Amon Amarth
Alle, die Amon Amarth nach dem sehr durchwachsenen „Fate of Norns“ (2004) auf dem absteigenden Ast gesehen haben, werden mit Album Nummer 6 eines Besseren belehrt. Ich meine sogar, dass „With Oden on Our Side“ das mit Abstand beste Album der Schweden seit „The Avenger“ (1999) ist. Und: Bis zum Zeitpunkt dieser Rezension (Februar 2021) haben die Melodic Death Metaller aus Stockholm dieses Niveau nie wieder in solch beeindruckender Manier erreicht.
Gesamteindruck: 7/7
Amon Amarth pitten zum Wikinger-Mosh.
Ich weiß, ich weiß. Superlative schon in der Einleitung… Geht es nicht auch eine Nummer kleiner? Zu meiner Verteidigung sei gesagt, dass meine Begeisterung nicht kurzfristiger Euphorie entspringt – immerhin hat „With Oden on Our Side“ mittlerweile an die 15 Jahre auf dem Buckel. Wobei ich zugeben muss, dass es eine Grundsatzfrage ist, ob man mir zustimmen wird. Das werden wohl alle tun, die sich von Amon Amarth mehr Hymnen vom Schlage eines „The Pursuit of Vikings“ gewünscht haben. Wenn jemand hingegen auf komplexeres Material und ungestüme, kaum kontrollierte Härte steht, wird er „With Oden on Our Side“ vermutlich als endgültiges Ragnarök für die Band deuten.
Ich will nun nicht behaupten, dass die Wahrheit in der Mitte liegt – denn das wird beim Großteil der Zuhörer wohl nicht so sein. Ich persönlich bin dennoch der Ansicht, dass beide Gesichter unser aller Lieblingswikinger ihre Daseinsberechtigung haben. Jedenfalls haben die Herren aus Stockholm schon lange vor diesem Album an ihrer Erfolgsformel gefeilt, was Songs wie „Victorious March“ (1998), „Death in Fire“ (2002) und „The Pursuit of Vikings“ (2004) zeigen. Diese Nummern sind einerseits dafür ausgelegt, live ordentlich für Stimmung zu sorgen, andererseits sind sie wohl auch äußerst gut verkäuflich. Beides kann man Amon Amarth kaum vorwerfen. Der Knackpunkt dürfte eher sein, dass „With Oden on Our Side“ das erste Werk der Schweden ist, das überwiegend aus – nennen wir das Kind beim Namen – relativ leicht verdaulichen Hits besteht. Was übrigens nicht bedeuten soll, dass sich hier irgendeine Nummer für Radio-Airplay eignet…
Kritikpunkte als Mangelware.
Dass das Album wie aus einem Guss klingt, zeigt sich allein daran, dass man nicht so richtig weiß, welchen Song man überhaupt hervorheben soll. Meines Erachtens befinden sich alle auf ungefähr gleichem Niveau – sogar die gefühlt unbekannteren „Gods of War Arise“ und „Prediction of Warfare“ sind ausgezeichnet geschrieben. Die einzige Nummer, die ich im ersten Moment beim Rekapitulieren der Tracklist nicht einer Melodie, einer Textzeile oder einem Refrain zuordnen konnte, war der Titeltrack. Ein Blick in die Lyrics hat das dann aber direkt geändert („Under winters kies / We stand glorious / And with Oden on our side / We are victorious!“), sodass ich nicht sagen kann, dass dieser Song dem Rest des Albums in irgendeiner Weise nachsteht.
Kann man Amon Amarth für „With Oden on Our Side“ überhaupt irgendwie ans Bein pinkeln (wenn man mal von der oben angeführten Grundsatzfrage absieht)? Ein paar Ansatzpunkte, mit denen das möglich wäre, sehe ich tatsächlich. Ein großer Brocken mag in den Ohren vieler Fans der ersten Stunde die Produktion sein. Die walzt zwar alles nieder und ist – übrigens erstmals in der Band-Geschichte – extrem ausgewogen. Allerdings würden Manche wohl sagen „zu ausgewogen“, Andere, die den Wikingern nicht mehr so gewogen sind, vielleicht sogar „aalglatt“. Rein subjektiv empfinde ich den Mix als angenehm und ausgesprochen gut hörbar. Alle Instrumente und der Gesang sind gleichberechtigt abgemischt und glasklar hörbar; alles ist an seinem Platz und wie zu erwarten vollkommen fehlerlos dargeboten. Ist das zu viel des Guten? Ich bin nun niemand, der Wert auf trockene und/oder dreckige Produktionen legt – aber ich muss tatsächlich einräumen, dass das, was hier an den Reglern fabriziert wurde, bei aller technischen Perfektion eine Schippe Rauheit vermissen lässt. Nicht so viel, dass es für mich persönlich ins Gewicht fallen würde, wohlgemerkt.
