SpielWelt: Dex


Wenn ich auf GOG.com unterwegs bin, besteht ständig die Gefahr, dass mein Bankkonto über Gebühr belastet wird, denn immer wieder gefallen mir dort Screenshots und Beschreibungen so gut, dass ich direkt zugreife, ohne mich vorher genauer über Spiele zu informieren. So auch im Falle von „Dex“, einem Indie-Titel von 2015, den ich ohne jegliches Vorwissen gekauft habe.

Gesamteindruck: 3/7


I’m Blue, da ba dee da ba di.

Ein schneller Blick auf „Dex“ lässt ein klassisches Jump n‘ Run vermuten: Man sieht Sprites und Umgebung von der Seite, das Bewegungsrepertoire besteht im Wesentlichen aus Laufen, Springen und sich ab und zu an einer Plattform hochzuziehen. Es gibt mehrere, voneinander getrennte und räumlich relativ begrenzte Abschnitte, in denen der Spielfigur im Prinzip jede Bewegungsrichtung möglich ist. Dort tummeln sich Gegner verschiedener Güte, der eine oder andere ansprechbare NPC und natürlich auch ein paar Fallen. Gekämpft wird entweder mit den Fäusten bzw. Fußtritten oder einer Schusswaffe. So weit, so altmodisch – doch unter der Oberfläche verbirgt sich etwas mehr, als man zunächst glaubt.

Darum geht’s:
Harbor City ist ein Moloch: Die Stadt wird von gesichtslosen, nahezu allmächtigen Firmen beherrscht und ist vom krassen Gegensatz zwischen den Klassen geprägt. In diesem düsteren Szenario lebt auch die junge Dex, die nicht weiß, wie ihr geschieht, als plötzlich die Häscher der Konzerne vor ihrer Tür stehen und sie mitnehmen wollen. Mit Hilfe des Hackers Raycast kann sie vorerst entkommen, bald stellt sich jedoch heraus, dass nichts in Harbor City so ist, wie es scheint – und dass Dex Fähigkeiten hat, von denen sie selbst nichts wusste…

Im Nachhinein bin ich froh, dass ich „Dex“ vor einigen Monaten stark reduziert um XX Euro erstanden habe, statt den vollen Preis zu zahlen. Nicht, dass ich keinen Spaß mit dem Spiel gehabt hätte – nur haben sich die knapp 20 Stunden, die ich für den Komplettdurchlauf gebraucht habe, ganz und gar nicht episch angefühlt. Ich möchte aber mit den positiven Aspekten beginnen, von denen drei ganz besonders hervorstechen: Grafik, Sound und, darauf fußend, die Atmosphäre.

Den verantwortlichen Grafiker:innen ist es beispielsweise vor allem in den wunderbar gezeichneten Zwischensequenzen gelungen, eine düstere Zukunftsvision zu malen. Das Spiel selbst ist in Sachen Farbgebung zwar etwas blass geraten, dennoch muss man sagen, dass die relativ wenigen Schauplätze das Gefühl der schmutzigen Großstadt sehr gekonnt einfangen; ferner möchte ich die vielen Details loben, die insbesondere in den Hintergründen zu finden sind und die erheblich zur Stimmung beitragen. Was den Sound betrifft, verfügt „Dex“ über Sprecher, deren Qualität weit über dem liegt, was man von einem tschechischen Indie-Spiel erwarten würde. Das geht zwar ein wenig unter, weil die Dialoge nicht sonderlich gut geschrieben sind, stark gesprochen sind sie aber allemal. Noch einen Ticken besser finde ich allerdings die Musik, die hochprofessionell klingt und hervorragend zum Cyberpunk-Thema passt. Grafik und Sound schaffen dann gemeinsam eine Atmosphäre, die in den besten Momenten an andere Genre-Klassiker unterschiedlicher Medien denken lässt – ich vermute, daher kommt auch der immer wieder bemühte Vergleich mit „Deus Ex“ (2000), bei dem man sich nicht nur in Sachen Story ordentlich bedient haben dürfte.

