FilmWelt: Star Trek IV: Zurück in die Gegenwart

Der erste Ausflug ins Kino hatte die Crew der „U.S.S. Enterprise“ in ein ungewohnt düsteres Abenteuer geführt: „Star Trek: Der Film“ (1979) hatte so gut wie nichts von der Leichtigkeit, mit der die Serie „Raumschiff Enterprise“ (1966-1969) ähnliche Stories abgehandelt hatte. Mit den nachfolgenden Filmen änderte sich die Stimmung und man näherte sich im Verhältnis zwischen Humor und Drama wieder den Ursprüngen des Franchise an. Und dann kam „Star Trek IV: Zurück in die Gegenwart“ (1986), das noch einen Schritt weiter ging und das Roddenberry’sche Universum erstmals in Form einer reinrassigen Komödie präsentierte.

Gesamteindruck: 7/7


Beste 80er-Jahre-Unterhaltung.

Die Credits von „Star Trek IV“ bargen für mich – als damals jugendlichen Zuschauer, weit vor dem Internet-Zeitalter – eine echte Überraschung: Leonard Nimoy hatte als Regisseur eine Komödie inszeniert und war auch am Drehbuch beteiligt gewesen. Ausgerechnet er, den ich nur in der Rolle des vollkommen emotionslosen Spock kannte, hatte es geschafft, ein Millionenpublikum zum Lachen zu bringen. Ich konnte das damals einfach nicht mit jenem Nimoy (bzw. Spock), den ich über viele Jahre kennen- und verstehen gelernt hatte, zusammenbringen. Und sogar mit dem heutigen Wissen kann ich zu dieser Konstellation letztlich nur eines sagen: „Faszinierend“.

Worum geht’s?
Auf dem Planeten Vulkan bereiten sich Admiral James T. Kirk und seine Offiziere auf die Rückkehr zur Erde vor. Dort erwartet sie eine Gerichtsverhandlung, in der sie sich u. a. für die Entführung und Zerstörung der „U.S.S. Enterprise“ verantworten sollen. Soweit kommt es jedoch nicht: Die Erde wird – so erfährt man über Funk – von einer unbekannten Sonde angegriffen. Alle Versuche einer Kontaktaufnahme scheitern, eine Verteidigung scheint unmöglich. Die rettende Idee: Ein Zeitsprung, um zwei Buckelwale zu besorgen. Denn, so die Theorie, nur die im 23. Jahrhundert längst ausgestorbenen Meeressäuger sollen in der Lage sein, die Rufe der Sonde zu beantworten. Ein gewagtes Manöver, vor allem angesichts des ungewöhnlichen Fluggerätes, mit dem man seit der Vernichtung der „Enterprise“ unterwegs ist…

„Zurück in die Gegenwart“? Da klingelt es natürlich: Robert Zemeckis‘ Zeitreise-Komödie „Zurück in die Zukunft“ war 1985 erschienen, hatte weltweit über 380 Millionen Dollar eingespielt und gilt bis heute zu Recht als eines der filmischen Highlights der 1980er und weit darüber hinaus. Das soll nun nicht heißen, dass für den 4. Teil der „Star Trek“-Kinoreihe von jenem Blockbuster abgekupfert wurde; im Gegenteil, war man in „Raumschff Enterprise“ doch bereits in den 1960ern mehrfach durch die Zeit gereist. Es mag aber durchaus sein, dass erst der Mega-Blockbuster mit Michael J. Fox die Verantwortlichen bei Paramount Pictures überzeugt hatte, tatsächlich grünes Licht für das ungewohnte Format der Komödie zu geben. Der deutsche Verleih setzte dann freilich noch einen drauf, denn auf Englisch heißt „Zurück in die Gegenwart“ schlicht „The Voyage Home“, was nicht nur der per se stärkere Titel ist, sondern auch jegliche Verwechslung mit „Back to the Future“ ausschließt. Übrigens: Das 4. Abenteuer der „Star Trek“-Crew spielte 133 Millionen Dollar ein. Ein gigantischer Erfolg für Paramount – von Zahlen, wie sie „Zurück in die Zukunft“ erzielt hatte, konnte man indes nur träumen.

