zauberers bleiben ihm verwehrt, um nur ein Beispiel zu nennen. Eine weitere Veränderung zeigt sich bei den Siedlungen: Die bestehen nicht mehr aus einem einzigen, immer ähnlichen Bildschirm, sondern breiten sich weit darüber hinaus aus, was erstmals für individuell aussehende Dörfer und Burgen sorgt; ein System, das später von praktisch allen Rollenspielen übernommen werden sollte. Gleiches gilt für die NPCs, die nun allesamt ansprechbar sind. Zwar haben nur wenige wichtige Personen ein bisschen Sondertext (alle anderen brabbeln Nonsens wie „Hex-a-poo, hex-on-you!“ oder „Ugh! Me tough!“ vor sich hin), dennoch ist das etwas vollkommen Neues, das schnell von vielen anderen Produktionen übernommen wurde.
…the Bad…
Klingt alles super? Stimmt. Irgendwo muss die schlechte Bewertung jedoch herkommen, und darum geht es jetzt mit der Schimpftirade los. Den Anfang macht die Story, von der ich weiter oben geschrieben habe, dass sie durchaus ansprechend ist und davon zeugt, dass sich Lord British deutlich mehr Gedanken gemacht hat, als im ersten Teil. Allerdings passt die Mär von der bösen Zauberin, die das Raum-Zeit-Gefüge auf der Erde (!) durcheinander bringt, so gar nicht in den „Ultima“-Kanon, was zum Erscheinungszeitpunkt freilich nicht so bedeutend schien, wie mit heutigem Wissen. Für sich genommen ist es eigentlich ein passabler Rahmen für ein Spiel – als Fortsetzung von „Ultima I“ ist es jedoch nur bedingt geeignet. Und, bevor ich es vergesse: Ja, man begibt sich auch wieder in den Weltraum. Naja. Ich hätte dennoch damit leben können, auch, weil die Atmosphäre insgesamt ganz gut dazu passt. Aber leider kommen wir nun zum ganzen Rest.
… & the Ugly.
„Ultima II“ ist vor allem eines: Langwierig und frustrierend. Ersteres ist eventuell entschuldbar – ich kann mir vorstellen, dass es 1982 durchaus ein Qualitätskriterium war, wenn man sich so lang mit einem Programm beschäftigen konnte (oder musste, je nach Standpunkt). Und das ist durchaus möglich – ständig neu generierten Monstern sei Dank, geht dem geneigten Kämpfer die Arbeit nie aus. Will man aber in der Story vorankommen, reicht es natürlich nicht, in Dauerschleife alle Schauplätze vom Übel zu befreien. Drum herum kommt man aber beim besten Willen nicht, denn in „Ultima II“ benötigt der Spieler geradezu astronomische Summen an Gold und eine damit korrespondierende Menge an Geduld.
Wieso? Ganz einfach: „Ultima II“ ist eine in der Form von mir noch nie erlebte Grind-Katastrophe. Damit meine ich, dass gefühlte 90% der Spielzeit aus dem Aufspüren und Vernichten von Feinden bestehen. Denn nur so ist es möglich, an genügend Gold zu kommen, um sich Hitpoints, Nahrung, Attributverbesserungen, aber auch unbedingt notwendige Ausrüstungsgegenstände zu kaufen. Ich weiß nicht, wie lange es auf normalem Weg dauert, den Kontostand entsprechend zu erhöhen – wer die Geduld dafür nicht aufbringt, muss jedenfalls zum genannten Grinding greifen. Dabei wird die Taste „P“ (für „Pass“, also das Überspringen eines Zuges) zum besten Freund – nur so hat man die Hoffnung, an einer günstigen Stelle eine große Menge an Gegnern zu versammeln, die man dann bestenfalls mit den Schiffskanonen einer gekaperten Fregatte um die Ecke bringt. Das ist ein äußerst stupides Geschäft; es zermürbt aber weniger als das Warten auf einzelne Gegner an Land.
Dass das alles so sein muss, ist auch dem einmal mehr berühmt-berüchtigte Heißhunger des Fremden geschuldet. Dessen Appetit scheint im Vergleich zu „Ultima I“ sogar noch angewachsen zu ein, was vor allem zu Beginn den Großteil des mühsamst erbeuteten Goldes für Nahrung draufgehen lässt. Abhilfe schafft auch hier die Eroberung eines Piratenschiffs: Bewegt man sich damit über das Meer, gibt es wie von Zauberhand kein Hungergefühl mehr. Gerade am Anfang ist das Entern eines solchen Fahrzeugs aber nicht möglich, zumal man in mindestens vier der fünf Zeitzonen, aus denen „Ultima II“ besteht, wenigstens eines der selten auftauchenden Gefährte kapern sollte. Bis man das irgendwann geschafft hat, muss man geduldig auf Schusters Rappen herumstreifen, was Nahrungs- und Hitpoints oft schneller schwinden lässt, als man Monster erschlagen kann. Zu allem Überfluss bringen besiegte Gegner deutlich weniger Gold als in „Ultima I“.
