Patrick Dunne
„Keltengrab“ (2005) ist das erste von drei zum Zeitpunkt dieser Rezension erhältlichen Romanen über die Archäologin Illaun Bowe. Interessanterweise verfügt Autor Patrick Dunne nur über einen sehr knapp gehaltenen Eintrag in der deutschsprachigen (!) Wikipedia, in dem nicht einmal sein Geburtsdatum vermerkt ist. Ein Eintrag in seiner Muttersprache fehlt hingegen; und auch sonst scheinen die Informationen über ihn dünn gesät zu sein, was heutzutage schon sehr außergewöhnlich ist.
Gesamteindruck: 1/7
Irische Moorleichen.
Ganz ehrlich: Ich hätte mir „Keltengrab“ wohl nie gekauft, wenn ich im Off- oder Online-Buchhandel zufällig über das Werk gestolpert wäre. Weder Cover noch Klappentext unterscheiden sich großartig von einer Vielzahl ähnlicher Bücher, die meist von deutlich bekannteren Schriftstellern stammen (was nicht heißen soll, dass ein bekannter Name automatisch für Qualität bürgt). Dank eines offenen Bücherschranks habe ich „Keltengrab“ nun aber doch zu lesen bekommen – und muss konstatieren, dass ich unterwältigt war. So gesehen verwundert es auch nicht, wenn man trotz vermutlich erklecklicher Verkaufszahlen noch nie etwas von Patrick Dunne gehört hat.
Worum geht’s?
Nahe der prähistorischen Kultstätte Newgrange in Irland werden kurz vor Weihnachten bei Bauarbeiten zwei Moorleichen gefunden. Archäologin Illaun Bowe hofft, dass die Körper – eine erwachsene Frau und ein Säugling – aus vorchristlicher Zeit stammen und beginnt mit ihren Untersuchungen. Doch bald stellt sich heraus, dass es gefährlich ist, wenn man zu viel über das Moor, die Kultstätte und ein nahegelegenes Kloster herausfindet…
Was fällt mir heute, wenige Tage nach der Lektüre von „Keltengrab“, zuerst ein, wenn ich an das Buch denke? Ich wünschte, ich könnte sage, es wäre die fieberhafte Hochspannung, mit der ich die Seiten regelrecht gefressen habe. Oder die großartigen Charaktere, die dramatische Handlung – oder einfach das Gefühl, ein gutes Buch gelesen zu haben. Die Wahrheit ist leider deutlich profaner: „Keltengrab“ ist ein Buch, in dem ständig jemand Verabredungen verschiebt oder organisiert. Ja, richtig gelesen, das ist das, was mir vorrangig im Gedächtnis geblieben ist.
Immerhin hätte es noch schlimmer kommen können: Die merkwürdige Beschreibung von den Versuchen der Hauptfigur, ihren Alltag zu organisieren, überdecken weitgehend das während der Lektüre immer mal wieder aufkommende Bedürfnis, „Keltengrab“ vorzeitig abzubrechen. Ein vernichtendes Urteil, ich weiß – und doch stehe ich dazu, ich empfand das Werk über weite Strecken als nichtssagend, wenig spannend und von völlig irrelevanten Charakteren bevölkert.
Trotz guter Ausgangsposition kein Page-Turner.
Dabei ist der Ausgangspunkt durchaus interessant, denn der Fund von vermeintlich prähistorischen Leichen – egal, ob in Mooren, Gletschern oder Pyramiden – ist immer von einem mystischen Hauch umgeben. Hier kommt noch ein nass-kaltes, winterliches Irland hinzu, ein Handlungsort, der das seinige zur düsteren Atmosphäre von „Keltengrab“ beiträgt. Und ja, auch die Idee eines Klosters, das seit Unzeiten ein dunkles Geheimnis verbirgt, das sich im Laufe der Jahrhunderte allen Versuchen einer Entschlüsselung entzogen hat, ist eine gute und Spannung versprechende Idee. Allein: „Keltengrab“ ist trotz dieser Zutaten alles andere als ein Pageturner.
