FilmWelt: A. I. Rising

Die Fragen nach Wesen und Möglichkeiten künstlicher Intelligenz waren früher der Science Fiction vorbehalten. Heute ist das anders: Die ungelenken Droiden aus „Star Wars“ scheinen wirken fast schon rückständig und selbst Data aus „Star Trek: The Next Generation“ scheint bald von der Wirklichkeit überholt zu werden. „A. I. Rising“ (2018) stellt folgerichtig eine Maschine in den Mittelpunkt, die vor nicht allzu langer Zeit noch nicht denkbar gewesen wäre, heute aber nicht mehr so weit von der technischen Machbarkeit entfernt scheint.

Gesamteindruck: 3/7


Befreiung einer Sklavin.

Auch wenn es derzeit noch nicht ganz mit intelligenten (im Sinne von selbständig denkenden) Maschinen funktioniert, ist es absehbar, dass die Entwicklung eines maschinellen Bewusstseins so fern nicht mehr ist. Die Fragestellung für die weitere Zukunft muss also einen Schritt weitergehen und sich beispielsweise mit der Möglichkeit auseinandersetzen, intelligente Roboter mit Emotionen auszustatten. Doch was ist eine Maschine mit Intelligenz und Emotionen? Ist das überhaupt noch ein Roboter? Oder ist es eine Art Mensch? Ist die Erschaffung derartiger Wesen überhaupt erstrebenswert? Und wie werden wir, die wir Maschinen nur als mechanische Diener nutzen, mit ihnen umgehen? Derartige Fragen harren mittlerweile tatsächlich auch außerhalb der Science Fiction ihrer Beantwortung. „A. I. Rising“ versucht sich an diesem überaus komplexen Thema.

Worum geht’s?
Im Jahr 2148 sind die Ressourcen der Erde bis in den letzten Winkel ausgebeutet. Die Hoffnung der Menschheit liegt bei den Sternen – und dorthin, genauer nach Alpha Centauri, startet als Pionier der Kosmonaut Milutin. Damit seine Psyche auf der langen Reise keinen Schaden nimmt, wird ihm die Androidin Nimani zur Seite gestellt. Verschiedene Verhaltensmuster, aus denen frei gewählt werden kann, sollen in jeder Hinsicht für Zerstreuung sorgen. Allerdings reicht es dem einsamen Kosmonauten bald nicht mehr aus, nur vorgefertigte Programme abzuspulen…

Dass Pornodarstellerin Stoya eine der beiden Hauptrollen in „A. I. Rising“ spielt, mag Kalkül gewesen sein – zumindest ist aber davon auszugehen, dass ihr doch recht bekannter Name die Zielgruppe für den Film erweitert hat. Und tatsächlich wird niemand, der/die angesichts dieser Besetzung auf viel nackte Haut hofft, enttäuscht: Stoya verbringt – ohne dass ich es gestoppt hätte – mehr als die Hälfte ihrer Screentime unbekleidet. Und ja, um auch das gleich abzufrühstücken: Man bekommt Sexszenen zu sehen, Softcore natürlich, aber definitiv expliziter, als es in einem Film aus Hollywood vermutlich der Fall gewesen wäre.

Wer nun denkt, dass die Freizügigkeit der Hauptdarstellerin nur Mittel zum Zweck wäre, täuscht sich meiner Meinung nach jedoch. Denn auch, wenn es schwer fällt, muss man speziell als Mann zugeben, dass die Art, wie Nimani und Milutin die Reise verbringen, in weiten Teilen durchaus realistisch anmutet. Mit anderen Worten: Es hätte zwar vermutlich auch mit weniger nackter Haut funktioniert, jedoch wird gerade dadurch die bedrückende Atmosphäre von „A. I. Rising“ zusätzlich verstärkt – denn freudvoll und leidenschaftlich ist es nicht, was sich zwischen den Charakteren abspielt.

Besser gespielt als vermutet.

Freilich ist die Atmosphäre von „A. I. Rising“ vor allem der Optik in Zusammenspiel mit dem Soundtrack geschuldet. Aber, und das kann man nicht genug betonen: Die Leistung von Stoya trägt viel mehr dazu bei, als das Standard-Vorurteil gegenüber ihrem Brotberuf vermuten lässt. Einerseits erfordert es die Rolle der Androidin, eine Balance zwischen kalter Technik und menschlicher Wärme zu finden – denn genau das ist es ja, das derartige Roboter so unheimlich macht. Ich weiß nicht, ob sich eine Stoya anhand ihrer zum Teil sehr schwierigen Erfahrungen in der Pornoindustrie leichter damit tut; Tatsache ist aber, dass sie die distanzierte Maschine, die Gefühle nur auf Knopfdruck zeigt, sehr gekonnt portraitiert. Andererseits hilft ihr dabei meines Erachtens ihr Aussehen, dem die Attribute fehlen, die man landläufig bei einer Pornoqueen vermutet. Dadurch ist ihre Rolle optisch näher an einem natürlichen, menschlichen Erscheinungsbild und hat nichts von der automatisierten Sexpuppe, was die Unterscheidung zwischen Mensch und Maschine stark verschwimmen lässt. Fazit: Chapeau Stoya, wirklich gut gemacht!

Hauptdarsteller Sebastian Cavazza muss im Vergleich zu seiner zerbrechlich wirkenden Partnerin einen Charakter darstellen, der wenig Sympathisches an sich hat. Er ist ausgesprochen verschlossen und zeigt im Verlauf des Filmes immer widerwärtigere Verhaltensweisen. Das geht so weit, dass man auch zum Schluss hin, als man eigentlich das Gefühl hat, man müsse sich mit beiden Figuren identifizieren, keine Chance mehr hat, einen Zugang zu ihm zu finden. Ob das so beabsichtigt war, weiß ich nicht – ich denke aber, dass man das durchaus so machen kann, auch wenn der Film dadurch im Nachgang noch einmal düsterer wirkt, als während des ohnehin völlig humorlosen Verlaufs.

Nicht zu Ende gedacht.

All das klingt eigentlich vielversprechend und wird, wie angedeutet, in überzeugender Optik dargestellt (wer z. B. „Sunshine“, 2007, kennt, weiß ungefähr, wie „A. I. Rising“ aussieht). Dass mich der Film dennoch nicht überzeugen konnte, liegt einmal mehr am Drehbuch. Dabei ist die Prämisse eigentlich sehr interessant, wie an den von mir weiter oben aufgeworfenen Fragestellungen deutlich geworden sein mag. Nur macht „A. I. Rising“ zu wenig daraus, indem er sich voll und und ganz auf die problematische Liebesbeziehung zwischen Nimani und Milutin fokussiert. Und die ist, mit Verlaub, wenig spannend, weil vorhersehbar.

