Geschichten von Edgar Allan Poe (1809-1849) eignen sich meines Erachtens nur bedingt für einen abendfüllenden Spielfilm: Einerseits besteht sein Werk großteils aus Kurzgeschichten, Essays und Gedichten, deren Inhalt sich kaum auf eine adäquate Laufzeit strecken lässt. Andererseits arbeitet Poe stilistisch vorwiegend mit Andeutungen, bei ihm ist der Horror selten plakativ, sondern spielt sich eher im Kopf der Leser:innen ab. Für das Medium Film sind das keine idealen Voraussetzungen, was sich leider auch an vorliegender Umsetzung aus dem Jahr 1964 zeigt.
Gesamteindruck: 3/7
Eine frühe Pandemie.
Regisseur und Filmproduzent Roger Corman (geb. 1956) ist vorwiegend als Schöpfer unzähliger Low-Budget-Horrorfilme bekannt. Man sollte sich von dieser wenig schmeichelhaft klingenden Zuschreibung jedoch nicht täuschen lassen: Die Kritik ist sich weitgehend einig, dass ein Gutteil der Corman’schen Filmographie von überraschend hoher Qualität ist. Man sollte vor allem aber nicht vergessen, dass sich das Improvisationstalent als Entdecker von späteren Hollywood-Größen wie Martin Scorsese, James Cameron, Jack Nicholson u. v. a. hervorgetan hat. Unter Cormans Regie entstanden zwischen 1960 und 1964 nicht weniger als sieben (!) filmische Adaptionen, die auf Werken von E. A. Poe basieren. „Die Maske des Roten Todes“ der vorletzte Versuch des Filmemachers, den sanften Horror im Bewegtbild zu inszenieren.
Worum geht’s?
Italien im 11. Jahrhundert: Prinz Prospero herrscht mit harter Hand über seine Untertanen. Obwohl das Volk Hunger leidet, beabsichtigt der sadistische Adelige, ein dekadentes Fest für Freunde und Bekannte zu geben. Davon hält ihn auch die als „der Rote Tod“ bekannte Seuche nicht ab, die das Land heimsucht. Prospero und seine Gäste wähnen sich hinter den Burgmauern sicher vor der Krankheit und feiern was das Zeug hält. Doch die Sicherheit ist trügerisch…
„Die Maske des Roten Todes“, geschrieben 1842, hat in der mir vorliegenden Fassung knapp 8 Seiten, ist also in 15 bis 30 Minuten gelesen. Vorliegender Film hat hingegen die klassische Laufzeit von rund 90 Minuten – dass das schwer zusammengeht, mag auch dem Regisseur klar gewesen sein. Vermutlich hat er deshalb zusätzlich die mit 12 Seiten etwas längere Geschichte „Hopp-Frosch“ (1849 und damit kurz vor Poes Tod erschienen) mit „Die Maske des Roten Todes“ in seine Adaption aufgenommen. Meiner Ansicht nach ist es dem Regisseur sogar sehr gut gelungen, beides zusammenzufügen: Wer die Vorlage(n) nicht kennt, wird den Trick kaum bemerken. Kurz zur Erklärung: Die Hauptgeschichte ist „Die Maske des Roten Todes“, weswegen der Filmtitel auch gut passt. Aus „Hopp-Frosch“ stammen jene Szenen, die mit dem von Skip Martin gespielten „Zwerg“ zu tun haben.
Ein Film seiner Zeit.
Die Inszenierung lässt keinen Zweifel aufkommen, dass dieses Werk ein Kind seiner Zeit ist. So sind beispielsweise die Kostüme farbenprächtig und pompös, erinnern stark an Oper und Theater, vielleicht auch an die Ritter- und Mantel & Degenfilme jener Zeit. Mit dem, was man aus modernen Filmen kennt, haben sie – ähnlich wie die übrige Ausstattung und auch die Kulissen – relativ wenig gemein. Nicht zuletzt gemahnt auch die Art und Weise, wie im Film gesprochen und mit Mimik und Gestik gearbeitet wird, vor allem an eine Theaterbühne. Das sagt freilich wenig über die grundsätzliche Qualität von „Die Maske des Roten Todes“ aus, erwähnt möchte ich es aber haben, weil es den heutigen Sehgewohnheiten kaum noch entspricht.
Gelingt es, sich an die speziellen Äußerlichkeiten zu gewöhnen, sieht man eine immerhin passable Poe-Verfilmung. Manche sagen sogar, dass „Die Maske des Roten Todes“ einer der besten Versuche sei, sich der Literatur des Meisters mittels Bewegtbild zu nähern. Zumindest aber soll es Cormans beste Adaption sein – ob dem wirklich so ist, kann ich derzeit leider nicht beurteilen. Sollte es jedoch stimmen, dürfte es wahrlich nicht viele brauchbare Adaptionen Poe’schen Materials geben (ein Schicksal, dass sich der Autor mit seinem Nachfolger im Geiste, H. P. Lovecraft, teilt), denn auch „Die Maske des Roten Todes“ ist weit von einer filmischen Offenbarung entfernt.
Wie viel soll man zeigen?