Mit Spaß die Welt retten.

Die Geschichte, die „Star Trek IV“ erzählt, ist auf den ersten Blick ganz klassisch: Es gilt, die Welt vor einer übermächtigen Bedrohung zu retten; dass nur unsere Helden dazu in der Lage sind, ist klar. Wie üblich wird die Handlung genutzt, um zentrale Probleme des Zeitgeschehens aufzugreifen – dazu gehörten in den 1980ern u. a. die fortschreitende Umweltverschmutzung und der immer noch nicht ausgestandene Kalte Krieg. All das ist nun nicht sonderlich innovativ und auch die Idee, mittels Zeitreise den Schaden zu reparieren, den die Menschheit durch ihr kurzsichtiges Verhalten angerichtet hat, ist kein Kniff, der noch nie dagewesen wäre. Gerade aus letzterem ergibt sich allerdings die Komik, von der der Film letztendlich lebt. Will sagen: „Star Trek IV“ mag sich dem einen oder anderen ernsten Thema widmen, eine Botschaft, die über ein recht allgemeines „seid doch nicht so grausam zu Mutter Natur!“ hinausgeht, verbirgt hier meines Erachtens jedoch nicht dahinter. Was nicht heißen soll, dass das ein unwichtiges Anliegen wäre – als „Star Trek“-Fan ist man diese relativ simple und geradlinige Ansprache jedoch nicht unbedingt gewohnt.

Letzten Endes gibt es gar nicht so viel über die Handlung von „Star Trek IV“ zu sagen. Der Film lebt – wie angemerkt – davon, dass die Protagonist:innen von einer für sie ungewohnten Situation in die andere stolpern. Mal schimpft Kirk wie ein Rohrspatz los, als er fast überfahren wird, dann wieder wundert sich Pille über die primitiven Methoden im hiesigen Krankenhaus, während Scotty versucht, mit einem altmodischen MS-DOS-PC zu hantieren. Und Spock? Der ist höchst verdutzt über Sprache und Gebräuche der Erdenmenschen des 20. Jahrhunderts. Neugierig ist er als Wissenschaftler freilich auch – und er versucht sich anzupassen, indem er sich beispielsweise in der Verwendung „farbiger Metaphern“ übt. Kurzum: Ein riesengroßer Spaß für jede:n, der:die auch nur ansatzweise etwas mit den Action-Komödien der 1980er anfangen kann. Angemerkt sei an dieser Stelle noch, dass der Film durchaus spannend ist, auch wenn man zugeben muss, dass echte Überraschungen fehlen.

Ungewohntes Terrain.

Das alles kommt freilich nicht von ungefähr: Produzent Harve Bennett und Regisseur Leonard Nimoy hatten von Anfang an geplant, ihr Werk leichtfüßiger und ohne die teils ausgesprochen düstere Dramatik der drei vorangegangenen Filme zu gestalten. Die frühen Versionen des Drehbuchs überzeugten die Paramount-Bosse jedoch nicht (aus ihnen wurde wohl nur das grundlegende Element der Zeitreise übernommen), es folgten mehrere Autoren-Wechsel, bis schließlich die Zusammenarbeit von Harve Bennett und Nicholas Meyer (der in „Star Trek II“ Regie geführt und am Drehbuch mitgewirkt hatte), zur Freigabe durch das Studio führte. Die Arbeitsteilung dürfte dabei recht strikt gewesen sein: Bennett zeichnete für jene Teile des Skripts verantwortlich, die vor dem Zeitsprung spielen, Meyer schrieb alles, was im San Francisco der 1980er passiert und brachte damit quasi nebenbei auch die gesamte Komik ins Drehbuch. Von Bennett kam außerdem das Ende, das wiederum leicht von Meyer überarbeitet wurde und damit als Gemeinschaftsprodukt der beiden gelten kann.