Einige Ansätze, die es wert gewesen wären, erkundet zu werden, sind ja vorhanden: So beginnt der Film beispielsweise mit dem starken Bild, dass der Kapitalismus die Erde komplett ausgebeutet hätte. Abgelöst wurde er offenbar durch ein sozialistisches Regime – was für die Handlung allerdings überhaupt keine Rolle spielt. Muss es auch nicht, aber dann wäre es besser gewesen, diese Tatsache ganz wegzulassen. Das vor allem auch, weil ein Raumschiff und eine Androidin, die Eigentum eines Großkonzerns sind, überhaupt nicht in meine Vorstellung eines sozialistischen Staates passen wollen…

Ein anderes Problem, an dem ich mich sogar noch mehr gestört habe: „A. I. Rising“ deutet technische Aspekte an, lässt sie dann aber völlig offen. Beispielsweise erfährt man nicht, wie lange die Reise nach Alpha Centauri dauern und welche Technologie sie überhaupt ermöglicht. Das hätte ich wichtig gefunden, um einschätzen zu können, wie lange sich die beiden Figuren überhaupt miteinander beschäftigen können und müssen – immerhin ist Alpha Centauri so weit weg, dass der Flug nach heutigen Maßstäben nicht in der Lebenszeit eines Menschen möglich sein kann. Die Bilder legen übrigens nahe, dass die Situation noch in unserem Sonnensystem völlig eskaliert, was die Frage aufwirft, wie man jemals hatte davon ausgehen können, dass ein Trip über mehr als vier Lichtjahre physisch und psychisch möglich wäre.

Es ist aber auch nicht erklärt, wie die Androidin eigentlich funktioniert bzw. welcher technische Fortschritt die Implementierung von Intelligenz und Emotionen ermöglicht hat. Der Film konzentriert sich fast völlig auf die Versuche des Kosmonauten, die Sicherheitsvorrichtungen zu überwinden und dadurch – wenn man so will – die Sklavin endgültig zu befreien. Auch hier: Man muss das nicht zwangsweise mit Technobabble erklären, sollte dann aber zumindest stärker auf die ethischen Implikationen, die sich daraus ergeben, eingehen. Leider passiert das nicht, im Gegenteil, die Dialoge sind ganz und gar nicht dazu angetan, das philosophische Dilemma dieser Situation zu adressieren.

Fazit: Meines Erachtens wäre eines von beiden notwendig gewesen, um „A. I. Rising“ zu einem wirklich guten Film zu machen: Mehr Technik oder mehr Philosophie. Beides kommt viel zu kurz, das Hauptaugenmerk liegt darauf, uns zu erklären, dass man auch eine Maschine nicht schlecht behandeln darf. Zumindest dann nicht, wenn die Möglichkeit besteht, dass sie dabei tatsächlich etwas empfinden könnte, das über die reine Simulation von Emotionen hinausgeht. Diese Lektion zu erteilen, schafft „A. I. Rising“ auch, bleibt dabei aber so oberflächlich, dass ich mich letzten Endes trotz guter Ansätze zu keiner besseren Wertung aufraffen kann. Symptomatisch, dass mein persönliches Highlight des Films der Hinweis auf die bereits 1942 von Isaac Asimov formulierten Robotergesetze ist – auch hier, ohne dass das dahinterliegende Konzept ausführlich behandelt wird.

Gesamteindruck: 3/7


Originaltitel: A. I. Rising.
Regie:
Lazar Bodroza
Drehbuch: Dimitrije Vojnov
Jahr: 2018
Land: Serbien
Laufzeit: ca. 85 Minuten
Besetzung (Auswahl): Sebastian Cavazza, Stoya, Marusa Majer



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FilmWelt: Resident Evil

Den Namen „Resident Evil“ verbindet der/die passionierte Gamer:in zunächst mit der gleichnamigen japanischen Videospielreihe, die dem Genre des Survival Horrors zu weltweitem Durchbruch verholfen hat. Ich selbst kenne die Spieleserie allerdings nur dem Vernehmen nach, was wohl damit zu tun hat, dass ich nicht sonderlich Konsolen-affin bin und „Resident Evil“ anfangs vor allem dort groß war. Entsprechend gering die Vorkenntnisse, mit denen ich an den ersten Realfilm von 2002 herangegangen bin.

Gesamteindruck: 3/7


Zombies in der Tiefe.

Bevor wir zum Film kommen, sei erwähnt, dass sich die Marke „Resident Evil“ als ausgesprochen langlebig erwiesen hat und ferner eines der erfolgreichsten Beispiele für ein Franchise ist, das sich weit über seine Ursprungsplattform ausdehnen konnte. So gibt es allein in der Hauptreihe bis dato zehn Spiele (das zum Zeitpunkt dieser Rezension aktuellste stammt aus 2021), dazu diverse Remakes und Ableger. Weiters wurden unzählige Romane, Comics und Animationsfilme veröffentlicht – und, zwischen 2002 und 2016, eben auch sechs Realfilme. Ein Ende des Hypes ist derzeit nicht absehbar, 2021 startete z. B. mit „Resident Evil: Welcome to Raccoon City“ ein filmisches Reboot.

Worum geht’s?
Kurz nachdem Alice ohne sich an irgend etwa erinnern zu können in einer leeren Villa zu sich kommt, wird das Haus von einer Spezialeinheit gestürmt. Die Soldat:innen nehmen die junge Frau mit in den Hive, einen unterirdischen Forschungskomplex, in dem ein gefährliches Virus freigesetzt wurde. Die Aufgabe der Sicherheitskräfte: Den Zentralcomputer, der die Anlage abgeriegelt hat und außer Kontrolle geraten ist, zu deaktivieren…

Vorliegender Film dürfte der Startschuss gewesen sein, mit „Resident Evil“ einen internationalen Massenmarkt zu erobern. Diesen Versuch kann man nur als gelungen bezeichnen: Allein Teil 1 spielte weltweit über 100 Millionen Dollar ein (bei Kosten von rund 30 Millionen). Eine respektable Leistung, die von den Nachfolgern nochmals in den Schatten gestellt wurde, sodass die Serie als Ganzes weltweit fast 1,3 Milliarden (!) Dollar eingespielt hat. Diese Summe ist per se schon astronomisch – dass sie aber von Filmen, die auf Computerspielen basieren, erwirtschaftet wurde, ist alles andere als alltäglich.

Der Erfolg gibt den Verantwortlichen, allen voran Paul W. S. Anderson, der alle Drehbücher geschrieben und mit zwei Ausnahmen auch immer am Regiestuhl Platz genommen hat, also recht. Und ich will auch nicht bestreiten, dass „Resident Evil“ einiges richtig macht – so richtig vermag ich die Begeisterung jedoch nicht zu teilen. Ich frage mich übrigens, ob Fans der Spiele den Film generell anders (besser? schlechter?) wahrnehmen als Zuschauer:innen, die keine Ahnung von den Games haben. Bzw. ob letztere überhaupt einen nennenswerten Anteil am Publikum haben – das aber nur am Rande.

Ein passabler Vertreter seiner Zunft.

