FilmWelt: Star Trek IV: Zurück in die Gegenwart

Der erste Ausflug ins Kino hatte die Crew der „U.S.S. Enterprise“ in ein ungewohnt düsteres Abenteuer geführt: „Star Trek: Der Film“ (1979) hatte so gut wie nichts von der Leichtigkeit, mit der die Serie „Raumschiff Enterprise“ (1966-1969) ähnliche Stories abgehandelt hatte. Mit den nachfolgenden Filmen änderte sich die Stimmung und man näherte sich im Verhältnis zwischen Humor und Drama wieder den Ursprüngen des Franchise an. Und dann kam „Star Trek IV: Zurück in die Gegenwart“ (1986), das noch einen Schritt weiter ging und das Roddenberry’sche Universum erstmals in Form einer reinrassigen Komödie präsentierte.

Gesamteindruck: 7/7


Beste 80er-Jahre-Unterhaltung.

Die Credits von „Star Trek IV“ bargen für mich – als damals jugendlichen Zuschauer, weit vor dem Internet-Zeitalter – eine echte Überraschung: Leonard Nimoy hatte als Regisseur eine Komödie inszeniert und war auch am Drehbuch beteiligt gewesen. Ausgerechnet er, den ich nur in der Rolle des vollkommen emotionslosen Spock kannte, hatte es geschafft, ein Millionenpublikum zum Lachen zu bringen. Ich konnte das damals einfach nicht mit jenem Nimoy (bzw. Spock), den ich über viele Jahre kennen- und verstehen gelernt hatte, zusammenbringen. Und sogar mit dem heutigen Wissen kann ich zu dieser Konstellation letztlich nur eines sagen: „Faszinierend“.

Worum geht’s?
Auf dem Planeten Vulkan bereiten sich Admiral James T. Kirk und seine Offiziere auf die Rückkehr zur Erde vor. Dort erwartet sie eine Gerichtsverhandlung, in der sie sich u. a. für die Entführung und Zerstörung der „U.S.S. Enterprise“ verantworten sollen. Soweit kommt es jedoch nicht: Die Erde wird – so erfährt man über Funk – von einer unbekannten Sonde angegriffen. Alle Versuche einer Kontaktaufnahme scheitern, eine Verteidigung scheint unmöglich. Die rettende Idee: Ein Zeitsprung, um zwei Buckelwale zu besorgen. Denn, so die Theorie, nur die im 23. Jahrhundert längst ausgestorbenen Meeressäuger sollen in der Lage sein, die Rufe der Sonde zu beantworten. Ein gewagtes Manöver, vor allem angesichts des ungewöhnlichen Fluggerätes, mit dem man seit der Vernichtung der „Enterprise“ unterwegs ist…

„Zurück in die Gegenwart“? Da klingelt es natürlich: Robert Zemeckis‘ Zeitreise-Komödie „Zurück in die Zukunft“ war 1985 erschienen, hatte weltweit über 380 Millionen Dollar eingespielt und gilt bis heute zu Recht als eines der filmischen Highlights der 1980er und weit darüber hinaus. Das soll nun nicht heißen, dass für den 4. Teil der „Star Trek“-Kinoreihe von jenem Blockbuster abgekupfert wurde; im Gegenteil, war man in „Raumschff Enterprise“ doch bereits in den 1960ern mehrfach durch die Zeit gereist. Es mag aber durchaus sein, dass erst der Mega-Blockbuster mit Michael J. Fox die Verantwortlichen bei Paramount Pictures überzeugt hatte, tatsächlich grünes Licht für das ungewohnte Format der Komödie zu geben. Der deutsche Verleih setzte dann freilich noch einen drauf, denn auf Englisch heißt „Zurück in die Gegenwart“ schlicht „The Voyage Home“, was nicht nur der per se stärkere Titel ist, sondern auch jegliche Verwechslung mit „Back to the Future“ ausschließt. Übrigens: Das 4. Abenteuer der „Star Trek“-Crew spielte 133 Millionen Dollar ein. Ein gigantischer Erfolg für Paramount – von Zahlen, wie sie „Zurück in die Zukunft“ erzielt hatte, konnte man indes nur träumen.

Mit Spaß die Welt retten.

Die Geschichte, die „Star Trek IV“ erzählt, ist auf den ersten Blick ganz klassisch: Es gilt, die Welt vor einer übermächtigen Bedrohung zu retten; dass nur unsere Helden dazu in der Lage sind, ist klar. Wie üblich wird die Handlung genutzt, um zentrale Probleme des Zeitgeschehens aufzugreifen – dazu gehörten in den 1980ern u. a. die fortschreitende Umweltverschmutzung und der immer noch nicht ausgestandene Kalte Krieg. All das ist nun nicht sonderlich innovativ und auch die Idee, mittels Zeitreise den Schaden zu reparieren, den die Menschheit durch ihr kurzsichtiges Verhalten angerichtet hat, ist kein Kniff, der noch nie dagewesen wäre. Gerade aus letzterem ergibt sich allerdings die Komik, von der der Film letztendlich lebt. Will sagen: „Star Trek IV“ mag sich dem einen oder anderen ernsten Thema widmen, eine Botschaft, die über ein recht allgemeines „seid doch nicht so grausam zu Mutter Natur!“ hinausgeht, verbirgt hier meines Erachtens jedoch nicht dahinter. Was nicht heißen soll, dass das ein unwichtiges Anliegen wäre – als „Star Trek“-Fan ist man diese relativ simple und geradlinige Ansprache jedoch nicht unbedingt gewohnt.

Letzten Endes gibt es gar nicht so viel über die Handlung von „Star Trek IV“ zu sagen. Der Film lebt – wie angemerkt – davon, dass die Protagonist:innen von einer für sie ungewohnten Situation in die andere stolpern. Mal schimpft Kirk wie ein Rohrspatz los, als er fast überfahren wird, dann wieder wundert sich Pille über die primitiven Methoden im hiesigen Krankenhaus, während Scotty versucht, mit einem altmodischen MS-DOS-PC zu hantieren. Und Spock? Der ist höchst verdutzt über Sprache und Gebräuche der Erdenmenschen des 20. Jahrhunderts. Neugierig ist er als Wissenschaftler freilich auch – und er versucht sich anzupassen, indem er sich beispielsweise in der Verwendung „farbiger Metaphern“ übt. Kurzum: Ein riesengroßer Spaß für jede:n, der:die auch nur ansatzweise etwas mit den Action-Komödien der 1980er anfangen kann. Angemerkt sei an dieser Stelle noch, dass der Film durchaus spannend ist, auch wenn man zugeben muss, dass echte Überraschungen fehlen.

Ungewohntes Terrain.

Das alles kommt freilich nicht von ungefähr: Produzent Harve Bennett und Regisseur Leonard Nimoy hatten von Anfang an geplant, ihr Werk leichtfüßiger und ohne die teils ausgesprochen düstere Dramatik der drei vorangegangenen Filme zu gestalten. Die frühen Versionen des Drehbuchs überzeugten die Paramount-Bosse jedoch nicht (aus ihnen wurde wohl nur das grundlegende Element der Zeitreise übernommen), es folgten mehrere Autoren-Wechsel, bis schließlich die Zusammenarbeit von Harve Bennett und Nicholas Meyer (der in „Star Trek II“ Regie geführt und am Drehbuch mitgewirkt hatte), zur Freigabe durch das Studio führte. Die Arbeitsteilung dürfte dabei recht strikt gewesen sein: Bennett zeichnete für jene Teile des Skripts verantwortlich, die vor dem Zeitsprung spielen, Meyer schrieb alles, was im San Francisco der 1980er passiert und brachte damit quasi nebenbei auch die gesamte Komik ins Drehbuch. Von Bennett kam außerdem das Ende, das wiederum leicht von Meyer überarbeitet wurde und damit als Gemeinschaftsprodukt der beiden gelten kann.

Noch ein Wort zur Personalsituation: Während Leonard Nimoy seit dem von ihm inszenierten „Star Trek III: Auf der Suche nach Mr. Spock“ (1984) nichts mehr von seinem zuvor gefassten Entschluss, die spitzen Ohren endgültig an den Nagel zu hängen, wissen wollte, war es diesmal William Shatner, den man nur mit geradezu fürstlichen Zuwendungen an Bord holen konnte. Angeblich waren seine finanziellen Forderungen sogar ausschlaggebend dafür, dass man sich im Hause Paramount dazu entschied, im TV künftig auf eine komplett neue Crew mit unbekannten, ergo günstigen, Schauspieler:innen zu setzen, was ab 1987 dann ja auch tatsächlich passierte. Woran das alles jedoch nichts ändert: Beide, sowohl Shatner als auch Nimoy, legen in vorliegendem Film eine grandiose Performance hin. Die Chemie stimmt speziell zwischen diesen beiden (wobei auch der Rest des Casts bestens drauf ist), vermutlich auch, weil sie ihre Rollen diesmal völlig anders anlegen dürfen. Wohl vor allem deshalb fällt es nicht ins Gewicht, dass „Zurück in die Gegenwart“ über keinen Bösewicht im eigentlichen Sinne verfügt.

Weiters erwähnenswert: Ein famoser Soundtrack, der unterstreicht, in welch ungewohnter Umgebung sich die sonst so schneidigen Sternenflotten-Offiziere befinden, die gute Qualität der Effekte – und natürlich der Drehort. Nun ist San Francisco per se ja keine sonderlich aufregende Location, in Verbindung mit der Story und den Charakteren wirkt die Stadt jedoch wie der optimale Hintergrund. Und auch aus heutiger Sicht weckt die Kulisse ein gutes und authentisches Gefühl von 1980er-Stimmung. Nostalgie? Mag sein, aber mir hat die Stimmung des Films in dieser Hinsicht wirklich gut gefallen.

Fazit: Ich glaube, „Zurück in die Gegenwart“ reizt das Maximum, das in „Star Trek“ in Sachen Humor möglich ist, aus. Leonard Nimoy schafft hier etwas, das man vermutlich auch bei Paramount nicht für möglich gehalten hätte: Er mischt Science Fiction, Action und – nennen wir das Kind beim Namen – Slapstick zu einem Cocktail, der einfach schmeckt und den maximalen Wohlfühlfaktor bietet. Dabei ist eines aber ganz wichtig festzuhalten: Dieses Werk schießt zu keinem Zeitpunkt über das Ziel hinaus und steht trotz der wohl ungewöhnlichsten Herangehensweise aller bis heute erschienen Filme voll und ganz im Geiste dessen, was „Star Trek“ ausmacht. Diesen Spagat hinzubekommen und damit auch noch großen Erfolg zu feiern ist wirklich aller Ehren wert.

Alles andere als die Höchstwertung wäre hierfür selbstredend zu wenig. Und auch, wenn ein kleines Stück zur herausragenden Qualität eines „Zurück in die Zukunft“ fehlt, würde ich „Zurück in die Gegenwart“ allen ans Herz legen, die etwas mit geradliniger und unterhaltsamer 1980er-Action anfangen können. „Star Trek“-Fans kommen ohnehin nicht daran vorbei.

Gesamteindruck: 7/7


Originaltitel: Star Trek IV: The Voyage Home.
Regie:
Leonard Nimoy
Drehbuch: Nicholas Meyer, Harve Bennett, Steve Meerson, Peter Krikes, Leonard Nimoy
Produktion: Harve Bennett
Jahr: 1986
Land: USA
Laufzeit: ca. 120 Minuten
Besetzung (Auswahl): William Shatner, Leonard Nimoy, DeForest Kelley, Jane Wyatt, James Doohan, Walter Koenig



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FilmWelt: Im Westen nichts Neues (2022)

„Im Westen nichts Neues“ (2022) ist die dritte Verfilmung des 1929 veröffentlichten, gleichnamigen Romans von Erich Maria Remarque. Nach zwei US-Produktionen (1930 und 1979) ist vorliegendes Werk die erste deutsche Verfilmung des Stoffes und ist zum Zeitpunkt dieser Rezension im Jänner 2023 für zahlreiche internationale Preise nominiert. Wieso meine eigene Bewertung weit weniger euphorisch ausfällt, versuche ich im Folgenden herauszuarbeiten.

Gesamteindruck: 4/7


Adaption mit Makeln.

Zu „Im Westen nichts Neues“ habe ich grundsätzlich eine besondere Beziehung: Das Buch habe ich zum ersten Mal – ausgerechnet! – während meines Wehrdienstes gelesen, wo eine sehr zerlesene Ausgabe auf der Wachstube lag. Die Lektüre hat mich so beeindruckt, dass ich es in zwei aufeinanderfolgenden Wachdiensten gleich zwei Mal gelesen habe – und bis heute alle ein, zwei Jahre wieder hervorkrame. Langweilig ist es mir bisher noch nie geworden und ich habe auch nicht das Gefühl, dass ich mich in den nächsten Jahren damit „überlesen“ könnte. Entsprechend hoch waren meine Erwartungen an vorliegenden Film, zusätzlich angestachelt durch sehr starke Bilder im Trailer.