Grundsätzlich im Haben verbuchen möchte ich im Übrigen das allgemeine Feeling des Spiels – und zwar auf zwei Ebenen: Erstens macht die Bewegung durch die Stadt meist Spaß, neue Fähigkeiten ermöglichen das Entdecken vorher nicht erreichbarer Gebiete, das Design der einzelnen Bezirke ist weitgehend gelungen, kurz: Es hat mir wirklich Freude bereitet, mit Dex durch Harbor City zu stromern. Erwähnenswert auch die Möglichkeit, von fast jedem Ort aus über die Karte die Schnellreisefunktion nutzen zu können, das erspart viele lange Wege und hält die Lust an der Bewegung bis zum Schluss relativ frisch. Die zweite Ebene, die weitgehend gelungen ist, hat mit den Rollenspielanleihen zu tun: Die einigermaßen zahlreichen Nebenaufgaben sind fast durchwegs interessant gestaltet und fühlen sich nicht wie Schwerstarbeit, sondern locker-flockig an. Und auch die Möglichkeiten, den Charakter zu verbessern (durch Stufenaufstiege und Implantate) finde ich durchaus gelungen, sie motivieren und ihre Auswirkungen sind meist schnell und unmittelbar spürbar.

Ein paar Probleme.

Ich rekapituliere: „Dex“ sieht gut aus, hört sich gut an, spielt sich großteils gut und ist auch aus Rollenspiel-Sicht durchaus passabel. Was ist dann das Problem? Nun, genau genommen gibt es mehrere Schwierigkeiten, die für sich genommen nicht dramatisch wirken, sich letztlich aber summieren, sodass dem Spiel eine bessere Wertung verwehrt bleibt. Ich greife mal die gröbsten Ärgernisse heraus:

  • Kämpfe: Der sehr simpel gestaltete Faustkampf ist mittelprächtig gelungen. Im Wesentlichen ist er eine Frage des Rhythmus (Schlagen – Deckung/Ausweichen – Schlagen), leidet aber ein wenig an seiner Eindimensionalität: Es gibt keine Spezial- oder Powermoves, auch keine Waffen, von den eigenen Armen und Beinen abgesehen, während den Gegner:innen ein ansehnliches Nahkampf-Arsenal zur Verfügung steht. Dennoch ist der Austausch von Schlägen dem Fernkampf vorzuziehen, denn der hat noch viel gravierendere Probleme: Um eine Schusswaffe zu benutzen, muss man ständig (!) eine Taste gedrückt halten, damit Dex die Pistole, Schrotflinte usw. nicht wieder einsteckt. Manuell (!!) gezielt und abgedrückt wird per Maus, der Rückstoß ist dabei enorm. Insgesamt ist das ein dermaßen mühsamer Vorgang, dass ich mich schnell entschlossen habe, meinen Charakter voll und ganz auf Nahkampf auszurichten (was ich normalerweise nie in einem Rollenspiel tue). Eventuell funktioniert das mit einem Joypad besser, das ist für mich als klassischen PC-Spieler jedoch keine Option.
  • Design: Eigentlich flutscht „Dex“ ja ganz gut, was die Bewegungsabläufe betrifft. Problematisch ist jedoch, dass man häufig nicht weiß, wo sich eine betretbare Plattform befindet – die sind vom Hintergrund nämlich so gut wie nicht zu unterscheiden, sodass man sich einmal nach einem Sprung elegant an einem Sims festhält, während man anderer Stelle – bei identischer Optik – ins Leere segelt. Die Folge: Verlust von Lebensenergie bis hin zum Tod.
  • Fehlende/nicht richtig ausgearbeitete Features: An mehreren Stellen hat man das Gefühl, dass ursprünglich ein paar Optionen mehr geplant gewesen sein dürften. So kann man sich beispielsweise an Gegner:innen heranschleichen und sie leise und ohne Gegenwehr ausschalten – theoretisch, in der Praxis braucht man nicht zu schleichen, es reicht, wenn der Feind in die andere Richtung schaut, auch bei deutlich hörbaren Schüssen dreht er/sie sich nicht um. Klar, dass das die bevorzugte Art zu kämpfen ist, weil sie (fast) risikolos ist, es vor allem aber auch deutlich schneller geht, als wenn man sich auf einen Boxkampf einlässt. Apropos Kampf: Warum kann man Gegner:innen per Beinfeger zu Boden bringen, sie dann aber nicht mit Schlägen oder Tritten malträtieren, wenn sie hilflos sind? Und noch zwei Beispiele für Features, die nicht zu Ende gedacht scheinen: Das Hacken ist zwar ein nettes Minispiel, es kommt aber viel seltener zum Einsatz, als man es in dieser Cyberpunk-Welt erwarten würde, was die Immersion nicht gerade fördert. Und: Rollenspiel-typische Lösungsalternativen für Quests sind kaum vorhanden (oder haben praktisch keine Auswirkung auf den Spielverlauf). Heißt: Im Wesentlichen endet es immer mit Gewalt, wenn man eine Aufgabe erfüllen möchte.
  • Story: Ich muss sagen, dass ich ernsthafte Mühe hatte, der Geschichte folgen zu können. Die Dialoge sind langweilig, sodass man sich immer wieder ertappt, wie man schnell durchklickt, um möglichst bald wieder spielen zu können. So bekommt man natürlich viele Infos nicht mit, im Prinzip kann man sich aber recht schnell zusammenreimen, wohin die generisch anmutende Geschichte führt. Die Zwischensequenzen sind zwar schön, helfen in dieser Hinsicht aber auch nicht wirklich weiter; selbst einigermaßen interessante Charaktere, wie der Ex-Soldat und nunmehrige Besitzer eines Waffenladens, können nicht überzeugen.

Diese Punkte zusammengenommen zeigen meines Erachtens sehr gut, warum ich „Dex“ als absolutes Leichtgewicht empfunden habe. Es ist vieles da, das ich schätze – aber oft leider nur in verkümmerten Ansätzen. Ich habe „Dex“ nun einmal gespielt, was insgesamt zwar angenehm leichtgängig war; die Story ist aber so nebensächlich und langweilig, dass ich es mir kein zweites Mal antun werde (wobei das mangels großartiger Entscheidungsbäume ohnehin kaum eine Option ist). Schade eigentlich, weil ich derartige Indie-Spiele wirklich ungern in die Pfanne haue. Aber etwas zu loben, nur weil es abseits des großen Reibach entwickelt wurde, kann auch nicht der Weisheit letzter Schluss sein.

Fazit: Man kann „Dex“ auf jeden Fall einmal spielen, wenn man Lust auf leicht verdauliche Action mit ein paar Rollenspielanleihen hat und das dystopische Setting zu schätzen weiß. Zu viel sollte man sich aber nicht erwarten, schon gar keinen bleibenden und nachhaltigen Eindruck. Kaufen würde ich mir das Spiel daher nur dann, wenn es bei GOG oder sonst wo im Angebot ist – dann macht man damit allerdings auch nichts grundlegend falsch und findet sicher ein paar Stündchen angenehme Zerstreuung. Vielleicht habe ich mir auch zu viel erwartet – und damit schließt sich der Kreis zur eingangs gestellten Problematik des Kaufes nur nach schönen Bildern und einer interessanten Inhaltsangabe.

Gesamteindruck: 3/7


Genre: Action-Rollenspiel
Entwickler:
Dreadlocks Ltd
Publisher: Dreadlocks Ltd
Jahr:
2015
Gespielt auf: PC


Screenshots aus „Dex“ – Copyright beim Entwickler!

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