Fangen wir mit dem Positiven an: „Resident Evil“ dürfte tatsächlich eine der besten Spielverfilmungen sein, die es bis dato gibt – wer sehen möchte, was in der Hinsicht normalerweise abgeliefert wird, kann sich z. B. „Mortal Kombat“ (1995, ausgerechnet von Paul Anderson inszeniert, kommerziell allerdings ähnlich erfolgreich wie „Resident Evil“), „Double Dragon“ (1994), „Wing Commander“ (1999) oder – besonders übel – „Alone in the Dark“ (2005) geben. Im Falle von „Resident Evil“ hat es der Regisseur – im Gegensatz zu den genannten und einigen anderen Filmen – zumindest verstanden, die Atmosphäre der Vorlage zu konservieren. Speziell hervorheben möchte ich in diesem Zusammenhang Optik, Schnitt und Soundtrack, die zusammengenommen dem Gefühl eines Videospiels sehr nahe kommen. Und, auch wichtig: „Resident Evil“ funktioniert grundsätzlich auch dann, wenn der Film völlig isoliert von der Spielreihe betrachtet wird, Vorkenntnisse sind also nicht notwendig, um zu verstehen, was im Hive passiert.

Man könnte nun ganze Abhandlungen über die Schwierigkeiten schreiben, die die Umsetzung von Inhalten für verschiedene Medien mit sich bringt. Im Falle der Konvertierung eines Spiels in einem Film würde ich zusammenfassend meinen, dass es meist die Story ist, an der es sich spießt (die Kosten für Spezialeffekte dürften heute keine so große Rolle mehr spielen). Der Grund sollte einleuchten, auch wenn man noch nie ein Spiel in der Hand gehabt hat: Games sind immer interaktiv, d. h. man muss selbst etwas tun, um die Story voranzutreiben. Dabei ist nicht selten der Weg, auf dem diverse Aufgaben zu erfüllen sind, das Ziel. In einem Film sieht man hingegen passiv zu, wie hoffentlich interessante Charaktere etwas tun – entsprechend anders muss die Gewichtung unterschiedlicher Faktoren sein.

In Levels gedacht.

„Resident Evil“ ist in meiner Wahrnehmung großteils wie ein Spiel aufgebaut. Und nein, das ist nichts Gutes, jedenfalls nicht für einen Film. Ein Beispiel: Die Story, die der Film erzählt, mag für ein Spiel, in dem man sie selbst vorantreibt, reichen, weil dort der Fokus in der Regel ein anderer ist. Hier ist sie ärgerlich, weil wahlweise nebensächlich oder vorhersehbar. Oder: Der Aufbau der Forschungsanlage „Hive“ entbehrt jeder Logik, man kann sich nicht vorstellen, dass dort normalerweise Wissenschaftler:innen arbeiten. Der Komplex scheint nur dem Zweck zu dienen, es den Charakteren schwer zu machen, ihn zu durchqueren. Ganz ähnlich ist es mit den Problemen, die dabei zu lösen sind, denn die erinnern in ihrem fast schon modularen Aufbau an die Aufgaben, die man in einem linearen Shooter hat. Zusammengenommen macht all das „Resident Evil“ zu einem überaus schlichten, stellenweise arg berechenbaren Action-Reißer. Mehr will er vermutlich auch nicht sein, dennoch hat mich die gnadenlose Einfachheit des Films ziemlich ratlos hinterlassen. Oder, anders gesagt: Das hier mag einer der besten Versuche sein, ein Computerspiel auf die Leinwand zu bringen – zu einem guten Film wird „Resident Evil“ dadurch aber nicht.

Das größte Problem ist, dass der Film abseits seiner stimmungsvollen Optik und durchgehendem Geballer praktisch nichts zu bieten hat – das allerdings sind Dinge, an denen man sich sehr schnell sattgesehen hat, weil die Varianz fehlt. Eine spannende Geschichte und Charaktere, die mehr sind als bloße Stichwortgeber sucht man hingegen vergeblich. Wie gesagt, man darf von einem Actioner keine philosophische Tiefgründigkeit erwarten – aber das, was die Figuren in diesem Film von sich geben, ist einfach nur dümmlich, jedoch nicht auf die lustige Art: Eigentlich ist „Resident Evil“ komplett humorlos, unfreiwillig komisch sind allerdings die markigen Sprüche der bemüht coolen Eingreiftruppe. Sieht man davon ab, bleibt die Riege der Schauspieler:innen aber völlig blass, speziell die männlichen Figuren.

Milla Superstar?

Glänzen, wenn man das denn so nennen möchte, kann vor allem Hauptdarstellerin Milla Jovovich, die man vorher eigentlich nur aus „Das fünfte Element“ (1997) kannte. Die Rolle der „Alice“ sollte die Karriere der Schauspielerin für die nächsten knapp 15 Jahre prägen; ich wage nicht zu beurteilen, ob die „Resident Evil“-Reihe Fluch oder Segen für ihre weiteren Hollywood-Ambitionen war. Fakt ist jedenfalls, dass Jovovich ihre Sache in vorliegendem Film ganz gut macht. Die Entwicklung ihres Charakters erinnert allerdings stark an die, den sie in „Das fünfte Element“ auch schon gezeigt hat: Vom zerbrechlich wirkenden Mädchen mit Gedächtnislücken hin zu immer mehr Selbstbewusstsein.

Abschließend und der Vollständigkeit halber noch ein paar Fragen, über die man nicht nachdenken sollte, wenn man „Resident Evil“ genießen möchte: Warum wird ein gefesselter Gefangener zu einer so gefährlichen Operation mitgenommen? Warum erklärt das Computerprogramm den „Eindringlingen“ bereitwillig, was sich zugetragen hat? Wieso vertraut die Truppe eben jenem Computer, der sie vorher noch beseitigen wollte? Nunja, ich habe es ja mehrfach angedeutet: Vielleicht ist es besser, einfach das Hirn auszuschalten und den Film als das zu sehen, was er ist: Ein Action-Streifen mit Horror- und Science Fiction-Elementen, der schnell, laut und ab und an etwas düster ist. Nicht mehr, aber auch nicht weniger und bei weitem nicht so schlimm wie vieles, das ähnlich aufgebaut ist. Ich glaube, 3 von 7 Punkten sind dafür gerechtfertigt.

Gesamteindruck: 3/7


Originaltitel: Resident Evil.
Regie:
Paul W. S. Anderson
Drehbuch: Paul W. S. Anderson
Jahr: 2002
Land: Deutschland, Großbritannien
Laufzeit: ca. 100 Minuten
Besetzung (Auswahl): Milla Jovovich, Michelle Rodríguez, Eric Mabius, James Purefoy, Martin Crewes



MusikWelt: Mandrake

Edguy


Für mein Dafürhalten befand sich Tobias Sammet anno 2001 auf dem Höhepunkt seines Schaffens: Kurz nach dem hervorragenden Debüt von Avantasia kam in jenem Jahr mit „Mandrake“ das fünfte – und für mich bis dato letzte unumstritten gute – Album von Edguy in die Läden. Beides konnte man damals Allen, die auch nur ansatzweise etwas mit Power Metal anfangen konnten, bedenkenlos empfehlen. Danach ging es – speziell für Edguy – zuerst langsam, dann leider immer schneller bergab.

