FilmWelt: Star Trek: Der Film

Wir schreiben das Jahr 1979: Die letzte Folge der Serie „Star Trek“ (bei uns besser bekannt als „Raumschiff Enterprise“) war 1969 veröffentlicht worden, neuen Stoff aus dem von Gene Roddenberry erdachten Universum hatte es – abgesehen von einer kurzlebigen Zeichentrick-Serie – also seit zehn Jahren nicht mehr gegeben. Entsprechend hoch müssen die Erwartungen an den ersten Kinofilm der legendären Crew gewesen sein. Und „Star Trek: The Motion Picture“ wurde tatsächlich ein finanzieller Erfolg – so richtig überzeugen konnte er allerdings weder Kritik noch eingefleischte Trekkies.

Gesamteindruck: 3/7


Eine Maschine sucht ihre Schöpfer.

Ich habe vorliegenden Film bis vor kurzem nur ein einziges Mal gesehen: Meine Eltern müssen ihn Ende der 1980er in einer Videothek (!) ausgeliehen haben, weil sie wussten, dass ich ein großer Fan von „Raumschiff Enterprise“ war. Meine Großmutter (!!) hatte mir die Serie ursprünglich näher gebracht und Oma, Mama und ich waren höchst gespannt, auf die filmischen Abenteuer unserer Held:innen. Leider glaube ich auch, dass das tatsächlich unser letzter gemeinsamer Versuch war, denn der Film hatte so gut wie nichts mit dem gemein, was wir aus unserer geliebten Serie kannten. Den beiden Damen war das nachhaltig zu viel, sodass sie bei allem, was „Star Trek“ künftig bringen sollte, nicht mehr an Bord waren. Ich selbst habe mich nicht abschrecken lassen und blieb dem Franchise treu. Dass „Star Trek: Der Film“ alles andere als leichte Kost war und ist, habe ich allerdings unlängst, rund 30 Jahre nach meinem ersten Versuch, erneut feststellen müssen.

Worum geht’s?
Die U.S.S. Enterprise liegt nach einer Runderneuerung im Trockendock, als ein Notfall eintritt: Eine riesige Energiewolke, die alles vernichtet, was ihr in den Weg kommt, bewegt sich auf die Erde zu. Die Enterprise ist das einzige Raumschiff in der Nähe und wird auf einen Abfangkurs geschickt. Das Kommando übernimmt der mittlerweile zum Admiral beförderte James T. Kirk, sehr zum Leidwesen des eigentlichen Captains Will Decker. Nachdem diejenigen aus der alten Crew, die nicht mehr an Bord waren, eingesammelt wurden, macht man sich auf den Weg, um herauszufinden, was es mit der fremden Macht auf sich hat…

Vorweg ein paar Worte zur Entstehungsgeschichte: 1969 war „Raumschiff Enterprise“ nach nur drei Staffeln und ständig schlechter werdenden Quoten eingestellt worden. Das war aber keineswegs das Ende, denn das verantwortliche Studio Paramount Pictures verkaufte die Serie an private und lokale Sender in den ganzen USA. Die nahmen sie mit Handkuss und spielten sie teils zur besten Sendezeit, was letztlich den Erfolg brachte, der der Erstausstrahlung versagt geblieben war. Und mehr als das: „Star Trek“ begann, sich zum gigantischen Kult entwickeln und fand schnell auch ein internationales Publikum. Dieser späte und unerwartete Durchbruch brachte Paramount schließlich dazu, laut über die Zukunft eines Franchise, das man eigentlich schon aufgegeben hatte, nachzudenken.

Zeitdruck allenthalben.

Der erste Versuch einer Fortsetzung war die eingangs erwähnte Zeichentrick-Serie (bei uns bekannt als „Die Enterprise“, zur besseren Unterscheidung von der späteren Prequel-Realserie „Enterprise aber meist „The Animated Series“ genannt). Die wurde zwar vom Original-Cast eingesprochen, stieß aber dennoch auf wenig Interesse beim Publikum und wurde 1974 nach nur 22 Folgen abgesetzt. Überlegungen, es danach mit einem Realfilm zu versuchen, wurden zunächst verworfen und man entschied sich, es mit einer weiteren Realserie zu probieren. Die Arbeiten für „Star Trek: Phase II“ sollten 1977 beginnen, was auch passierte (übrigens ohne Spock-Darsteller Leonard Nimoy, der keine Lust mehr auf die Rolle und sich obendrein mit Paramount überworfen hatte). Kurz, bevor es tatsächlich mit dem Dreh losgehen sollte, revidierten die Studio-Bosse ihre Meinung erneut und kündigten im März 1978 – wohl ermutigt durch den Erfolg von „Star Wars“ – den ersten „Star Trek“-Kinofilm an (mit Nimoy, den man mutmaßlich mit einer stattlichen Gage und der Aussicht auf Kino-Ruhm geködert hatte). In ihrer unermesslichen Weisheit buchten sie auch gleich die Kinos, die Premiere musste daher unter allen Umständen am 7. Dezember 1979 stattfinden.

Der Zeitdruck war also von Anfang an enorm und es gab – neben vielen kleinen – zwei ganz große Sorgenkinder: Das Drehbuch und die Spezialeffekte. Für ersteres wurde das Skript des für „Phase II“ geplanten Pilotfilms in höchster Eile adaptiert. Glaubt man den Gerüchten, ging das soweit, dass die Schauspieler:innen teilweise erst am Set erfuhren, was in der für diesen Tag gültigen Version des Drehbuches stand. Was die Special Effects betrifft, musste man selbstverständlich kleckern und nicht klotzen, denn man wollte in dieser Hinsicht keinesfalls das Nachsehen gegenüber „Star Wars“ (oder auch „Alien“, der früher im Jahr 1979 erschienen war) haben. Leider war die Firma, die dafür engagiert worden war, heillos überfordert, was aber fatalerweise erst sehr spät bemerkt wurde. Die Folge: Auch hier mussten massive Verzögerungen hingenommen werden.

So kam es, wie es kommen musste: Der eigentlich sehr erfahrene Regisseur Robert Wise hatte keine Chance mehr, sein Werk so zu schneiden, wie er es ursprünglich geplant hatte; er schaffte es gerade noch, eine einigermaßen vorzeigbares Produkt abzuliefern, sah das Ergebnis aber selbst immer eher als Rohfassung und nie als fertigen Film. Der Legende nach brachte er die noch feuchten Filmrollen persönlich wenige Minuten vor der Premiere im Kino vorbei. Zufrieden war mit diesem Ergebnis keine:r der Beteiligten, dennoch sei an dieser Stelle erwähnt, dass „Star Trek: Der Film“ kein finanzieller Misserfolg war: Der Film spielte weltweit an die 140 Millionen Dollar ein, inflationsbereinigt deutlich mehr, als jeder seiner Nachfolger mit Ausnahme des ersten J. J. Abrams-Reboots (2009). Dass Paramount dennoch nicht zufrieden war, lag an den Kosten von 44 Millionen Dollar, ein auch nach modernen Maßstäben ausgesprochen üppiger Betrag (der sich übrigens auch draus erklärt, dass dem Film ein großer Teil der für die Pre-Production von „Phase II“ angefallenen Kosten zugerechnet wurde, warum auch immer). So kam es, dass das Werk als Flop verbucht wurde, was schließlich darin gipfelte, dass „Star Trek“-Schöpfer und Produzent Gene Roddenberry in Ungnade fiel.

So viel zum überaus chaotischen, aber auch sehr interessanten Hintergrund; dass ich um diesen weiß, habe ich übrigens dem Podcast „Trek am Dienstag“ zu verdanken, der mich überhaupt erst dazu gebracht hat, mir a) den Film wieder anzusehen und b) über die Entstehungsgeschichte nachzudenken. An dieser Stelle daher eine ausdrückliche Hörempfehlung!

Eine laaaange Folge „Raumschiff Enterprise“.