Worum geht’s?
Nordfrankreich im 1. Weltkrieg: Als der 19-jährige Paul Bäumer an der Front ankommt, sind die Konfliktparteien längst in einen blutigen Stellungskrieg verstrickt. Schnell merkt Paul, der sich gemeinsam mit seinen Schulkameraden freiwillig gemeldet hat, dass es im Schützengraben ganz anders zugeht, als in den patriotischen Reden der Lehrerschaft. Zum Glück steht ihnen mit Stanislaus Katczinsky ein erfahrener Soldat zur Seite, mit dessen Hilfe die jungen Rekruten eine Chance haben, zumindest eine Zeitlang zu überleben. Und doch fällt einer nach dem anderen dem mörderischen Feuer zum Opfer…

Noch früher als der großartige Roman von Remarque hat mich die Verfilmung seines Werkes begeistert. Dabei spreche ich aber nicht vom Klassiker von 1930 (den habe ich erst viel später gesehen und war nicht so überwältigt, wie ich anhand der ihm zugeschriebenen Superlative eigentlich hätte sein müssen), sondern vom Fernsehfilm von 1979, u. a. mit Richard Thomas als Paul Bäumer und Ernest Borgnine als Stanislaus Katczinsky. Diese Arbeit von Regisseur Delbert Mann war prägend für mein erstes, konkretes Bild vom 1. Weltkrieg – und sie hat mein historisches Interesse an diesem Thema überhaupt erst geweckt. Und auch nach Ansicht des 2022er-Films bleibe ich dabei: Die Mann’sche Adaption ist die bis dato beste filmische Bearbeitung des Stoffes.

Technisch fein gemacht.

Was vorliegende Verfilmung betrifft, möchte ich zunächst die positiven Aspekte hervorheben: „Im Westen nichts Neues“ verfügt über fantastische production values, d. h. alles sieht großartig und sehr authentisch aus. Für den Dreh, der Großteils in Tschechien absolviert wurde (wie übrigens auch schon 1979), hat man augenscheinlich keine Kosten und Mühen gescheut, sodass man als Zuseher:in die erbärmlichen Zustände, unter denen hunderttausende Soldaten an der Westfront lebten und starben, fast am eigenen Leibe zu spüren meint: Dreck, Blut, das ständige Geschützfeuer, Hunger, Angst, Verzweiflung, Verwundung und der allgegenwärtige Tod – all das wurde meines Erachtens glaubwürdig und ohne Rücksicht auf das Wohlbefinden des Publikums inszeniert. Inklusive passender und überaus bedrückender Soundkulisse, unheilvoller Musik und starker Spezialeffekte.

Woran es ebenfalls wenig auszusetzen gibt, ist das Casting: Für die Hauptrolle hat man mit Felix Kammerer einen jungen Mann gefunden, dessen Gesicht perfekt in die Zeit passt, in der der Film spielt. In Hinblick auf die Nebenrollen hätte ich mir allerdings zumindest für den wichtigen Charakter Katczinsky einen etwas spezielleren Typen gewünscht – mag aber auch sein, dass ich hier zu sehr von der 1979er-Performance von Ernest Borgnine geprägt bin, der einen deutlich gereifteren und älteren „Kat“ gab. Welche Variante die „richtigere“ ist, kann ich nicht beurteilen, Fakt ist aber, dass sich Borgnine im Gegensatz zu Albrecht Schuch, der die Rolle 2022 spielt, deutlich stärker von seinen jungen Kollegen abhob. Man kann es auch so formulieren: Während Borgnine den „Kat“ eher als Vaterfigur anlegte, ist die Schuch’sche Version so etwas wie ein großer Bruder. Vom Rest der Darsteller bzw. Figuren ist mir eigentlich nur Daniel Brühl als Matthias Erzberger in Erinnerung geblieben (dazu etwas weiter unten mehr); mir ist insgesamt aber zumindest niemand negativ aufgefallen.

Eines möchte ich außerdem noch positiv hervorheben, bevor ich zur Kritik schreite: „Im Westen nichts Neues“ ist durchaus spannend inszeniert, was fast schon verwundert, sieht man sich die doch recht dünne Handlung – des Films, nicht des Romans! – an. Das liegt mitunter auch an der gefühlvollen und geradezu verschwenderisch schönen Bildkomposition, die auch in relativ langen Kamerafahrten kaum Längen aufkommen lässt. Ferner kann bzw. muss man – so seltsam und ungut es sich lesen mag – noch eines zugeben: Die häufig dargestellten, überaus brutalen Kampfhandlungen sind hervorragend choreografiert und von atemloser Spannung und Action geprägt. Mein Kompliment auch dafür an Regisseur Edward Berger und das Kamera-Team rund um den Briten James Friend: Eigentlich sind solche Sequenzen ja immer recht ähnlich, dennoch kommt hier zu keinem Zeitpunkt ein Gefühl von Übersättigung auf.

Meist weit weg von der Vorlage.

Die Frage, ob „Im Westen nichts Neues“ objektiv ein guter, vielleicht gar ein preiswürdiger Film ist, ist so leicht nicht zu beantworten. Ich habe die aus meiner subjektiven Sicht positiven Aspekte aufgezählt und glaube durchaus, dass z. B. Hauptdarsteller, Kamera, Schnitt, Ton oder andere technische Aspekte mit zum Besten gehören, das man aktuell im Genre sehen kann. Aber: Das Werk muss sich an seinem Titel messen lassen – und stellt mich als Verfilmung eines der wichtigsten (Anti-)Kriegsromane überhaupt nicht richtig zufrieden. So, jetzt ist es raus… und ich will natürlich versuchen, diese Einschätzung zu begründen.

Eines ist klar: Vorliegender Stoff wurde vorher zweimal sehr werkstreu verfilmt, was den Regisseur dazu bewogen haben mag, einige Dinge anders zu machen. Diesen Zugang verstehe ich einerseits, andererseits gibt es dennoch eine Vorlage, die aus bestimmten Gründen zu einem Klassiker geworden ist. Ich sage es ohne Umschweife: „Im Westen nichts Neues“ hat meines Erachtens über weite Strecken sehr wenig mit dem Roman zu tun und hat mich in dieser Hinsicht tatsächlich schwer enttäuscht. Dem Film fehlen – bis auf wenige Ausnahmen – praktisch ALLE Schlüsselszenen, die man mit der Geschichte von Remarque verbindet. Im Gegenzug stellt der Film einiges völlig anders dar, vor allem aber fügt er Sequenzen ein, die im Buch nicht vorkommen und die für mein Dafürhalten sogar dem Geist der Vorlage widersprechen.

Beginnen wir mit letzterem, also dem „Zusatzmaterial“: Ein wichtiger Aspekt bei Remarque ist die Konzentration auf die Perspektive des einfachen, unbekannten Soldaten. Die macht auch bei der Adaption von Edward Berger weite Teile der Handlung aus – als umso störender habe ich in der Folge jedoch jenen Ausflug in die hohe Politik empfunden, von dem Paul Bäumer abseits von Latrinengerüchten überhaupt nichts wissen konnte. So begleiten wir Matthias Erzberger in den Wald von Compiègne zu den Waffenstillstandsverhandlungen mit der französisch-englischen Delegation. Das mag grundsätzlich nicht unspannend sein, verwässert meiner Meinung nach aber einen essenziellen Aspekt des Romans: Die Soldaten als anonymer, bedenkenlos eingesetzter Spielball der Mächte, Menschenmaterial, das mal hier, mal dort eingesetzt wird, ohne über irgendwelche Hintergründe und Zusammenhänge informiert zu werden. Gerade diese Unwissenheit und der Verzicht darauf, sie im aufzuklären und einen Blick auf die politische Großwetterlage zu werfen, ist zu einem Gutteil dafür verantwortlich, dass der Roman dermaßen erschütternd wirkt. Darum finde ich diesen Exkurs des Films auch so entbehrlich; abgesehen davon, dass hier ein historisch verbrieftes Ereignis und reale Personen gezeigt werden, was nicht zum Rest der Handlung passt. Und auch, wenn der Versuch, zu zeigen, wie die Saat für den 2. Weltkrieg bereits 1918 gesät wurde, durchaus erwähnenswert ist, hat das alles schlicht und einfach nichts mit der Vorlage zu tun.

Der Film nimmt sich aber noch weitere Freiheiten heraus, die mitunter stark vom Roman abweichen. In den meisten Fällen passt das zwar besser, weil wir dabei – anders als beim Blick auf die Friedensverhandlungen – nicht die unmittelbare Umgebung der Hauptfigur verlassen. Was aber sehr merkwürdig anmutet: Die Handlung des Films scheint innerhalb weniger Monate (zwischen 1917 und dem Waffenstillstand im November 1918) stattzufinden. Nun wäre das an sich schon in Ordnung, im Buch finden sich ja ohnehin kaum Zeitangaben. Allerdings wirkt der Film dadurch – ganz im Gegensatz zu früheren Adaptionen, die auch in dieser Hinsicht stärker das Gefühl des Romans wiedergeben – übermäßig gerafft: Er konzentriert alles, was den Figuren widerfährt, ohne Not auf einen gefühlt viel zu engen Zeitrahmen, was reichlich unrealistisch anmutet; fast, als wäre das nur gemacht worden, um das Drama noch mehr zu steigern. Wer Remarques Vorlage kennt, hat dadurch eventuell sogar ein ernsthaftes Problem: Man weiß, wie viel eigentlich noch passieren „muss“, während man schon die Verhandlungen zum Waffenstillstand sieht – das hat zumindest mich auf gewisse Art nervös gemacht und mich bereits beim Ansehen befürchten lassen, dass im Endeffekt sehr viele wichtige Szenen fehlen werden. Das mag anderen Remarque-Kenner:innen ähnlich gegangen sein – oder ich bin zu streng, ich weiß es ehrlich gesagt nicht.

Der Regisseur scheint jedenfalls speziell die finale Tragödie, die sich rund um Paul Bäumer abspielt, in wenige Tage, ja Stunden Filmhandlung gepresst zu haben. Meines Erachtens keine gute Idee, weil eine solche Zuspitzung nicht so richtig zu Remarques Beschreibung des Krieges passen will. Was den Film bei mir mindestens einen Punkt kostet ist übrigens das Finale: Abgesehen davon, dass es im Roman ganz anders abläuft, hatte ich an dieser Stelle wohl das stärkste Gefühl von Effekthascherei. Ein letzter Großangriff, der kurz vor Inkrafttreten des Waffenstillstandes (11. November 1918) beginnt und die deutschen Truppen tief in die französischen Gräben eindringen lässt? Was hat das noch mit dem Schluss des Romans zu tun, auf den sich ja auch dessen Titel und damit auch der Name des Films beziehen, zu tun? Ich zitiere: „Er fiel im Oktober 1918, an einem Tage, der so ruhig und still war an der ganzen Front, daß der Heeresbericht sich nur auf den Satz beschränkte, im Westen sei nichts Neues zu melden.“ (Quelle: Remarque, Erich Maria: „Im Westen Nichts Neues“, Kiepenheuer & Witsch, 18. Auflage 2002, S. 197). Das, was im Film zum Schluss passiert, ist meines Erachtens das genaue Gegenteil eines Tages, an dem es im Westen nichts Neues zu vermelden gibt…

Es fehlt zu viel.

Neben dem, was „Im Westen nichts Neues“ der Romanhandlung hinzufügt, habe ich auch ein Problem mit dem, was weggelassen wurde. Von den zwölf Kapiteln, die das Buch umfasst, wird kaum eines vollständig (oder wenigstens über weite Teile) im Film thematisiert. Sogar eine der längeren Filmszenen, die Episode, in der Paul Bäumer gemeinsam mit einem französischen Soldaten im Granattrichter liegt, wird deutlich schneller abgehandelt, als man es sich erwarten würde, ist es doch gerade die Ausweglosigkeit und sich für den Protagonisten ewig hinziehende Länge der Situation, die man im Buch und auch in der 1979er-Verfilmung ständig zu spüren meint. Hier hat man hingegen den Eindruck, dass die Szene zwar für wichtig gehalten und deswegen aufgenommen wurde, man sie dann aber möglichst schnell abhandeln wollte. Ich mag mich freilich täuschen, mein Eindruck war jedenfalls so.

Davon abgesehen gibt es natürlich auch andere Szenen, Dialoge und Anspielungen, die man einordnen kann, wenn man das Buch kennt. Das ist zwar schön und gut, hilft aber nicht viel, wenn fast alle Schlüsselszenen fehlen, darunter die Ausbildung unter dem sadistischen Unteroffizier, die zeigen soll, was passiert, wenn man einfachen Menschen plötzlich Macht über andere gibt (und was der Unterschied zwischen Fronteinsatz und Exerzierdienst in der Kaserne ist), die Episoden, die das Elend der Feld- und Heimat-Lazarette zeigen, der Heimaturlaub bei den Eltern, in dem die immer breiter werdende Kluft zwischen Soldaten und Hinterland thematisiert wird usw. usf.