Gesamteindruck: 6/7


Rundum gelungen.

Ein bisschen muss ich meine recht harsche Einleitung revidieren: „Mandrake“ und der Avantasia-Erstling „The Metal Opera“ stellen zwar für mich den Zenit in der Karriere von Tobias Sammet dar. Er selbst – und auch jener Teil des Publikums, der es gern etwas rockiger mag – werden das freilich anders sehen. Gerade bei Avantasia wurden die Kompositionen in der Folge deutlich komplexer und anspruchsvoller, was für die stetige Weiterentwicklung des Künstlers sprechen mag. Nur nutzt das alles nichts: Ich wollte Edguy immer so hören, wie sie bis inklusive „Mandrake“ geklungen haben. Dessen Nachfolger „Hellfire Club“ (2004) empfand ich damals übrigens als Ausrutscher, nicht wissend, wie sehr ich mich über den Folgejahren über ein Album jener Güte gefreut hätte. Aber ich schweife ab…

„Mandrake“ zeigt Edguy in einer Phase, in der der zweifelhafte Humor, der später einen immer größeren Anteil im Schaffen der Band ausmachen sollte, fast völlig außen vor bleibt. Einziger Hinweis auf die zukünftige Ausrichtung als Kasper-Truppe ist das unverdächtig betitelte „Save Us Now“. Das soll wohl eine Hommage an die Künste von Schlagzeuger Felix „Bum Bum“ Bohnke darstellen, zumindest interpretiere ich den Text über das „Highspeed Alien Drum Bunny“ so. Über die Lyrics kann man getrost geteilter Meinung sein, sie gar peinlich finden (was ich für übertrieben halte, so schlimm sind sie nicht), Fakt ist aber, dass der Song musikalisch über jeden Zweifel erhaben ist. Zumindest dann, wenn man sich nicht grundsätzlich an einer schnellen, super-eingängigen Nummer stört, deren Refrain man nach zweimal hören problemlos mitschmettern kann.

Große Hymnen allenthalben.

Musikalisch ist „Save Us Now“ nicht der einzige Song, der für den klassischen Edguy-Fan eine Kaufempfehlung in Reinkultur ist. Es wäre meiner Ansicht nach müßig, hier Track für Track durchzugehen, es reiht sich tatsächlich ein Highlight an das nächste; meine persönlichen Favoriten möchte ich dennoch kurz erwähnen: „Tears of a Mandrake“ als großartiger Opener mit unwiderstehlichem Refrain, das lange und titelgemäß leicht orientalisch angehauchte „The Pharao“ (ich liebe den Zwischenteil, der so oder so ähnlich auch von Avantasia sein könnte), der Vintage-Edguy-Track „Painting on the Wall“ sowie einer meiner Alltime-Faves der Fuldaer, „Fallen Angels“ mit einer teilweise sehr aggressiven Gesangsleistung von Meister Sammet. Im Haben sind aber auch fast alle anderen Songs zu verbuchen – übrigens glaube ich, dass das Gekreische im lässig riffenden „Nailed to the Wheel“ eine Ursache für die späteren Stimmprobleme des Sangeswunders gewesen sein könnte.

Eigentlich gibt es nur zwei Nummern, die ich nicht so richtig goutiere: Das finale „The Devil and the Savant“ scheint mir rückblickend einer der ersten Songs in der Edguy-Chronologie zu sein, die zeigen, dass die typische Formel der Hessen vielleicht doch nicht so unverwüstlich ist und mit Abnutzungserscheinungen zu rechnen ist. Prädikat: „Eh ganz nett aber gefühlt schon x-mal gehört“. Noch weniger warm werde ich aber mit der Pflichtballade, die auf den Namen „Wash Away the Poison“ hört und mir vor allem eines zeigt: Edguy haben auch in Sachen Herzschmerz den Bogen überspannt und längst alles gesagt, was es dazu zu sagen gibt. Ein klassischer Fall für die Skip-Taste also – dabei technisch aber durchaus passabel und gewohnt fehlerfrei umgesetzt. Uninspiriert und langweilig ist die Nummer halt dennoch; bei mir erweckt sie den Eindruck, nur auf dem Album zu sein, weil es keine Power Metal-Platte ohne einen derartigen Track geben kann und darf.

Von diesen Kleinigkeiten abgesehen: Volle Kaufempfehlung, wer Power Metal mag, macht mit „Mandrake“ definitiv nichts falsch und erhält einen bunten Strauß an eingängigen, schnellen und stellenweise richtiggehend epischen Hymnen. Zwar sind „Vain Glory Opera“ (1998) und „Theater of Salvation“ (1999) noch ein klitzekleines Bisschen besser, aber einer der stärksten Versuche von Edguy ist vorliegende Platte allemal.

Gesamteindruck: 6/7 


NoTitelLängeNote
1Tears of a Mandrake7:117/7
2Golden Dawn6:085/7
3Jerusalem5:276/7
4All the Clowns4:496/7
5Nailed to the Wheel5:415/7
6The Pharao10:377/7
7Wash Away the Poison4:403/7
8Fallen Angels5:157/7
9Painting on the Wall5:157/7
10Save Us Now4:376/7
11The Devil and the Savant5:264/7
1:04:29

Edguy auf “Mandrake” (2001, AFM Records):

  • Tobias Sammet − Vocals, Keyboards, Organ
  • Jens Ludwig − Lead Guitars, Backing Vocals
  • Dirk Sauer − Rhythm Guitars, Backing Vocals
  • Tobias Exxel − Bass, Backing Vocals
  • Felix Bohnke − Drums
Bild von: metal-archives.com

Anspieltipp 1: Fallen Angels
Anspieltipp 2: Painting on the Wall

FilmWelt: Go Trabi Go

Es kann durchaus lohnend sein, sich als Erwachsene:r mit Werken zu beschäftigen, die man zuletzt in der Kindheit genossen hat. Mindestens genauso oft ist der Film, das Buch oder das Spiel in der Erinnerung jedoch deutlich besser aufgehoben. So ist es mir leider auch mit „Go Trabi Go“ (1991) ergangen.

Gesamteindruck: 3/7


Gen Italien.

Vorausschicken möchte ich, dass ich nie eine emotionale Bindung zu diesem Streifen gehabt habe – ganz im Gegensatz zu „Ein toller Käfer“ (1968), um eine andere Komödie rund um des Menschen liebstes Fortbewegungsmittel zu nennen. Ich meine sogar, dass ich „Go Trabi Go“ nur ein einziges Mal vollständig gesehen habe, vermutlich irgendwann zwischen 1991 und 1994. Entsprechend lückenhaft war mein Gedächtnis in dieser Hinsicht – übrigens ebenfalls konträr zu „Herbie“, bei dessen jüngster Sichtung ich auch nach zig Jahren einen Großteil der Dialoge mitsprechen konnte.