Das Grundproblem habe ich eingangs angedeutet: „Die Maske des Roten Todes“ muss auf eine andere Art Grusel beim Publikum erzeugen, als es die Romanvorlage tut. Denn die setzt – wie jede Geschichte von Poe – nicht auf blutige Schockeffekte, sondern wird erst dann unheimlich, wenn die Fantasie der Leser:innen anspringt. Dort, im Kopf des Publikums, findet bei Poe der Horror statt – er ist also vor allem eine Interpretation der Leser:innen und steht kaum jemals schwarz auf weiß im Text. Auf diese Weise kann ein Film jedoch nicht arbeiten, im Gegenteil: Er muss den Horror anschaulich machen, um ähnliche Gefühle auszulösen. Und so sieht man im Film die Interpretation dessen, was die Geschichten von E. A. Poe in der Vorstellung von Richard Corman erzeugt haben, umgesetzt mit den relativ bescheidenen Mitteln des B-Filmemachers und ohne nennenswerte Special Effects. Dass das sonderlich unheimlich ist, kann man beim besten Willen nicht sagen; ob es 1964 als Horror durchgehen konnte, weiß ich nicht, ist aus heutiger Sicht auch überhaupt nicht mehr nachvollziehbar.
Was meines Erachtens bei heutiger Sichtung erschwerend hinzu kommt: Es dauert sehr lange, bis „Die Maske des Roten Todes“ in die Gänge kommt. Ja, anfangs gibt es mit dem ersten Dorfbewohner, der an der Seuche stirbt, einen kleinen Schocker – danach zieht es sich aber hin, bis der Film in der zweiten Hälfte, vielleicht sogar erst im letzten Drittel, ordentlich an Spannung gewinnt. Bis dahin passiert nicht viel, was bei guten Dialogen vielleicht weniger schlimm wäre. So meint man hieran zu erkennen, vor welch schwierige Aufgabe die Vorlage den Regisseur gestellt hat: Er musste selbst Dialoge für einen abendfüllenden Film erfinden, durfte dabei aber nicht zu weit von der Tonalität der Poe’schen Geschichten abweichen. Nur, bei allem Respekt: Einem E. A. Poe kann weder Roger Corman noch seine Drehbuchschreiber qualitativ das Wasser reichen. Müssen sie in der Regel auch überhaupt nicht, ihr Metier ist ja ein völlig anderes. Und dennoch: Wer Poe kennt und sich einen solchen Film ansieht, wird es nicht schaffen, ihn losgelöst von der Vorlage zu betrachten. Und selbst wenn, bleibt „Die Maske des Roten Todes“ ein zwar farbenfroh und theaterhaft inszeniertes, letztlich aber ziemlich durchschnittliches Werk der Filmgeschichte. Dem Schöpfer der Vorlage wird der Film so gut wie gar nicht nicht gerecht, was natürlich schade ist – aber irgendwo auch zu erwarten war.
Abschließend noch ein Wort zum Ensemble: Bekanntester Mann am Platz ist selbstredend Vincent Price, seines Zeichens Inbegriff des Horror-Mimen und häufiger Star in Filmen von Roger Corman (speziell auch in den Poe-Adaptionen der 1960er). Der US-Schauspieler macht seine Sache gut, Bäume reißt er meines Erachtens aber keine aus. Ihm zur Seite steht ein mir weitgehend unbekannter Cast aus britischen Darsteller:innen, denen im Allgemeinen wohl weder vor noch nach „Die Maske des Roten Todes“ eine große Karriere beschieden war. Das soll nicht despektierlich klingen, denn die Performance der Damen und Herren bietet wenig Anlass zur Kritik, aber als Meister:innen ihres Faches tun sie sich auch nicht gerade hervor.
Fazit: Wer wissen möchte, wie eine Leinwandadaption von Gruselgeschichten, die eigentlich nicht verfilmbar sind, aussehen kann, darf hier ein Auge riskieren. Einen unheimlichen oder gar hervorragend gelungenen Film darf man sich allerdings nicht erwarten. Als kultiger B-Film geht „Die Maske des Roten Todes“ für mein Dafürhalten auch nur bedingt durch, dafür er fachlich zu kompetent umgesetzt; man merkt, dass es Roger Corman hier tatsächlich ernst gemeint hat und es ihm wichtig gewesen ist, das Werk des Autors mit Respekt zu behandeln und nicht zu verhunzen. Zumindest das ist ihm meines Erachtens gelungen, denn eine Parodie oder eine unfreiwillige Komödie hat er nicht geschaffen (auch wenn der ursprüngliche Titel des deutschen Verleihs, das unsägliche „Satanas – Das Schloß der blutigen Bestie“, genau darauf hindeutet).
Gesamteindruck: 3/7
Originaltitel: The Masque of the Red Death.
Regie: Roger Corman
Drehbuch: Charles Beaumont, R. Wright Campbell
Jahr: 1964
Land: Großbritannien, USA
Laufzeit: ca. 90 Minuten
Besetzung (Auswahl): Vincent Price, Hazel Court, Jane Asher, Nigel Green, David Weston, Skip Martin