FilmWelt: Rubikon

In ihrem Langfilm-Debüt erzählt Regisseurin Magdalena „Leni“ Lauritsch eine Story, die nicht unbedingt neu ist: Die Welt geht unter, es gibt nur wenige Überlebende, die fortan miteinander klarkommen müssen. Hat man so oder so ähnlich gerade in jüngerer Vergangenheit mehr als einmal gehört, gesehen und gelesen. Dennoch übt „Rubikon“ durch die Kombination aus kleinem Ensemble und außergewöhnlicher Umgebung einen ganz speziellen Reiz aus.

Gesamteindruck: 4/7


Bleiben oder gehen?

Als ich den Trailer von „Rubikon“ erstmals gesehen habe, hätte ich nicht gedacht, dass es sich um eine österreichische Produktion handelt: Die Kulissen der namensgebenden Raumstation, auf der praktisch die gesamte Handlung spielt, stehen für mein Dafürhalten keinem Hollywood-Set nach; ähnliches gilt für die Außenaufnahmen, die z. B. bei einem Weltraumspaziergang keine Wünsche offen lassen. Und das bei einem Budget, über das man in den USA wohl nur milde lächeln würde.

Worum geht’s?
In nicht naher Zukunft pfeift unser Planet aus dem letzten Loch – vor allem die vergiftete Atmosphäre macht der Menschheit schwer zu schaffen. Auf der ehemaligen ISS, die mittlerweile als ausgebaute, private Station namens „Rubikon“ um die Erde kreist, forscht man an Möglichkeiten, Algen zur Gewinnung sauberer Luft zu nutzen. Dorthin sind Konzern-Söldnerin Hannah Wagner und der Wissenschaftler Gavin Abbott unterwegs. Kurz nach ihrer Ankunft ereignet sich weniger Kilometer weitere unten dramatisches: Der gesamte Globus verschwindet unter einer offenbar hochtoxischen, braunen Wolke. Für die Astronaut:innen stellt sich nun die Frage, ob sie für immer an Bord der autarken Station bleiben – oder ob sie trotz gewaltiger Risiken und technischer Probleme versuchen, die rettenden Algen zur Oberfläche zu bringen…

Technisch gibt es an „Rubikon“ – wie eingangs angedeutet – nichts auszusetzen. So ist beispielsweise die Raumstation sehr stimmig eingerichtet und wirkt sehr plausibel für eine relativ nahe Zukunft (abgesehen von der künstlichen Schwerkraft, die nicht erklärt wird). Überhaupt beeindruckt die im Verhältnis zum Budget ausgezeichnete Tricktechnik, die Außenaufnahmen – Station, umgebender Weltraum und die erst blaue, dann toxisch-braune Erde – jederzeit realistisch darstellt. Freilich wäre das alles wenig wert, wenn „Rubikon“ nicht auch inhaltlich punkten könnte. Glücklicherweise kann man auch an dieser Front Entwarnung geben: Leni Lauritsch, die zusammen mit Jessica Lind auch das Drehbuch geschrieben hat, ist tatsächlich ein gutklassiges Science Fiction-Drama gelungen. Klar, die Geschichte selbst und auch die Art und Weise, wie die Handlung aufgebaut ist und die Dialoge funktionieren, sind nicht bahnbrechend neu. Das ändert aber nichts daran, dass „Rubikon“ durchaus zu unterhalten weiß; zumindest dann, wenn man über ein paar Schwächen hinwegsehen kann.

Bevor wir dazu kommen, möchte ich direkt zwei Punkte ansprechen, die Lob verdienen: Einerseits ist „Rubikon“ für mein Dafürhalten sehr gut gespielt. Den drei Darsteller:innen, die praktisch den gesamten Film tragen, nimmt man sowohl Dialoge als auch Körpersprache in jeder Szene voll und ganz ab. Andererseits gelingt es dem Film durchaus, Neugier auszulösen: Man fragt sich als Zuschauer:in, was auf der Erde passiert ist, kann aber – genau wie die Astronaut:innen – nur Vermutungen anstellen. Diese Ungewissheit nagt die ganze Zeit über und wird auch nie so richtig aufgelöst, was den einen oder die andere enttäuschen mag, aus meiner Sicht aber sehr gut zum Inhalt passt – und vor allem auch glaubwürdig ist, weil es in Wirklichkeit wohl ganz genauso wäre.

Zwei Kritikpunkte.

Leider ist aber nicht alles Gold, was glänzt. Größtes Manko von „Rubikon“ ist die fehlende Spannung an Bord der Station: Es passiert schlicht zu wenig, das überrascht oder einen großen Denkanstoß liefert. Nicht falsch verstehen – dass Lauritsch nicht auf atemlose Action setzt, ist aller Ehren wert. Im Gegenzug stellt der Film ja auch große Fragen nach Moral und Ethik in den Raum. Allerdings kratzt die Diskussion über derartige Themen kaum an der Oberfläche, was sehr schade ist. Hier hätte ich mir beispielsweise deutlich mehr vom zwischenzeitlichen Kontakt zu überlebenden Konzern-CEOs erhofft, aus dem leider viel zu wenig gemacht wird. Vor allem aber hängt das Grundproblem des Films ziemlich in der Luft, indem das Für und Wider einer Rückkehr zur Erde nur sehr vage (und für mein Gefühl vor allem aus technischer Sicht) behandelt wird. Hier wirkt es fast, als hätte den Filmemacherinnen die letzte, zündende Idee – oder der Mut? – für eine tiefergehende, philosophische Auseinandersetzung gefehlt.

Die zweite Schwierigkeit, die ich mit „Rubikon“ habe, hat mit dem Drehbuch zu tun: Die Schauspieler:innen agieren zwar glaubwürdig, gleiches gilt allerdings nicht für die von ihnen verkörperten Figuren, die ihre Meinung und die Ausrichtung ihres moralischen Kompasses gerne mal völlig ansatzlos ändern. Ich verstehe schon, dass bei einem so kleinen Ensemble notwendig sein kann, um die Handlung voranzutreiben – allerdings hätte das etwas subtiler umgesetzt werden müssen; so wird dann doch wieder ein Glaubwürdigkeitsproblem daraus. Paradox? Irgendwie schon, und doch wirkt es auf mich, als hätte man jedem Charakter vorsichtshalber gleich eine ganze Bandbreite an Eigenschaften – die einander gerne auch diametral gegenüber stehen – zugeschrieben. Und dann auch noch auf Teufel komm raus versucht, diese im Film unterzubringen. Ich nehme an, dass das auch der Grund ist, wieso man sich mit keiner der Figuren so richtig identifizieren kann.

Letzten Endes glaube ich aber trotz meiner Kritikpunkte, dass es ich für Science Fiction-Fans lohnen kann, „Rubikon“ anzusehen. Leni Lauritsch greift hier ein relativ bekanntes Thema ohne viel Tamtam und großes Feuerwerk auf. Das hat schon einen gewissen Charme, der vielen Hochglanz-Produktionen aus den USA völlig abgeht. Von daher: Ansehen und selbst ein Urteil bilden; ich selbst habe den Kino-Besuch jedenfalls nicht bereut.

Gesamteindruck: 4/7


Originaltitel: Rubikon.
Regie:
Madalena Lauritsch
Drehbuch: Magdalena Lauritsch, Jessica Lind
Jahr: 2022
Land: Österreich
Laufzeit: ca. 110 Minuten
Besetzung (Auswahl): Julia Franz Richter, George Blagden, Mark Ivanir



Werbung