Ich verstehe schon, dass nicht jedes Kapitel des Buches erschöpfend behandelt werden konnte, das haben die alten Filme ja auch nicht gemacht – aber wie wenig „Im Westen nichts Neues“ in diesem Film letzten Endes steckt, hat mich schon ein wenig erschreckt, wenn ich ehrlich bin. Spannend wäre übrigens gewesen, im Film das Kapitel zu verarbeiten, in dem Paul Bäumer russische Kriegsgefangene bewachen muss. Denn das kam auch im 1979er-Film nicht vor (ob es in der 1930er-Adaption enthalten war, weiß ich ehrlich gesagt nicht mehr), wäre also eine Möglichkeit gewesen, etwas Neues zu machen und dabei werkstreu zu bleiben. Interessante Randnotiz: Die Eröffnungssequenz des Romans, der Streit mit dem Koch, der für 150 Mann gekocht hat, von denen nur noch 80 leben, kommt im Film erst als eine der letzten Szenen, was ich aber nicht negativ beurteilen würde.

Fazit: „Im Westen nichts Neues“ ist ein guter Antikriegsfilm. Ja, wirklich! Er verfügt über einen starken Cast und Bilder, die den Horror des Stellungskrieges in selten gekannter Intensität zeigen. Leider wird er jedoch seiner Vorlage nicht ansatzweise gerecht, was für mich Grund genug für eine deutliche Abwertung ist. Unter einem anderen Titel – und mit leicht adaptierter Handlung – hätte ich hier mindestens einen Punkt mehr springen lassen. So muss es für magere 4 reichen – sehr, sehr schade und enttäuschend, aber es hilft nichts: Wer sich einen großen Namen aussucht, muss sich auch daran messen lassen.

Gesamteindruck: 4/7


Originaltitel: Im Westen nichts Neues.
Regie:
Edward Berger
Produktion: Malte Grunert, Daniel Marc Dreifuss
Drehbuch: Lesley Paterson, Edward Berger, Ian Stokell
Jahr: 2022
Land: Deutschland, USA, Großbritannien
Laufzeit: ca. 150 Minuten
Besetzung (Auswahl): Felix Kammerer, Albrecht Schuch, Aaron Hilmer, Daniel Brühl, Moritz Klaus, Edin Hasanović



FremdWelt: Die 5 BESTEN am DONNERSTAG

Seit langem freue ich mich jede Woche auf „Die 5 BESTEN am DONNERSTAG“ von Gina (Passion of Arts). Und natürlich auf die entsprechenden Beiträge auf Blogs, denen ich folge. Mit Anfang 2023 habe ich mich entschlossen, auch mitzumachen. Ob und wie regelmäßig ich es schaffe, wird sich weisen – ich bin jedenfalls wild entschlossen!


Die 5 SCHLECHTESTEN Serien, die ich 2022 gesehen habe

Ich habe es befürchtet: Gina von Passion of Arts fragt nach den 5 BESTEN natürlich auch nach den 5 SCHLECHTESTEN Serien, die wir 2022 gesehen haben. Das ist wahrlich nicht einfach – aber nicht, weil die Auswahl so groß wäre, sondern weil ich schauen muss, dass ich überhaupt 5 zusammen bekomme (wie üblich ohne Ranking):

  • Star Trek: Picard (Staffel 2)
  • A Discovery of Witches (Staffel 3)
  • Archive 81 (Staffel 1)
  • Vikings: Vahlhalla (Staffel 1)
  • The Walking Dead (Staffel 10)

Star Trek: Picard (Staffel 2)

Ein bisschen komme ich mir ja selbst wie die legendäre Titelfigur dieser Serie aus dem „Star Trek“-Universum vor, wenn ich wie ein grantiger, sturerer, alter Mann eine Tirade loslasse, in der ich meiner Enttäuschung Ausdruck verleihe. Was genau für mich problematisch an der jüngsten Darstellung einer der beliebtesten und respektiertesten Figuren jenes Franchise ist, habe ich in meinen Rezensionen zu den bisher erschienen zwei Staffeln kundgetan. Und ja, ich sage es auch hier noch einmal: Ich bin ob der mangelnden Qualität und des fehlenden Gespürs dafür, was „Star Trek“ einst groß gemacht hat, nach wie vor erschüttert.

Fazit: Eine gigantische Enttäuschung, die jene Gefühle, die ich schon nach Staffel 1 hatte, noch einmal übertrifft. Werde ich der bald erscheinenden Staffel 3, die (zum Glück!) die letzte sein wird, dennoch eine Chance geben? Jep, denn es nutzt nix, ich möchte trotz allem wissen, wie die Geschichte ausgeht, auch wenn ich fürchte, dass ich nicht zufrieden sein werde. Aber was soll’s, noch mehr beschädigen kann man den guten Jean-Luc ohnehin kaum.

„Star Trek: Picard“ habe ich auf Amazon Prime Video gesehen. Aktuell sind Staffel 1 & 2 in der Flatrate verfügbar.


A Discovery of Witches (Staffel 3)

Die Mystery-Serie „A Discovery of Witches“, die auf der Roman-Trilogie „All Souls“ von Deborah Harkness basiert, krankt an einem Phänomen, das es zwar schon länger gibt, das aber in den vergangenen 5 bis 10 Jahren massiv Überhand genommen hat: Der vorzeitigen Einstellung aufgrund – mutmaßlich – schlechter Quoten. Dabei wurde hier noch einigermaßen gnädig agiert: „A Discovery of Witches“ lief zwar bei weitem nicht so lang wie ursprünglich gedacht, ist nach 3 Staffeln aber zumindest abgeschlossen und endet nicht mit einem fiesen Cliffhanger.

Leider hat diese Medaille auch eine Kehrseite: Das Aus für die Serie dürfte bereits relativ früh – eventuell schon während Staffel 2 – fix gewesen sein. Daraus erklärt sich dann auch, dass die 3. und letzte Staffel im Vergleich zu ihren Vorgängern massive Qualitätseinbußen hinnehmen muss. Man spürt förmlich, wie alles so hingebogen werden musste, dass ein einigermaßen abgeschlossenes Ende entstand – ohne Rücksicht auf Logik und Erzähltempo. Die logische Folge: Eine völlig verhunzte, mit schwachem Drehbuch ausgestattete und bis zum geht-nicht-mehr überhastete Staffel, die man sich auch hätte schenken können.

„A Discovery of Witches“ habe ich bei Sky gesehen. Aktuell sind die Staffel 1 bis 3 in der Flatrate verfügbar.


Archive 81 (Staffel 1)

Letzten Endes gilt hier fast das Gleiche wie für die 3. Staffel von „A Discovery of Witches„, denn auch „Archive 81“ wurde viel früher als geplant abgesetzt. Nur passierte das hier bereits nach einer einzigen Staffel. Die beginnt gut und interessant, auch angemessen unheimlich. Spätestens ab der Hälfte wird aber klar, dass den Macher:innen von Netflix die sprichwörtliche Pistole auf die Brust gesetzt wurde.

Und so kam es, wie es kommen musste: „Archive 81“ bleibt eine vielversprechende Idee, deren Umsetzung gnadenlos gescheitert ist, weil den Showrunnern der Geldhahn zugedreht wurde. Man konnte sich nur mehr darauf konzentrieren, die Staffel zu einem geschlossenen Ende zu führen. Das ist letztlich gelungen, nur ist die Auflösung und auch der Weg dorthin nicht ansatzweise das, was man sich gewünscht hätte. Auch hier: Sehr, sehr schade, aber man muss klar davor warnen, Zeit in „Archive 81“ zu investieren. Es lohnt sich nicht.

„Archive 81“ habe ich bei Netflix gesehen. Aktuell ist dort die erste und einzige Staffel in der Flatrate verfügbar.


Vikings: Valhalla (Staffel 1)

Es war ja fast zu erwarten: „Vikings: Valhalla“, das Spin-off zum Überraschungserfolg „Vikings“ (2013-2020) hat es meines Erachtens nicht ansatzweise geschafft, aus dem übermächtigen Schatten des großen Vorbilds zu treten. Zumindest nicht mit der ersten Staffel, die zweite, die seit kurzem ebenfalls verfügbar ist, ist deutlich stärker, weil man es nach den Anlaufschwierigkeiten doch noch geschafft hat, die Drehbücher ansprechend zu gestalten und, vor allem, den Figuren Charakter zu verpassen.

In Staffel 1 ist davon aus meiner Sicht noch wenig zu bemerken. Kein einziger Charakter tut sich als außergewöhnlich oder gar sympathisch hervor, alle wirken wie Abziehbilder, wie Schatten derer, die „Vikings“ so sehr geprägt haben. Noch dazu sehen sich die Typen alle sehr ähnlich, was einer Identifikation auch nicht unbedingt förderlich ist. Vor allem aber merkt man Staffel 1 zu jeder Zeit an, dass sich die Showrunner nicht „getraut“ haben, was Eigenes zu machen – dadurch wirkt „Valhalla“ vor allem wie eines: Eine billige, brave und letztlich sogar armselige Kopie eines erfolgreichen Konzepts. Da helfen auch alle Production Values, über die die Serie zweifellos verfügt, nichts.

„Vikings: Valhalla“ habe ich auf bei Netflix gesehen. Aktuell die Staffeln 1 & 2 in der Flatrate verfügbar


The Walking Dead (Staffel 10)

Kann man sagen, dass „The Walking Dead“ eine schlechte Serie ist? Naja, man kann zumindest zugeben, dass sie großartig gestartet ist und nach wie vor über einige sehr starke Attribute verfügt. Aber, und das ist das ganz große Problem: Man hat den Absprung nicht geschafft. Seit, keine Ahnung, vielleicht Staffel 6? (man könnte hier aber auch eine andere Zahl einsetzen), dreht sich alles im Kreis. Es ist schlicht und einfach stinklangweilig geworden.

Und so ist es auch mit Staffel 10, der ich mal wieder eine Chance geben wollte. Aber einmal mehr wurde ich enttäuscht (wirklich begeistert hat mich die Serie ohnehin seit Jahren nicht, ich schau nur gelegentlich rein, weil mich das Ende interessieren würde): Es gibt fast nichts Neues – und was neu ist, ist so drüber, dass ich es nicht ernst nehmen kann und will. Ich hoffe wirklich, dass nun bald das Finale kommt. Nicht, dass es die Serie als Ganzes noch retten würde, aber dann wissen wir endlich, wie es ausgeht und können dieses Thema endgültig abhaken.

„The Walking Dead“ habe ich bei Netflix gesehen. Aktuell sind dort 11 Staffeln in der Flatrate enthalten.


SpielWelt: Harvester


Mit „Harvester“ legte das kurzlebige US-Studio DigiFX Interactive 1996 eines der seltsamsten Spiele vor, die ich je auf meiner Festplatte hatte. Und das gleich auf mehreren Ebenen, denn sowohl technisch als auch inhaltlich dürfte es nur eine Handvoll ähnlicher Produkte geben. Der große Erfolg war dem Werk freilich nicht beschieden, was kaum verwundern sollte. Dennoch würde ich allen, die Horror-Adventures mit einer ordentlichen Portion Sex und Gore mögen, einen Versuch empfehlen.

Gesamteindruck: 4/7


Groteskes Abenteuer.

Vorab eine Warnung für potenzielle Interessent:innen: Einerseits ist der Zahn der Zeit nicht gut zu „Harvester“ gewesen, man sieht dem Programm sehr deutlich an, dass es aus den Anfangstagen des Mediums CD-ROM stammt. Entsprechend schlecht ist es optisch, akustisch und in Hinblick auf die Nutzer:innenführung gealtert. Andererseits muss man mit einer stellenweise arg verstörenden, blutigen und brutalen Erfahrung rechnen, die auch durch die grobschlächtige Grafik kaum entschärft wird: Mord, Selbstmord, Verstümmelung, Folter, Voyeurismus und Kannibalismus – das Spiel lässt kaum ein Tabu aus und zeigt all das in Bildern, die in ihrer Härte nach wie vor noch abstoßen. Wie das anno 1996, als die Welt noch eine ganz andere war, auf die zuständigen offiziellen Stellen gewirkt haben muss, werden sich Zeitgenoss:innen nur zu gut vorstellen können.