Das Problem – oder eines der Probleme von „Ultima II“ – ist schlicht und einfach: Es gibt keine Möglichkeit, den Charakter anders als durch den Einwurf barer Münze zu verbessern. Oder auch nur zu heilen – denn so etwas wie Zaubertränke oder Heilzauber sind noch nicht erfunden. Und so ist das Spiel von der ewigen Hoffnung geprägt, bei der Rückkehr von einem Ausflug in die Wildnis eine „positive Bilanz“ vorweisen zu können, also mehr Gold erbeutet zu haben, als die Auffrischung und gegebenenfalls sogar Verbesserung der Attribute und Vorräte kostet. Klingt nach einem unglaublichen Spaß, oder? Erschwert wird all das auch noch durch die sprichwörtliche Leere der großen Spielwelt – es ist wenig los und die Monster respawnen nicht gerade häufig.
Nichts als Probleme.
Und die Dungeons? Jep, die gibt es wieder – und das Spiel wechselt beim Betreten wie gehabt in die 3D-Perspektive. Allerdings müssen die Verliese und Türme im Gegensatz zu „Ultima I“ gar nicht betreten werden, weil es – siehe etwas weiter unten – keine Quests gibt, die dorthin führen. Und da die Eigenheit des Vorgängers, die Anzahl der Hitpoints nach dem erfolgreichen Besuch eines Dungeons aufzubessern, dem Rotstift zum Opfer gefallen ist, gibt es schlicht keinen Grund, überhaupt dorthin zu gehen. Im Gegenteil – mehr Geld gibt’s für die dort vernichteten Monster nicht, die sind außerdem noch ziemlich lästig, pusten entweder die Fackel aus (was zu völliger Blindheit führt) oder klauen das Essen, was jeden Ausflug in den Untergrund schnell zum Minusgeschäft werden lässt, wenn man nicht sogar verhungert, bevor man wieder zurück an der Oberfläche ist. Dazu passend: Die magisch begabten Klassen können ihre (wenigen) Zaubersprüche nur in Dungeons nutzen – keine Ahnung, was Meister Garriott da geritten hat. Dadurch ist es auch völlig sinnbefreit, einen Magier oder Kleriker zu erschaffen, es sei denn, man spielt „Ultima II“ tatsächlich nur als leidenschaftlicher Dungeon Crawler.
Ganz andere Baustelle, aber ein ebenfalls großes Problem: Entscheidende Teile des Spiels basieren auf Zufall. Dabei ist es ja durchaus in Ordnung, wenn man für den Spielverlauf wichtige Gegenstände schwer ergattern kann. „Schwer“ heißt in „Ultima II“ allerdings: Strikt zufallsabhängig. Beispielsweise erhält man von besiegten Dieben nicht nur Gold, sondern gelegentlich einen von zig speziellen Gegenständen, der automatisch ins eigene Inventar wandert. Der Clou: Was man bekommt, entscheidet Meister Zufall; es gibt Gerüchte von Spielern, die Stunden durch Zeit und Raum gereist sind, zig Diebe erschlagen haben und immer noch keine „Brass Buttons“ im Inventar hatten, die man braucht, um ein Flugzeug (ja, wirklich!) nutzen zu dürfen. Dass der einzige NPC, der Attribute verbessern kann, ebenfalls nur zufällig Stärke, Geschicklichkeit, Ausdauer, Weisheit oder Intelligenz erhöht, spielt da fast schon keine Rolle mehr.