Das waren jetzt recht umfangreiche Ausführungen, die ich aber als notwendig erachte, um das Gesehene besser einordnen zu können. Freilich schützt das den Film vor einer inhaltlichen Kritik – und zu der komme ich nun endlich, beginnend mit der Handlung. Wie erwähnt, haben wir es mit einer Geschichte zu tun, die ursprünglich als Pilot zu einer TV-Serie geschrieben worden war. Und das merkt man allen Ecken und Enden… Nicht falsch verstehen: Grundsätzlich ist schon interessant, was hier passiert, es ist allerdings nichts, was für einen abendfüllenden Spielfilm, von dem man eine gewisse Tiefe erwartet, ausreicht. Dafür ist mir die Handlung schlicht und einfach zu dünn bzw. zu wenig ausgearbeitet. Übrigens wird hier ein Thema behandelt, das so ähnlich schon in der „Raumschiff Enterprise“-Folge „Ich heiße Nomad“ (Staffel 2, 1967) aufgegriffen worden war. Gerade dadurch wird umso deutlicher, wie kompakt die Serie ihre Geschichten dargestellt hat – eine Eigenschaft, die dem Film aus genannten Gründen fast völlig abgeht.

Und hier kommen wir zur anderen Seite der Medaille: Die Spezialeffekte, die einerseits überaus gelungen und nach wie über jeden Zweifel erhaben sind (sieht man von einer gewissen psychedelischen Ästhetik ab, die man heute wohl nicht mehr so bringen würde). Für die Spannung und den Unterhaltungswert des Films sind sie andererseits jedoch Gift: Fast wirkt es, als hätte man entweder so viel wie möglich davon in die Endfassung aufnehmen müssen, um Publikum und das geldgebende Studio nachhaltig zu beeindrucken. Mag auch sein, dass nur so die gewünschte Laufzeit von gut zwei Stunden erreichbar war – oder es war eine Kombination aus beidem, gepaart mit dem Zeitmangel, der es z. B. nicht zuließ, zusätzliche Charakter-Szenen zu drehen. So oder so: Gerade durch den ausufernden Einsatz der Effekte – ich spreche vor allem von den berühmt-berüchtigten Flügen in die Wolke, die man nur als „langatmig“ bezeichnen kann – fällt auf, wie wenig sonst im Film passiert.

Zu den Charakteren ist zu sagen, dass interessante Geschichten, beispielsweise um Spock, der seine menschliche Seite immer mehr zu akzeptieren scheint oder Kirk, der eine Art Midlife-Crisis durchlebt (und dessen Rolle kaum noch mit seiner ursprünglichen Ausrichtung in Einklang zu bringen ist), nicht so richtig auserzählt werden. Das hat mithin vielleicht auch mit der optischen Pracht zu tun, die fast alles andere in den Hintergrund drückt. Dabei wäre es bitter nötig gewesen, die Figuren (neu) zu erklären: Es gab vor diesem Film 10 Jahre lang kein nennenswertes „Star Trek“. Für das Publikum waren die Charaktere also nach wie vor so, wie sie 1969 abgetreten waren. Der Kinofilm zeigt uns aber ganz andere Figuren, die älter geworden sind und sich auseinander gelebt haben. In diesem Zusammenhang muss man auch bedenken, dass die Serie kaum Charakter-Entwicklung kannte, es wurde ja praktisch nach jeder Folge ein Reset durchgeführt. Und hier gibt es dann eine sichtlich gealterte Crew zu sehen, die nicht nur untereinander, sondern auch vom Publikum entfremdet daher kommt. Heute würde man das das Schicksal unserer Held:innen in den Jahren zwischen Serie und Film vermutlich mit einer Romanreihe erklären, die das Publikum vor Genuss des Films „abholen“; daran war 1979 freilich noch nicht zu denken.

Positives und Fazit.

Trotz dieser doch recht herben Kritik gibt es auch Positives zu berichten. So ist „Star Trek: Der Film“ beispielsweise technisch gut gemacht: Die Spezialeffekte habe ich erwähnt, hinzu kommen der hervorragende Soundtrack, die starke Dialogregie und die tolle Kameraarbeit inklusive Bildkomposition. Führt man sich oben beschriebene Entstehungsgeschichte vor Augen, ist es umso beeindruckender, wie wenig man filmtechnisch an diesem Werk auszusetzen findet. Doch auch das macht es noch einmal auffälliger, wie sehr die Hintergrundgeschichte unter Wert verkauft wird. Und man kommt nicht umhin, sich zu fragen, was wohl gewesen wäre, hätte man über ein einem solchen Mammutprojekt angemessenen Zeitrahmen verfügt. Dem war leider nicht so und daher müssen wir – ich wiederhole mich – mit einer stellenweise unerträglich aufgeblasenen Handlung, die halt nur für eine Folge einer TV-Serie reicht, vorlieb nehmen.

Ein Sidestep noch zu Technik und Ausstattung: Meine Erinnerung an den Film vor diesem Rewatch war das Gefühl eines ausgesprochen finsteren Werks. Nicht in inhaltlicher Hinsicht (wobei die Story auch eher düster daher kommt), sondern im wahrsten Sinne des Wortes: Innen- und Außenaufnahmen schienen mir damals dermaßen mangelhaft ausgeleuchtet, dass mir allein dadurch viel an Unterhaltung vergällt wurde. Ob das daran liegt, dass es im heimischen Wohnzimmer zu hell war? Ich weiß es nicht, bei meiner jüngsten Visite auf der Enterprise ist mir dieses Problem allerdings nicht untergekommen. Was mir die neuerliche Sichtung aber bestätigt hat: Die Uniformen, die die Crew hier trägt, sind mit die schlimmsten Klamotten im gesamten SciFi-Genre. Unglaublich.

Nun bleibt noch die Frage zu beantworten, ob ich diesen Film letztlich mag. Schwierig, sagen wir es vielleicht so: Ich habe es nicht bereut, ihn endlich mal wieder gesehen zu haben, fand ihn sogar deutlich besser, als ich ihn in Erinnerung hatte. Wiederholen werde ich dieses Erlebnis in nächste Zeit jedoch nicht, denn ich muss offen und ehrlich zugeben, dass mir „Star Trek: Der Film“ einfach zu anstrengend ist. Er ist nicht nur lang, sondern wirkt künstlich in die Länge gezogen; da hilft auch die durchaus brauchbare Inszenierung diverser Szenen und Dialoge wenig. Gleichzeitig fehlt es weitgehend an Action, alles wirkt sehr langsam und behäbig. Das wäre kein Problem, wenn man hier ein ordentliches Drama erleben würde – doch auch das ist aus meiner Sicht nur bedingt der Fall. Klar, es geht um das Älterwerden, um menschliche Gefühle und um die Erneuerung alter Freundschaften, die nicht gepflegt wurden. Leider wird das alles nicht sonderlich tiefgehend behandelt, man hat ständig das Gefühl, das etwas fehlt. Apropos „fehlt“: Dem Film geht meines Erachtens außerdem zumindest ein kleines Quäntchen Humor ab. Nicht, dass ich gerne Slapstick gesehen hätte, aber das hier ist schon unglaublich ernsthaft, was dem Ganzen angesichts seiner inhaltlichen und optischen Schwere gar nicht guttut und eigentlich auch völlig untypisch für „Star Trek“ ist.

Sollte man sich den Film also ansehen? Ja, ich denke, das kann und sollte man durchaus tun, jedenfalls wenn man generell etwas mit dem „Star Trek“-Franchise anfangen kann. Ich fand und finde es schön, dass man hier Charaktere sieht, die im Vergleich zur TV-Serie gereift sind und die sich entwickelt haben. Sie passen so viel besser auf die große Leinwand – es ist nur ewig schade, dass man uns so wenig von dieser Entwicklung zeigt. Im Gegensatz zu den folgenden Filmen, die in praktisch jeder Hinsicht besser sind – und vielleicht ist das auch ein Verdienst dieses Films: Es wurde Erfahrung gesammelt, die bei der Inszenierung einiger echter „Star Trek“-Klassiker helfen sollte. Das hilft vorliegendem Werk freilich nur bedingt, weswegen es punktemäßig bei mir nur für eine Durchschnittswertung reicht.