Man könnte vielleicht auch bei den Songs selbst ansetzen. Wer nicht genau zuhört, mag „With Oden on Our Side“ als zu routiniert abheften, als eine Platte, deren Songs relativ gleichförmig klingen. Ich sehe es so: Zwar hauen „Valhall Awaits Me“, „Runes to My Memory“, „Asator“, „Gods of War Arise“, „With Oden on Our Side“ und „Cry of the Black Birds“ in eine ähnliche Kerbe, „ähnlich“ ist aber nicht „gleich“. Diese Songs vereint die massive Eingängigkeit ihrer Refrains bzw. Mitsing-Parts, der Rest ist für mein Dafürhalten aber variabel genug. Einige davon sind relativ rasant („Valhall Awaits Me“, „Asator“), andere im Riff-betonten Heavy Metal-Midtempo angesiedelt („Cry of the Black Birds“). Mir gefällt diese Mischung gut, am ehesten würde ich hier noch kritisieren, dass die Lyrics der relativen Einfachheit der Musik folgen (wie es schon bei „The Pursuit of Vikings“ der Fall gewesen ist). Klar, wenn man beim Konzert die Leute zum Mitbrüllen animieren möchte, geht das mit komplexen Textzeilen nicht so leicht.
Umgekehrt stehen auf „With Oden on Our Side“ mit „Hermod’s Ride to Hel – Lokes Treachery Part 1“, „Under the Northern Star“ und „Prediction of Warfare“ drei Songs, die kompositorisch durchaus komplexer sind und sich generell vom restlichen Material unterscheiden. Vor allem „Hermod’s Ride to Hel“ möchte ich aus diesem Trio hervorheben – das ist meines Erachtens ein Song, der es in Sachen Songwriting durchaus mit den alten Nummern der Band aufnehmen kann. Extrem geil finde ich, dass die letzte Minute der Nummer sogar ein paar Black Metal-Elemente beinhaltet (eine typische Melodie und angeschwärzter Gesang). Großartig und für mich einer der besten Amon Amarth-Tracks überhaupt, allem Heavy Metal-Riffing zum Trotz. Noch kurz erwähnt sei an dieser Stelle, dass mir das fast ein bisschen balladeske „Under the Northern Star“ von allen Songs auf diesem Werk am wenigsten gefällt, was aber nicht heißt, dass es ein schlechtes Lied ist.
Egal, wie ich die Sache drehe und wende, wurscht, wie oft ich das Album hintereinander höre: „With Oden on Our Side“ ist für mich ein Meisterwerk. Ich gebe zu, dass hier nur mehr homöopathische Dosen Death Metal zu hören sind – aber, verdammt noch mal, was soll’s, wenn die Songs dermaßen gut reingehen und sich über Tage im Hirn festfressen. Und weil sich daran nichts geändert hat, seit diese Platte vor so vielen Jahren auf den Markt gekommen ist, gibt es für mich nur eines: Höchstwertung.
Gesamteindruck: 7/7
No | Titel | Länge | Note |
1 | Valhall Awaits Me | 4:43 | 7/7 |
2 | Runes to My Memory | 4:32 | 7/7 |
3 | Asator | 3:04 | 7/7 |
4 | Hermod’s Ride to Hel – Lokes Treachery Part 1 | 4:40 | 7/7 |
5 | Gods of War Arise | 6:02 | 7/7 |
6 | With Oden on Our Side | 4:34 | 6/7 |
7 | Cry of the Black Birds | 3:49 | 6/7 |
8 | Under the Northern Star | 4:17 | 6/7 |
9 | Prediction of Warfare | 6:36 | 6/7 |
42:17 |
Amon Amarth auf “With Oden on Our Side” (2006):
- Johan Hegg − Vocals
- Olavi Mikkonen − Guitars
- Johan Söderberg − Guitars
- Ted Lundström – Bass
- Fredrik Andersson − Drums

4 Gedanken zu “MusikWelt: With Oden on Our Side”