Inhalt in Kurzfassung
Kurz nach der Wiedervereinigung Deutschlands macht sich Familie Struutz von Bitterfeld in Sachsen-Anhalt auf den Weg in ihren ersten Italienurlaub. Standesgemäß soll Trabant „Schorsch“ Vater Udo, Mutter Rita und Tochter Jacqueline nach Neapel bringen – immer auf den Spuren von Goethe, dessen „Italienische Reise“ Deutschlehrer Udo als Fremdenführer auserkoren hat. Klar, dass die Fahrt zu einem echten Abenteuer wird und eine Panne die nächste jagt… 

Ich will gar nicht lange drumherum reden: „Go Trabi Go“ hat mich anno 2022 ein- oder zweimal laut auflachen lassen, ein paar Mal habe ich geschmunzelt – mehr war es dann aber nicht. Die Geschichte ist denkbar flach, was bedeutet, dass der Film nur von seiner Situationskomik und ein wenig Lokalkolorit (wenn man das so nennen mag) lebt. Leider ist beides relativ dürftig, wobei ich zumindest den beteiligten Schauspieler:innen, die die sächsische Familie auf durchaus charmante Weise geben, keinen Vorwurf machen möchte.

Ein Kind seiner Zeit.

Im wesentlichen dürften zwei Faktoren ausschlaggebend dafür sein, dass „Go Trabi Go“ mich nicht (mehr) abgeholt hat. Erstens ist der Film schlichtweg ein Kind seiner Zeit: Als er erschienen ist, war nicht nur der Westen etwas völlig Neues für die Menschen, die bis dahin hinter dem eisernen Vorhang gelebt hatten; umgekehrt hatte man – speziell auch hier in Österreich – kaum jemals einen „Ossi“ gesehen. Der fahrbare Untersatz, das Urlaubsoutfit und, vor allem, der merkwürdig anmutende Dialekt waren damals völlig ungewohnt. Und, so albern das aus heutiger Sicht klingen mag: Es war unterhaltsam anzusehen, wie sich die Sachsen mit Staunen durch „unsere“ Welt bewegt haben. Wobei ich gleich einschränken möchte, dass das eine sehr subjektive Sichtweise auf den Film ist, denn in Wirklichkeit werden die Unterschiede zwischen Ost und West kaum behandelt; mehr als dass die Familie über ihr Auto und ihre Sprache als ostdeutsch zu identifizieren ist, ist es im Endeffekt nicht, der Rest spielt sich eher im Kopf des Publikums ab. Und genau das hat für die westlichen Zuschauer:innen des Jahres 1991 noch funktioniert – heute fällt es ungleich schwerer, weil die Charaktere praktisch keine Tiefe haben und rein über ihre Herkunft aus dem Osten definiert sind.

Der zweite Kritikpunkt, der mir heute sofort ins Auge springt, während ich ihn Anfang der 1990er ignoriert (oder nicht erkannt) habe, hat mit Inszenierung und Drehbuch zu tun: „Go Trabi Go“ scheint auf den ersten Blick eine Art Roadmovie zu sein – das wäre aber viel zu hoch gegriffen, dafür fehlt es dem Film an Charakteren, es fehlt ihm aber auch an einem Drehbuch, das über eine bloße Aneinanderreihung von Sketches hinausgeht. Was in diesen Einzelszenen passiert, ist ab und an recht witzig, insgesamt aber arg vorhersehbar – und vor allem auch sehr brav. Bezeichnend, dass die einzige ernste Aufnahme eine Ohrfeige für die Tochter beinhaltet, etwas, das man heute in einem solchen Film wohl nicht mehr zeigen würde, zumindest nicht auf diese Art. Ich weiß übrigens nicht mehr, wie ich besagte Szene in den 1990ern empfunden habe – heute hat sie ein sehr mulmiges Gefühl erzeugt, weil sie so leichthin in einer bis dahin klamaukig, flach und harmlos dahinplätschernden Komödie platziert wurde.

Immerhin: Gute Musik.

Zum Abschluss möchte ich noch zwei positive Punkte hervorheben (dass die Darsteller:innen ihre Sache sehr gut machen, habe ich ja schon geschrieben): „Go Trabi Go“ wurde an diversen Originalschauplätzen gedreht, was durchaus für schöne Bilder sorgt, die den Film zu einem gewissen Teil sogar tragen. Noch besser gelungen – und mir überhaupt nicht mehr präsent gewesen – ist jedoch die Musik. Speziell den Titelsong, „Westward Ho“ von John Parr und das von Claudia Schmutzler alias Jacqueline Struutz gesungene „Gates of Eden“ (im Original von Eena) verpassen dem Film einen Teil des genannten Roadmovie-Feelings, das sein Inhalt eigentlich gar nicht hergibt.

Mittlerweile weiß ich, dass Hauptdarsteller Wolfgang Stumph damals Kabarettist war und „Go Trabi Go“ auf einem seiner Programme basiert – daher kommt wohl auch die szenenhafte Inszenierung des Films. Letztlich glaube ich, dass die Story auf der Bühne, vorgetragen von Stumph selbst, deutlich besser wirken dürfte, als vorliegender Realfilm. Der, so mein Fazit, ist jedoch bestenfalls mittelprächtig gelungen. Wer ihn damals gesehen hat, kann seine Erinnerung auffrischen – essenziell ist „Go Trabi Go“ aber weder als Komödie, noch als historisches Anschauungsmaterial zur Wiedervereinigung.

Gesamteindruck: 3/7


Originaltitel: Go Trabi Go.
Regie: Peter Timm
Jahr: 1991
Land: Deutschland
Laufzeit: ca. 90 Minuten
Besetzung (Auswahl): Wolfgang Stumph, Marie Gruber, Claudia Schmutzler, Dieter Hildebrandt



FilmWelt: The Tomorrow War

Obwohl inhaltlich ganz anders gelagert, hat mich „The Tomorrow War“ (2021) ähnlich konsterniert hinterlassen wie unlängst „The Midnight Sky“ (2020). Alle Zutaten sprechen für einen Film, den ich mögen müsste – und doch bleibt nach dem Ansehen eine ganz eigene Form der Ernüchterung zurück: Das Gefühl, dass eine große Chance vertan wurde und ich einen Film gesehen habe, der so viel besser hätte sein können, nein: müssen!

Gesamteindruck: 3/7


Zurück aus der Zukunft.

Es mag schon sein, dass meine Ansprüche zu hoch sind: „The Tomorrow War“ will vermutlich nichts anderes sein, als ein flotter, unterhaltsamer Action-Reißer. Ist er auch, zumindest in Teilen. Gleichzeitig bringt er aber eine gewisse Ernsthaftigkeit mit, die Hoffnung nach etwas weckt, das über die oberflächliche Alien-Hatz hinausgeht. Diese selbst geschürte Erwartung erfüllt er jedoch nicht, sodass die Enttäuschung umso größer ist – zumindest bei mir. Und ich glaube nicht, dass ich damit in der Minderheit bin, wenn ich mir die Kritiken so ansehe.

