Dieser Film – ein Herzensprojekt von Regisseur Luc Besson – reiht sich nahtlos in die Riege jener Produktionen ein, die stark im Ungleichwicht sind: „Valerian – Die Stadt der tausend Planeten“ sieht unglaublich gut aus und zeugt von einer Liebe zum Detail, die man in der Form eher selten sieht. Man spürt den Enthusiasmus, mit dem sich der französische Filmemacher in die Adaptierung der Comicvorlage für die große Leinwand geworfen hat. Leider hat er jedoch – wie so viele seiner amerikanischen Kollegen – den Fehler gemacht, sich darauf zu verlassen, dass die grandiose Optik Mängel in der Story und im Drehbuch kaschiert. Bei bekannten US-Franchises mag das immer mal wieder für gute Ergebnisse reichen, in diesem Fall floppte der Film an den Kinokassen. Zu recht, wie ich konstatieren muss…
Gesamteindruck: 3/7
So viele Details, so wenige Ideen.
Ich habe den Comic „Valerian und Veronique“ (im französischen Original „Valérian et Laureline“) nie gelesen. Von daher kann ich nicht sagen, ob die Umsetzung einigermaßen werkstreu ist oder die Vorlage mit Füßen tritt. So gesehen vielleicht ganz gut, denn damit kann ich „Die Stadt der tausend Planeten“ als eigenständigen Film betrachten – und als solcher muss er ja funktionieren, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass die Comic-Serie außerhalb von Frankreich weit verbreitet ist.
Worum geht’s?
Im 28. Jahrhundert arbeiten Major Valerian und Sergeant Laureline als Spezialagenten für die Regierung. Ihre aktuelle Mission: Den letzten Transmutator, der noch im Universum existiert, sicherstellen. Zunächst scheint es sich dabei um einen Routine-Auftrag zu handeln, bald stellt sich jedoch heraus, dass mehr dahinter steckt und hohe Militärs ein dunkles Geheimnis verbergen.
Zu einer Sache kann, will und muss ich Luc Besson definitiv gratulieren: Er lässt diesen Film einfach unglaublich gut aussehen und man merkt, dass es ihm wichtig war, eine fast schon unendlich wirkende Vielfalt abzubilden. Ich vermute, dass der Regisseur großer Fan des Comics ist und sich wie ein kleines Kind gefreut haben muss, als er den Zuschlag für die Verfilmung bekommen hat. Angeblich sieht man im Film an die 200 (!) unterschiedliche außerirdische Spezies – ich weiß nicht, ob es so etwas schon einmal gegeben hat, aber hier waren der Fantasie offenbar keine Grenzen gesetzt. Per se erinnert die Bildsprache übrigens stark an „Das fünfte Element“, fast scheint es, als hätte Besson mit der deutlich besseren Technik, die ihm genau 20 Jahre nach jenem Überraschungserfolg zur Verfügung stand, eine Vision, die er schon damals hatte, endgültig umsetzen können. Meistens ist „Die Stadt der tausend Planeten“ knallbunt, oft auch erschreckend düster, immer jedoch voller Fantasie. Das betrifft übrigens nicht nur die Ausstattung, auch die rasante Action, die den gesamten Film durchzieht, sieht ausgesprochen ästhetisch aus und ist großartig choreografiert. Zur Optik muss man also sagen: Hut ab; trotz massivem CGI-Einsatz wirkt übrigens alles wie aus einem Guss, was in modernen Produktionen keineswegs selbstverständlich ist.
Wenn das alles aber so großartig ist – wie komme ich dann zur enttäuschenden Gesamtwertung? Naja, es ist vermutlich nicht schwer zu erraten und ein mittlerweile leider weit verbreitetes Problem: Story, Drehbuch und Charaktere bleiben meilenweit hinter der glitzernden Fassade zurück. Dem Plot kann man dabei noch am wenigsten vorwerfen – er ist halt sehr konservativ, bietet so gut wie keine Überraschungen und ordnet sich weitgehend der atemlosen Action unter. Es ist das übliche „wir müssen verhindern, das dieses Transmutator-Dingens in falsche Hände gerät“-Spiel. Das wäre ja nun gar nicht verkehrt, würde die Story wenigstens die eine oder andere Wendung nehmen. Tut sie meines Erachtens nicht (ich empfand „Das fünfte Element“ in dieser Hinsicht als deutlich intelligenter und erfrischender) – und das macht ein erneutes Ansehen des Films überflüssig, denn man wird dadurch keine versteckten Andeutungen o. ä. entdecken, die einem beim ersten Durchlauf entgangen sind.
Keine Sympathieträger.