Und es gibt noch einen Punkt, der geeignet ist, das Spielvergnügen stark zu reduzieren: Quests im eigentlichen Sinne gibt es in „Ultima II“ nicht. Um in Richtung Finale voranzukommen, gilt es, in einer Art Schnitzeljagd verschiedene Hinweise zu sammeln, auszuwerten und zu nutzen. Das Spiel ist dadurch einerseits sehr linear, andererseits sind die Hints so vage, dass es bockschwer ist, überhaupt durchzusteigen. Zum Teil ist es sogar unmöglich, die Rätsel mit logischem Denken zu entschlüsseln. Bestes Beispiel ist ein Schwert, das benötigt wird (oder auch nicht – die Meinungen gehen offenbar auseinander), um den Finalkampf zu gewinnen. Darauf gibt es im Handbuch einen knappen Hinweis, der aber eher das Gegenteil von dem aussagt, was wirklich notwendig ist, um es zu bekommen. Im Spiel selbst muss man erst denjenigen aufspüren, der es hat, nur um dann – woher auch immer – zu wissen, dass man ihn mit einer bestimmten Goldsumme bestechen muss, um die Waffe endlich in Händen zu halten (während im Handbuch explizit steht, man kann das Schwert nicht kaufen, sondern muss es sich verdienen). Sorry, da bin ich vollkommen ausgestiegen und musste – nicht zum einzigen Mal – zur Lösung greifen. Keine Ahnung, wie die Spieler das früher gemacht haben…
Ich glaube, damit ist auch mein einleitendes Statement in Hinblick auf den Hex-Editor nachvollziehbar: Irgendwann hatte ich das Gefühl – ein objektives Maß dafür gibt es nicht – mein Charakter wäre mächtig genug, zum finalen Kampf anzutreten. Nach fünf oder sechs gescheiterten Versuchen musste ich feststellen, dass dem nicht so war und ich auch meinen Nahrungsmittelvorrat nicht ausreichend aufgefrischt hatte. Eigentlich kein Problem, man hat ja die letzte Speichermöglichkeit genutzt, um bei einer Niederlage genau vor dem Kampf mit Minax weitermachen zu können – bestenfalls mit stark erhöhten Attributen. Nur bedeutete das gleichzeitig, wieder Unmengen an Gold erobern zu müssen, um die Statistiken überhaupt entsprechend aufbessern zu können. Als ich mir vor Augen führte, dass das erneut mehrere Stunden entweder in genannter Art per Piratenschiff zu grinden oder noch länger auf der Weltkarte herumzuirren und Monster zu erschlagen bedeuten würde, griff ich erstmal in meinem Leben zu einem Hex-Editor und änderte kurzerhand die wichtigsten Charakterwerte in der entsprechenden Datei ab.
Ich bin nicht stolz drauf, aber so richtig nach cheaten fühlt es sich auch nicht an. Denn ich habe ja vorher verstanden, was man machen muss und wie es möglich ist, die böse Zauberin zu vernichten. Von daher habe ich eigentlich nichts getan, als einen völlig variationslosen, Ewigkeiten dauernden Prozess zu beschleunigen, um das Spiel endlich zu beenden. Bereut habe ich es nicht – und doch blieb ein schales Gefühl zurück, das aber eher darauf zurückzuführen ist, dass es keine spielerische Möglichkeit gibt, durch Geschick oder List ein ähnliches Ergebnis zu erzielen. Lange Rede, kurzer Sinn: Minax lag irgendwann im Staub und ich fühlte mich als Sieger, bevor ich kurzfristig ein schlechtes Gewissen bekam und mich selbst für einen Betrüger hielt. Aber nur einen kleinen Augenblick lang. Gleich darauf war ich sogar überaus froh – und zwar weil das Spiel endlich vorbei war und ich mich nie mehr damit auseinandersetzen musste, wie ich möglichst schnell zu möglichst viel Kohle komme.
Grafik & Sound.
Erwartungsgemäß gibt es bei Optik und Akustik kaum Verbesserungen zu sehen bzw. hören. Wer meine unlängst erschienene Rezension zu „Ultima I“ gelesen und die Screenshots gesehen hat, wird sich zunächst sogar verwundert die Augen reiben: Ist „Ultima II“ tatsächlich ein grafischer Rückschritt gegenüber seinem Vorgänger? Die Antwort ist ein klares „Nein“, denn das Package „Ultima I + II + III“ bei GOG.com beinhaltet die aktuellste, offizielle Version der Spiele – und zwar so, wie sie auf damals auf PC portiert wurden. „Ultima I“ hat als einziger Teil der ersten Trilogie für den PC ein Facelift durch den Entwickler erfahren – das passierte allerdings erst im Jahre 1987, als die Teile II bis IV schon auf dem Markt waren. Die wurden – aus welchem Grund auch immer – nie modernisiert, sodass man nur in „Ultima I“ in den Genuss offizieller EGA-Grafik kommt. Für „Ultima II“ gibt es zwar einen inoffiziellen Patch, der die Optik verbessert und ein paar Bugs behebt, ich habe aber darauf verzichtet und das Programm so gespielt, wie es offiziell nach wie vor verkauft wird. Wem „Ultima I“, egal ob im originalen CGA oder im verbesserten EGA zu hässlich war, der wird so oder so auch bei „Ultima II“ schreiend davonlaufen. Dabei gibt es tatsächlich einen grafischen Fortschritt, der sogar im farbarmen CGA-Modus auffällt: Die Monster in den Dungeons bestehen nicht mehr nur aus weißen Strichen vor schwarzem Hintergrund, sondern sind „ausgemalt“. Außerdem… äh… naja, mehr Verbesserungen sind mir in Hinblick auf die Grafik nicht untergekommen, wenn ich es mir recht überlege.