Noch ein Wort zur Personalsituation: Während Leonard Nimoy seit dem von ihm inszenierten „Star Trek III: Auf der Suche nach Mr. Spock“ (1984) nichts mehr von seinem zuvor gefassten Entschluss, die spitzen Ohren endgültig an den Nagel zu hängen, wissen wollte, war es diesmal William Shatner, den man nur mit geradezu fürstlichen Zuwendungen an Bord holen konnte. Angeblich waren seine finanziellen Forderungen sogar ausschlaggebend dafür, dass man sich im Hause Paramount dazu entschied, im TV künftig auf eine komplett neue Crew mit unbekannten, ergo günstigen, Schauspieler:innen zu setzen, was ab 1987 dann ja auch tatsächlich passierte. Woran das alles jedoch nichts ändert: Beide, sowohl Shatner als auch Nimoy, legen in vorliegendem Film eine grandiose Performance hin. Die Chemie stimmt speziell zwischen diesen beiden (wobei auch der Rest des Casts bestens drauf ist), vermutlich auch, weil sie ihre Rollen diesmal völlig anders anlegen dürfen. Wohl vor allem deshalb fällt es nicht ins Gewicht, dass „Zurück in die Gegenwart“ über keinen Bösewicht im eigentlichen Sinne verfügt.

Weiters erwähnenswert: Ein famoser Soundtrack, der unterstreicht, in welch ungewohnter Umgebung sich die sonst so schneidigen Sternenflotten-Offiziere befinden, die gute Qualität der Effekte – und natürlich der Drehort. Nun ist San Francisco per se ja keine sonderlich aufregende Location, in Verbindung mit der Story und den Charakteren wirkt die Stadt jedoch wie der optimale Hintergrund. Und auch aus heutiger Sicht weckt die Kulisse ein gutes und authentisches Gefühl von 1980er-Stimmung. Nostalgie? Mag sein, aber mir hat die Stimmung des Films in dieser Hinsicht wirklich gut gefallen.

Fazit: Ich glaube, „Zurück in die Gegenwart“ reizt das Maximum, das in „Star Trek“ in Sachen Humor möglich ist, aus. Leonard Nimoy schafft hier etwas, das man vermutlich auch bei Paramount nicht für möglich gehalten hätte: Er mischt Science Fiction, Action und – nennen wir das Kind beim Namen – Slapstick zu einem Cocktail, der einfach schmeckt und den maximalen Wohlfühlfaktor bietet. Dabei ist eines aber ganz wichtig festzuhalten: Dieses Werk schießt zu keinem Zeitpunkt über das Ziel hinaus und steht trotz der wohl ungewöhnlichsten Herangehensweise aller bis heute erschienen Filme voll und ganz im Geiste dessen, was „Star Trek“ ausmacht. Diesen Spagat hinzubekommen und damit auch noch großen Erfolg zu feiern ist wirklich aller Ehren wert.

Alles andere als die Höchstwertung wäre hierfür selbstredend zu wenig. Und auch, wenn ein kleines Stück zur herausragenden Qualität eines „Zurück in die Zukunft“ fehlt, würde ich „Zurück in die Gegenwart“ allen ans Herz legen, die etwas mit geradliniger und unterhaltsamer 1980er-Action anfangen können. „Star Trek“-Fans kommen ohnehin nicht daran vorbei.

Gesamteindruck: 7/7


Originaltitel: Star Trek IV: The Voyage Home.
Regie:
Leonard Nimoy
Drehbuch: Nicholas Meyer, Harve Bennett, Steve Meerson, Peter Krikes, Leonard Nimoy
Produktion: Harve Bennett
Jahr: 1986
Land: USA
Laufzeit: ca. 120 Minuten
Besetzung (Auswahl): William Shatner, Leonard Nimoy, DeForest Kelley, Jane Wyatt, James Doohan, Walter Koenig



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FilmWelt: Prey

Die Ankündigung eines neuen Films aus dem Predator-Universum habe ich mit gemischten Gefühlen aufgenommen: „Predator“ (1987) und „Predator 2“ (1990; ja, auch den!) fand ich großartig, über alles, was danach gekommen ist (inklusive der „Alien vs. Predator“-Crossovers), kann man getrost den Mantel des Schweigens hüllen. Ob es „Prey“ (2022 und damit genau 35 Jahre, nachdem Arnold Schwarzenegger erstmals dem außerirdischen Trophäenjäger gegenüber stand, erschienen) gelingt, an alte Qualitäten anzuknüpfen, versuche ich im Folgenden zu klären.

