Nach dem – siehe meine Bewertung – eher zweifelhaften Genuss von „Sunshine“ (2007) war ich überrascht, als ich mir das verantwortliche Personal angesehen habe: Regie führte Danny Boyle, unter dessen Ägide Werke wie „Trainspotting – Neue Helden“ (1996), „The Beach“ (2000) und „28 Days Later“ (2002) entstanden sind. 2008, also ein Jahr nach „Sunshine“, wurde Boyle für „Slumdog Millionär“ sogar mit Auszeichnungen überschüttet. Ihm zur Seite stand mit Alex Garland ein ebenfalls sehr bekannter Mann, der bereits zuvor als Drehbuchautor für „28 Days Later“ mit Boyle zusammengearbeitet hatte. Wieso vorliegendes Werk trotz dieses Duos nicht so richtig bei mir angekommen ist, versuche ich im Folgenden herauszuarbeiten.
Gesamteindruck: 3/7
Der Sonne entgegen.
Ich könnte mir vorstellen, dass „Sunshine“ der Versuch war, einen Film in der Tradition von Werken wie „2001: Odyssee im Weltraum“ (1968), „Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt“ (1979) und dem von der Kritik sträflich unterbewerteten „Event Horizon – Am Rande des Universums“ (1997) zu schaffen. Eine durchaus ehrenwerte Absicht, die in Teilaspekten sogar erfolgreich umgesetzt werden konnte. Dennoch muss ich – leider – konstatieren, dass keines der vermeintlichen Vorbilder auch nur ansatzweise erreicht wird. Inhaltlich geht der Ausschlag übrigens stärker in Richtung „Alien“ und „Event Horizon“, heißt: Horror und Action dominieren die Philosophie ganz entschieden.
Worum geht’s?
2057 hat die Menschheit ein gewaltiges Problem: Die Sonne stirbt, was auf der Erde zu überaus eisigen Temperaturen führt. Glücklicherweise haben findige Wissenschaftler:innen eine Lösung parat: Mit eine gigantischen Atombombe soll ein Neustart unseres Zentralgestirns gelingen. Acht internationale Astronaut:innen machen sich also an Bord des Raumschiffs „Icarus II“ ins Zentrum des Sonnensystems auf, um diese Mission zu erfüllen. Beim Beschleunigungsmanöver, das um den Planeten Merkur führt, fängt die Crew plötzlich ein Notsignal von der „Icarus I“ auf, die sieben Jahre zuvor auf identischer Mission verschollen ist…
In der Science Fiction gibt es ja wahrlich keinen Mangel an abenteuerlichen Ideen. Dennoch musste ich über das, was uns der eigentlich hoch geschätzte Alex Garland in „Sunshine“ auftischt, herzlich lachen. Einen Stern mit einer – zugegeben riesigen – Bombe neu starten? Die irgendwie direkt IN die Sonne befördert werden muss? Eine solche Prämisse müssen alle, denen die „Science“ auch nur annähernd so wichtig wie die „Fiction“ ist, erst einmal verdauen. Dieser Problematik dürften sich Verantwortlichen sogar bewusst gewesen sein, denn sie versuchen sich gar nicht an einer einigermaßen nachvollziehbaren, wissenschaftlichen Erklärung, wie das funktionieren und zu bewerkstelligen sein soll. Und noch ein Wort zum Realismus sei mir am Rande erlaubt: Die Größenverhältnisse zwischen Schiff, Bombe, Sonne und einem Sonnenfleck, in dem die Explosion stattfinden soll, sind schlichtweg lächerlich. Punkt.
Vieles richtig gemacht.
Interessanterweise hat mich „Sunshine“ trotz seiner unglücklichen Ausgangssituation positiv überrascht – zumindest in der ersten Hälfte, denn in der gibt es tatsächlich „Science“: Die komplizierte Mathematik bei Kursänderungen, das für mein Dafürhalten korrekt beschriebene Swing-by-Manöver, der Funkschatten oder die Art und Weise, wie die Raumfahrer:innen mit Nahrung und Sauerstoff versorgt werden – all das wirkt sehr durchdacht und macht einen realistischen Eindruck. Dazu passt beispielsweise auch, dass das Schiff mittels Rotation Schwerkraft erzeugt und dass es durch einen gigantischen Hitzeschild geschützt werden muss, um überhaupt in die Nähe der Sonne zu kommen (dass sich die Bombe direkt unter diesem Schild befindet ist freilich eine andere Geschichte…).
Positiv würde ich weiters den Cast hervorheben, der seine Sache ordentlich macht (auch das gilt speziell für die erste Halbzeit). Dass das funktioniert, ist den aus dramaturgischer Sicht passend gewählten Charakteren geschuldet: Spannungen, die eine solche Reise mit sich bringt, werden teils angedeutet, teils auch ausgelebt, was die Schauspieler:innen mehr als passabel rüberbringen. Größtes Problem in diesem Zusammenhang: Beim üblichen Spiel, in dem eine Figur nach der anderen die Bühne für immer verlässt, bleiben ausgerechnet diejenigen bis zum Schluss übrig, mit denen man sich am wenigsten identifizieren kann. Schade, ich hätte von anderen Charakteren weitaus lieber mehr gesehen; wobei man mit solchen Wünschen vorsichtig sein sollte, denn je kürzer eine Figur zu sehen ist, desto weniger Möglichkeiten gibt es, sich an ihr zu stören. 😉
Starke Optik.
