MusikWelt: The Savage Poetry

Edguy


Lösen wir mal etwaige Verwirrungen auf: „Savage Poetry“ (1995) war das in Eigenregie veröffentlichte Debüt-Album von Edguy, auf dem die teils noch minderjährigen Musiker bereits angedeutet hatten, wozu sie fähig waren. Ohne eine Plattenfirma fehlten jedoch die Möglichkeiten für eine professionelle Aufnahme, weswegen die Platte später neu eingespielt und anno 2000 als „The Savage Poetry“ über AFM veröffentlicht wurde. Alles klar soweit? 😉

Gesamteindruck: 5/7


Wilde Poeten.

Die Vermutung liegt nahe, dass der Sound nicht der einzige Grund für die Neuaufnahme gewesen sein dürfte. Denn wer „Savage Poetry“ von 1995 auflegt, kommt bei allem Songwriting-Talent nicht umhin, festzustellen, dass die Fähigkeiten an den Instrumenten und beim Gesang zumindest ausbaufähig waren. Ich nehme an, das wird für die Entscheidung, das Album neu einzuspielen, eine ebenso große Rolle gespielt haben wie der wenig ansprechende Mix. Kurios übrigens: Die Kombination aus Cover und Band-Logo der 1995er-Version wäre ohne weiteres Black Metal-tauglich gewesen. Irgendwie passend, wie sich damit der Kreis zum rauen Soundbild zu schließen scheint.

Wie jung und unerfahren Edguy waren, als sie vorliegende Songs eingespielt waren, hört man den Originalaufnahmen von 1995 deutlich an. Auf vorliegendem Album ist das anders: Nur der zweite Track, „Misguiding Your Life“, wirkt nach wie vor, als hätten die Musiker nicht richtig gewusst, was sie damit anstellen sollten. Der Song klingt nicht rund, im Refrain hakt es – und die Nummer kommt als Ganzes ein bisschen wie „leider haben wir es nicht besser hinbekommen, aber irgendwie mussten wir die Spielzeit halt voll bekommen“ rüber. Ein wenig gilt das in meinen Ohren auch für den Chorus des Rausschmeißers „Power and Majesty“, der ansonsten aber tadellos aus den Boxen kommt und einen schönen Schlusspunkt für „The Savage Poetry“ bildet.

An den übrigen Tracks finde ich wenig auszusetzen, sieht man davon ab, dass sie für Edguy-Verhältnisse relativ schnörkellos daherkommen. Das muss ja nichts Schlechtes sein, ich persönlich bevorzuge allerdings die symphonischeren Sachen, mit denen ich die Band in den 1990ern kennengelernt habe. Folgerichtig ist „Key to My Fate“ für mich der mit Abstand beste Song auf „The Savage Poetry“ und eine Nummer, die ich mir bis heute immer wieder anhören kann. Und das sogar mit einer gewissen Portion Wehmut, denn ein Track wie dieser ist Edguy nach „Mandrake“ (2001) leider nicht mehr gelungen. Ebenfalls im Haben zu verbuchen und sehr gut geschrieben: Der Opener „Hallowed“ und die schöne Ballade „Roses to No One“. Jeder dieser Songs hätte problemlos seinen Platz auf Alben wie „Theater of Salvation“ (1999) oder „Mandrake“ gefunden. Der Rest vom Schützenfest ist, wie angedeutet, relativ schnörkellos. Mit „Eyes of the Tyrant“ gibt es eine überlange Nummer, die ganz gut geschrieben ist, ansonsten ist alles eher unauffällig.

Aus der Zeit gefallen?

Retrospektiv wirkt „The Savage Poetry“ in der Chronologie der Edguy-Veröffentlichungen ein wenig aus der Zeit gefallen. Meiner Ansicht nach hätte das Album, so wie es in dieser Fassung klingt, entweder an Stelle des Debüts stehen können (denn bereits das Zweitwerk „Kingdom of Madness“, 1997, hatte eine ähnlich saubere Produktion), es hätte aber auch gut irgendwo zwischen „Mandrake“ (2001) und „Hellfire Club“ (2004) gepasst. Klingt im ersten Moment paradox, hat aber damit zu tun, dass „Hellfire Club“ meiner Ansicht nach eine Zäsur für den Sound von Edguy war. Mit diesem Album hatten die Hessen begonnen, sich vom Power Metal auf den Spuren von Helloween und HammerFall zu lösen und zaghafte Schritte Richtung Hard Rock zu unternehmen. Es tut hier nichts zur Sache, ob ich persönlich diese Entwicklung gut heiße – erwähnen möchte ich sie trotzdem, weil mir scheint, dass sie eine Art Rückbesinnung auf das ist, was Edguy bereits 10 Jahre zuvor auf „Savage Poetry“ gemacht haben.

Und so schließt sich auch dieser Kreis: „The Savage Poetry“ bietet die Edguy-Grandezza der 1990er, die mit „Mandrake“ (2001) leider ihr Ende fand, nimmt gleichzeitig aber auch vorweg, wohin sich die Band spätestens mit „Rocket Ride“ (2006) zu entwickeln begann. Interessant – wenngleich das 2000 natürlich noch überhaupt nicht absehbar war. Vergleicht man „The Savage Poetry“ übrigens mit Edguy-Alben nach 2006, muss man zugeben, dass vorliegendes Werk ihr mit Abstand bester Versuch in Sachen Hard Rock war. Das ist natürlich starker Tobak – und auch ein bisschen traurig, sowohl für die Band als auch für mich als Fan.

Ein abschließendes Urteil über die Notwendigkeit dieser Neuaufnahme maße ich mir nicht an, möchte aber doch festhalten, dass „The Savage Poetry“ dem Original in technischer Hinsicht deutlich überlegen ist. Neben dem nun professionellen Sound merkt man dem Album aber auch die nunmehr perfekte Beherrschung der Instrumente an. Geändert wurden außerdem ein paar Details im Songwriting, sodass man „The Savage Poetry“ praktisch nicht mehr anhört, dass die darauf zu hörenden Ideen bereits Anfang der 1990er entstanden sind. Wer nun denkt, dass eine solche Verbesserung selbstverständlich sei, möge sich an den sinnbefreiten Versuch von Manowar, ihren 1988er Meilenstein „Kings of Metal“ neu zu vertonen, erinnern.

Gesamteindruck: 5/7 


NoTitelLängeNote
1Hallowed6:146/7
2Misguiding Your Life4:054/7
3Key to My Fate4:347/7
4Sands of Time4:405/7
5Sacred Hell5:384/7
6Eyes of the Tyrant10:015/7
7Frozen Candle7:155/7
8Roses to No One5:436/7
9Power and Majesty4:535/7
53:03

Edguy auf “The Savage Poetry” (2000, AFM Records):

  • Tobias Sammet − Vocals, Keyboards
  • Jens Ludwig − Guitars
  • Dirk Sauer − Guitars
  • Tobias Exxel − Bass
  • Felix Bohnke − Drums
Bild von: metal-archives.com

Anspieltipp 1: Key to My Fate
Anspieltipp 2: Roses to No One

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Ein Gedanke zu “MusikWelt: The Savage Poetry

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