Gesamteindruck: 3/7


Originaltitel: Star Trek: The Motion Picture.
Regie:
Robert Wise
Drehbuch: Harold Livingston
Jahr: 1979
Land: USA
Laufzeit: ca. 130 Minuten
Besetzung (Auswahl): William Shatner, Leonard Nimoy, DeForest Kelley, James Doohan, George Takei



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SpielWelt: Ultima VII

The Black Gate


Nach knapp zweijähriger Entwicklungszeit wurde „Ultima VII: The Black Gate“ Mitte April 1992 veröffentlicht. Seither (ich schreibe diesen Text im Herbst 2022) sind 30 Jahre vergangen – und immer noch gilt das Werk als eines der besten Rollenspiele aller Zeiten. Kritik an dieser Ansicht kommt, so scheint es manchmal, einem Sakrileg gleich. Und doch: Das Spiel hat unübersehbare Schwächen, die man bei allen mit Recht! darauf gesungenen Lobeshymnen nicht unter den Tisch kehren sollte. Es folgt der Versuch der ehrlichen Bewertung einer als nahezu unantastbar geltenden Legende.

Gesamteindruck: 5/7


200 Jahre später…

Vorab: Ich habe den siebten Teil der „Ultima“-Reihe 1992 nicht gespielt (im Gegensatz zum Ableger „Ultima Underworld“ aus dem gleichen Jahr). Meine Liebe zum isometrischen Computerrollenspiel (CRPG) wurde erst 1998 durch das frisch erschienene „Baldur’s Gate“ entfacht. Begeistert von jenem epischen Abenteuer wollte ich mehr – und griff zu „Ultima VII“, das damals bereits Kult-Status genoss. Und, was soll ich sagen: Lange habe ich es bei meinem ersten Versuch nicht in Britannia ausgehalten. Ich bin nicht einmal so weit gekommen, dass ich überhaupt hätte in die Geschichte eintauchen können: Verwöhnt von der komfortablen Bedienung und modernen Optik eines „Baldur’s Gate“ war es mir schlicht zu anstrengend, mich in das ungelenk wirkende „The Black Gate“ einzuarbeiten. Heute schrecken mich solche Probleme nicht mehr, sodass ich anno 2022 endlich dazu gekommen bin, dieses Epos nachzuholen. Habe ich die mehr als 45 Stunden in Britannia bereut? Wir werden sehen…

Darum geht’s:
Der Avatar hat zur Entspannung gerade seinen PC angeworfen um eine Runde „Ultima VII“ (!) zu daddeln, als Unfassbares geschieht: Auf dem Monitor erscheint ein dämonisches Gesicht und stößt allerlei Drohungen und Prophezeiungen aus, die damit enden, dass einst auch er, der Avatar, vor ihm, dem Guardian, knien werde. Nahezu zeitgleich öffnet sich im Garten eine rot-glühende Pforte, die man als erprobter Kämpe natürlich wohlgemut durchschreitet. In Britannia angekommen, stellt der Held fest, dass nicht weniger als 200 Jahre seit seinem letzten Besuch ins Land gezogen sind. In dieser Zeit ist viel geschehen – und nicht nur Gutes, wie der altgediente Weggefährte Iolo direkt zu berichten weiß: So hat das Volk beispielsweise den Acht Tugenden abgeschworen und sich einer sektenartigen Bewegung, der Fellowship, zugewandt. Zudem herrscht offener Rassismus zwischen Menschen und Gargoyles und eine grausige Mordserie erschüttert das Königreich. Grund genug, erneut zum Schwert zu greifen und in den Kampf gegen das Böse zu ziehen…

Bevor wir zum Spiel selbst kommen, möchte ich ein paar Worte zum Spannungsfeld verlieren, in dem es veröffentlicht wurde (wer darauf verzichten kann, darf gleich zum nächsten Zwischentitel springen). Grundsätzlich schwammen der geistige Vater der „Ultima“-Reihe, Richard „Lord British“ Garriott, und seine Firma Origin Systems Anfang der 1990er auf der größten Erfolgswelle, die das Unternehmen jemals gesehen hatte: Schon „Ultima VI: The False Prophet“ (1990) hatte sich gut verkauft, vor allem aber hatten die ersten zwei Teile der „Wing Commander“-Reihe (1990 bzw. 1991) wie eine Bombe eingeschlagen und für einen kräftigen Finanzschub gesorgt. In der Folge konnte man es sich leisten, dass „Ultima VII“ mit Entwicklungskosten von über einer Million Dollar eines der bis dahin teuersten Spiele überhaupt wurde. Und es war geradezu dazu verdammt, ein Erfolg zu werden, denn eines war damals schon absehbar: Egal, wie teuer „The Black Gate“ gewesen war, das noch am Anfang seiner Entwicklung stehende „Wing Commander III“ würde noch einmal erheblich kostspieliger werden. Man kann sich also ausrechnen, dass schon ein einziger Misserfolg in einer der beiden Serien mit einer Katastrophe für ein Studio, das sein Portfolio nie erfolgreich diversifiziert hatte, enden musste.

Im Endeffekt wurde der erhoffte kommerzielle Erfolg tatsächlich eingefahren. Lupenrein war er allerdings nicht, was – so stelle ich mir das jedenfalls vor – Richard Garriott ziemlich gewurmt haben muss. Denn nur wenige Wochen vor dem Flaggschiff der Reihe, ja des gesamten Rollenspiel-Genres, war ein anderes Spiel erschienen: „Ultima Underworld: The Stygian Abyss“, das Debüt von Blue Sky Productions, die später als Looking Glass Studios für Furore sorgen sollten. Origin trat hier als Publisher auf und hatte das Projekt so tatkräftig unterstützt, dass das Spiel, das während seiner Entwicklung noch nichts mit „Ultima“ zu tun hatte, zu einem Teil eben jenes Universums wurde.

Diese unglücklich wirkende Veröffentlichungspolitik dürfte dem Druck geschuldet sein, unter dem Origin 1992 angesichts der beispiellosen Ressourcen, die „Ultima VII“ verschlungen hatte, stand – aller vergangenen Erfolge zum Trotz. Und: „Ultima Underworld“ hätte eigentlich bereits zu Weihnachten 1991 in den Läden stehen sollen. Als es dann im März 1992 wirklich fertig war, pfiff Blue Sky finanziell und nach monatelangem crunch auch personell aus dem letzten Loch, sodass an einer sofortigen Veröffentlichung kein Weg vorbei führte. Der April ’92 stand gleichzeitig längst als Termin für die Veröffentlichung von „Ultima VII“ fest; eine Verschiebung war ausgeschlossen, weil Origin dringend die exorbitanten Entwicklungskosten reinholen musste (und man sich keineswegs sicher war, ob „Underworld“ sich überhaupt verkaufen würde).

So kam es, wie es kommen musste: Zwei „Ultima“-Games wurden innerhalb kürzester Zeit veröffentlicht und paradoxerweise stand der vermeintliche B-Titel zuerst in den Regalen. Ob und welchem Spiel diese Veröffentlichungspolitik mehr genutzt oder geschadet hat, weiß ich nicht; zu vermuten steht jedenfalls, dass „Underworld“ ohne die Einbindung in den „Ultima“-Kanon inklusive Veröffentlichung durch „die Ultima- und Wing Commander-Firma“ deutlich weniger Aufmerksamkeit bekommen hätte. So oder so verkaufte sich „Ultima VII“ zunächst erwartungsgemäß besser als die Konkurrenz aus eigenem Hause, später soll sich das wohl stark nivelliert oder sogar umgekehrt haben. Das muss – neben der Tatsache, dass „Wing Commander“ seine Herzensangelegenheit „Ultima“ in Sachen Verkaufszahlen in den Schatten stellte – unglaublich am Ego von Richard Garriott genagt haben. Für Stirnrunzeln beim Meister dürfte ferner gesorgt haben, dass die zeitgenössische Presse „Ultima VII“ als gut wahrgenommen, diversen technischen Problemen aber relativ große Bedeutung beigemessen hatte. Der Tenor der Berichterstattung in meiner Erinnerung: „The Black Gate“ war ein starkes Spiel – man hatte aber ohnehin nichts Anderes von Origin erwartet. Gleichzeitig wurden eine Legion an Bugs sowie der einmal mehr gigantische Hardware-Hunger nicht mehr kritiklos hingenommen.

Bei „Ultima Underworld“ hatte sich die Journaille hingegen wenige Wochen zuvor noch mit Lob und Jubel überschlagen. Man war über die völlig neuartige Herangehensweise, die technische Ausgereiftheit, aber auch über Spielbarkeit, Immersion und sogar die Story regelrecht verzückt. Im Rückblick betrachtet hatten die Damen und Herren der schreibenden Zunft recht: „Ultima Underworld“ wurde zu einem der größten Meilensteine, die die Spielgeschichte jemals gesehen hat, nach diesem Spiel war nichts mehr wie zuvor. „Ultima VII“ wirkte im Vergleich dazu fast wie business as usual. Ein wenig kann man diese Sichtweise sogar verstehen: Jedes neue „Ultima“ hatte die Latte höher gelegt – kein Wunder also, dass man quasi voraussetzte, dass auch Teil VII das so machen würde, während „Underworld“ eine irrsinnige Überraschung war.