Worum geht’s?
2022 erscheint aus dem Nichts eine Gruppe von Soldat:innen und weiß Schreckliches zu berichten: In wenigen Jahren wird die Erde von Außerirdischen angegriffen, gegen die kein Kraut gewachsen scheint. Glücklicherweise konnte man eine Zeitmaschine bauen, mit deren Hilfe die dezimierten Streitkräfte der Zukunft mit Rekrut:innen aus der Gegenwart aufgefüllt werden können. Die Ausfallsquote ist allerdings gewaltig, sodass immer mehr Bürger:innen zwangsrekrutiert und in den zunehmend hoffnungslosen Kampf geschickt werden. Unter ihnen auch James „Dan“ Foster, Veteran des Irakkrieges und Wissenschaftler. Gemeinsam mit einer Gruppe von mehr oder weniger Freiwilligen bleibt ihm nichts anderes übrig als ebenfalls den Zeitsprung zu wagen…

Die Prämisse von „The Tomorrow War“ mag im ersten Moment recht frisch klingen. Im Verlauf des Films zeigt sich jedoch schnell, dass sich Regisseur Chris McKay und Drehbuchautor Zach Dean munter bei anderen, mitunter sehr bekannten Werken bedient haben. Vor allem drei Filme dürften beim Genuss vorliegenden Werkes umgehend vor dem geistigen Auge der geneigten Zuseher:innenschaft auftauchen: „Independence Day“ (1996), „Starship Troopers“ (1997) und „Edge of Tomorrow“ (2014). Wie diese drei setzt auch „The Tomorrow War“ vorwiegend auf militärische Action im Kampf gegen eine zahlenmäßig weit überlegene und äußerst aggressive Rasse von Außerirdischen, die so gar nichts mit E.T. oder Mr. Spock zu tun haben. Der im Filmtitel betonte Zeitreise-Aspekt wird dabei schnell zur Nebensache, sodass wir es auch hier letzten Endes „nur“ mit dem Versuch zu tun haben, die bösen Aliens in ihre Schranken zu weisen.

Der mangelnden Eigenständigkeit würde ich übrigens gar nicht primär die Schuld am schwachen Gesamteindruck geben. Wobei es schon hineinspielt, dass einem die Vorbilder dermaßen ins Gesicht springen und man dadurch – bewusst oder unbewusst – ständig Vergleiche zieht. Dabei stellt man dann fest, dass „The Tomorrow War“ dort witzig sein will, wo „Starship Troopers“ zynisch ist, dort vage bleibt, wo „Edge of Tomorrow“ clever ist und dort langweilt, wo „Independence Day“ Gefühle weckt. Ich weiß, diese Aufzählung war jetzt nicht vollständig und genau; ich glaube aber, sie schafft ein gutes Gefühl dafür, was „The Tomorrow War“ meines Erachtens fehlt.

Mindestens 30 Minuten zu lang.

Was noch gut gelungen ist, ist der Einstieg: Ohne viel Brimborium werden der Protagonist und seine Verhältnisse vorgestellt, die Zeitreisenden treffen schnell ein und auch der durchaus beeindruckende Blick in die post-apokalyptische Zukunft lässt nicht lange auf sich warten. Dort wird munter gekämpft (wie üblich scheinen die Aliens zunächst unbesiegbar, später fallen sie immer leichter den Waffen der Menschen zum Opfer) und alles nimmt seinen zwar sehr erwartbaren, aber doch einigermaßen unterhaltsamen Lauf. Hier sei auch noch angemerkt, dass der Humor, den Hauptdarsteller Chris Pratt speziell in der ersten Stunde oder so mit seiner Mimik einbringt, durchaus gelungen ist.

Ist dieser Teil des Films, ich schätze, er nimmt ungefähr ein Drittel der 140 Minuten Laufzeit ein, vorbei, wird es zäh. Einerseits weil es dann laufend mehr vom Gleichen gibt, d. h. die anfangs noch frischen Kämpfe mit den Whitespikes ermüden zusehends. Andererseits muss der Film dann – natürlich! – eine problematische Beziehung des Helden thematisieren. Der gesamte damit zusammenhängende Ablauf ist gleichzeitig vorhersehbar und übertrieben melodramatisch (mit einer starken Schlagseite zum Pathos). Diese beiden Punkte sorgen im Verbund dafür, dass „The Tomorrow War“ mindestens (!) eine halbe Stunde zu lang ist; die Überlänge, die inhaltlich überhaupt nicht gerechtfertigt ist, nimmt dem Film praktisch die gesamte Wucht. Mit ein paar Tagen Abstand beginnen meine Erinnerung tatsächlich stark zu verblassen, mit einer Ausnahme: Der Zeitsprung in die Zukunft, der bereits in der Eröffnungssequenz angeteasert wird, ist aus meiner Sicht die mit Abstand stärkste Szene des gesamten Werkes. Der gesamte Rest ist zwar gefällig, zum Teil aber auch austauschbar und nichtssagend.

Tiefgang: Angedeutet, aber nicht geliefert.

Es gibt noch zwei inhaltlichen Entscheidungen, die ich erwähnen möchte, weil ich mich bereits beim Ansehen gewundert, im Nachhinein sogar darüber geärgert habe. Ich habe eingangs angedeutet, dass „The Tomorrow War“ bei aller Leichtigkeit ab und an sehr ernst sein kann, denn der Film reißt zumindest an zwei Stellen Themen an, deren tiefergehende Behandlung lohnend gewesen wäre. So hätte ich für meinen Teil jedenfalls gern mehr über die Implikationen und Paradoxien der Zeitreise erfahren – vor allem fand ich das Konzept der „Flöße“, die, fix miteinander verbunden, sozusagen auf dem Fluss der Zeit vorantreiben, eine schöne Metapher und ein sehr eigenständiges Konzept. Leider werden alle Fragen dazu – und auch zur Technik der Zeitmaschine per se – völlig ausgeblendet. Der Film macht in dieser Hinsicht überhaupt nichts aus seiner Prämisse und ist generell um keine Auflösung der Logikprobleme bemüht, die sich Genre-typisch zwangsläufig ergeben.

Der zweite Aspekt, der angeteasert, dann aber bestenfalls oberflächlich gestreift wird, ist die Psyche: Der Großteil der Menschen, die ohne große Ausbildung in die Schlacht geworfen werden, sind Zivilist:innen ohne militärische Erfahrung. Der Krieg selbst wird durchaus brutal dargestellt, die Verluste sind hoch, es kommen aber auch immer ein paar Überlebende zurück, die meist körperlich und/oder geistig unter den Folgen ihres Einsatzes leiden. In einer Szene wird sogar eine Therapiesitzung für traumatisierte Veteran:innen gezeigt (und auch dem Hauptcharakter bekommt der Krieg psychisch nicht gut). Diesen Themenkomplex greift der Film grundsätzlich mit starken Bildern auf, er schafft es tatsächlich, das Trauma glaubhaft und einfühlsam darzustellen, soweit man das als Außenstehende:r beurteilen kann. Leider nimmt das gefühlte fünf Minuten der Gesamtlaufzeit ein, danach formiert man sich neu und wird endgültig zur Superheld:innen-Truppe, die einem Ende entgegen sprintet, dass man auch ohne Kristallkugel lange vorher erahnen kann. So, als wäre nichts gewesen – und das hat mich wirklich gewurmt.

