FilmWelt: Wölfe in der Tiefe

„Wölfe in der Tiefe“ aus dem Jahr 1959 ist kein Klassiker, so viel vorweg. Ich frage mich allerdings schon, ob Wolfgang Petersen zumindest das eine oder andere Mal hingeschielt hat, als er „Das Boot“ (1981) drehte – zumindest könnte die eine oder andere Ähnlichkeit darauf hindeuten…

Gesamteindruck: 2/7


Homo homini lupus.

Wer ernsthaft erwägt, sich „Wölfe in der Tiefe“ anzusehen (zum Zeitpunkt dieser Rezension ist das gratis auf Amazon Prime Video möglich), sollte seine Erwartungen nicht allzu hoch ansetzen und auf keinen Fall hoffen, hier vielleicht sowas wie eine frühe Version von „Das Boot“ zu sehen. Denn der italienische Schwarz/Weiß-Film spielt zwar ebenfalls in einem U-Boot, dessen Besatzung in eine ausweglose Situation geraten ist – dieses Setting wird aber im Gegensatz zum Petersen-Klassiker dramaturgisch überhaupt nicht genutzt. Heißt: Es ist schlicht nicht relevant, dass die Männer in einem U-Boot festsitzen, genauso gut könnte es ein Keller, ein Stollen oder ein Hochhaus sein.

Worum geht’s?
Irgendwann im 2. Weltkrieg: Ein U-Boot wird auf dem Weg in seinen Heimathafen von Flugzeugen bombardiert und so schwer beschädigt, dass es sinkt und in 110 Meter Tiefe zu liegen kommt. Ein Teil der Besatzung hat den Untergang zwar überlebt, ist nun aber im Boot gefangen. Ein Ausstieg wäre per Rettungsboje zwar möglich – aber nicht für alle. Eine Entscheidung muss also getroffen werden…

Ja, ein bisschen liest sich das Szenario wie eine berühmte Szene aus „Das Boot“, in der die Besatzung nach einem Bombentreffer in der Tiefe gefangen ist. Damit nicht genug: Auch in „Wölfe in der Tiefe“ haben die Männer keine Namen sondern nur ihre Dienstbezeichnungen (Kommandant, Obersteuermann etc.), der erste Offizier ist schneidiger als ihm gut tut und der Funker spielt gern mal „verbotene Musik“ über die Bordlautsprecher. An dieser Stelle nur zur Erklärung: „Das Boot“ erschien 1981 und beruht auf dem gleichnamigen Roman von Lothar-Günther Buchheim von 1973. Der hat dort seine persönlichen Erlebnisse im 2. Weltkrieg verarbeitet – ob Petersen oder Buchheim den deutlich früher erschienen italienischen Film jemals gesehen haben, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich würde die Parallelen auch gar nicht bewerten wollen, sie sind mir halt aufgefallen, darum wollte ich sie erwähnt haben.

Bevor wir zum Inhalt kommen, noch ein Wort zum Titel: Der Begriff „Wölfe“ ist sehr interessant gewählt. Erste Assoziation war bei mir, dass die deutschen U-Boote bzw. deren Besatzungen im 2. Weltkrieg als „Graue Wölfe“ bekannt waren – im ersten Moment war ich sogar verwirrt, weil es im Film keineswegs um eine deutsche Besatzung geht (wobei der einleitende Text erklärt, dass es ohnehin keine Rolle spielt und ein ähnliches Ereignis überall auf der Welt hätte passieren können – was natürlich richtig ist).

Die Handlung und die Dialoge zeigen aber eine zweite Ebene – homo homini lupus, „der Mensch ist ein Wolf für den Menschen“, sagte der Philosoph Thomas Hobbes im 17. Jahrhundert in seinem Werk „De Cive“. Vereinfacht und verkürzt wollte Hobbes damit andeuten, dass der Mensch zunächst immer sich selbst der Nächste ist und es im Sinne des Wohles der Allgemeinheit eine Überwindung dieses „Naturzustandes“ braucht. Und genau das versucht Regisseur Silvia Amadio darzustellen, indem er den Versuch seiner Figuren schildert, eine gerechte Entscheidung darüber zu treffen, wer leben darf. In seiner Doppeldeutigkeit ist das ein wirklich gelungener Filmtitel, würde ich sagen – vielleicht sogar einer der besten, die ich kenne.

Enttäuscht auf allen Ebenen.