Was mir aus heutiger Sicht in der damaligen Berichterstattung allerdings zu kurz kam: Bei all seiner Immersion ist die Hintergrundgeschichte von „Underworld“ sehr schwach. Die Tochter des Barons wurde in den Dungeon verschleppt, der:die Spieler:in soll sie retten? C’mon! Im Gegensatz dazu ist die Story von „Ultima VII“ wunderbar komplex, dunkel, gewunden und sehr stark erzählt. Wobei die Idee, dass man sich als Spieler:in selbst Geschichten erzählt, dass die Handlung also auch nur ein loser Rahmen sein kann, anno 1992 noch nicht so verbreitet war, wie heute. Von daher kann ich mir vorstellen, dass der Presse damals einfach die Worte gefehlt haben, um die inhaltliche Faszination von „Ultima Underworld“ adäquat zu beschreiben, sie sich deshalb vor allem auf die Technik beschränkt hat und kaum ein Wort der Kritik zur generischen Story verlieren wollte.

Der zweite Punkt, an dem ich mich in der Retrospektive in Sachen Pressemeldungen störe, ist die Technik. Ja, „Underworld“ war neuartig und unglaublich beeindruckend. Das ändert aber nichts daran, dass auch „Ultima VII“ eine Reihe von Innovationen brachte, die das Genre bis heute prägen und die damals viel zu wenig gewürdigt wurden. Darunter beispielsweise das Drag & Drop-System des Inventars, das Verzichten auf ein Interface oder das Nutzen von frei verschieb- und überblendbaren Fenstern. Und: „Ultima VII“ war seinerseits optisch überaus beeindruckend, nur eben nicht so anders, wie es „Ultima Underworld“ war. Je mehr ich darüber nachdenke, desto eher sehe ich übrigens auch hier das Dilemma der Veröffentlichung: „Underworld“ hatte einen Teil der in „Ultima VII“ implementierten Funktionen ebenfalls, wahrscheinlich war Blue Sky erlaubt worden, sie von Origin zu übernehmen. Weil es aber vor „The Black Gate“ draußen war, heimste es Lob für Dinge ein, die dort ebenfalls, zum Teil sogar deutlich besser, umgesetzt waren.

Die Story.

Die Hintergrundgeschichte klingt zunächst klassisch: Ein schreckliches Übel hat Britannia befallen und wieder kann nur der Avatar helfen. Das ist für ein Fantasy-Rollenspiel wahrlich kein neues Thema – und doch ist „The Black Gate“ deutlich komplexer und tiefgründiger geschrieben, als es die Prämisse vermuten lässt. Beispielsweise geht die „Fellowship“ bei der Umgestaltung der britannischen Gesellschaft nicht mit roher Gewalt vor, sondern durch geschickte Manipulation, weswegen sie von den meisten Einwohner:innen des Königreichs nicht als Bedrohung wahrgenommen wird. Zwar schreckt man notfalls auch vor weniger subtilen Methoden nicht zurück, dennoch haben wir es hier keineswegs mit einer einfachen Gut-gegen-Böse-Story zu tun.

Oder, um ein anderes Beispiel für den grandiosen Aufbau zu nennen: Durch die große Zeitspanne, die während der Abwesenheit des Avatars in Britannia vergangen ist, erkennt ihn niemand mehr. Er und seine Taten sind ins Reich der Legende verschoben, was zu Implikationen führt, die man so bis dahin auch noch in keinem Rollenspiel gesehen hat. Einmal mehr ist übrigens auch das Handbuch lesenswert: Darin umreißt ein gewisser Batlin, seines Zeichens Gründer und Anführer der „Fellowship“, seine Motive. Und es klingt durchaus schlüssig, was der gute Mann dort zum Besten gibt, was ebenfalls zum fantastischen World-Building beiträgt. Überhaupt ist das gesamte Spiel sehr gut geschrieben, man merkt an allen Texten und Dialogen die fortschreitende Professionalisierung im Hause Origin.

Eine kritische Anmerkung habe ich für all jene, die (sehr) großes Augenmerk auf innere Logik und Immersion legen: Für mein Verständnis war es immer ein Alleinstellungsmerkmal der „Ultima“-Saga, dass der:die Spieler:in ad personam der Avatar ist. Im Gegensatz zu anderen CRPGs steuert man hier also keinen beliebigen Helden, sondern betritt bei Spielbeginn tatsächlich selbst Britannia, das real in einer Art Paralleluniversum existiert. Mit dieser Tradition bricht „The Black Gate“, indem es zeigt, dass der Held ein Spiel namens „Ultima VII“ auf seinem Rechner installiert hat. Das ist meines Erachtens eine ganz andere Nummer als das „Shadowlord“-Poster im Intro von „Ultima VI“, das man sich als Gemälde zur Erinnerung an überstandene Abenteuer schönreden konnte. Denn es bedeutet im Endeffekt, dass Britannia doch nicht mehr als eine Fantasy-Welt in einem Computerspiel ist.

Andererseits – und jetzt wird es wirklich meta – macht es dennoch Sinn, dass das Intro genau das zeigt, was man in diesem Moment macht, nämlich „Ultima VII“ zu zocken. Denn die Absicht dahinter ist ja, dass man sich als Spieler:in durch den Guardian, der dabei die vierte Wand durchbricht, direkt angesprochen fühlen soll. Diese Illusion hält freilich nur für Sekunden, dann schweift der „Blick“ des Avatar (nicht aber der der Person vor dem Schirm) über dessen Schreibtisch hin zum Fenster und die Aussicht auf seinen Garten, was nichts mehr mit dem zu tun hat, was man als Spieler:in sieht, wenn man nach links und rechts lugt. Eine Lösung für dieses Paradoxon gibt es freilich nicht, es zeigt aber eindrucksvoll die Grenzen der Immersion und gleichzeitig das Problem der Abkehr von der Abstraktion, hin zu einer immer realistischeren Darstellung auf. Letzteres wird auch deutlich, wenn man sich überlegt, wie winzig Britannia, gemessen an der Zeit, die man braucht, um einmal von Norden nach Süden durchzumarschieren, eigentlich sein muss (und wie wenige Menschen dort leben).

Die Technik.

Wie praktisch jeder Teil der Reihe setzte auch „The Black Gate“ zu seiner Zeit neue Maßstäbe in Sachen Technik. Dabei war es Origin, das damals schon den Ruf genoss, maßgeblichen Anteil am PC-Wettrüsten zu haben, völlig egal, welche PCs gerade in den (Kinder-)Zimmern dieser Welt verbreitet waren. „Ultima VII“ verlangte ein sündhaft teures High-End-Gerät. Und sogar ein solches hatte Mühe, das Spiel zu stemmen, wie aus diversen zeitgenössischen Testberichten hervorgeht. Wobei das wohl viel mit dem verzwickten Speichermanagement unter MS-DOS zu tun hatte; diese Problematik scheint sich auch daran zu zeigen, dass „The Black Gate“ auch auf einem modernen PC merkbar ruckelt, wenn zu viel am Bildschirm los ist. Mag sein, dass es GOG.com bei der Konfiguration von DOSBox zu gut gemeint hat – um das einzuschätzen, fehlt mir allerdings der Background.

Den Lohn für den exorbitanten Hardware-Hunger sieht und hört man deutlich: Kein „Ultima“, vermutlich gar kein (Rollen-)Spiel jener Zeit, war optisch jemals detaillierter und schöner, keines klang besser und satter. Klar, auf heutigen Bildschirmen ist die VGA-Grafik ziemlich pixelig – dennoch ist das Spiel optisch deutlich besser gealtert als das kurz vorher erschienene „Ultima Underworld“. Aber so ist es ja immer – 2D-Spiele sind im Vergleich zu ihren 3D-Pendants quasi zeitlos. Zwei Mankos gibt es bei der Grafik aber doch: Einerseits ist mir das Spiel für seine düstere Geschichte viel zu bunt. Andererseits ist es sehr schwierig, die Übersicht zu behalten, vor allem in dicht bewaldeten Gegenden. Das liegt mitunter auch daran, dass durch den Verzicht auf ein Interface die Spielfläche zwar den gesamten Bildschirm einnimmt, man gleichzeitig aber so nahe am Geschehen ist, dass die Sichtweite nur marginal größer ist als in „Ultima VI“.