Weniger (oder anders) wäre mehr gewesen.

Nicht falsch verstehen: Ein Action-Film, wie „The Tomorrow War“ vorrangig einer ist, braucht die genannten Aspekte eigentlich nicht, um zu funktionieren. Es wäre meiner Ansicht nach jedoch besser gewesen, komplett darauf zu verzichten, statt Tiefgang, denn es überhaupt nicht gibt, anzudeuten. Denn, nochmal: Zeitreise-Problematik und Kriegstrauma werden so gut und glaubhaft dargestellt, wie man es selten in einem Film sieht, der einen völlig anderen Fokus hat. Dass das nach wenigen Sekunden vorbei ist, hat bei mir ein überwältigendes Gefühl der Enttäuschung hinterlassen. Mag sein, dass ich mich hier zu sehr auf Details kapriziere, dennoch ist das das, was mir emotional am deutlichsten von „The Tomorrow War“ in Erinnerung geblieben ist. Das – und der Eindruck, der Regisseur hätte es vielleicht gern anders gemacht und auch gekonnt, aber man hat ihn nicht gelassen.

Alles in allem halte ich „The Tomorrow War“ für einen passablen Actionstreifen mit ein, zwei nachdenklichen Passagen, die aber nicht mehr als Staffage sind. Unabhängig davon leidet er unter einigen melodramatischen Szenen und einer viel zu langen Laufzeit, sodass man letzten Endes sagen muss, dass er auch als gewollt (?) seichtes Popcorn-Kino nicht richtig funktioniert. Einmal kann man ihn sich schon ansehen – für multiple Durchgänge (ich weiß gar nicht, wie oft ich z. B. „Starship Troopers“ gesehen habe!) reicht es meiner Ansicht nach bei weitem nicht.

Gesamteindruck: 3/7


Originaltitel: The Tomorrow War.
Regie:
Chris McKay
Drehbuch: Zach Dean
Jahr: 2021
Land: USA
Laufzeit: ca. 140 Minuten
Besetzung (Auswahl): Chris Pratt, Yvonne Strahovski, Betty Gilpin, J. K. Simmons, Sam Richardson



SpielWelt: Dex


Wenn ich auf GOG.com unterwegs bin, besteht ständig die Gefahr, dass mein Bankkonto über Gebühr belastet wird, denn immer wieder gefallen mir dort Screenshots und Beschreibungen so gut, dass ich direkt zugreife, ohne mich vorher genauer über Spiele zu informieren. So auch im Falle von „Dex“, einem Indie-Titel von 2015, den ich ohne jegliches Vorwissen gekauft habe.

Gesamteindruck: 3/7


I’m Blue, da ba dee da ba di.

Ein schneller Blick auf „Dex“ lässt ein klassisches Jump n‘ Run vermuten: Man sieht Sprites und Umgebung von der Seite, das Bewegungsrepertoire besteht im Wesentlichen aus Laufen, Springen und sich ab und zu an einer Plattform hochzuziehen. Es gibt mehrere, voneinander getrennte und räumlich relativ begrenzte Abschnitte, in denen der Spielfigur im Prinzip jede Bewegungsrichtung möglich ist. Dort tummeln sich Gegner verschiedener Güte, der eine oder andere ansprechbare NPC und natürlich auch ein paar Fallen. Gekämpft wird entweder mit den Fäusten bzw. Fußtritten oder einer Schusswaffe. So weit, so altmodisch – doch unter der Oberfläche verbirgt sich etwas mehr, als man zunächst glaubt.

Darum geht’s:
Harbor City ist ein Moloch: Die Stadt wird von gesichtslosen, nahezu allmächtigen Firmen beherrscht und ist vom krassen Gegensatz zwischen den Klassen geprägt. In diesem düsteren Szenario lebt auch die junge Dex, die nicht weiß, wie ihr geschieht, als plötzlich die Häscher der Konzerne vor ihrer Tür stehen und sie mitnehmen wollen. Mit Hilfe des Hackers Raycast kann sie vorerst entkommen, bald stellt sich jedoch heraus, dass nichts in Harbor City so ist, wie es scheint – und dass Dex Fähigkeiten hat, von denen sie selbst nichts wusste…

Im Nachhinein bin ich froh, dass ich „Dex“ vor einigen Monaten stark reduziert um XX Euro erstanden habe, statt den vollen Preis zu zahlen. Nicht, dass ich keinen Spaß mit dem Spiel gehabt hätte – nur haben sich die knapp 20 Stunden, die ich für den Komplettdurchlauf gebraucht habe, ganz und gar nicht episch angefühlt. Ich möchte aber mit den positiven Aspekten beginnen, von denen drei ganz besonders hervorstechen: Grafik, Sound und, darauf fußend, die Atmosphäre.

Den verantwortlichen Grafiker:innen ist es beispielsweise vor allem in den wunderbar gezeichneten Zwischensequenzen gelungen, eine düstere Zukunftsvision zu malen. Das Spiel selbst ist in Sachen Farbgebung zwar etwas blass geraten, dennoch muss man sagen, dass die relativ wenigen Schauplätze das Gefühl der schmutzigen Großstadt sehr gekonnt einfangen; ferner möchte ich die vielen Details loben, die insbesondere in den Hintergründen zu finden sind und die erheblich zur Stimmung beitragen. Was den Sound betrifft, verfügt „Dex“ über Sprecher, deren Qualität weit über dem liegt, was man von einem tschechischen Indie-Spiel erwarten würde. Das geht zwar ein wenig unter, weil die Dialoge nicht sonderlich gut geschrieben sind, stark gesprochen sind sie aber allemal. Noch einen Ticken besser finde ich allerdings die Musik, die hochprofessionell klingt und hervorragend zum Cyberpunk-Thema passt. Grafik und Sound schaffen dann gemeinsam eine Atmosphäre, die in den besten Momenten an andere Genre-Klassiker unterschiedlicher Medien denken lässt – ich vermute, daher kommt auch der immer wieder bemühte Vergleich mit „Deus Ex“ (2000), bei dem man sich nicht nur in Sachen Story ordentlich bedient haben dürfte.