In Sachen Sound gibt es überhaupt keine Neuerungen – mehr als der PC-Speaker mit seinem Gepiepse ist nicht vorhanden, wobei ich das Gefühl habe, dass „Ultima II“ mit ein paar anderen Effekten ausgestattet ist, die ich allerdings eher unter „nervig“ abheften würde. Weil wir es aber – man kann es nicht oft genug betonen – immer noch mit einem Titel aus den frühen 1980ern zu tun haben, sollte man diesbezüglich schon sehr gnädig sein.
Fazit: Zu viel gewollt, zu wenig gekonnt.
Es ist schon merkwürdig. Man hat beim Spielen von „Ultima II“ fast ständig das Gefühl, Richard Garriott hätte mehr gewollt, als er auch nur ansatzweise umsetzen konnte. Vieles wirkt nicht fertig, nur angedacht oder irgendwie verwässert – ein Problem, das man meines Erachtens eher von modernen Spielen kennt, die unter irrsinnigem Veröffentlichungsdruck halbfertig auf den Markt geworfen werden. Ob das Anfang der 1980er Jahre auch schon ein Problem war oder sich Lord British schlicht übernommen hat, bleibt unklar. Beispiele gibt es zur Genüge: Sinnlose Dungeons, magische Klassen, die man nicht braucht, weil sie nur in Dungeons zaubern können, ein Sonnensystem mit neun besuchbaren Planeten, von denen aber nur einer für die Story essenziell ist, (fast) leere Landschaften, keinerlei Quests, Grinding als einzige Möglichkeit, im Spiel voranzukommen – all das macht „Ultima II“ zu einem irrsinnig schwachen Titel. Freilich spielt da mit rein, dass ich es letztlich nur in der Retrospektive betrachten kann – dennoch glaube ich, dass all das auch schon 1982 hätte kritisiert werden können.
Ich behaupte auch nicht, dass „Ultima I“ tatsächlich das war, was man heute unter einem Rollenspiel versteht. Es hatte Elemente daraus, die damals neuartig waren; insgesamt war es aber nicht mehr und nicht weniger als ein nettes, recht unterhaltsames, kleines Spielchen. „Ultima II“ geht, was die Story betrifft, einen guten Schritt weiter in Richtung Moderne. Vom Spielgefühl her ist es jedoch ein Rückschritt und hat noch weniger mit unserem Verständnis für dieses Genre zu tun als sein Vorgänger. Leider muss man das so deutlich sagen: „Ultima II“ macht vielleicht für eine Stunde Spaß, spätestens dann merkt man, dass sich am ganzen Ablauf für die nächsten Tage oder Wochen – je nachdem, wie lange man sich das antun möchte – nichts mehr ändern wird. Obwohl es mir massiv widerstrebt, kann ich, wenn ich halbwegs subjektiv sein will, nicht anders: „Ultima II“ ist, bei aller Sympathie für seinen exzentrischen Schöpfer, ein klarer Fall für die World of Shame.
PS: Ich habe vielleicht einen Fehler gemacht – direkt, bevor ich mit dem Schreiben dieser Rezension begonnen habe, habe ich „Ultima III: Exodus“ installiert und angespielt. Bevor ich das getan habe, war ich geneigt, „Ultima II“ wohlwollende 2 Punkte zu geben, weil ich dachte, dass es gar nicht soooo schlimm gewesen wäre. Wenige in „Ultima III“ verbrachte Minuten haben mich direkt eines besseren belehrt – „Ultima II“ ist tatsächlich eine Katastrophe.
Gesamteindruck: 1/7
Genre: Rollenspiel
Entwickler: Richard Garriott
Publisher: Sierra On-Line
Jahr: 1982
Gespielt auf: PC
Screenshots aus „Ultima II: The The Revenge of the Enchantress“ – Copyright beim Entwickler!