In Sachen Musik gibt es die neueste Inkarnation des üblichen „Ultima“-Soundtracks und die eine oder andere themenbezogene Melodie zu hören, alles einwandfrei umgesetzt. Die Soundeffekte sind dagegen ambivalent: Manchmal unterstützen sie die Szenerie sehr gut, auf den einen oder anderen hätte man aber durchaus verzichten können. Erfreulicherweise kann man sie separat abschalten, wozu ich unbedingt raten würde, zu nervig ist beispielsweise der Ton, der das Öffnen einer Truhe untermalt. Außerdem erwähnenswert: Dem bösen Guardian wurde Sprachausgabe spendiert – und die ist, im Gegensatz zu dem, was wir in „Underworld“ zu hören bekommen, wirklich gelungen.

Optik und Akustik sind bis auf ein paar Kleinigkeiten also gewohnt hoher Origin-Standard und dem Großteil der zeitgenössischen Produktionen weit voraus. Zur Technik gehört aber mehr als das: Wie jedes „Ultima“ setzt „The Black Gate“ auf eine brandneue Engine, die das bekannte Sandbox-Feeling auf die Spitze treibt. Man kann z. B. Wolle spinnen, Brot backen und Waffen schmieden, man kann sich in die Taverne setzen, dabei den Tages- und Nachtablauf der Einwohner:innen Britannias beobachten und zusehen, wie sie beispielsweise Fensterläden öffnen oder die Straßenbeleuchtung einschalten. Man kann jeden NPC ansprechen und wird dabei oft Dinge erfahren, die gar nichts mit der Handlung zu tun haben, was mit für das Gefühl, in einer lebendigen, atmenden Welt zu sein, sorgt. All das und noch mehr ist möglich und schafft ein realistisches, stets glaubwürdiges Setting.

Die Engine hat aber noch andere Vorzüge, die ich weiter oben bereits angedeutet habe. Man muss sich dazu vergegenwärtigen, dass 1992 noch keine Rede von Windows als Betriebssystem war; entsprechend war die Steuerung eines Spiels nur per Maus keineswegs selbstverständlich. Was „Ultima VII“ in dieser Hinsicht machte, war allerdings geradezu unerhört. Das lässt sich auch an manchen zeitgenössischen Testberichten erkennen, die hilflos versuchten, heute selbstverständliche Vorgänge wie Doppelklick und Drag & Drop zu beschreiben. Diese Form der Benutzer:innenführung – dazu gehören auch die Fenster für Inventar, Charakterschirme usw. – half beim Etablieren von Standards, die zum Teil bis heute gelten. Ähnliches lässt sich über das im Rollenspielsektor auf diese Weise vorher höchst selten eingesetzte Dialogsystem und nicht zuletzt über den Verzicht auf ein Interface, das in den damals üblichen Produktionen immer einen recht großen Teil des Bildschirms eingenommen hatte, sagen. Auch nicht zu vergessen: „Ultima VII“ war eines der ersten Spiele seiner Art, das seine Welt nicht mehr aus auf den ersten Blick erkennbaren tiles zusammensetzte, was u. a. deutlich realistischere Bewegungen der Charaktere ermöglichte.

Die Probleme.

Man muss Origin zugute halten, dass das Studio in Sachen Innovation immer vorne dabei war. Die meisten Ideen erwiesen sich als gut, viele waren um nichts weniger als bahnbrechend. Dass man dabei nicht immer alles perfekt hinbekommen hat: Geschenkt! Dennoch hat „Ultima VII“ Schwachpunkte, die – in der Retrospektive redet es sich natürlich leicht – seinerzeit geflissentlich übersehen wurden. Zumindest zum Teil; oder, anders gesagt: Die Kritik beschränkte sich damals auf diverse Bugs, die das Spiel in seiner Urform zu einem zweifelhaften Vergnügen gemacht haben mochten. Von problematischen Designentscheidungen, die meiner Ansicht nach ebenfalls sehr offensichtlich gewesen sein müssen, war 1992 kaum die Rede. Das – und der nach wie vor unantastbare Status als Meisterwerk für die Ewigkeit – ficht mich aber nicht an… Daher möchte ich im folgenden einige der für mich gravierendsten Mängel von „The Black Gate“ beschreiben.

