„Tannöd“ (2009) ist einer jener Filme, deren Trailer und Beschreibung mir im Vorfeld richtig gut gefallen haben. Doch leider ist es wie so oft in solchen Fällen: Bereits während des Ansehens macht sich Ernüchterung breit, die spätestens beim Abspann in echte Enttäuschung umschlägt. Warum „Tannöd“ dieses Schicksal ereilt, versuche ich in folgender Rezension zu beschreiben.
Gesamteindruck: 2/7
Finsteres Bayern.
Zunächst kurz zum Hintergrund (der mir vorab nicht bekannt war): „Tannöd“ basiert auf dem gleichnamigen Roman der deutschen Autorin Andrea Maria Schenkel, der 2006 erschienen ist. Dieses Buch ist wiederum inspiriert von einem realen, bis heute nicht aufgeklärten Mordfall der 1920er Jahre. Wie der Kriminalroman, der ihm als Vorlage diente, verlegt „Tannöd“ die Geschichte allerdings in die 1950er. Warum das so gemacht wurde, entzieht sich meiner Kenntnis, spielt letztlich aber auch keine große Rolle für die Handlung.
Worum geht’s?
Auf dem abgelegenen Tannöd-Hof trägt sich ein schreckliches Verbrechen zu: Die Bauersleute, ihre Kinder und die gerade erst angestellte Magd werden auf brutale Weise ermordet. Zwei Jahre nach diesen Ereignissen kehrt die auswärts arbeitende Kathrin in ihr Heimatdorf zurück, um sich um die Beerdigung ihrer Mutter zu kümmern. Gegenseitige Anschuldigungen und dunkle Geheimnisse bestimmen das Leben im Ort – und auch Kathrin wird wider Willen immer tiefer in die düstere Stimmung hineingezogen…
In der Theorie bringt „Tannöd“ fast alles mit, das einen guten Krimi oder Thriller auszeichnet: Starke Bilder, einen rätselhaften Mord und – vor allem – ungeahnte psychologische und kriminelle Abgründe. Leider gibt es letzten Endes aber nur einen einzigen Punkt, der voll und ganz überzeugt: Die von Anfang bis Ende großartige Kameraarbeit. Die setzt die ländliche Kulisse, die bei richtigem Licht beschaulich und malerisch wirken mag, düster und nachgerade grotesk in Szene. Subtil ist das freilich nicht, im Gegenteil: „Tannöd“ lässt optisch in keinem Moment Zweifel daran aufkommen, dass in der bayrischen Einöde etwas im Argen liegt. Den Wunsch, auch nur in die Nähe jener Gegend zu kommen, verspürt man auch als Zuseher:in, der/die das Landleben kennt, während der 100 Minuten Laufzeit so gut wie nie. Damit ist auch sofort klar, dass sich das Publikum mit der Rückkehrerin Kathrin identifizieren soll und muss, die jenem tristen Leben entkommen konnte.
Drehbuch als Sorgenkind.
Leider gelingt es Regisseurin Bettina Oberli (die gemeinsam mit Petra Lüschow auch das Drehbuch geschrieben hat) nicht, diese guten bis sehr guten Einzelteile stimmig zusammenzusetzen. Heißt: Bei „Tannöd“ ist das oft bemühte Ganze keineswegs größer als die Summe seiner Teile. Im Gegenteil: Die Grundzutaten lassen einen zumindest soliden, bestenfalls sogar großartigen Thriller erwarten, fügen sich aber zu keinem Zeitpunkt richtig zusammen. Oder, anders ausgedrückt: „Tannöd“ entwickelt nie jenen Sog, den man beispielsweise aus zugegeben leichter Kost wie „Der Bulle von Tölz“ oder „Tatort“ kennt, deren Folgen ja häufig in ähnlichen Milieus angesiedelt sind. An den Schauspieler:innen liegt das übrigens nicht, denn die machen ihre Sache zumeist ordentlich, wobei ich mir von Hauptdarstellerin Julia Jentsch ein etwas beherzteres Auftreten gewünscht hätte. Anmerkung am Rande: Zuseher:innen, die nicht aus Süddeutschland oder Österreich kommen, könnten Schwierigkeiten mit dem Verständnis haben, denn in „Tannöd“ wird fast ausschließlich bayrisch gesprochen.
Ich denke, der Grund für den schwachen Gesamteindruck, den der Film trotz herausragender Optik bei mir hinterlassen hat, ist im Drehbuch zu suchen. Das schafft es einerseits kaum, die notwendige Spannung aufzubauen, weil die einzelnen Szenen wahlweise überhastet oder in die Länge gezogen wirken. Andererseits ist „Tannöd“ stellenweise arg verwirrend; das ansonsten so befriedigende Gefühl, wenn Charaktere ein Mysterium nach und nach aufdecken, bleibt völlig aus. Auch, weil am Schluss ein überzeugendes Gesamtbild fehlt, was den Film in Kombination mit immer wieder eingestreuten Rückblenden, die nur zum Teil aussagekräftig sind, sehr zerfahren wirken lässt.
Dicht am Roman?
Ohne die Romanvorlage zum Zeitpunkt dieser Rezension gelesen zu haben, vermute ich stark, dass sich „Tannöd“ relativ werkstreu gibt – und dass genau das das Problem ist: Das Buch besteht aus 39 relativ kurzen Kapiteln, die auf verschiedene Weise miteinander verbunden sind und nach und nach ein Gesamtbild ergeben. Man sieht dem Film meiner Meinung nach deutlich an, dass er versucht, seine Geschichte auf ähnliche Weise zu erzählen, dabei aber Schwierigkeiten hat, die ursprünglichen Einzelepisoden „smooth“ ineinandergreifen zu lassen. Eigentlich ist sogar das Gegenteil der Fall und es wirkt von Anfang an befremdlich, dass zwei Jahre nach der Tat pausenlos über den Mord gesprochen wird, wenn die Hauptprotagonistin anwesend ist.
Ich bin jedenfalls auf den Roman gespannt – denn dass ich den jetzt unbedingt lesen möchte, ist der positivste Aspekt, den ich aus dem Ansehen des Films mitgenommen habe. Immerhin etwas – wenngleich ich es sehr schade fand und finde, dass die Verfilmung von „Tannöd“ so gar nicht reüssieren kann. Übrigens gilt das – wenn man den Rezensionen glauben darf – auch für den ebenfalls 2009 erschienen Film „Hinter Kaifeck“, der sich derselben Thematik annimmt. Aber das ist ein Fall für eine andere Rezension…
Für das ziemlich holprige „Tannöd“ gibt es 2 von 7 Punkten, mehr ist leider nicht drin, so sehr ich den Film auch mögen wollte.
Gesamteindruck: 2/7
Originaltitel: Tannöd.
Regie: Bettina Oberli
Drehbuch: Bettina Oberli, Petra Lüschow
Jahr: 2009
Land: Deutschland
Laufzeit: ca. 100 Minuten
Besetzung (Auswahl): Julia Jentsch, Monica Bleibtreu, Volker Bruch, Brigitte Hobmeier, Vitus Zeplichal
2 Gedanken zu “FilmWelt: Tannöd”