Darum geht’s:
Steve staunt nicht schlecht, als er eines Morgens erwacht: Weder weiß er, wo oder wer er ist, noch kennt er irgend jemanden in der amerikanischen Kleinstadt Harvest. Was er aber schnell feststellt: Alle, die er trifft, benehmen sich irgendwie merkwürdig und unnatürlich. Und sie scheinen ihn zu kennen, nehmen ihm den Gedächtnisverlust jedoch nicht ab. Beim Versuch, mehr über seine Lage zu erfahren, stößt Steve immer wieder auf Gerüchte über eine geheimnisvolle Loge in der Stadt. Dort, so munkelt man, wäre man in der Lage, ihm zu helfen. Der Haken: Um aufgenommen zu werden, müssen eine Reihe moralisch überaus zweifelhafter Aufgaben erfüllt werden…

Beginnen wir mit dem Offensichtlichen: Die Optik von „Harvester“ dürfte für viele moderne Spieler:innen eine echte Hürde sein. Das Problem hat übrigens nicht nur mit dem Alter des Spiels zu tun, denn es gibt deutlich ältere Programme, die auch heute noch passabel aussehen. „Harvester“ ist allerdings ein Vertreter einer Richtung, die sich als Sackgasse erwiesen hat: Der Einsatz von echten Schauspieler:innen, die anstelle von animierten Sprites vor gezeichneten Hintergründen agieren. Diese Präsentationsform, die man vor allem von den unsäglichen interaktiven Filmen kennt, ist mittlerweile ausgestorben – zu Recht, wie ich finde, ist sie doch im Vergleich zum Retro-Charme des guten, alten Pixel-Looks extrem schlecht gealtert. Abgesehen davon dürfte die Technik von „Harvester“ zum Zeitpunkt der Veröffentlichung schon nicht mehr ganz taufrisch gewesen sein – anders kann man sich die schlechte Qualität der Videos kaum erklären (dem Vernehmen nach wurden sie nicht komprimiert, was die niedrige, auf aktuellen Monitoren daher unglaublich pixelige, Auflösung erklärt).

Alles in allem wirkt „Harvester“ fast, als hätte man bei DigiFX 1996 nach wie vor nicht gewusst, was man mit dem riesigen Speicherangebot der CD-ROM (im Vergleich zu den wenige Jahre vorher noch gebräuchlichen Disketten) anfangen soll, weswegen man sich für diese spezielle, sehr speicherintensive Optik entschied. Allerdings, so viel sei auch festgehalten, wirkt die eigentümliche Grafik im Verbund mit dem nicht minder seltsamen Inhalt gar nicht so verkehrt, wie man meinen möchte, sodass ich sie gar nicht zwingend als negativ bewerten möchte – sehr wohl aber, wie angedeutet, als Hürde für Spieler:innen, die die 1990er-Jahre und die CD-ROM-Revolution nicht miterlebt haben. Was jedoch wirklich besser hätte gehen müssen: Der Sound. Die Musik ist zwar in Ordnung, die Sprachausgabe und die Effekte sind aber vollkommen verrauscht und kaum zu verstehen. Schade, gerade dafür wäre die CD ja ein geeignetes Medium gewesen, aber vermutlich war durch die Speicherplatz-intensiven Videos dann doch schneller die Grenze erreicht, als den Programmierer:innen lieb gewesen sein dürfte.

Typisch: Point & Click.

Bevor wir zum Spiel kommen, noch ein Wort zur Bedienung: „Harvester“ kommt – so wie es seinerzeit längst Usus war – ohne sichtbares Interface aus. Der sensitive Mauszeiger ist das einzige Werkzeug, das man braucht; er verändert sich je nach Situation in eine Hand, um etwas aufzuheben, einen Mund, wenn man einen NPC ansprechen möchte usw. Die Bewegung erfolgt ebenfalls über die Maus, aber auch eine direkte Steuerung über die Pfeiltasten ist möglich. Ansonsten darf bzw. muss auch gekämpft (ja, richtig gelesen!) werden, was ebenfalls sehr einfach gelöst wurde: Die rechte Maustaste löst – je nach Waffe – einen Schlag oder Schuss aus, der, je nach Position des Zeigers, entweder in die Beine oder in den Brust- bzw. Kopfbereich eines:r Gegner:in geht. Das geht einigermaßen gut von der Hand, sodass die Kämpfe recht einfach sind. Zum Glück.

„Harvester“ ist von der Mechanik her also ein klassisches Point & Click-Adventure mit Kampfeinlagen und den üblichen Inventarrätseln. Wie man es von derartigen Spielen kennt, sind die meisten Puzzles durch ein wenig Herumprobieren (benutze alles mit jedem…) recht einfach lösbar, an ein oder zwei Stellen musste ich mir allerdings mit einem Walkthrough helfen. Einer der Gründe dafür ist auch kein unbekannter: Ab und an verschwinden kleine Gegenstände, die 1996 wohl noch besser erkennbar waren, im Pixel-Matsch, wenn man in einem relativ großen Fenster spielt. Davon abgesehen gibt es zwar ein paar unlogische Rätsel, alles in allem hält sich der Schwierigkeitsgrad in dieser Hinsicht aber in Grenzen. Eine Besonderheit: Man hat zwar kein Zeitlimit im eigentlichen Sinn, im Spiel gibt es aber einen automatisierten Tag-Nacht-Wechsel, der erst ausgelöst wird, wenn man alles erledigt hat, was das „Drehbuch“ für die aktuelle Periode vorsieht. Das war mir nicht bewusst, was ebenfalls ein Grund für verschämte Blicke in die Komplettlösung war.

Was an dieser Stelle auch noch erwähnenswert ist: Mir wäre zwar keine echte Sackgasse, die das Spiel unlösbar gemacht hätte, begegnet, das heißt aber nicht, dass es keinen „Game Over“-Screen gäbe: Einerseits habe ich die Kämpfe erwähnt, die durchaus tödlich enden können, andererseits gibt es ab und an tödliche Fallen (es kann auch schon reichen, einem NPC eine falsche Antwort zu geben und man bekommt eine Kugel in den Kopf) und die Möglichkeit, verhaftet zu werden. Es ist also sinnvoll, häufig und in mehreren Spielständen zu speichern; automatisch geht das nicht, umständlicherweise gibt es auch keine Quicksave-Funktion. Nimmt man all diese Dinge zusammen, kann man „Harvester“ spielmechanisch fast schon als fehlendes Bindeglied zwischen den Adventures von Sierra und Lucas Arts einordnen, man verzeihe mir die Blasphemie. Anmerkung am Rande: Man kann in „Harvester“, völlig untypisch für ein Adventure, fast jeden NPC angreifen und töten, was sich allerdings nicht empfiehlt, wenn man das Spiel beenden möchte.

Untypisch: Gewalt und Sex.

Der Adventure-Part ist für mein Dafürhalten gelungen, auf die Kämpfe hätte ich verzichten können (speziell im letzten Abschnitt des Spiels werden sie aufgrund ihrer Häufigkeit zur echten Plage). Wäre das alles, wäre „Harvester“ wohl ein recht typisches, aufgrund kleinerer Schwächen mit Sicherheit längst vergessenes, Abenteuer. Gut, zu großer Berühmtheit ist das Spiel ohnehin nie gelangt, was aber vermutlich genau mit dem Punkt zu tun hat, der das Werk – mehr noch als seine Technik – von zeitgenössischen Rätselspielen abhebt: Die völlig absurde, durchgeknallte Story mit ihren zynischen Untertönen, die kompromisslos brutale Optik, die abstrusen Charaktere und der groteske Schauplatz.

Diese Faktoren dürften dafür gesorgt haben, dass die Zensur gnadenlos zugeschlagen hat. Auch die Presse mag durch die unverhohlene Gewalt verschreckt worden sein, was ebenfalls nicht dazu beigetragen hat, das Spiel einer breiten Masse bekannt zu machen. Und: Ja, es stimmt, in „Harvester“ wird blutigst gemordet und man mordet auch selbst, die Tat wird im Nachhinein aber fast immer mit einem schwarz-humorigen Seitenhieb kommentiert und eingeordnet. Damit muss man freilich auch umgehen können (bzw. muss man es nur dann, wenn man dieses Spiel spielen möchte). Relativierend könnte man dazu anbringen, dass die Gewalt im Spiel abstoßend sein mag, „Harvester“ speziell aus heutiger Sicht jedoch so „drüber“ ist, dass man es zu keinem Zeitpunkt richtig ernst nehmen kann.

Ich habe übrigens lange überlegt, was eine hinreichend bekannte Referenz für die Atmosphäre von „Harvester“ sein könnte. Letztlich bin ich immer wieder bei einem Namen gelandet: „Fallout“. Schon klar: Das ist ein völlig anderes Spiel mit einer anderen Story; dennoch frage ich mich, ob Brian Fargo mal einen Blick auf „Harvester“ geworfen hat, bevor er und Interplay 1997 jenen Meilenstein veröffentlicht haben. Denn die grundsätzliche Stimmung eines extrem zynischen Amerika der 1950er, inklusive der allgegenwärtigen Angst vor den Roten, ist hier wie dort sehr ähnlich. Vor allem aber der – bei aller Brutalität – sehr satirische Zugang scheint mir aus einem ähnlichen Mindset zu kommen. Das aber nur als grobe Orientierung, von der Qualität und Tiefe eines „Fallout“ ist „Harvester“ weit entfernt.

Unerwartet: Besser als gedacht.

Abschließend stellt sich die Frage, wie das alles zu bewerten ist. Im Haben würde ich die Atmosphäre verbuchen, die zumindest jene Spieler:innen, die über eine Ader für das Morbide und Groteske verfügen, überzeugen sollte. Der gesamte Adventure-Part mit seinen klassischen Rätseln hat mir persönlich ebenfalls gefallen, gleiches gilt für den Humor (der natürlich ebenfalls sehr, sehr dunkel ist). Und ja, ich gebe es zu: Ich finde es nach wie vor erfrischend, wenn ein Spiel aus jener Zeit, das kein Shooter ist, nicht so sauber und poliert ist und sich auch nicht davor scheut, ordentlich Blut spritzen zu lassen. Auch hier nochmal: Das kann und muss nicht Jede:r mögen, tue ich auch nicht immer. Aber in diesem Fall finde ich das Gesamtbild sehr stimmig.

Heißt das nun, dass „Harvester“ ein verkanntes Meisterwerk ist, ein Spiel, das völlig zu Unrecht niemand kennt? Nein, soweit würde ich keinesfalls gehen. Blendet man das ganze Blut und die absurde Brutalität aus, bleibt unterm Strich ein brauchbares, wenn auch nicht überragendes Point & Click-Adventure mit lästigen Kampfeinlagen und – neben einigen guten – auch ein paar unlogischen Rätseln. Die Grafik ist sehr gewöhnungsbedürftig, der Sound schlecht abgemischt, der Schwierigkeitsgrad geht in Ordnung. Es gibt sogar zwei mögliche Enden und die ein oder andere Möglichkeit, auf dem Weg dorthin etwas anders vorzugehen; beides ist aber sehr oberflächlich gehalten.

Ich denke, für all das sind 4 von 7 Punkten angemessen. Wer zart besaitet ist und/oder das Geschehen anders einordnet, was ich durchaus für legitim halte, wird einen oder zwei Zähler abziehen müssen. Ob „Harvester“ tatsächlich die bissige Gesellschaftskritik ist, die manche darin sehen bzw. auf einer merkwürdigen Meta-Ebene auf die Unterschiede zwischen medialer und realer Gewalt referenziert, wage ich nicht abschließend zu beurteilen. Ich kann mir vorstellen, dass sich auch die Entwickler:innen nicht ganz klar darüber gewesen sein mögen.

Fazit: Ich habe „Harvester“ überraschend gern gespielt und würde es zumindest jener winzigen Zielgruppe, die positive Assoziationen zu genannten Attributen hat, für einen Versuch ans Herz legen. Zum Pflichtprogramm gehört es aber mit Sicherheit für niemanden.

Gesamteindruck: 4/7


Genre: Adventure
Entwickler:
DigiFX Interactive
Publisher: Virgin Interactive
Jahr:
1996
Gespielt auf: PC


Screenshots aus „Harvester“ – Copyright beim Entwickler!

FremdWelt: Die 5 BESTEN am DONNERSTAG

Seit langem freue ich mich jede Woche auf „Die 5 BESTEN am DONNERSTAG“ von Gina (Passion of Arts). Und natürlich auf die entsprechenden Beiträge auf Blogs, denen ich folge. Mit Anfang 2023 habe ich mich entschlossen, auch mitzumachen. Ob und wie regelmäßig ich es schaffe, wird sich weisen – ich bin jedenfalls wild entschlossen!