  • Inventar. Das Drag & Drop-basierte Inventarsystem von „Ultima VII“ war eine technische Meisterleistung. Spielerisch war und ist es allerdings ein Alptraum, weil es Gegenständen keine Slots und Stacks zuweist. Heißt: Sobald man eine erkleckliche Anzahl an Items gesammelt hat, beginnen sie sich im Rucksack zu überlappen. Die Folge ist eine unglaubliche Fummelei, wenn man kleine Dinge wie Schlüssel oder Ringe finden möchte. Im Extremfall wird es dadurch notwendig, sich eine halbwegs offene Fläche in der Spielwelt zu suchen und das Inventar jeder Spielfigur fein säuberlich auf dem Boden auszulegen, um diesen oder jenen Gegenstand ausfindig zu machen. Realistisch mag das sein – im Spiel nervt es aber ohne Ende und ist, zu Recht, bis heute einer der größten Kritikpunkte an „The Black Gate“. Etwas Erleichterung bringt hier ein Community-Patch, der zumindest das Schlüssel-Chaos beseitigt, indem er per Tastendruck automatisch den richtigen Schlüssel für eine Tür auswählt, sofern dieser im Inventar ist. Ansonsten hilft nur eiserne Disziplin inklusive ständiger Neusortierung beim Mikro-Management aller Rucksäcke. Die ist allein schon deshalb notwendig, weil es keine Hotkeys gibt: Wer z. B. dringend einen Heiltrank braucht, tut gut daran, zu wissen, welcher Charakter sie trägt, ansonsten bleibt nur mühsames Durchklicken und Suchen.
  • Kampfsystem. Man merkt „Ultima VII“ an, dass man bei Origin noch nicht recht wusste, wie die Echtzeit, die an Stelle des rundenbasierten Spielablaufs gerückt war, in den Kämpfen praktikabel umsetzbar ist. „Gelöst“ wurde es, indem man nur den Avatar selbst steuert, alle anderen Mitglieder der Party gehen automatisch zum Angriff über, sobald man in den Gefechtsmodus schaltet. Ein wenig lässt sich die Taktik der einzelnen NPCs dabei anpassen, ich vermochte aber keine großen Unterschiede in ihrem Verhalten zu erkennen. Das spielt aber ohnehin kaum eine Rolle, denn in Sekundenbruchteilen wird jeder begonnene Kampf zum undurchschaubaren Chaos, in dem Sieg oder Niederlage – so scheint es jedenfalls – völlig vom Zufall abhängen. Die Party stürmt sofort in alle Himmelsrichtungen los, verhält sich dabei aber recht dumm und rennt mit Vorliebe ins „friendly fire“ oder direkt in sichtbare Fallen, anstatt sie zu umgehen. Taktische Möglichkeiten gibt es nicht, eine Pausenfunktion fehlt. Gut, dass nur der Avatar zaubern kann (was eigentlich Grund zur Kritik wäre), denn man möchte sich gar nicht ausmalen, was passieren würde, schickte man mehrere Magier ins Gefecht. Daraus ergibt sich im Übrigen, dass man den Begleitern besser gar keine Fernkampfwaffe in die Hand drückt, weil sie sich damit mit Vorliebe gegenseitig massakrieren. Und auch auf den Einsatz von Flächenzaubern sollte man tunlichst verzichten, wenn man nicht ein paar Leichen statt lebendiger Mitstreiter:innen im Team haben möchte. Damit bringt auch die Vielzahl an Zaubersprüchen recht wenig, sinnvoll sind nur die einsetzbar, die nichts mit der Offensive zu tun haben. Es sei denn, man spielt nur mit dem Avatar und ohne Party, was aber allein aufgrund der dann fehlenden Inventarkapazität kaum jemand machen dürfte. Einziger Pluspunkt an den Kämpfen: Sie dauern in der Regel nur Sekunden.
  • Rollenspielaspekte. Ein schlauer Mensch hat geschrieben, „Ultima VII“ wäre dann am besten, wenn es sich darauf beschränkt, eine Art Britannian walking simulator“ zu sein. Dem stimme ich zu, denn das Spiel erzählt in seinen Dialogen und allen anderen Texten (inklusive Handbuch) eine der bis heute besten Geschichten des Genres. Britannia ist eine tolle Welt, die auf allen unterschiedlichsten Ebenen funktioniert bzw. durch das Spiel hervorragend simuliert ist – es macht einfach Spaß, herumzuwandern und mal mehr, mal weniger stringent der Story zu folgen. Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit, gleichzeitig hat „The Black Gate“ nämlich an vielen Stellen, die für ein Rollenspiel mindestens ebenso große Bedeutung haben, grundlegende Probleme. Kampf und Magie habe ich genannt, dazu kommt ein Charaktersystem, das es nicht ansatzweise schafft, bei der Stange zu halten. Dadurch geht jener Aspekt des Rollenspiels, der sich mit dem langsamen Aufbau und der dadurch immer stärkeren Identifikation mit der Spielfigur befasst, fast völlig verloren. Und das betrifft nicht nur den Avatar: Auch die Party wirkt unerwartet belanglos, weil man sich mit ihrer Entwicklung kaum befassen muss. Schade, denn gerade diese Verbundenheit mit der eigenen Spielfigur und ihren Begleiter:innen ist meines Erachtens ein sehr wichtiger Teil jeder CRPG-Erfahrung.
  • (Fehlendes) Interface. Der Verzicht auf Elemente, die den Blick auf die prachtvolle Grafik verstellen, ist per se keine schlechte Idee. Noch dazu lässt ein sehr mächtiger Mauszeiger Bewegung und Aktionen im Spiel selbst leicht von der Hand gehen. Leider geht „Ultima VII“ hier aber einen Schritt zu weit, indem es keinen adäquaten Ersatz für ein Interface anbietet. So ist es z. B. nicht möglich, Informationen über den eigenen Charakter und die Party auf einen Blick zu erkennen. Vor allem das Fehlen eines stets sichtbaren Status meiner Figuren habe ich schmerzlich vermisst – in einem Fall ging das soweit, dass ich lange nicht gemerkt habe, dass ein Mitglied meines Teams im Kampf gefallen war. Bis ich mir dessen bewusst wurde, war ich weit weg vom Kampfplatz, der noch dazu irgendwo im dichten Wald lag. Zunächst nahm ich es sportlich: Der Charakter war mir nicht wichtig, er war ja keiner meiner alten Weggefährt:innen und ich hatte ohnehin vorgehabt, die Party zu verändern. Umso bitterer war das Erwachen, als ich viele Stunde später feststellen musste, dass mir ein Questgegenstand fehlte. Den hatte ich, ohne um seine Wichtigkeit zu wissen, weil das Spiel dazu keine Angaben macht, genau jener Figur gegeben, deren Leiche nun irgendwo in den Wäldern lag. Sie wiederzufinden erwies sich als unmöglich, sodass ich in meiner Verzweiflung zu einem Cheat griff. Die Alternative wäre gewesen, einen alten Spielstand zu laden, was mich im wahrsten Sinne des Wortes um Tage zurückgeworfen hatte, worauf ich aber wenig Lust hatte. Das Problem reicht aber noch tiefer: Klickt man mit der Maus auf einen Gegenstand in der Welt oder im Inventar, steht dort nicht mehr als eine Bezeichnung, weitere Eigenschaften werden nicht genannt. Ein Trank ist also nur ein Trank, kein Heiltrank. Den Namen von NPCs abseits von Lord British, Iolo, Shamino und Dupre erfährt man nur, wenn man einen Dialog startet – bei einem einfachen Klick auf eine Person wird nur Kämpfer o. ä. angezeigt (besonders paradox, dass das auch bei diversen Party-Mitgliedern so ist). Und auch die Werte von Waffen und Rüstungen sind aus dem Spiel heraus nicht zu eruieren. Übrigens sind Charakterschirme, Karte, Inventar usw. nicht „beleuchtet“: Wird man irgendwo in der Wildnis von der Dunkelheit überrascht, sollte man besser auswendig wissen, wo im Inventar sich die Fackeln befinden. Sehen kann man sie kaum; und erst wenn eine brennt (oder man eine andere Lichtquelle gefunden hat), kann man wieder hoffen, z. B. die eigenen Hitpoints zu erkennen.
  • (Non-)-Linearität. Ich habe ja erwähnt, dass die „Ultima“-Engine eine Vielzahl an Optionen zulässt, quasi ein Leben außerhalb der Storyline in Britannia zu führen. Das funktioniert soweit ganz gut, reicht allein aber nicht für ein gutes Spiel; dafür braucht es auch eine richtige Aufgabe, die in diesem Fall beinhaltet, den Guardian in seine Schranken zu weisen. Der Weg zu diesem Ziel wirkt auf den ersten Blick vielfältig und nicht linear: Man kann sich nach eigenem Gutdünken durch die Welt bewegen und mal hier, mal dort kleine Quests lösen. Das wäre soweit ein löblicher Ansatz, würde es nicht zu merkwürdigen Konstellationen führen, weil bis auf die Hauptquest scheinbar nirgendwo Flags gesetzt wurden. So kann man beispielsweise relativ früh im Spiel an einem der alten Schreine ein Kleinkind finden, das offenbar von Monstern entführt wurde. Wenn man es rettet und ins Inventar aufnimmt, sagt einer der Begleiter sinngemäß, dass sich Lady XY sehr freuen würde, weil wir ihr Kind lebend aufgefunden haben. Nur hatten wir bis zu diesem Zeitpunkt weder die Mutter kennengelernt, noch erfahren, dass es eine Entführung gab. Dieses und eine Vielzahl ähnlicher Probleme hätte man durch das Setzen von Flags vermeiden können. So hätte in diesem Fall das Kind z. B. erst dann am Schrein auftauchen sollen, wenn wir mit der Mutter gesprochen haben. Es scheint mir pures Glück zu sein, dass solche Dinge „nur“ die Immersion stören und nicht zur Unlösbarkeit wichtiger Quests führen. Auf diese Problematik dürfte zurückzuführen sein, dass der Pfad, den das Spiel in Richtung Lösung vorgesehen hat, von Anfang an sehr deutlich ist; so, als hätten die Programmierer um dieses Manko gewusst und gehofft, dass nicht allzu viele Spieler:innen komplett auf eigene Faust aufbrechen würden, wenn man ihnen klar zeigt, wohin sie gehen sollen.
  • Einfluss auf die Welt. Eine Facette der Immersion ist der Einfluss, den die Taten, die man in „The Black Gate“ vollbringt, auf die Geschicke Britannias nehmen. Oder: Nicht nehmen, denn egal, wie weit man im Spiel kommt, kein NPC (vielleicht abgesehen von unmittelbaren Questgeber:innen) reagiert darauf. Auch das mag der Freiheit geschuldet sein, die das Spiel gewährt: „Ultima VII“ enthält extrem viel Dialogtext – diesem auch noch Varianten für unterschiedliche Spielverläufe hinzuzufügen, wäre wohl über die Möglichkeiten von Origin hinausgegangen. Eines ist aber dennoch unverzeihlich: Warum ändern sich nicht wenigstens die Dialogoptionen der Begleiter:innen – oder zumindest jene von Lord British, wenn die Story voranschreitet? Gerade letzteres wäre doch vergleichsweise leicht zu bewerkstelligen gewesen. Dass es nicht passiert ist, macht den Monarchen ehrlich gesagt ziemlich unsympathisch, weil es auf ihn so gar keinen Eindruck macht, was der Avatar leistet (an dieser Stelle könnte man eine generelle Diskussion über die zweifelhafte Zeichnung von Lord British und seinen Untertanen in diversen „Ultimas“ führen, aber das hebe ich mir für eine andere Gelegenheit auf).
  • Weitere Problem(chen). Neben diesen großen Brocken, die, je nach Gusto, den einen oder anderen Spieler:innentyp mehr stören werden, gibt es noch ein paar vermeintliche Kleinigkeiten, die für großen Unmut sorgen können: So ist das Dialogsystem zwar komfortabel (erstmals braucht man dafür keine Tastatur mehr), gleichzeitig ist es aber sehr starr und zwingt auch bei bereits angesprochenen Personen zu unsinnigen Optionen. Und nicht nur das: Wieso muss man bspw. ein Kind nach „JOB“ fragen, wieso braucht es oft fünf Klicks, um einem Händler über diverse Dialogzeilen, die man mehrfach gehört hat, etwas verkaufen zu können? Ein anderes Beispiel ist die Rückkehr der schon in älteren Spielen der Reihe äußerst fragwürdigen Notwendigkeit der Nahrungsaufnahme: Gefühlt alle paar Minuten meldet sich ein NPC (oder der Avatar selbst) mit einem „I am a bit hungry“, das dazu auffordert, die entsprechende Figur per Hand über das eh schon schwierige Inventar zu füttern (wurde mit dem Community-Patch etwas entschärft). Unglaublich lästig – und auch nicht sooo realistisch, denn eigentlich sollte man doch erwarten, dass die Kolleg:innen selbst in ihren Rucksack greifen und sich ein Stück Brot einverleiben können. Und noch ein Punkt sei genannt: Es fehlen Komfortfunktionen, die damals durchaus implementierbar gewesen wären. Warum gibt es z. B. nach wie vor keine brauchbare Automap (hier hat „Ultima Underworld“ mit einer der bis heute besten Karten kurz zuvor die Standards gesetzt), warum kein Questlog (hier konnten bereits die „Ultima VI“-Ableger „The Savage Empire“ und „Martian Dreams“ mit sehr speziellen Varianten punkten)?

Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle noch erwähnt, dass man mit Bugs heute kaum noch Probleme hat: Einen Teil davon hat das bei GOG.com zum Package gehörende Add-on „Forge of Virtue“ behoben, zusätzlich hatte ich einen Community-Patch installiert. Ein Teil der technischen Unwägbarkeiten war ohnehin auch auf Probleme mit damaligen PC-Konfigurationen zurückzuführen, die man so heute glücklicherweise auch nicht mehr kennt.

Die Erweiterung.

Bevor ich zum Fazit komme, möchte ich noch ein paar Worte über „Forge of Virtue“ verlieren, die erste Erweiterung, die Origin zu einem „Ultima“ veröffentlicht hat. Das Add-on ist ohne das Hauptspiel nicht lauffähig und fügt sich nahtlos in die Spielwelt ein, ganz so, wie man es auch von vielen modernen Erweiterungen kennt. Allzu viel sollte man sich inhaltlich jedoch nicht erwarten. Zur Handlung: Die Insel des Feuers, jenes Eiland, auf dem man vor Urzeiten (in „Ultima III“, 1983) den bösen Exodus besiegt hat, ist wieder aus dem Meer aufgetaucht, in dem es vor Jahren versunken war. Die dadurch ausgelösten Erdbeben sind in ganz Britannia zu spüren, kein Wunder also, dass Lord British den Avatar bittet, mal eben nach dem Rechten zu sehen.

Diese Story ist grundsätzlich in Ordnung es ist ganz schön, dass es ein Wiedersehen mit einem Bösewicht aus vergangener Zeit gibt; zumal nie ganz klar war, was mit Exodus wirklich passiert ist. Zu welchem Zeitpunkt im Spiel man die Quest angeht, bleibt einem selbst überlassen verraten sei aber, dass die Belohnung für die paar Stunden, die man in die Erweiterung investiert, ausgesprochen üppig ausfällt: Neben einer Erhöhung aller (!) Attribute auf das Maximum (!!) gibt es eine überaus mächtige Waffe abzustauben. Beides zusammen macht die zwar unübersichtlichen, im Endeffekt auch sehr einfachen Kämpfe im Hauptprogramm endgültig zum Kinderspiel. Zu allem Überfluss fügt die Erweiterung dem Spiel von Anfang an ein kostenloses Schiff hinzu, was ebenfalls eine deutlich spürbare Erleichterung bedeutet.

So gesehen ist „Forge of Virtue“ gleichermaßen Licht und Schatten: Die Questreihe ist kurz, knackig und durchaus schön geschrieben, gleichzeitig kommt es fast schon einem Cheat gleich, wenn man sie zu früh angeht. Klar, ganz am Anfang wird man die Dungeons auf der Insel des Feuers nicht überleben, aber das Schiff ist tatsächlich ein Gamechanger, weil es das vor dem Add-on notwendige Auftreiben großer Geldsummen obsolet macht. Und ja, es fühlt sich gut an, wenn man als ultra-mächtiger Avatar durch Britannia streift; und doch währt diese Freude nur kurz, weil damit ein großer Teil der Herausforderung und des Lohns, wenn man sie schafft, zunichte gemacht wird. Mein Tipp daher: Möglichst spät mit „Forge of Virtue“ beginnen, dann hat man mehr vom Hauptspiel. Böse Zungen behaupten übrigens, dass die Erweiterung vor allem veröffentlicht wurde, um das bugverseuchte „The Black Gate“ zu patchen. Da mag schon was dran sein, zum finanziellen Schaden von Origin wird es aber auch nicht gewesen sein.

Das Fazit.

Die zeitgenössische Presse tat sich spürbar schwer, „The Black Gate“ objektiv zu bewerten. Offensichtliche Schwächen wurden selten klar benannt, es regnete hohe Wertungen. Heute ist das etwas anders: Ernstzunehmende Reviews kommen zu keinem eindeutigen Ergebnis, was die Qualität des Spiels betrifft. Und so geht es auch diesem Rezensenten: Ich sehe, dass in „Ultima VII“ der unbändige Wille steckt, eine glaubhafte Welt zu simulieren und darin eine komplexe, spannende und abwechslungsreiche Geschichte für Erwachsene zu erzählen. Das alles wurde ohne Wenn und Aber umgesetzt. Ebenso ist in technischer Hinsicht ein Werk gelungen, das seiner Zeit weit voraus war. Das alles wird Jede:r würdigen, die:der auch nur ein wenig Leidenschaft für epische Rollenspiele aufbringen kann.

Und doch haben wir es hier nicht mit dem Meisterwerk schlechthin zu tun. Das hat – so würde ich für meinen Teil es zusammenfassen – vor allem einen Grund: Die Rollenspielmechaniken, die für Genre-Fans mindestens ebenso wichtig sind wie Atmosphäre, Setting und Story, sind im direkten Vergleich stark unterentwickelt. Der Kampf ist eine Katastrophe, die Magie in weiten Teilen wenig sinnvoll, es gibt keine brauchbare Ökonomie, die Charakterentwicklung ist kaum eine Randnotiz wert und die Immersion bricht aus verschiedenen Gründen immer wieder. Außerdem ist das Spiel zum Ende hin etwas zu lang, was andere aber anders empfinden mögen.

Wie also nun werten? Hätte ich „Ultima VII“ nicht gespielt und würde ich nur diese Rezension lesen, würde ich wohl maximal 4 von 7 Punkten erwarten. Ich glaube, das wäre angesichts der negativen Aspekte problemlos zu argumentieren. Aber: Ich habe es gespielt und ich habe es gern gespielt. 45 Stunden war ich in Britannia; davon als verschwendet empfunden habe ich vier oder fünf, in denen ich gezwungen war, pixelkleine Gegenstände zu suchen, mein Inventar zu sortieren oder Essen für meine Party zu besorgen und ihnen in den Mund zu stopfen, obwohl es eigentlich drängendere Probleme gegeben hätte. Davon abgesehen habe ich ein durchgängig spannende Geschichte erlebt, habe eine interessante, lebendige Welt bereist, mal mehr, mal weniger tiefsinnige Gespräche geführt – und doch nur einen Teil dessen getan, was mir das Spiel erlaubt hätte.