Denn Patrick Dunne schafft es zu keinem Zeitpunkt, die brauchbaren Versatzstücke zu einer guten Geschichte zu verarbeiten. Das liegt – wie so oft – an mehreren Faktoren: „Keltengrab“ kann weder in punkto Handlung, noch in Bezug auf Charaktere oder Dialoge überzeugen. Das geht sogar so weit, dass ich nicht genau sagen kann, welcher dieser Punkte das größte Übel ist; meiner Meinung nach kann der Autor in keiner Kategorie glänzen. Die Dialoge sind wahrscheinlich der kleinste Unsicherheitsfaktor – sie sind im Endeffekt weder gut noch schlecht, sondern schlichter Durchschnitt, was aber irgendwo auch logisch ist. Was sollen die Figuren auch Weltbewegendes zu sagen haben, wenn sie selbst und die Handlung, über die sie sprechen, kein Interesse zu wecken vermögen?
Elemente greifen nicht ineinander.
Bei den Charakteren haben wir es bei der Ich-Erzählerin (was für ein von einem Mann geschriebenes Buch eher ungewöhnlich ist) Illaun Bowe mit einer nüchternen Wissenschaftlerin zu tun. Bis auf ihr Berufsfeld fehlen ihr aber so gut wie alle Eigenschaften, die sie zu einer Identifikationsfigur machen würden. Ihre Gefühlswelt und ihre Geschichte bleiben dem Leser weitgehend verschlossen, sodass sie für mein Empfinden eine der uninteressantesten Hauptfiguren ist, die ich seit vielen Jahren kennenlernen durfte. Brauchbar sind, wie oben angedeutet, einzelne Ausführungen zu wissenschaftlichen Erkenntnissen und die eine oder andere Landschaftsbeschreibung, die aus stilistischen Gründen natürlich auch von Illaun Bowe kommen. Und, als wäre das alles nicht schlimm genug, gibt es in „Keltengrab“ auch abseits der Hauptfigur keinen memorablen Charakter, weder auf der guten noch auf der bösen Seite. Am ehesten entspricht noch der ermittelnde Beamte meiner Vorstellung einer kantigen Figur – aber letztlich ist auch er nicht viel mehr als ein flaches Abziehbild eines tiefgründigen Charakters.
Ähnlich schwach präsentiert sich die Handlung von „Keltengrab“. Die Versuche, hinter das Geheimnis der Moorleichen zu kommen, sind einerseits nicht sonderlich spannend, andererseits wirkt die Geschichte konfus und wenig einleuchtend. Das Ergebnis: Würde mich jetzt, ein paar Tage nach der Lektüre, jemand nach einer Zusammenfassung des Falles, den die Charaktere in diesem Buch untersuchen, fragen, wüsste ich tatsächlich nicht, was sich im Detail zugetragen hat. Es mag sein, dass das daran liegt, dass meine Konzentration während des Lesens immer wieder nachgelassen hat – aber auch, wenn dem so ist, ist das kein gutes Zeichen für die Qualität von „Keltengrab“.
Und so bleibt mir leider nur ein Fazit: Finger weg. „Keltengrab“ ist nicht sonderlich spannend, es verfügt über keine guten Charaktere und es ist – was vielleicht an der Übersetzung liegt – auch nicht allzu gut geschrieben. Ob ein paar gelungene Landschaftsbeschreibungen des winterlichen Irland und der geheimnisvolle Fundort einer Moorleiche ausreichend Grund für eine Lektüre sind, wage ich zu bezweifeln. Ich persönlich glaube nach dieser Erfahrung jedenfalls nicht, dass ich nochmal meine Zeit für ein Buch von Patrick Dunne opfern werde.
Gesamteindruck: 1/7
Autor: Patrick Dunne
Originaltitel: A Carol for the Dead.
Erstveröffentlichung: 2005
Umfang: ca. 420 Seiten
Gelesene Sprache: Deutsch
Gelesene Version: Taschenbuch
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