Die 5 SCHLECHTESTEN Filme, die ich 2022 gesehen habe

Es war fast zu erwarten: Nach den 5 BESTEN kommen nun auch die 5 SCHLECHTESTEN Filme zu (unverdienten) Ehren. Welchen Sinn das hat? Naja, einerseits macht zwar das Schauen derartiger Machwerke meistens keinen großen Spaß, andererseits kann es durchaus unterhaltsam sein, sich danach in einem regelrechten Rant den Frust von der Seele zu schreiben. Oder objektiv zu sagen, woran es liegt, dass ein Film in der persönlichen Wahrnehmung – denn darum geht es zumindest mir – gefloppt ist. So oder so ist es zumindest eine Möglichkeit, potenzielle Interessent:innen davor zu bewahren, ihre Lebenszeit zu verschwenden. Denn eines ist auch klar: Unser aller Watchlists sind viel zu lang, um uns viele Ausreißer nach unten leisten zu können.

Meine Auswahl hat wie üblich kein Ranking – und zum Schluss gibt’s ein paar unhonorable mentions.

  • Standschütze Bruggler (1936)
  • Im Reich der Amazonen (1986)
  • Halloween Haunt (2019)
  • Iron Sky: The Coming Race (2019)
  • Fantasy Island (2020)

Standschütze Bruggler

(Deutschland, 1936)

Filme werden – je nach eigenen Sehgewohnheiten und Vorlieben – als schlecht angesehen, wenn sie entweder technisch indiskutabel (Schnitt, Ton, Bild, Kameraführung, Effekte usw.) oder inhaltlich Grütze sind (Drehbuch, Dialoge, Handlung usw.). Die ganz üblen Kandidaten versagen meist sogar auf beiden Ebenen.

„Standschütze Bruggler“ ist hingegen ein Fall, der nicht so richtig in dieses Schema passt: Technisch durchaus gut gemacht (vor allem für das frühe Erscheinungsjahr) gibt der Inhalt schwer zu denken – und zwar nicht, weil er dumm, lächerlich oder abstrus ist, sondern weil wir es hier mit einem Film zu tun haben, der dem NS-Regime als Propaganda diente. Anscheinend aber leider nicht vordergründig genug, um „Standschütze Bruggler“ nachhaltig zu ächten, weswegen ich ihn völlig nichtsahnend auf Amazon Prime Video gesehen habe.

Davor möchte ich alle warnen, die nicht nur aus historischem Interesse reinschauen möchten (und damit meine ich nicht das Interesse am 1. Weltkrieg, in dem der Film spielt, sondern Interesse an der Funktionsweise von Propaganda). Ausführlicher lasse ich mich in meiner Rezension zu „Standschütze Bruggler“ aus, hier möchte ich eigentlich nichts mehr dazu schreiben.


Im Reich der Amazonen

Amazons (Argentinien, 1986)

Kommen wir nach dem doch recht ernsten Einstieg in die dieswöchigen Top 5 zu den leichteren Dingen des Lebens: Unter Beteiligung von B-Movie-Legende Roger Corman kam 1986 ein später Versuch, am Erfolg der durch „Conan“ (1982) losgetretenen Schwemme der Barbaran-Filmen mitzunaschen. Weil es mich ab und zu tatsächlich nach B-Ware gelüstet, dachte ich mir: Warum nicht? Also flugs Amazon Prime Video angeworfen und „Im Reich der Amazonen“ gestartet…

Von ähnlichen Versuchen kann ich potenziellen Interessent:innen nur abraten: Dieser Film ist tatsächlich so billig gemacht, wie man vermuten könnte. Kann man darüber noch hinwegsehen, ist das bei der dünnen Handlung, den peinlichen Dialogen und der mäßigen Leistung der Darsteller:innen auch mit viel gutem Willen nicht mehr möglich. Abgesehen von der völlig vorhersehbaren Story hat der Film aber noch ein ganz anderes Problem, weswegen er heute in dieser Form auch gar nicht mehr denkbar wäre: Er dient, so scheint es jedenfalls, hauptsächlich dazu, die optischen Vorzüge der leicht bekleideten, ab und an auch mal nackten (FSK18!), Amazonen zur Geltung zu bringen. „Red Sonja“ (1985, für sich genommen ebenfalls indiskutabel) oder von mir aus auch die 1990er-Serie „Xena“ – sind Meisterwerke im Vergleich zu diesem Schund.

„Im Reich der Amazonen“ habe ich bei Amazon Prime Video gesehen, wo der Film aktuell in der Flatrate verfügbar ist.


Halloween Haunt

Haunt (USA, 2019)

Ich weiß gar nicht, wie wir früher ohne solche Filme leben konnten – man kann sich heute eine Welt ohne Slasher einfach nicht mehr vorstellen. Das Perfide ist ja, dass es selbst heute ab und an noch positive und durchaus unterhaltsame Filme dieser Art gibt. „Halloween Haunt“ gehört allerdings nicht dazu. Bei weitem nicht: Der Film erfüllt alle Klischees, was nicht zwangsweise negativ sein muss, hätte er ein vernünftiges Drehbuch, brauchbare Darsteller:innen oder wäre er auf irgend eine erdenkliche Art unterhaltsam. All das sucht man vergeblich, der Streifen ist dermaßen generisch, das es fast schon körperlich weh tut.

Einzig und allein technisch ist er passabel, wobei man von einem 2019er-Werk eigentlich nichts anderes erwartet. Das allein reicht aber nicht mal, wenn man alle Augen zudrückt, sodass den Horror-Clowns in ihrem Spukhaus ein Platz unter den Flop 5 sicher ist.

„Halloween Haunt“ habe ich bei Amazon Prime Video gesehen. Aktuell ist der Film dort nicht in der Flatrate enthalten.


Iron Sky: The Coming Race

(Finnland, Deutschland, Belgien, 2019)

Den ersten Teil der skurrilen Komödie aus Finnland fand ich durchaus witzig und erfrischend. Gleiches lässt sich über die Fortsetzung leider überhaupt nicht sagen. In meiner Rezension habe ich es so zusammengefasst: 1,5 Stunden Quatsch. Das klingt im ersten Moment vielleicht sogar positiv für eine Komödie – ist es aber nicht, denn „The Coming Race“ wirkt durch und durch angestrengt und schafft es zu keiner Zeit, den erfrischenden Charme seines Vorgängers zu versprühen. Es gibt keine richtige Handlung, es gibt keine Identifikationsfiguren, es gibt keine Message – klar, dass es dann auch keinen guten Film gibt.

Man soll ja nicht schadenfroh sein und mir hat – wie angemerkt – der erste Teil gar nicht so schlecht gefallen. Und doch konnte ich mir ein erleichtertes Aufatmen nicht verkneifen, als ich gelesen habe, dass die Firmen, die für das „Iron Sky“-Franchise zuständig sind, Konkurs anmelden mussten. So bleibt uns hoffentlich ein weiterer Ausflug auf den Monde, in die Hohlerde, nach Lemuria oder weiß der Geier wohin, erspart.

„Iron Sky: The Coming Race“ habe ich auf auf Netflix gesehen.


Fantasy Island

(USA, 2020)

Ich sage es, wie es ist: Vielleicht hätte mir dieser Film gefallen bzw. ich in irgendeiner Form Zugang zu ihm gefunden, wenn ich die gleichnamige TV-Serie aus den 1970ern gesehen hätte. Wobei ich das fast bezweifle, hatte dort doch mit Ricardo Montalbán ein Mann mit ganz spezieller Ausstrahlung die Hauptrolle. In vorliegendem Film hat niemand so etwas wie Charisma vorzuweisen, was aber sicher auch und vor allem am Drehbuch liegt.

„Fantasy Island“ versucht, so glaube ich, eine durchaus brauchbare Geschichte, irgendwo zwischen Mystery, Fantasy und Horror zu erzählen. Ein vielversprechender Ansatz, der allerdings komplett in die Hose geht. Das Drehbuch ist ein wirres Desaster, die Charakter bieten keinerlei Identifikationsmöglichkeit, die Handlung ist hanebüchen, die Auflösung zum Kopfschütteln. Eine solche Enttäuschung vor schöner Kulisse zu fabrizieren ist fast schon wieder Kunst… aber nur fast, letztlich ist und bleibt „Fantasy Island“ einfach nur ganz schlechtes Kino.

„Fantasy Island“ habe ich auf bei Amazon Prime Video gesehen. Aktuell ist der Film dort nicht in der Flatrate enthalten.


Honorable Mentions:

SpielWelt: Blair Witch


Der Film „Blair Witch Project“ hat 1999 ein ganzes Genre zu weltweiter Popularität geführt, die bis heute anhält. Innerhalb des eigenen Franchise handelte es sich jedoch um ein singuläres Ereignis: Weder die nachfolgenden Filme, noch Versuche, in anderen Medien Fuß zu fassen, waren von nachhaltigem Erfolg gekrönt. Vermutlich dauerte es nach „Book of Shadows: Blair Witch 2“ (2000) deshalb auch geschlagene 14 Jahre, bis ein weiterer Film folgte. Im Spiele-Bereich war die Wartezeit sogar noch länger: Nach einer kaum bekannten Trilogie aus dem Jahr 2000 herrschte bis 2019 Flaute.

Gesamteindruck: 3/7


Trauma-Bewältigung im Hexenwald.

Die Rechte an der „Blair Witch“-Marke liegen seit 2003 beim kanadischen Medienunternehmen Lionsgate (das hier auch als Publisher auftritt). Mit der Umsetzung vorliegenden Spiels, dessen Veröffentlichung sicher nicht zufällig in den Zeitraum des 20-jährigen Jubiläums des Franchise fällt, wurde das polnische Studio Bloober Team betraut. Diese Firma hatte speziell mit „Layers of Fear“ (2016) bereits ein Händchen für Grusel-Software bewiesen, war also eine durchaus sinnvolle Wahl. Und dennoch kann und muss man sich fragen, ob mit der prestigeträchtigen Lizenz nicht deutlich mehr möglich gewesen wäre.

Darum geht’s:
Burkittsville im US-Bundesstaat Maryland, 1996: Der neunjährige Peter Shannon ist spurlos verschwunden. Angeführt vom örtlichen Sheriff durchkämmen Suchtrupps den berüchtigten Black Hills Forest. Als Freiwilliger mit dabei: Ellis Lynch mit seinem Hund Bullet. Für den Ex-Soldaten und Ex-Polizisten gerät die Suche in den düsteren Wäldern jedoch zunehmend zu einer Reise in seine eigene, traumatische Vergangenheit…

In technischer Hinsicht gibt es wenig an „Blair Witch„, das auf der Unreal Engine 4 basiert, zu auszusetzen: Die Grafik ist gelungen und zaubert ein stets glaubwürdiges und realistisches Bild des ikonischen Black Hills Forest auf den Bildschirm. Ein kleiner Wermutstropfen: Die wenigen NPCs, vor allem aber der ständige Begleiter Bullet, fügen sich nicht ganz so gut und nahtlos in die teils recht dichte Vegetation ein. Das ist allerdings Jammern auf hohem Niveau, denn abgesehen von dieser Kleinigkeit sieht das Spiel nach wie vor sehr gut aus. Dabei helfen diverse Effekte, beispielsweise verwackelte oder verschwommene Bilder, die die jeweilige Gemütslage des Protagonisten sehr gut illustrieren.

Verdichtet wird die Atmosphäre durch das grandiose Sounddesign: Hört sich tagsüber noch alles nach einem gemütlichen Ausflug in den Wald an, ertönt nachts die unheimliche und nervenaufreibende Kulisse, die man aus dem Film kennt. Mal knackt es unheilvoll im Unterholz, mal ertönt fernes Gelächter, dann flüstern wieder geisterhafte Stimmen und versuchen, den Protagonisten (und den:die Spieler:in) in den Wahnsinn zu treiben; all das kommt unter den Kopfhörern am besten zur Geltung, vor allem auch, weil deren Stereoeffekt genutzt wird, um das Gefühl von Räumlichkeit zu verstärken. Zusätzlich gibt es Musik – und die passt sich selbstredend situativ an, ist also ein weiterer Faktor, der die Anspannung vor dem Bildschirm in lichte Höhen treibt.

Erwähnt sei aber auch, dass „Blair Witch“ mit Sicherheit nicht das unheimlichste Spiel aller Zeiten ist (in Sachen Terror zieht es beispielsweise gegenüber „Outlast“, 2013, klar den kürzeren). Bedrohlich ist die Stimmung jedoch allemal, was letzten Endes sogar dazu führt, dass man eine echte Bindung zu seinem tierischen Gefährten Bullet aufbaut. Der Schäferhund lässt sich z. B. füttern und streicheln, was – so absurd es klingt – nicht nur dem Protagonisten, sondern auch dem:der Spieler:in emotional gut tut. Leider funktioniert die KI des Begleiters nicht so, wie ich mir das gewünscht hätte – eine nette Idee zur Erhöhung der Immersion ist Bullet aber allemal. Eines möchte ich in Sachen Technik im Übrigen nicht verhehlen: Das Spiel ist bei mir ein paar Mal öfter abgestürzt, als man es von modernen Programmen eigentlich kennt. Mitunter ist das ziemlich lästig, wenn es kurz vor einem der automatischen Speicherpunkte passiert.