Nehme ich all das zusammen, bleiben 5 von 7 Punkten stehen. Das ist nicht schlecht, letzten Endes aber dennoch überraschend wenig, weil „The Black Gate“ in meiner Vorstellung im Laufe der Jahrzehnte zu diesem riesigen, unantastbaren Denkmal geworden war (ohne, dass ich es je richtig gespielt hätte, wohlgemerkt!). Diese übermächtige Erwartungshaltung kann das Spiel – halbwegs objektiv gesehen – nicht vollständig erfüllen. Damit bewegen wir uns wertungstechnisch im Bereich von „The False Prophet“, also etwas unter „Ultima IV: Quest of the Avatar“ (1985) und „Ultima V: Warriors of Destiny“ (1988). Was vielleicht sogar noch überraschender ist: „The Black Gate“ kann seinem Zeitgenossen „Ultima Underworld: The Stygian Abyss“ nicht das Wasser reichen. Und das ist die eigentliche Sensation des Jahres 1992…

Eine dringende Empfehlung, sich selbst an „The Black Gate“ zu versuchen, gebe ich dennoch ab: Es lohnt sich definitiv!

Gesamteindruck: 5/7


Genre: Rollenspiel
Entwickler:
Origin Systems
Publisher: Origin Systems
Jahr:
1992
Gespielt auf: PC


Screenshots aus „Ultima VII: The Black Gate“ – Copyright beim Entwickler!

FilmWelt: Rubikon

In ihrem Langfilm-Debüt erzählt Regisseurin Magdalena „Leni“ Lauritsch eine Story, die nicht unbedingt neu ist: Die Welt geht unter, es gibt nur wenige Überlebende, die fortan miteinander klarkommen müssen. Hat man so oder so ähnlich gerade in jüngerer Vergangenheit mehr als einmal gehört, gesehen und gelesen. Dennoch übt „Rubikon“ durch die Kombination aus kleinem Ensemble und außergewöhnlicher Umgebung einen ganz speziellen Reiz aus.

Gesamteindruck: 4/7


Bleiben oder gehen?

Als ich den Trailer von „Rubikon“ erstmals gesehen habe, hätte ich nicht gedacht, dass es sich um eine österreichische Produktion handelt: Die Kulissen der namensgebenden Raumstation, auf der praktisch die gesamte Handlung spielt, stehen für mein Dafürhalten keinem Hollywood-Set nach; ähnliches gilt für die Außenaufnahmen, die z. B. bei einem Weltraumspaziergang keine Wünsche offen lassen. Und das bei einem Budget, über das man in den USA wohl nur milde lächeln würde.

Worum geht’s?
In nicht naher Zukunft pfeift unser Planet aus dem letzten Loch – vor allem die vergiftete Atmosphäre macht der Menschheit schwer zu schaffen. Auf der ehemaligen ISS, die mittlerweile als ausgebaute, private Station namens „Rubikon“ um die Erde kreist, forscht man an Möglichkeiten, Algen zur Gewinnung sauberer Luft zu nutzen. Dorthin sind Konzern-Söldnerin Hannah Wagner und der Wissenschaftler Gavin Abbott unterwegs. Kurz nach ihrer Ankunft ereignet sich weniger Kilometer weitere unten dramatisches: Der gesamte Globus verschwindet unter einer offenbar hochtoxischen, braunen Wolke. Für die Astronaut:innen stellt sich nun die Frage, ob sie für immer an Bord der autarken Station bleiben – oder ob sie trotz gewaltiger Risiken und technischer Probleme versuchen, die rettenden Algen zur Oberfläche zu bringen…

Technisch gibt es an „Rubikon“ – wie eingangs angedeutet – nichts auszusetzen. So ist beispielsweise die Raumstation sehr stimmig eingerichtet und wirkt sehr plausibel für eine relativ nahe Zukunft (abgesehen von der künstlichen Schwerkraft, die nicht erklärt wird). Überhaupt beeindruckt die im Verhältnis zum Budget ausgezeichnete Tricktechnik, die Außenaufnahmen – Station, umgebender Weltraum und die erst blaue, dann toxisch-braune Erde – jederzeit realistisch darstellt. Freilich wäre das alles wenig wert, wenn „Rubikon“ nicht auch inhaltlich punkten könnte. Glücklicherweise kann man auch an dieser Front Entwarnung geben: Leni Lauritsch, die zusammen mit Jessica Lind auch das Drehbuch geschrieben hat, ist tatsächlich ein gutklassiges Science Fiction-Drama gelungen. Klar, die Geschichte selbst und auch die Art und Weise, wie die Handlung aufgebaut ist und die Dialoge funktionieren, sind nicht bahnbrechend neu. Das ändert aber nichts daran, dass „Rubikon“ durchaus zu unterhalten weiß; zumindest dann, wenn man über ein paar Schwächen hinwegsehen kann.

Bevor wir dazu kommen, möchte ich direkt zwei Punkte ansprechen, die Lob verdienen: Einerseits ist „Rubikon“ für mein Dafürhalten sehr gut gespielt. Den drei Darsteller:innen, die praktisch den gesamten Film tragen, nimmt man sowohl Dialoge als auch Körpersprache in jeder Szene voll und ganz ab. Andererseits gelingt es dem Film durchaus, Neugier auszulösen: Man fragt sich als Zuschauer:in, was auf der Erde passiert ist, kann aber – genau wie die Astronaut:innen – nur Vermutungen anstellen. Diese Ungewissheit nagt die ganze Zeit über und wird auch nie so richtig aufgelöst, was den einen oder die andere enttäuschen mag, aus meiner Sicht aber sehr gut zum Inhalt passt – und vor allem auch glaubwürdig ist, weil es in Wirklichkeit wohl ganz genauso wäre.

Zwei Kritikpunkte.

Leider ist aber nicht alles Gold, was glänzt. Größtes Manko von „Rubikon“ ist die fehlende Spannung an Bord der Station: Es passiert schlicht zu wenig, das überrascht oder einen großen Denkanstoß liefert. Nicht falsch verstehen – dass Lauritsch nicht auf atemlose Action setzt, ist aller Ehren wert. Im Gegenzug stellt der Film ja auch große Fragen nach Moral und Ethik in den Raum. Allerdings kratzt die Diskussion über derartige Themen kaum an der Oberfläche, was sehr schade ist. Hier hätte ich mir beispielsweise deutlich mehr vom zwischenzeitlichen Kontakt zu überlebenden Konzern-CEOs erhofft, aus dem leider viel zu wenig gemacht wird. Vor allem aber hängt das Grundproblem des Films ziemlich in der Luft, indem das Für und Wider einer Rückkehr zur Erde nur sehr vage (und für mein Gefühl vor allem aus technischer Sicht) behandelt wird. Hier wirkt es fast, als hätte den Filmemacherinnen die letzte, zündende Idee – oder der Mut? – für eine tiefergehende, philosophische Auseinandersetzung gefehlt.

Die zweite Schwierigkeit, die ich mit „Rubikon“ habe, hat mit dem Drehbuch zu tun: Die Schauspieler:innen agieren zwar glaubwürdig, gleiches gilt allerdings nicht für die von ihnen verkörperten Figuren, die ihre Meinung und die Ausrichtung ihres moralischen Kompasses gerne mal völlig ansatzlos ändern. Ich verstehe schon, dass bei einem so kleinen Ensemble notwendig sein kann, um die Handlung voranzutreiben – allerdings hätte das etwas subtiler umgesetzt werden müssen; so wird dann doch wieder ein Glaubwürdigkeitsproblem daraus. Paradox? Irgendwie schon, und doch wirkt es auf mich, als hätte man jedem Charakter vorsichtshalber gleich eine ganze Bandbreite an Eigenschaften – die einander gerne auch diametral gegenüber stehen – zugeschrieben. Und dann auch noch auf Teufel komm raus versucht, diese im Film unterzubringen. Ich nehme an, dass das auch der Grund ist, wieso man sich mit keiner der Figuren so richtig identifizieren kann.

Letzten Endes glaube ich aber trotz meiner Kritikpunkte, dass es ich für Science Fiction-Fans lohnen kann, „Rubikon“ anzusehen. Leni Lauritsch greift hier ein relativ bekanntes Thema ohne viel Tamtam und großes Feuerwerk auf. Das hat schon einen gewissen Charme, der vielen Hochglanz-Produktionen aus den USA völlig abgeht. Von daher: Ansehen und selbst ein Urteil bilden; ich selbst habe den Kino-Besuch jedenfalls nicht bereut.

Gesamteindruck: 4/7


Originaltitel: Rubikon.
Regie:
Madalena Lauritsch
Drehbuch: Magdalena Lauritsch, Jessica Lind
Jahr: 2022
Land: Österreich
Laufzeit: ca. 110 Minuten
Besetzung (Auswahl): Julia Franz Richter, George Blagden, Mark Ivanir