Größter Pluspunkt neben der anfänglichen Detailverliebtheit in Sachen Technik bzw. Physik ist meiner Ansicht nach die Optik von „Sunshine“. Hier zieht Regisseur Boyle alle Register und macht geradezu verschwenderischen Gebrauch von verschiedensten Formen und Farben der Sonneneinstrahlung. Immer, wenn der Stern Licht in oder um das Raumschiff sendet wird, alles weich, warm, irgendwie „golden“. Gibt es keine Sonne, regiert die kalte Technik an Bord der „Icarus II“. Das Spiel mit diesen Ambivalenzen ist von der ersten bis zur letzten Minute großartig umgesetzt. Dazu passend (aber eher als Randnotiz): „Sunshine“ ist auch sehr gut ausgestattet, alles sieht edel und vor allem realistisch aus, speziell das Raumschiff, sowohl von innen als auch von außen.
Was alles falsch läuft.
Leider holt die zweite Hälfte des Films das geneigte Publikum rasch auf den Boden der Tatsachen zurück. Genau genommen beginnt man sogar schon vorher zu zweifeln: Nach der anfänglichen Euphorie stellt sich relativ bald das Gefühl ein, dass der Film nicht weiß, wo er hin will. Auf den ersten Blick scheint einiges zu passieren, im Endeffekt geht es aber immer nur darum, drohende Systemausfälle und ähnliche Katastrophen zu verhindern. Irgendwann schaut man auf die Uhr und merkt, dass fast die Hälfte der fast zwei Stunden Laufzeit verstrichen ist und abseits spektakulärer Bilder so gut wie nichts geschehen ist, das man auf dramaturgischer Ebene als gelungen bezeichnen könnte. Oder, um es deutlich zu sagen: Wären die Bilder nicht so toll, wäre „Sunshine“ bereits nach 30 Minuten ausgesprochen langweilig.
Der zweite Teil des Films beginnt mit dem Auffinden des Schwesternschiffs „Icarus I“. Nicht falsch verstehen, die Idee, dort anzudocken und herauszufinden, was passiert ist, ist in Ordnung und wird sogar einigermaßen schlüssig erklärt (zwei Bomben sind besser als eine). Wobei… wenn das Raumschiff einfach so anhalten und später wieder weiterfliegen kann, fragt man sich, wieso es überhaupt zu Problemen nach der Kursänderung kommen konnte – hier fehlt es dann doch sehr deutlich an Logik. Sieht man darüber hinweg, ist für ein paar Minuten tatsächlich unheimlich und spannend anzusehen, wie die Crew durch leere, verstaubte Korridore tappt und hin und wieder Botschaften findet, die vom Wahnsinn ihrer Vorgänger:innen zeugen.
Soweit ist das alles im Rahmen – nur ist die Auflösung des Ganzen alles andere als plausibel und/oder spannend. Im Gegenteil, „Sunshine“ entfernt sich immer weiter vom Realismus, den ich bis dahin als große Stärke empfunden habe (ja, ich weiß, die Prämisse…) und kippt ins Übernatürliche. Und das im wahrsten Sinne des Wortes, denn was bei „Event Horizon“ noch als kompletter Wahnsinn durchgehen kann, ist in „Sunshine“ völlig deplatziert. Hier beginnt der Film sich fühlbar zu ändern, indem er plötzlich auf schnelle, fast an ein Musikvideo erinnernde Schnitte setzt und so versucht, das Grauen erkennbar und doch wieder nicht erkennbar zu machen. Spätestens hier beginnt man – zumindest ging es mir so – auf ein baldiges Ende zu hoffen.
Längen.
Bis dahin dauert es aber noch, weil vor allem das letzte Drittel des Films nicht nur wie ein Fremdkörper wirkt, sondern auch ordentlich mit Längen gespickt ist. Vielleicht liegt es ja an mir, aber ich hatte sehr schnell genug von den ewig gleichen Verfolgungsjagden durch die Korridore, die damit enden, dass sich ein Charakter vor einem bösen… ja, was ist es eigentlich… Monster? versteckt. Und so schleppt sich „Sunshine“ seinem vermeintlich großen Höhepunkt entgegen, dessen Ablauf ohnehin schon lang vorher klar ist. Die Mühe, verschiedene lose Enden zu erklären, macht sich dann auch niemand mehr, sodass beim Abspann ein ausgesprochen fader Nachgeschmack bleibt.
Fazit: Ich habe selten einen Film gesehen, der seine beeindruckende Optik und seine überaus realistischen Ansätze ohne Not dermaßen an die Wand fährt. Ich verstehe auch nicht so richtig, wie das passieren konnte – fast kommt es mir vor, als wäre die eine oder andere essenzielle Szene der Schere zum Opfer gefallen. Oder das Drehbuch ist wirklich so löchrig? Ich weiß es nicht – und ehrlich gesagt ist es mir auch egal. Drei Punkte sind es trotzdem, Fans von „Event Horizon“ können einen Blick riskieren, sollten sich aber nicht allzu viel erwarten. Jeder, der auf Tiefgang, eine schlüssige Story und durchgängigen Realismus hofft, lässt besser die Finger vom merkwürdig uneinheitlichen „Sunshine“.
Gesamteindruck: 3/7
Originaltitel: Sunshine.
Regie: Danny Boyle
Drehbuch: Alex Garland
Jahr: 2007
Land: Großbritannien
Laufzeit: ca. 110 Minuten
Besetzung (Auswahl): Cillian Murphy, Chris Evans, Rose Byrne, Michelle Yeoh, Mark Strong, Troy Garity