Ein unheimlicher Waldspaziergang.

Was die Mechanik betrifft, würde ich „Blair Witch“ in die Riege der Walking Simulator einordnen – „The Vanishing of Ethan Carter“ (2014) ist ein Beispiel für eine naheliegende Referenz, was Aussehen und Feeling betrifft. Es gibt zwar gelegentlich Action-Sequenzen, in denen man versuchen muss, namenlosen und kaum sichtbaren Monstern entweder zu entkommen oder sie mit der Taschenlampe zu vertreiben, allzu oft kommt das aber nicht vor. Das eine oder andere Rätsel ist ebenfalls zu lösen, die dafür notwendige Hirnkapazität hält sich freilich in Grenzen. Das originellste Hilfsmittel ist übrigens ein „magischer“ Camcorder, mit dessen Hilfe sich z. B. gewisse Situationen durch Zurückspulen einer Kassette auflösen lassen.

Außerdem im Inventar: Ein für die 1990er typisches Handy, komplett mit dem damaligen Spiele-Hit „Snake“ und ein Walkie-Talkie. Diese Gegenstände dienen aber vorwiegend der Atmosphäre bzw. dem Erzählen der Hintergrundgeschichte und haben wenig Relevanz für die Lösung des Spiels. Sterben kann man ab und an, eine Katastrophe ist das allerdings nicht, weil man beliebig oft am letzten der großzügig verteilten Speicherpunkte neu starten kann. Und so bahnt man sich den Weg immer tiefer in einen gefühlt sehr großen Wald, merkt aber recht bald, dass es mit der Bewegungsfreiheit nicht so weit her ist. Immer wieder stößt man an unsichtbare Grenzen und fast in jedem Areal ist schnell klar, wohin das Spiel den Protagonisten lotsen möchte. Unterbrochen wird das Geschehen immer wieder durch merkwürdige Ereignisse und unheimliche Begegnungen, die die Handlung zusätzlich zur Lösung der Rätsel vorantreiben und so nach und nach die Geschichte des Protagonisten selbst enthüllen.

Thema verfehlt?

Alles, was ich bisher geschrieben habe, würde ich durchaus im Haben vermerken. Warum „Blair Witch“ dennoch nicht höher punkten kann, ist schnell erklärt: Das Spiel nimmt schlicht und einfach viel zu wenig Bezug auf den Mythos, der ihm seinen Namen gibt. Heißt: Es befasst sich vorwiegend mit den Traumata, die sich Ellis Lynch im Krieg zugezogen hat. Darauf wird immer wieder Bezug genommen, während die Hexen-Thematik fast völlig außen vor bleibt und hauptsächlich als Auslöser für die Halluzinationen (?) des Helden dient.

So kommt es dann auch, dass eindeutige Referenzen – darunter die typischen Strohmännchen oder gefundene Fotos, die an die Endsequenz des Films erinnern – regelrecht aufgesetzt wirken. Es ist, als hätte der Entwickler seit längerer Zeit an einem Spiel rund um einen traumatisierten Kriegsveteranen gebastelt. Und dann, als Lionsgate ein „Blair Witch“-Abenteuer in Auftrag gab, nicht von vorne begonnen, sondern alles, was da war, notdürftig in das gewünschte Korsett gezwängt. Kann man freilich machen; wer aber langjähriger Fan des Franchise ist, wird ziemlich sicher enttäuscht sein. Oder, ganz einfach ausgedrückt: Es ist zu wenig Blair Witch in „Blair Witch“. Das Spiel ist übrigens nach knapp 6 Stunden vorbei, was einerseits nicht gerade üppig ist, andererseits hätte ein größerer Umfang wohl für ordentliche Längen gesorgt und die Bewertung weiter gedrückt. Zwei verschiedene Endsequenzen sollen möglich sein, aus dem Spiel heraus wird aber nicht so ganz klar, welche Entscheidungen dafür verantwortlich sind.

Fazit: Technisch gut, inhaltlich durchwachsen.

Mit „Blair Witch“ legen Bloober Team ein technisch, optisch und akustisch nahezu einwandfreies Werk vor. Ob dennoch ein schaler Nachgeschmack bleibt, hängt wohl vor allem vom persönlichen Werdegang ab: Wer das Franchise nicht seit den 1990ern verfolgt hat, wird sich kaum daran stören, dass das Spiel nicht so viel mit der Legende um die Hexe von Blair zu tun hat, wie man sich erhofft hätte. Ich persönlich hatte hingegen genau aus diesem Grund das ständige Gefühl von „hier fehlt eindeutig etwas“. Kompensiert hätte das vielleicht durch einen spannenderen Nebenplot werden können – leider gibt es aber auch hier nichts zu beschönigen: Was das Trauma des Protagonisten ist, bekommt man recht schnell mit; in weiterer Folge kann man auch ganz gut antizipieren, wohin sich die Handlung entwickelt und was die Flashbacks zu bedeuten haben.

Wenn ich ein Wort finden müsste, das „Blair Witch“ beschreibt, würde ich zu „seicht“ tendieren. Aufgrund der passenden und fast durchgängig starken Atmosphäre gibt es dennoch 3 Punkte; wer es schafft, das „Blair Witch“-Label auszublenden, kann gerne einen oder sogar zwei Zähler addieren.

Gesamteindruck: 3/7


Genre: Adventure / Walking Simulator
Entwickler:
Bloober Team
Publisher: Lionsgate Games
Jahr:
2019
Gespielt auf: PC


Screenshots aus „Blair Witch“ – Copyright beim Entwickler!

FremdWelt: Die 5 BESTEN am DONNERSTAG

Seit langem freue ich mich jede Woche auf „Die 5 BESTEN am DONNERSTAG“ von Gina (Passion of Arts). Und natürlich auf die entsprechenden Beiträge auf Blogs, denen ich folge. Mit Anfang 2023 habe ich mich entschlossen, auch mitzumachen. Ob und wie regelmäßig ich es schaffe, wird sich weisen – ich bin jedenfalls wild entschlossen!


Die 5 BESTEN Serien, die ich 2022 gesehen habe

Vergangene Woche hatten wir ja die 5 besten Filme 2022 am Start und es war schwer, weil ich so fleißig am Abbau meiner Watchlist gearbeitet hatte. Bei den Serien dachte ich zunächst, es wäre umgekehrt gewesen und ich hätte 2022 zu wenig gesehen, um überhaupt eine 5er-Liste hinzubekommen. War dann aber doch ganz anders und ich musste erneut eine recht harte Auswahl treffen. Ein paar honorable mentions gibt’s zum Schluss auch. Zunächst aber meine Top 5 (ohne Reihung):

  • Die Discounter (Staffeln 1 & 2)
  • Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht (Staffel 1)
  • House of the Dragon (Staffel 1)
  • Sandman (Staffel 1)
  • The Silent Sea (Staffel 1)

Die Discounter (Staffeln 1 & 2)

Vorab: Ich halte „Stromberg“ (2004-2012) für eine der besten deutschen Serien aller Zeiten. Mir ist natürlich klar, dass es dafür mit „The Office“ (2001-2003) eine Vorlage gibt – das ändert aus meiner Sicht aber nichts am völlig eigenständigen Charakter von „Stromberg“, das ich tatsächlich für die gelungenere Variante halte. Was das mit „Die Discounter“ zu tun hat? Ganz schön viel, denn auch in der 2021 gestarteten Mockumentary beobachten wir ganz normale Menschen in ihrem Arbeitsalltag in einem fiktiven Supermarkt „Feinkost Kolinski“ in Hamburg. Es gibt also keine Handlung im eigentlichen Sinne, die Serie stellt im Wesentlichen Alltagssituationen dar, die jedem:jeder von uns so oder so ähnlich beim täglichen Einkauf begegnen können. Überspitzt und teils vollkommen absurd – aber nie komplett abwegig und (fast) immer saukomisch. Die einzelnen Folgen dauern übrigens nur 15 bis 20 Minuten, man kann die bisher erschienen zwei Staffeln damit praktisch in einem Rutsch wegbingen, wenn man möchte.

Grundsätzlich muss man freilich etwas mit dem Mockumentary-Format anfangen können, um überhaupt reinzukommen. Für „Stromberg“-Fans ist das keine Hürde, ob es für eine breitere Masse ein Problem darstellt, wage ich nicht zu beurteilen. Ganz kommt „Die Discounter“ übrigens nicht an das Vorbild heran: Der Humor ist hier deutlich pubertärer (was aber zum Alter der meisten Protagonist:innen passt) und die Einbindung des Kamerateams ist nicht immer gelungen bzw. findet viel zu selten statt. Davon abgesehen: Daumen hoch und eine klare Empfehlung für alle Genre-Fans!

Aufmerksam auf die Serie bin ich übrigens über den besten (und wahrscheinlich einzigen) „Stromberg“-Podcast geworden: „Capitol Intern – Die Akte Stromberg“. Auch hierfür gibt es eine klare Empfehlung meinerseits!

„Die Discounter“ habe ich auf Amazon Prime Video gesehen. Aktuell sind zwei von zwei Staffeln in der Flatrate verfügbar.


Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht (Staffel 1)

The Lord of the Rings: The Rings of Power

An dieser 2022 gestarteten Serie führt für Fantasy-Fans natürlich kein Weg vorbei. Unglaublich gehyped, waren unter Tolkien-Fans die Befürchtungen natürlich groß: Würden die verantwortlichen bei Amazon das Erbe des Meisters mit dem nötigen Respekt behandeln? Oder würden sie der Versuchung erliegen, den alt-ehrwürdigen Stoff ohne Rücksicht auf Verluste an ein junges Publikum und seine Sehgewohnheiten anzupassen?

Meiner Einschätzung nach wurde der nahezu perfekte Mittelweg gefunden: „Die Ringe der Macht“ fühlt sich tatsächlich wie eine moderne Serie an, deren Tonalität und Erzählweise klar an den Genre-Platzhirsch „Game of Thrones“ (2011-2019) erinnert. Und ja, auch dort hatten diejenigen, die die literarische Vorlage kannten, ähnliche Befürchtungen – wenngleich das bei „Ringe der Macht“ nochmal eine andere Nummer ist, auch wegen der bisherigen Verfilmungen des Tolkien-Stoffs. Wie dem auch sei: Der Serie ist es gelungen, meine Erwartungen zu übertreffen, ich finde es einfach großartig, was bisher aus dem doch recht dünnen Abschnitt des „Silmarillion“, in dem diese Geschichte erzählt wird, gemacht wurde. Klar: Hier wird vieles hinzugedichtet. Das aber (fast) immer mit Augenmaß und Blick auf die Lore.

„Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht“ habe ich auf Amazon Prime Video gesehen. Aktuell ist die erste und bisher einzige Staffel in der Flatrate verfügbar.


House of the Dragon (Staffel 1)

Im Endeffekt kann man hier das Gleiche sagen, das auch für „Die Ringe der Macht“ gilt: Glücklicherweise ist es den Verantwortlichen gelungen, den Spagat zwischen einer modernen Serie und den gerade im Fantasy-Bereich liebgewonnenen Traditionen und Konventionen zu schaffen.

„House of the Dragon“ ist für sich allein schon sehr gut, sieht man es als das, was es ist – nämlich als Prequel zu „Game of Thrones“ – entfaltet die Serie aber erst so richtig ihr Potenzial: An allen Ecken und Enden gibt es Hinweise auf spätere Ereignisse und Verwicklungen. Vor allem aber ist es geglückt, den Werdegang einer Familie, die im Kontext des Werkes eigentlich gar nichts Sympathisches haben dürfte, so nachzuzeichnen, dass man trotz aller Merkwürdigkeiten nicht umhin kommt, eine Beziehung zu den Charakteren aufzubauen. Ein interessantes Gefühl, vor allem dann, wenn man weiß, wie es mit dem Haus des Drachens weitergehen und enden sollte.

„House of the Dragon“ habe ich auf bei Sky gesehen. Aktuell ist dort die erste und bisher einzige Staffel verfügbar.


Sandman (Staffel 1)

The Sandman

Kann man mit Neil Gamain etwas falsch machen? Ich denke nicht. Aus der Feder des Briten stammt unter anderem auch die Vorlage für diese Serie: Eine Graphic Novel (1989-1996), die insgesamt über 2.000 Seiten umfasst. Nun, ich habe keine Ahnung, ob dieses Original etwas kann (bisher ist es mir noch nie gelungen, zu jener Kunstform Zugang zu finden), ich weiß aber, dass vorliegende Adaption sehr stark ist und auch ohne Kenntnis der Vorlage super funktioniert.