Kann man bei der Story noch beide Augen zudrücken (bzw. das Hirn in bester Hollywood-Action-Tradition abschalten), habe ich mit Drehbuch und Charakteren echte Probleme. Beim Drehbuch ist mir zunächst eine massive Diskrepanz zwischen der fast schon als übersteigert zu betrachtenden Lässigkeit der Figuren und der immer wieder durchkommenden Brutalität der Action aufgefallen. Ich bin wahrlich niemand, der ein Problem mit harten Filmen hat – aber „Die Stadt der tausend Planeten“ wirkt über weite Strecken (es reicht eigentlich, den Trailer zu sehen) wie ein Film für Jugendliche. Das liegt wohl an den sehr jungen Hauptdarstellern und an der weitgehend bunten Optik. Andererseits wird oft und gerne ordentlich gemetzelt – und das in Teilen durchaus detailliert. Wie gesagt: Mich stört das an und für sich nicht, dennoch finde ich die genannte Diskrepanz äußerst irritierend. An dieser Stelle sei, weil es gerade passt, auf eines von vielen Plot-Holes hingewiesen: Im letzten Drittel des Films muss unser Held seine Partnerin aus einer Art Tempel retten, den er als Mensch aber nicht betreten darf. Um einen diplomatischen Zwischenfall mit den primitiv wirkenden Außerirdischen zu vermeiden, verkleidet er sich nach langem Hin & Her als ein solcher – nur um später, als die Befreiungsaktion misslingt, erst recht alle Aliens zu beseitigen. Konsequenz ergibt sich daraus keine, was bei mir das Gefühl eines nicht zu Ende gedachten Drehbuchs weiter verfestigt hat.
Nun noch etwas Klartext zu den Charakteren: Ich kann mich ad hoc an keinen Film erinnern, in dem mir sowohl Haupt- als auch Nebenfiguren dermaßen unsympathisch waren. Vielleicht bin ich zu alt, um das zu verstehen – aber weder der als physisch und psychisch unkaputtbarer Superheld und -macho überzeichnete, selbstverliebte und in keiner Situation ansatzweise ernsthafte Valerian, noch die unterkühlte und arrogante Laurelin haben mir irgendeine Möglichkeit zur Identifikation geboten. Letztere lässt wenigstens ab und an so etwas wie Verletzlichkeit durchschimmern – aber eigentlich stand ich beiden Helden vollkommen emotionslos gegenüber. Da rettet auch der großteils eh ziemlich platte Humor nichts. Es ist schon klar, was hier versucht wurde: Die beiden Helden sollten sich als eine Art dysfunktionales Paar laufend gegenseitig Stichwörter geben, so etwas wie „Gilmore Girls“ im Weltraum. Nur leider haut das aus meiner Sicht überhaupt nicht hin, sondern ist bestenfalls holprig, schlimmstenfalls peinlich (speziell die „romantischen“ Einlagen mit pubertierendem Balzverhalten unseres Top-Agenten spottet jeder Beschreibung). Übrigens konnten mich auch die Nebenrollen überhaupt nicht überzeugen. Im Endeffekt fand ich ausgerechnet die Nicht-Schauspielerin Rihanna in ihrer Rolle als tragische Gestaltwandlerin Bubble am besten, gefolgt von Ethan Hawke als zwielichtigen Clubbesitzer (den aber schon mit Einschränkungen).
Schade um die guten Ideen.
Bisher dachte ich, das Problem läge an Hollywood. Tut es wohl auch, irgendwie – denn dort werden die vermeintlichen Erfolgsrezepte produziert, an denen sich (Action-)Filmemacher scheinbar auch außerhalb dieses Molochs zu orientieren haben. Luc Besson hat die Hollywood-Formel, nach der Schein wichtiger ist als Sein, mittlerweile offenbar leider auch verinnerlicht. Dabei hat der Mann u. a. mit „Léon – Der Profi“ (1994) und „Das fünfte Element“ (1997) bewiesen, dass er mehr als nur oberflächliche Action kann.
Ganz ehrlich: Ich wollte diesen Film wirklich mögen. Und so übel, wie das alles klingt ist „Die Stadt der tausend Planeten“ eh nicht. Man kann sich den Film durchaus ansehen, vielleicht auch zweimal, weil es tatsächlich viele Details zu entdecken gibt – nicht an der simplen Handlung, aber der Hintergrund der gigantischen Raumstation „Alpha“ erschlägt einen im ersten Moment mit einer unglaublichen Kleinteiligkeit. So gesehen kann sich ein zweiter oder dritter Besuch schon lohnen. Andererseits habe ich selten einen Film gesehen, in dem die Schere zwischen Schein und Sein dermaßen auseinanderklafft. Nein, stimmt nicht, einer ist mir nach kurzem Nachdenken doch eingefallen: „Avatar“ (2009), dessen wegweisende Technik Luc Besson als Anstoß genannt hat, sich an „Die Stadt der tausend Planeten“ heranzuwagen. Und ähnlich wie James Cameron ordnet sein französischer Kollege alles der hervorragenden Optik unter. Das mag vielen reichen, mir schon lange nicht mehr. Und, wie die Einspielergebnisse zeigen, bin ich keineswegs allein. Bessons Produktionsfirma stand nach diesem Film kurz vor der Pleite, was die Chancen auf eine Fortsetzung zum Zeitpunkt dieser Rezension (Februar 2021) nicht gerade rosig erscheinen lässt. Ist aber vielleicht auch besser so.
Gesamteindruck: 3/7
Originaltitel: Valerian and the City of a Thousand Planets.
Regie: Luc Besson
Drehbuch: Luc Besson
Jahr: 2017
Land: Frankreich
Laufzeit: ca. 140 Minuten
Besetzung (Auswahl): Dane DeHaan, Cara Delevigne, Clive Owen, Rihanna, Ethan Hawke, Sam Spruell
3 Gedanken zu “FilmWelt: Valerian – Die Stadt der tausend Planeten”