Man fragt sich immer mal wieder, welche Gedanken Schauspieler:innen durch den Kopf gehen, wenn sie ein Drehbuch wie jenes von „Zwei“ (2021) in die Hände bekommen. Zu vorliegendem Fall ist hier etwas zu lesen – geht es danach, dürfte Marina Gatell deutlich geringere Probleme mit dem Plot gehabt haben, als ich vermutet hätte. In einer einzigartigen Situation waren sie und ihr Filmpartner Pablo Derqui aber mit Sicherheit.
Gesamteindruck: 3/7
Yin und Yang.
Die spanische Produktion „Zwei“ ist eines jener minimalistischen Kammerspiele, die von „Cube“ (1997) inspiriert sind: Menschen, die sich nicht kennen, werden in eine vermeintlich ausweglose Situation gebracht, vorzugsweise ohne zu wissen, aus welchen Gründen. Dazu kommt – ebenfalls ganz klassisch – eine Prise Body-Horror und die Beschränkung auf einen möglichst minimalistischen Handlungsort. In vorliegendem Fall ist das durchaus wörtlich zu nehmen: Gefühlte 99 Prozent der Handlung spielen in einem einzigen Raum.
Worum geht’s?
Ein Mann und eine Frau, die sich nicht kennen, erwachen in einem kleinen Zimmer. Sie liegen nackt im Bett, wissen nicht, wie sie dorthin gekommen sind – und stellen schnell fest, dass das gar nicht ihr größtes Problem ist. Sie wurden am Bauch zusammengenäht und sind nicht in der Lage, sich voneinander zu trennen. So bleibt ihnen nichts anderes übrig, als sich auf der Suche nach Hinweisen eng aneinander geschmiegt durch den Raum zu tasten (und unter schmerzhaften Verrenkungen auf die Toilette zu gehen)…
Ich muss gestehen, dass ich von „Zwei“ anfangs ziemlich angeekelt war. Nicht, dass ich etwas gegen nackte Körper hätte – aber die Vorstellung, mir würde das passieren, was den Protagonisten widerfährt, sorgte während der ersten 15, 20 Minuten des Films für echtes Unbehagen. Durchaus überraschend, denn eigentlich ist „Zwei“ ein Streifen, der weitgehend auf plakative Effekthascherei verzichtet. Die Körperregion, an der die Protagonisten zusammengenäht sind, sieht man nur angedeutet und auch sonst gibt es wenig von dem, was man normalerweise als „eklig“ bezeichnen würde (abgesehen von einem sich ablösenden Fingernagel). Es muss also der Gedanke an die Situation als solche sein, der das Unwohlsein bei mir ausgelöst hat.
Zur Handlung von „Zwei“ gibt es im Endeffekt nicht viel zu sagen, unterscheidet sie sich doch kaum von dem, was ähnliche Filme zur Disposition stellen: Die Protagonisten versuchen, anhand verschiedener Hinweise und durch das Gespräch miteinander zu ergründen, wie sie in ihre verzwickte Lage geraten sind. Mittelfristig ist das Ziel, zu entkommen – auch das ist nichts, was in irgendeiner Weise überrascht. Dennoch: „Zwei“ kann, zumindest über einen Teil der Laufzeit, in Sachen Intensität und Atmosphäre punkten. Das liegt vor allem an den Charakteren, die sehr unterschiedlich sind, was naturgemäß zu Spannungen führt. Dass man sich nach einem Streit nicht einfach umdrehen und in eine andere Ecke gehen kann, macht dabei einen Gutteil des Reizes aus.
An dieser Stelle kann und sollte man das in zweierlei Hinsicht beeindruckende Schauspiel von Marina Gatell und Pablo Derqui erwähnen: Erstens muss es rein physisch schwierig gewesen sein, den Zustand, in dem sich ihre Rollen befinden, darzustellen – allein der Gang zur Toilette ist eine akrobatische Leistung. Dass die beiden in dieser intimen Nähe praktisch durchgehend völlig nackt sind, wird die Sache auch nicht einfacher gemacht haben. Zweitens gelingt es beiden, die Emotionen ihrer Charaktere in diesem beengten Szenario glaubhaft rüberzubringen – seien es gelegentliche Panikattacken, Wutanfälle oder sich vom Gegenüber abgestoßen zu fühlen. Die Chemie zwischen Gatell und Derqui scheint jedenfalls gestimmt zu haben, was wohl der Grund ist, wieso mich ihr Zusammenspiel in „Zwei“ nachhaltig beeindruckt hat.
Stupides Finale.
Leider gibt es nicht viel mehr Positives über den Film zu sagen. Schade eigentlich, denn neben der schauspielerischen Leistung wissen auch der Aufbau bzw. die Prämisse durchaus zu überzeugen. Mich stört auch die in manchen Rezensionen vorgebrachte Kritik, der Film würde zu wenig erklären, kaum – auch in „Cube“ erfuhr man nie, wie die Protagonisten überhaupt in ihre Situation gekommen waren.
Genau an dieser Stelle scheitert „Zwei“ letzten Endes jedoch: Solange man als Zuseher:in so gut wie nichts weiß, ist noch alles in Ordnung. Man ist positiv neugierig, rätselt und leidet mit – bis sich dann, im letzten Drittel, tatsächlich herausstellt, was hinter alledem steckt. Und das ist, gelinde gesagt, hanebüchen. Oder, nicht ganz so gelinde: Kompletter Schwachsinn. Wer der Täter ist, macht für sich genommen schon relativ wenig Sinn, zumal gerade durch seine Enttarnung plötzlich doch fraglich wird, wie er seine Tat überhaupt durchführen konnte. Noch schlimmer ist aber die Begründung für den ganzen Zirkus – die ist dermaßen grotesk und sinnlos, dass spätestens an dieser Stelle auch duldsame Zuschauer:innen abwechselnd ihre Haare raufen und ungläubig das Haupt schütteln dürften.
Mit einer Laufzeit von etwas über 70 Minuten ist „Zwei“ ungewöhnlich kurz. Kein Fehler – ich vermute fast, dass sich die Regisseurin der eher dünnen Handlung bewusst war und ihr Werk daher nicht künstlich in die Länge ziehen wollte. Respekt vor dieser Entscheidung (so sie denn aus diesem Grund gefällt wurde), das ist etwas, das anderen Filmemacher:innen gelegentlich auch gut zu Gesicht stehen würde. Leider rettet diese schöne Kompaktheit „Zwei“ ob seines Finales nicht – sie sorgt aber letztlich zumindest für versöhnliche 3 Punkte. Hätte der Film länger gedauert, wären es wohl maximal 2 gewesen.
Gesamteindruck: 3/7
Originaltitel: Dos.
Regie: Mar Targarona
Drehbuch: Cuca Canals, Christian Molina, Mike Hostench
Jahr: 2021
Land: Spanien
Laufzeit: ca. 70 Minuten
Besetzung (Auswahl): Marina Gatell, Pablo Derqui, Kandido Uranga
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