„Follow Me“ behandelt drei mehr oder weniger aktuelle Trends: Das Influencertum mit all seinen Sonnen- und Schattenseiten, dann das vor rund 20 Jahren durch Filme wie „Saw“ (2004) und „Hostel“ (2005) populär gewordene Horror-Subgenre „Torture Porn“ und schließlich noch den Escape Room, der sich mittlerweile vor allem als Werkzeug für Team-Buildings großer Beliebtheit erfreut, aber auch von Privatpersonen immer wieder gern aufgesucht wird. Die große Frage: Kann das alles in einem einzigen Film funktionieren?
Gesamteindruck: 3/7
„Saw“ trifft „Hostel“ (oder so ähnlich) .
Interessanterweise ist „Follow Me“ trotz seiner Aktualität über weite Strecken ausgesprochen konservativ, sieht man von der Bildgestaltung ab, wenn der Influencer im Film mal live geht. Genau genommen bedient Regisseur und Drehbuchautor Will Wernick so ziemlich jedes Klischee, das man sich vorstellen kann: Die top gestylten amerikanischen Twens, die nichts als Spaß, Party und ihre Social Media-Kanäle im Kopf haben, die westlichen Vorstellungen von russischem Reichtum – und vor allem den vermeintlich rechtsfreien Raum, den man, wie uns schon „Hostel“ gelehrt hat, nur im ehemaligen Ostblock so vorfindet. Gerade letzteres ist ein fast schon schmerzhaftes Vorurteil, das mich massiv gestört hat.
Worum geht’s?
Cole Turner ist Influencer – er lebt davon, alles, was er tut mit seinem Publikum zu teilen. Und damit seine Fans sich nicht langweilen, ist er stets auf der Suche nach einem neuen, noch extremeren Kick. Ein Escape Room in Moskau scheint zunächst keine besonders aufregende Idee zu sein – als er dann aber erfährt, dass es sich dabei um ein besonders innovatives, vollkommen individuelles und nur darauf, ihm persönlich Angst einzujagen, ausgelegtes Spiel handeln soll, ist er sofort dabei...
Zunächst ist festzuhalten, dass die ganze Influencer-Story relativ oberflächlich und aufgesetzt daher kommt. Klar, sie ist bestens für ein modernes, junges Publikum geeignet – alten Säcken wie mir gibt das jedoch nicht so viel. Oder, anders ausgedrückt: Dass wir es hier mit einer Bande von Influencern zu tun haben spielt für den Film letzten Endes keine große Rolle, weil diese Ausgangslage nicht oder kaum für Kritik an den Auswüchsen dieses Trends genutzt wird. Wo mal ganz leise jemand in Frage stellt, ob diese Art, sein Leben zu verbringen, der Weisheit letzter Schluss ist, wirkt das eher wie eine lästige Pflichtübung und nicht wie ein ernsthafter Versuch, sich mit jener Kultur auseinanderzusetzen .
Freilich sollte man das nicht überbewerten – im Endeffekt ist „Follow Me“ wohl nicht als tiefschürfende Analyse unserer Gesellschaft gedacht. Der Film will vor allem schockieren; er ist auch leidlich spannend und gut gemacht, die Charaktere selbst bleiben dabei aber Nebensache, genau wie man es eben von Filmen wie „Hostel“ oder den guten alten Teenie-Slashern kennt. Ich denke übrigens, dass man darüber gut hinwegsehen kann, es sei denn, man hat Influencern gegenüber – wie ich – eine gewisse Grundskepsis, um nicht zu sagen Aversion. Denn dann verkehrt sich alles ins Gegenteil und die Charaktere nerven anstatt dass man mit ihnen fiebert. Aber das ist mein persönliches Problem und soll niemanden vom Ansehen abhalten .
Finaler Twist reißt einiges raus.
Alles in allem ist „Follow Me“ zumindest solide: Die erste Hälfte besteht aus einigen ganz netten Apparaturen im Escape Room, wobei das alles nichts ist, was man nicht in „Saw“ schon deutlich kreativer gesehen hätte. Im zweiten Teil beschreitet der Film dann „Hostel“-Pfade, allerdings nicht dermaßen explizit. Düster und unangenehm sind beide Parts, was auch der starken Ausstattung zu verdanken ist. Kurz gesagt: Technisch ist „Follow Me“ fein gemacht, Story, Charaktere und Dialoge sind maximal Durchschnitt, die Story immerhin zweckmäßig.
Letztlich lebt der Film einzig und allein von seinem finalen Twist, den ich hier natürlich nicht verrate. Der ist an sich gut gemacht, es ist aber auch nicht von der Hand zu weisen, dass das Ende nicht ganz schlüssig ist bzw. man sich eigentlich doch schon einige Zeit vorher relativ genau vorstellen kann, wohin die Reise letztlich geht. Eigentlich ist es sogar noch schlimmer, weil irgendwann so offensichtlich wird, wie der Film ausgeht, dass „Follow Me“ auf den letzten Metern doch noch die Puste auszugehen droht. So richtig überzeugt also leider auch das Ende nicht – wie im ganzen Film wäre wohl auch hier deutlich mehr drin gewesen.
Damit würde ich im Falle von „Follow Me“ (übrigens gibt es mit „No Escape“ offenbar einen Alternativtitel – nach welchen Spielregeln der Film jeweils benannt wird, hat sich mir nicht erschlossen) letztlich von einem brauchbaren, aber keineswegs überragenden Werk sprechen.
Gesamteindruck: 3/7
Originaltitel: Follow Me (a.k.a. No Escape)
Regie: Will Wernick
Drehbuch: Will Wernick
Jahr: 2020
Land: USA
Laufzeit: ca. 90 Minuten
Besetzung (Auswahl): Keegan Allen, Holland Roden, Denzel Whitaker, Ronen Rubinstein, Pasha D. Lychnikoff