Beim titelgebenden Sandmann handelt es sich übrigens um Morpheus, den Gott des Schlafes – er ist also nicht mit dem gleichnamigen Super-Schurken zu verwechseln, der gelegentlich in Marvel-Comics auftritt. In Staffel 1 der Serie erleben wir, wie Morpheus aus langer Gefangenschaft befreit wird und versucht, den Schaden zu beheben, den seine Abwesenheit in der realen und der Traumwelt hinterlassen hat. Ob „Sandman“ wirklich jedem:jeder gefällt, wage ich trotz großen Erfolgs ein wenig zu bezweifeln: Man muss schon ein gewisse Faible für Mythologie haben und darf sich nicht an düsteren und schwermütigen Figuren stören, um diese Serie genießen zu können. Mir hat das alles jedoch sehr gut gefallen, daher sehe ich keinen Grund, „Sandman“ nicht zu meinen Top 5 zu zählen.

„Sandman“ habe ich auf auf Netflix gesehen. Aktuell ist dort die erste und bisher einzige Staffel verfügbar.


The Silent Sea (Staffel 1)

고요의 바다

Ich denke, die koreanische SciFi-Mystery „The Silent Sea“ war die erste Serie, die ich 2022 gesehen habe (sie wurde Weihnachten 2021 veröffentlicht). Ich habe eine Vorliebe für quasi-realistische Science Fiction, die noch während unserer Lebzeiten wahr werden könnte. Und so hat mich der Trailer sofort gepackt und ich habe es nie bereut, obwohl die Serie im Laufe der Handlung durchaus übernatürliche Mystery-Elemente hinzufügt. Die fügen sich aber gut ein, ebenso das für eine moderne Serie typische Drama. Vor allem aber das Setting der engen, mal technisch-kalt, dann wieder unheimlich und bedrohlich wirkenden Mondbasis ist eines, das man in dieser Intensität schon länger nicht mehr genießen durfte.

Auszusetzen habe ich eigentlich nichts an „The Silent Sea“ – abgesehen vom Finale und der Ungewissheit, ob und wie es weitergehen wird. Ich würde mir jedenfalls mehr davon wünschen!

„The Silent Sea“ habe ich auf auf Netflix gesehen. Aktuell ist dort die erste und bisher einzige Staffel verfügbar.


Honorable Mentions:

SpielWelt: AI War: Fleet Command


Es gibt Spiele, die zunächst so unspektakulär aussehen, dass man sie ohne große Erwartungen installiert. Und ehe man sich’s versieht, hat man über 100 Stunden investiert und schafft es kaum, sich davon zu lösen. „AI War: Fleet Command“ (2009, von der mir völlig unbekannten US-Firma Arcen Games) ist so ein Fall: Nach wie vor kann ich nicht fassen, wie viel Zeit ich in dieses so minimalistisch anmutende Programm gesteckt habe.

Gesamteindruck: 6/7


Minimalismus mit Tiefgang.

Auf den ersten Blick scheint der Fall klar zu sein: „AI War“ sieht aus wie typische, staubtrockene Weltraum-Strategie. Wobei „typisch“ wohl nicht der richtige Ausdruck ist, denn was das kleine US-Studio Arcen Games hier vorlegt, ist speziell grafisch noch einmal deutlich reduzierter als fast alles, das aus dem Genre kennt: Stationen und Einheiten sind wenig mehr als Symbole, Planeten höchstens zweckmäßig dargestellt und vieles, das darüber hinausgeht – z. B. die Forschung – meist eine Kombination aus Texten und ein paar Buttons. Das gilt übrigens auch für die Story, die kaum der Rede wert ist und für deren Präsentation ein kurzer Lauftext reicht.

Darum geht’s:
In einem furchtbaren intergalaktischen Krieg hatten die Kontrahenten nur eine Möglichkeit gesehen, die Oberhand zu gewinnen: Sie hatten jeweils eine künstliche Intelligenz geschaffen, die helfen sollte, die gegnerische Partei zu vernichten. Doch es kam, wie es kommen musste: Die KIs lernten, wurden immer mächtiger und übernahmen schließlich die Kontrolle. Immerhin hatte diese Tragödie, der Millionen zum Opfer fielen, auch einen positiven Effekt: Zurückgedrängt auf ein letztes Refugium stellten die Menschen ihre kleinlichen Streitereien hintan und starteten – endlich vereint – den verzweifelten Versuch, die Galaxis zurückzuerobern…

Die Hintergrundgeschichte ist letztendlich nebensächlich: Ob die Menschheit nun gegen sich selbst Krieg führt, von Außerirdischen angegriffen wird oder die Technik sich gegen ihre Schöpfer wendet, spielt am Ende keine allzu große Rolle. Zumal die Handlung in vorliegendem Fall im Laufe der Kampagne in keiner Form vorangetrieben wird; es gibt keine Story-relevanten Zufallsereignisse, keine Zwischensequenzen, wenn sich beispielsweise das Kriegsglück wendet und auch sonst sieht man den Fortschritt im Spiel hauptsächlich an den – je nach aktuellem Besitzer – unterschiedlich eingefärbten Sternensystemen. Und doch (oder gerade deshalb?) reicht diese minimalistische Herangehensweise, um ein spannendes Erlebnis zu generieren, das sich allerdings weitgehend im Kopf des:der Spieler:in abspielt. Und noch eines macht die knappe Story: Sie bereitet optimal auf ein Setting vor, in dem man von Anfang bis Ende unterlegen ist und schwer zu kämpfen hat.

Die Technik: Weniger ist (manchmal wirklich) mehr.

Zuerst möchte ich kurz auf die Technik eingehen. Die Optik ist auf den Screenshots deutlich zu erkennen: Es dominieren in der Standard-Ansicht neben dem recht schönen Hintergrund vor allem Symbole, die für Einheiten und Basen stehen. Man kann zwar auch ganz nahe heranzoomen und sieht dann z. B. ein Raumdock im Detail – ein grafisches Wunder darf man sich davon allerdings nicht erwarten. Zumal man ohnehin selten in die Verlegenheit kommt, wirklich so dicht ran zu müssen, auch weil so natürlich die in fast allen Situationen dringend nötige Übersicht verloren geht. Der Minimalismus endet hier aber nicht: Die Bedienung erfolgt über eine Mischung aus Symbolleisten und Menüs; erstere haben das Problem, nicht gerade intuitiv zu sein, letztere bestehen aus Texten und Tabellen. Und zwar ausschließlich, so etwas wie Bilder oder gar nur Schmuckgrafiken gibt es nicht.

Die Optik ist also ziemlich trocken und erleichtert die eh schon komplexe Bedienung, die neben der Maus und ihren Tasten auch von zahlreichen Keyboard-Kommandos Gebrauch macht, mitnichten. Die einzige Auflockerung ist genau genommen der Sound: Während die Effekte praktikabel sind und weder positiv noch negativ herausstechen, muss ich die Musik ausdrücklich loben; tatsächlich wirkt die hervorragende und qualitativ hochwertige musikalische Untermalung fast schon wie ein Fremdkörper, denn intuitiv hätte ich mit Blick auf Optik und Spielbarkeit darauf gewettet, dass „AI War“ mit ein paar Geräuschen und leichtem Ambient-Sound auskommt. Wobei: Viele Stücke enthält der Soundtrack nicht, gut ausgewählt sind sie dennoch. Und vor allem haben sie mich auch in den vielen Stunden, die ich mit dem Spiel verbracht habe, nie genervt (das mag bei noch längeren Sessions anders sein, ein Urteil darüber steht mir allerdings nicht zu).

Zur Spieldauer ist zu sagen, dass man für eine typische Kampagne laut Dokumentation zwischen 10 und 20 Stunden benötigt. Das kann ich nicht so richtig einschätzen – ich habe zwar deutlich mehr Zeit mit dem Spiel verbracht, bin dabei aber nur ein einziges Mal komplett durchgekommen. Der Grund dafür ist die überaus steile Lernkurve, die bei mir anfangs diverse Neustarts – gern auch mal nach einigen Stunden Spielzeit – notwendig gemacht hat; das alles auf einem relativ niedrigem Schwierigkeitsgrad, wohlgemerkt. Was man als Neuling also definitiv mitbringen sollte: Jede Menge Zeit und Frustresistenz, denn die schlichte Optik täuscht im ersten Moment darüber hinweg, dass wir es hier mit einem beinharten Strategiespiel zu tun haben.

Bevor wir nun in medias res gehen noch eine technische Besonderheit: Beim Aufsetzen einer Partie stellt man direkt fest, dass „AI War“ offenbar vorwiegend auf den Multiplayer-Modus ausgelegt ist. Interessanterweise aber nicht in der naheliegenden Jeder-gegen-Jeden-Variante, sondern als kooperative Version. Heißt: Es gibt IMMER zwei KIs, die besiegt werden müssen, um die Partie zu gewinnen – entweder im Alleingang oder gemeinsam im Verbund mit menschlichen Mitspieler:innen. Ausprobiert habe ich das nicht (ich weiß auch nicht, ob das heute überhaupt noch möglich ist), erwähnenswert scheint es mir aber zu sein, weil es doch eine recht unübliche Herangehensweise an das Genre sein dürfte.

Wie spielt es sich denn nu‘?

Kann man etwas nicht einordnen, sucht man ja immer eine Referenz. In vorliegenden Fall nicht ganz einfach, aber ich versuche es mal: Das Spielgefühl und die Mechaniken von „AI War“ erinnern mich am ehesten an die „Master of Orion 2: Battle at Antares“ (1996), in dem es ebenfalls in großer Detailtiefe darum geht, durch geschicktes Taktieren und Forschen eine komplette Galaxis zu erobern. Das kann aber nur ein grober Anhaltspunkt sein, denn die Unterschiede – auch zu anderen, ähnlich gelagerten Spielen – sind bei genauer Betrachtung recht groß. Ein Beispiel: In „AI War“ startet man als Spieler:in mit einem Sternensystem (in manchen Einstellungen sind auch drei möglich), was per se natürlich nicht ungewöhnlich ist. Allerdings ist der Rest der Galaxie, die aus weit über 100 Systemen bestehen kann, komplett in Feindeshand, sprich: Die Ausweitung des eigenen Territoriums ist von Anfang an mit Kampf verbunden (Diplomatie gibt es nicht, aber wie soll auch mit einem Computer verhandelt werden…). Ziel ist es, die gegnerischen Heimatplaneten zu erobern. Das sind, wie oben angedeutet, immer zwei, besetzt von jeweils einer künstlichen Intelligenz (englisch übrigens Artificial Intelligence, daher der Name des Spiels). Speziell auch: Um zu gewinnen, muss man theoretisch NUR diese beiden Planeten erobern, alles dazwischen ist optional. Und das sollte man durchaus beherzigen, denn wer unbedingt die gesamte Karte einnehmen möchte, wird sein blaues Wunder erleben (siehe nächster Absatz).

Wer ähnliche Werke kennt, wird versucht sein, so schnell wie möglich eine Streitmacht aufzubauen und direkt loszustürmen. Das ist anfangs eine durchaus valide Taktik – bis man irgendwann merkt, dass sie auf lange Sicht nicht zum Erfolg führt. Denn „AI War“ setzt auf eine sehr spezielle Art von KI, in der der Computer die Strategien seines:seiner menschlichen Kontrahent:in analysiert und darauf reagiert – je nach Schwierigkeitsgrad heftiger oder (etwas) milder. Zumindest behauptet Entwickler Arcen Games, dass es so funktioniert; ich bin angesichts meiner Erfahrungen mit dem Spiel nicht geneigt, dem zu widersprechen. Die Folge: Ist man extrem aggressiv, kann man sich darauf einstellen, dass man nach einigen recht einfachen Eroberungen mit voller Härte von mehreren Seiten gleichzeitig angegriffen wird. Bei der Einschätzung ob und wann es soweit ist, helfen diverse Anzeigen, darunter vor allem der AIP (= Artificial Intelligence Progress), der die Weiterentwicklung der KI angibt und das Thread Level, das anzeigt, wie bedroht sich der Gegner fühlt. Beides erhöht sich durch fast alle Aktionen gegen die KI und kann nur von ganz wenigen gesenkt werden. Man ist also gut beraten, möglichst unauffällig und unsichtbar zu bleiben, während man gleichzeitig vorankommen muss, was wiederum nicht völlig ohne Kollateralschäden geht.

In der Konsequenz fühlt sich ständig unter Zugzwang und im Zweifel, ob man den nächsten Planeten nun erobern soll oder ihn überspringt. Das ist, wie angedeutet, nicht nur möglich, sondern oft sogar notwendig, lässt aber diverse feindliche Basen im eigenen Rücken stehen, was wiederum ein überaus ungutes Gefühl ist. Einfach nichts zu tun oder extrem langsam vorzugehen ist übrigens auch problematisch, denn der AIP steigt mit der Zeit ganz von selbst mit durchaus unerfreulichen Folgen. Dazu kommt ständiger Rohstoffmangel, eine begrenzte Anzahl an Schiffen, die gebaut werden können und die endliche Ressource „Wissen“, die zur Erforschung besserer Einheiten nötig ist und die man nur steigern kann, indem man feindliche Planeten erobert, was wiederum obige Konsequenzen nach sich zieht. Über einen verzweigten Forschungsbaum verfügt „AI War“ indes leider nicht; aufgrund der allgemeinen Komplexität wäre das aber wohl zu viel des Guten gewesen.