Wer nun dank dieser philosophischen Ansätze Lust auf den Film bekommen hat, sei gewarnt: Die Umsetzung wird dieser komplexen Thematik bei weitem nicht gerecht. Ich weiß nicht, wie ich es wertschätzend vermitteln kann, also sage ich es rundheraus: „Wölfe in der Tiefe“ leidet an schwachen Charakteren, oberflächlichen Dialogen, bietet kaum Dramatik und beantwortet keine philosophischen Fragen. Die Dialoge müssten eigentlich das Herzstück eines derartigen Films sein, aber gerade hier herrscht pure Einfallslosigkeit. Jeder Matrose wird gefragt, wie alt er ist, ob er verheiratet ist und Kinder hat, ein bisschen was von der Vorgeschichte wird erzählt; all das wäre ja grundsätzlich in Ordnung, führt in „Wölfe in der Tiefe“ aber leider nirgendwohin. Damit in engem Zusammenhang steht auch, dass die Charaktere kaum eine Möglichkeit zur Identifikation bieten – der kameradschaftliche Obersteuermann, der mit allen gut Freund ist, ist der einzige Sympathieträger an Bord. Alle anderen sind eindimensional und schnell vergessen, dabei hat man zum Beispiel dem Leutnant, der sich als Sohn eines Admirals an Bord beweisen will, durchaus Züge eines Antagonisten verpasst. Doch die werden an keiner Stelle ausgereizt und kommen nicht über Andeutungen hinaus, sodass auch diese Rolle oberflächlich bleibt. Die Folge ist klar: Man verliert relativ schnell das Interesse, fiebert nicht mit und letzten Endes ist es dem Zuschauer völlig gleichgültig, wer aus dem Boot entkommen kann. Auch, weil zum Schluss ohnehin nicht mehr viele übrig sind, was den Eindruck erweckt, als hätten sich nicht nur die Protagonisten, sondern auch die Drehbuchschreiber vor einer ausgesprochen unangenehmen Entscheidung drücken wollen.

Enttäuschend ist „Wölfe in der Tiefe“ auch auf anderer Ebene, denn letzten Endes haben wir es hier auch mit keinem (Anti-)Kriegsfilm zu tun. Die Handlung, so jedenfalls mein Eindruck, spielt halt zufällig in einem U-Boot. Dieser Ausgangspunkt wird jedoch nicht genutzt, um ein Statement gegen den Krieg abzugeben. Die Dialoge drehen sich zu keinem Zeitpunkt um die politische Lage, die die Männer ja erst in diese verzweifelte Lage gebracht hat. Die Situation wird letztlich hingenommen, was für mich ebenfalls eine vertane Möglichkeit darstellt. Wie eingangs erwähnt: Man hätte die Dialoge nicht einmal anpassen müssen, hätte der Film beispielsweise von verschütteten Arbeitern in einem Bergwerk gehandelt. Es stimmt schon, wo der Film spielt, wäre eigentlich nicht so wichtig für die dahintersteckende Philosophie; weil diese aber maximal gestreift wird, ist es umso enttäuschender, dass auch aus einer Umgebung, die man sich als extrem düster vorstellt, so wenig herausgeholt wird.

Und das bringt mich auch schon zum letzten Kritikpunkt: „Wölfe in der Tiefe“ ist kein gelungenes Drama, es ist kein Statement gegen den Krieg – und es ist auch als U-Boot-Film eine Enttäuschung. Freilich darf man nicht davon ausgehen, dass ein Film von 1959 über Ausstattung und Effekte verfügt, die Wolfang Petersen für seinen Klassiker zur Verfügung hatte. Dennoch muss ich sagen, dass mich die Kulissen enttäuscht haben, weil sie nicht einmal ansatzweise das Gefühl der Enge im U-Boot transportieren. Ja, hier und da spritzt mal etwas Wasser rein, es gibt ein paar Rohre, Ventile und Instrumente, die erahnen lassen, wo sich unsere Helden befinden. Aber so richtig will mich das nicht überzeugen, dazu hätte es vielleicht auch ein wenig technisches Know-how gebraucht, das dem Film vollkommen abgeht. Und damit schließt sich der Kreis zu den Charakteren: Die erwecken nie das Gefühl, in einer erdrückenden Umgebung gefangen zu sein und um ihr Leben zu fürchten. Vielleicht auch deshalb, weil die mageren Kulissen das nicht glaubhaft vermitteln? Ich weiß es nicht.

Fazit: „Wölfe in der Tiefe“ ist ein geradliniger Film, den man sich mal ansehen kann, wenn man Zeit, Muse und/oder Lust auf eine Art Kriegs-Drama hat, das nicht aus Deutschland, England oder Hollywood kommt. Tiefgang [sic!], Action, Drama oder auch nur gelungene Effekte sollte man sich aber keinesfalls erwarten. Zwei Punkte, mehr ist dafür nicht drin.

Gesamteindruck: 2/7


Originaltitel: Lupi nell’abissio.
Regie:
Silvio Amadio
Drehbuch: Silvio Amadio, Luciano Vincenzoni
Jahr: 1959
Land: Italien, Frankreich
Laufzeit: ca. 85 Minuten
Besetzung (Auswahl): Massimo Girotti, Folco Lulli, Jean-Marc Bory, Alberto Lupo, Horst Frank



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