Grundsätzlich im Haben verbuchen möchte ich im Übrigen das allgemeine Feeling des Spiels – und zwar auf zwei Ebenen: Erstens macht die Bewegung durch die Stadt meist Spaß, neue Fähigkeiten ermöglichen das Entdecken vorher nicht erreichbarer Gebiete, das Design der einzelnen Bezirke ist weitgehend gelungen, kurz: Es hat mir wirklich Freude bereitet, mit Dex durch Harbor City zu stromern. Erwähnenswert auch die Möglichkeit, von fast jedem Ort aus über die Karte die Schnellreisefunktion nutzen zu können, das erspart viele lange Wege und hält die Lust an der Bewegung bis zum Schluss relativ frisch. Die zweite Ebene, die weitgehend gelungen ist, hat mit den Rollenspielanleihen zu tun: Die einigermaßen zahlreichen Nebenaufgaben sind fast durchwegs interessant gestaltet und fühlen sich nicht wie Schwerstarbeit, sondern locker-flockig an. Und auch die Möglichkeiten, den Charakter zu verbessern (durch Stufenaufstiege und Implantate) finde ich durchaus gelungen, sie motivieren und ihre Auswirkungen sind meist schnell und unmittelbar spürbar.

Ein paar Probleme.

Ich rekapituliere: „Dex“ sieht gut aus, hört sich gut an, spielt sich großteils gut und ist auch aus Rollenspiel-Sicht durchaus passabel. Was ist dann das Problem? Nun, genau genommen gibt es mehrere Schwierigkeiten, die für sich genommen nicht dramatisch wirken, sich letztlich aber summieren, sodass dem Spiel eine bessere Wertung verwehrt bleibt. Ich greife mal die gröbsten Ärgernisse heraus:

  • Kämpfe: Der sehr simpel gestaltete Faustkampf ist mittelprächtig gelungen. Im Wesentlichen ist er eine Frage des Rhythmus (Schlagen – Deckung/Ausweichen – Schlagen), leidet aber ein wenig an seiner Eindimensionalität: Es gibt keine Spezial- oder Powermoves, auch keine Waffen, von den eigenen Armen und Beinen abgesehen, während den Gegner:innen ein ansehnliches Nahkampf-Arsenal zur Verfügung steht. Dennoch ist der Austausch von Schlägen dem Fernkampf vorzuziehen, denn der hat noch viel gravierendere Probleme: Um eine Schusswaffe zu benutzen, muss man ständig (!) eine Taste gedrückt halten, damit Dex die Pistole, Schrotflinte usw. nicht wieder einsteckt. Manuell (!!) gezielt und abgedrückt wird per Maus, der Rückstoß ist dabei enorm. Insgesamt ist das ein dermaßen mühsamer Vorgang, dass ich mich schnell entschlossen habe, meinen Charakter voll und ganz auf Nahkampf auszurichten (was ich normalerweise nie in einem Rollenspiel tue). Eventuell funktioniert das mit einem Joypad besser, das ist für mich als klassischen PC-Spieler jedoch keine Option.
  • Design: Eigentlich flutscht „Dex“ ja ganz gut, was die Bewegungsabläufe betrifft. Problematisch ist jedoch, dass man häufig nicht weiß, wo sich eine betretbare Plattform befindet – die sind vom Hintergrund nämlich so gut wie nicht zu unterscheiden, sodass man sich einmal nach einem Sprung elegant an einem Sims festhält, während man anderer Stelle – bei identischer Optik – ins Leere segelt. Die Folge: Verlust von Lebensenergie bis hin zum Tod.
  • Fehlende/nicht richtig ausgearbeitete Features: An mehreren Stellen hat man das Gefühl, dass ursprünglich ein paar Optionen mehr geplant gewesen sein dürften. So kann man sich beispielsweise an Gegner:innen heranschleichen und sie leise und ohne Gegenwehr ausschalten – theoretisch, in der Praxis braucht man nicht zu schleichen, es reicht, wenn der Feind in die andere Richtung schaut, auch bei deutlich hörbaren Schüssen dreht er/sie sich nicht um. Klar, dass das die bevorzugte Art zu kämpfen ist, weil sie (fast) risikolos ist, es vor allem aber auch deutlich schneller geht, als wenn man sich auf einen Boxkampf einlässt. Apropos Kampf: Warum kann man Gegner:innen per Beinfeger zu Boden bringen, sie dann aber nicht mit Schlägen oder Tritten malträtieren, wenn sie hilflos sind? Und noch zwei Beispiele für Features, die nicht zu Ende gedacht scheinen: Das Hacken ist zwar ein nettes Minispiel, es kommt aber viel seltener zum Einsatz, als man es in dieser Cyberpunk-Welt erwarten würde, was die Immersion nicht gerade fördert. Und: Rollenspiel-typische Lösungsalternativen für Quests sind kaum vorhanden (oder haben praktisch keine Auswirkung auf den Spielverlauf). Heißt: Im Wesentlichen endet es immer mit Gewalt, wenn man eine Aufgabe erfüllen möchte.
  • Story: Ich muss sagen, dass ich ernsthafte Mühe hatte, der Geschichte folgen zu können. Die Dialoge sind langweilig, sodass man sich immer wieder ertappt, wie man schnell durchklickt, um möglichst bald wieder spielen zu können. So bekommt man natürlich viele Infos nicht mit, im Prinzip kann man sich aber recht schnell zusammenreimen, wohin die generisch anmutende Geschichte führt. Die Zwischensequenzen sind zwar schön, helfen in dieser Hinsicht aber auch nicht wirklich weiter; selbst einigermaßen interessante Charaktere, wie der Ex-Soldat und nunmehrige Besitzer eines Waffenladens, können nicht überzeugen.

Diese Punkte zusammengenommen zeigen meines Erachtens sehr gut, warum ich „Dex“ als absolutes Leichtgewicht empfunden habe. Es ist vieles da, das ich schätze – aber oft leider nur in verkümmerten Ansätzen. Ich habe „Dex“ nun einmal gespielt, was insgesamt zwar angenehm leichtgängig war; die Story ist aber so nebensächlich und langweilig, dass ich es mir kein zweites Mal antun werde (wobei das mangels großartiger Entscheidungsbäume ohnehin kaum eine Option ist). Schade eigentlich, weil ich derartige Indie-Spiele wirklich ungern in die Pfanne haue. Aber etwas zu loben, nur weil es abseits des großen Reibach entwickelt wurde, kann auch nicht der Weisheit letzter Schluss sein.

Fazit: Man kann „Dex“ auf jeden Fall einmal spielen, wenn man Lust auf leicht verdauliche Action mit ein paar Rollenspielanleihen hat und das dystopische Setting zu schätzen weiß. Zu viel sollte man sich aber nicht erwarten, schon gar keinen bleibenden und nachhaltigen Eindruck. Kaufen würde ich mir das Spiel daher nur dann, wenn es bei GOG oder sonst wo im Angebot ist – dann macht man damit allerdings auch nichts grundlegend falsch und findet sicher ein paar Stündchen angenehme Zerstreuung. Vielleicht habe ich mir auch zu viel erwartet – und damit schließt sich der Kreis zur eingangs gestellten Problematik des Kaufes nur nach schönen Bildern und einer interessanten Inhaltsangabe.

Gesamteindruck: 3/7


Genre: Action-Rollenspiel
Entwickler:
Dreadlocks Ltd
Publisher: Dreadlocks Ltd
Jahr:
2015
Gespielt auf: PC


Screenshots aus „Dex“ – Copyright beim Entwickler!