Zwei weitere Komponenten machen das Spiel – neben diversen kleineren Dingen – noch einmal deutlich schwieriger als manchen Genre-Genossen. Erstens: Hat man sich zum Angriff entschlossen und eine hoffentlich ausreichend große Streitmacht versammelt, springt man ins Zielsystem und leitet das in pausierbarer Echtzeit ablaufende Gefecht. Die Krux daran: Im Extremfall treffen tausende Einheiten aufeinander, die theoretisch einzeln gesteuert werden könnten. Das ist freilich nicht praktikabel, weswegen das Spiel hier sehr gut und intelligent unterstützt – dennoch sollte man diesen Part nicht unterschätzen und überlegt es sich tatsächlich dreimal, bis man den Sprung wirklich wagt. Randnotiz: Man kann in „AI War“, wenn man es wirklich will, alles mikro-managen. Sinnvoll ist das allerdings nicht, das Spiel verfügt glücklicherweise über eine recht breite Möglichkeit an Automations-Stufen, die man dringend nutzen sollte, um Kopf und Hände für wichtigere Aufgaben frei zu haben.

Zweitens verfügt „AI War“ über eine weitere für derartige Spiele recht ungewöhnliche Mechanik: Die KI ist nicht nur schlau, was die Verteidigung ihrer Positionen betrifft, sondern insbesondere beim (Gegen-)Angriff überaus gefährlich. Daher ist man gezwungen, frontnahe Systeme schwer zu befestigen, was wiederum ein Ressourcenproblem darstellt: Eigentlich möchte man seine Schiffe ja für Angriffe nutzen, aber in besonders umkämpften Gebieten reichen stationäre Verteidigungsanlagen häufig nicht aus. Es bleibt also gar nichts anderes übrig, als eine Garnison zu stationieren, deren Schiffe dann freilich bei eigenen Angriffen fehlen mögen. Das hat etwas von Tower Defense, vor allem ist es neben den genannten Faktoren aber ebenfalls dazu geeignet, den:die Spieler:in in ständiger Angst zu halten; zumal es durchaus passieren kann, dass man seine Hauptflotte gerade zum Angriff auf einen Planeten führt, während am entgegengesetzten Ende des eigenen Territoriums die KI angreift. Solche Situationen kommen relativ häufig vor, wodurch das Spiel anfallsartig in puren Stress ausarten kann, wenn man nicht vorab klug gebaut und antizipiert hat. Generell dehnen sich die Fronten im Spielverlauf immer weiter aus, was zwar ein Indikator für den eigenen Erfolg, gleichzeitig aber immer schwerer zu verteidigen ist.

Fazit.

Ich denke, damit habe ich die technischen Besonderheiten und wichtigsten Mechaniken einigermaßen umrissen – ob „AI War“ dem eigenen Gusto entspricht, wird letzten Endes wohl nur durch Ausprobieren zu entscheiden sein. Wobei genau das ein Problem darstellen kann: Hätte ich nur ein oder zwei (oder 10) Stunden mit dem Spiel verbracht, hätte ich wohl keine Empfehlung aussprechen können. So hoch ist die Hürde, die es zu überspringen gilt, bis „AI War“ sich nicht mehr wie Arbeit anfühlt. Wobei es natürlich auch eine Frage der persönlichen Präferenz und Erfahrung ist: Mich hat das Spiel mehrere Stunden vor allem frustriert, meine Erfahrung sagte mir jedoch, dass sich irgendwo unter all diesem Aufwand ein überaus lohnendes Erlebnis versteckt. Und genau so war es dann auch, zumindest in meinem Fall.

Im Endeffekt würde ich „AI War“ allen, die mit Spielen wie „Master of Orion“ oder „Civilization“ etwas anfangen können, dabei aber nicht zu viel Wert auf die Präsentation legen, empfehlen. Schafft ihr es, euch soweit einzuarbeiten, dass die Bedienung halbwegs automatisch klappt und ihr die grundlegenden Mechaniken einigermaßen kapiert, erwartet euch ein reichhaltiges und tiefgehendes Strategiespiel. Allen, für die das nach mühseliger und aufreibender Kleinarbeit klingt, sei hingegen geraten, es mit einem etwas zugänglicheren Programm zu versuchen – davon gibt es ohnehin die deutlich größere Auswahl.

Gesamteindruck: 6/7


Genre: Strategie
Entwickler:
Arcen Games
Publisher: Arcen Games
Jahr:
2009
Gespielt auf: PC


Screenshots aus „AI War: Fleet Command“ – Copyright beim Entwickler!

Fremdwelt: Die 5 BESTEN am DONNERSTAG

Seit langem freue ich mich jede Woche auf „Die 5 BESTEN am DONNERSTAG“ von Gina (Passion of Arts). Und natürlich auf die entsprechenden Beiträge auf Blogs, denen ich folge. Mitmachen wollte ich schon länger – aber immer kam mir „etwas“ dazwischen (was freilich nichts anderes als eine Ausrede für meine Faulheit ist). Aber jetzt ist es endlich soweit – das Jahr 2023 hat vor wenigen Tagen begonnen – und ich steige mit ins Geschehen ein. Welcher Zeitpunkt wäre auch besser dafür geeignet…


Die 5 BESTEN Filme, die ich 2022 gesehen habe

Gleich zum Einstieg gilt es also, eine harte Nuss zu knacken. Ich habe im abgelaufenen Jahr zwar ungewöhnlich brav an meiner gefühlt unendlich langen Watchlist gearbeitet – dabei aber auch eine Menge mittelprächtiger und sogar richtig schlechter Streifen gesehen. Naja, so geht es wohl jedem:jeder von uns… Lirum, larum, hier sind „meine“ Filme (ohne Ranking), darunter noch ein paar Worte zu jeder Nominierung sowie – ganz unten – 5 honorable mentions:

  • Star Trek II: Der Zorn des Khan
  • GoodFellas – Drei Jahrzehnte in der Mafia
  • Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford
  • The King’s Choice: Angriff auf Norwegen
  • Beyond the Infinite Two Minutes

Star Trek II: Der Zorn des Khan (1982)

Star Trek II: The Wrath of Khan

Alle paar Jahre muss es sein: „Star Trek“ von A bis Z, heißt: Alle Filme und viele Serien-Folgen gucken. So war es auch 2022 wieder – und nach wie vor bin ich der Meinung, dass „Star Trek II“ ganz großes Kino ist. Dieses Niveau hat das Franchise in filmischer Hinsicht nie wieder erreicht, lediglich mit „Star Trek VI: Das unentdeckte Land“ (1991) war man noch einmal nahe dran. Genau genommen hat „Der Zorn des Khan“ eine Fortsetzung der Marke nach dem sehr zwiespältig aufgenommenen „Star Trek: Der Film“ (1979) wohl überhaupt erst ermöglicht.

Aber auch unabhängig davon hat vorliegendes Werk einfach alles, was man sich wünschen kann: Action, Spannung, Drama, eine Prise Humor, bestens aufgelegte Hauptdarsteller – und einen Bösewicht, dessen Ausstrahlung bis heute ihresgleichen sucht. Letzteres meiner Ansicht nach übrigens nicht nur in „Star Trek“: Mit seinem sehr speziellen Charisma hebt sich Ricardo Montalbán als Khan bis heute stark vom Gros der übrigen Kino- und TV-Schurken ab.

GoodFellas – Drei Jahrzehnte in der Mafia (1990)

Goodfellas

Zu dieser Nominierung gibt es wohl nicht mehr viel zu sagen – seit Ewigkeiten auf meiner Watchlist habe ich es 2022 endlich geschafft, mich diesem Epos von Martin Scorsese zu widmen. Was für ein Film – und was für eine Dekonstruktion des Mafia-Mythos, dem hier jegliche Romantik genommen wird. Die Charaktere sind fast durchgängig unsympathisch, äußerst brutal und haben nichts an sich, das einem normalen Menschen nachahmenswert scheint (was bei thematisch ähnlich gelagerten Filmen ja häufig ganz anders ist).

Großartig besetzt, grandios gespielt, hart und glaubwürdig inszeniert – viel mehr kann man hier in der gebotenen Kürze eigentlich nicht anmerken. Ansehen!

Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford (2007)

The Assassination of Jesse James by the Coward Robert Ford

Zugegeben: Man braucht Geduld und ein Faible für eine ruhige Erzählweise, um diesem Epos von Andrew Dominik etwas abgewinnen zu können. In wunderschönen, aber auch sehr ausschweifenden Bildern zeigt der Regisseur die letzte Phase des Lebens von Jesse James, einem der bekanntesten Banditen des Wilden Westens. In den Hauptrollen brillieren Brad Pitt (Jesse James) und Casey Affleck (Robert „Bob“ Ford), letzterer vollkommen zu Recht für einen Oscar nominiert.

Man darf hier aber keinen klassischen Western erwarten, es handelt sich vielmehr um ein Drama, das den Mythos um Jesse James, der bereits zu dessen Lebzeiten völlig aus dem Ruder gelaufen war, entzaubert und dekonstruiert: So ist die Faszination, die der gestandene Bandit auf den unbedarften Ford, den man heute als wohl als Fanboy oder Groupie bezeichnen würde, ausübt, anfangs noch verständlich. Bald stellt sich allerdings heraus, dass der brutale und hinterhältige James ganz und gar nicht so ist, wie er nach der Lektüre diverser Groschenromane erwartet hat. Überaus bedrohlich inszeniert.

The King’s Choice: Angriff auf Norwegen (2016)

Kongens nei

Norwegen und der 2. Weltkrieg? In meiner naiven Vorstellung war das immer ein relativ kurzes Kapitel: Das nationalsozialistische Deutschland eroberte den skandinavischen Staat sozusagen im Handstreich, bis Kriegsende blieb eine Besatzungsmacht zurück und die Rohstoffe des Landes wurden ausgebeutet. Später wurde mir mit wachsendem Interesse an historischen Zusammenhängen im Allgemeinen und meiner Lieblingsdestination Norwegen im Speziellen, klar, dass die Invasion nicht so glimpflich abgelaufen war – allein die Versenkung des Schweren Kreuzers „Blücher“ mit über 1.000 Toten war eine schwere Niederlage für die deutsche Seite. Dieses Ereignis kommt in „The King’s Choice“ (im norwegischen Original viel treffender als „Kongens nei“, also „Das Nein des Königs“, betitelt) am Rande vor.

Im Wesentlichen dreht sich der Beitrag allerdings um die politischen Implikationen, die das deutsche Ultimatum für Norwegen hatte: Der beim Volk sehr beliebte König Hakon VII. lehnte die Forderung nach der Einstellung des Widerstandes und der Einsetzung eines nationalsozialistischen Ministerpräsidenten mit einem klaren „Nein!“ ab und stellte gleichzeitig seine Abdankung in den Raum. Nie zuvor oder danach in der Geschichte hatte sich ein norwegischer Monarch derart in die Politik seines Landes eingemischt.

Beyond the Infinite Two Minutes (2020)

ドロステのはてで僕ら

Vermutlich die überraschendste Nominierung: Bei diesem japanischen Beitrag (Laufzeit ca. 70 Minuten) handelt es sich um einen höchst unterhaltsamen Beitrag zum Thema Zeitreise. Weitgehend mit Handkameras gefilmt, werden wir Zeuge, wie ein vollkommen durchschnittlicher Typ entdeckt, dass zwischen seiner Wohnung im 1. Stock und dem Café darunter eine Zeit-Differenz von genau zwei Minuten besteht. Über einen Computerbildschirm schicken er und seine Freunde sich selbst diverse Nachrichten und versuchen, herauszufinden, wie aus dieser Sache Kapital zu schlagen wäre.

Es ist mir schlicht nicht möglich, die Faszination dieses Films in Worte zu fassen. Technisch wirkt alles sehr amateurhaft, gleiches gilt für die Schauspieler:innen, die teilweise sehr merkwürdig agieren. Und doch – allein, wie hier gefilmt wurde (es entsteht der Eindruck, es gäbe keinen einzigen Schnitt), das irrwitzige Tempo, die lustigen Situationen… all das zusammen macht „Beyond the Infinite Two Minutes“ zu einem ausgesprochen interessanten und kurzweiligen Werk. Wenngleich ich auch zugeben muss, dass diese Art von Film nichts für eine breitere Masse sein dürfte.

Honorable Mentions:

  • Star Trek VI: Das unentdeckte Land (1991)
  • Die Farbe (2010)
  • Possessor (2020)
  • Bones and All (2022)
  • The Northman (2022)