Gesamteindruck: 5/7


Keine leichte Beute.

Der Titel „Prey“ (deutsch: „Beute“) lässt vermuten, dass das Vertrauen in die Strahlkraft einer einst so mächtigen Marke nicht allzu groß gewesen dürfte – immerhin haben wir es hier mit dem ersten Film der Reihe zu tun, der nicht direkt am Namen als Predator erkennbar ist. Vielleicht ist es aber auch eine Art Neustart, der die verkorksten Jahre, die nach „Predator 2“ folgten, vergessen machen soll? Ich weiß es nicht, im Endeffekt spielt es für die Bewertung aber auch keine große Rolle.

Worum geht’s?
Nordamerika im 18. Jahrhundert: Für die junge Comanche Naru ist in ihrem Stamm die Rolle als Heilerin vorgesehen. Sehr zu ihrem Unmut, ist sie doch eine talentierte Jägerin, was aber kaum jemand ihrer Gefährt:innen zu erkennen vermag. Als sie eines Tages eine merkwürdige, feurige Erscheinung am Himmel sieht, glaubt sie die Zeit gekommen, den Beweis für ihre Jagdkunst anzutreten. Was sie nicht weiß: Eine unheimliche Kreatur ist ebenfalls auf der Suche nach Beute…

Man ist ja leider ein gebranntes Kind, was die Weiterführung klassischer Filmreihen ist: Egal, ob „Predator“, „Alien“, „Terminator“, „Indiana Jones“ oder „Stirb Langsam“ – praktisch alles aus der Hochzeit des Action-Kinos wurde nach zwei, drei Filmen gnadenlos gegen die Wand gefahren. Und auch jeder spätere Versuch, eines dieser Franchises für ein moderneres Publikum attraktiv zu machen, scheiterte grandios. Eine detaillierte Analyse dieses Missstandes würde den Rahmen einer Rezension freilich sprengen; nichtsdestotrotz erklärt obige Aufzählung vielleicht, warum ich dermaßen überrascht war, nachdem der Abspann von „Prey“ nach gut anderthalb kurzweiligen Stunden über meinen Bildschirm flimmerte: Nie hätte ich erwartet, dass es überhaupt möglich wäre, dieses Kind der späten 1980er/frühen 1990er im Jahr 2022 so trefflich fortzuführen.

Gute Entscheidungen.

Dass „Prey“ so überzeugend um die Ecke kommt, ist einer Reihe guter Entscheidungen durch Regisseur Dan Trachtenberg (u. a. „10 Cloverfield Lane“) und Drehbuchautor Patrick Aison zu verdanken. So ist beispielsweise die Gestaltung als Prequel in der Regel hochgefährliches Terrain, weil dadurch fast zwangsläufig Probleme mit der Kontinuität entstehen, die speziell älteren Fans sauer aufstoßen (siehe u. a. die Alien-Prequels oder die Star Trek-Serien „Enterprise“ und „Discovery“). Im Falle von „Prey“ ist dem nicht so, weil Zeit und Ort der Handlung so gewählt wurden, dass aufgesetzt wirkende Referenzen auf spätere Filme kaum möglich sind. Anachronismen, die vor allem das alte Publikum übelnehmen könnte, werden dadurch fast ausgeschlossen (eine kleine Anspielung auf „Predator 2“ ist dennoch drin, die wurde allerdings sehr schön eingebaut). Unabhängig davon ist die Form des Prequels in diesem Fall wohl die beste und glaubwürdigste Methode, mit dem Film tatsächlich back to the roots zu gehen.

Erwähnenswert ist in Sachen Entscheidungen ferner, dass die Verantwortlichen darauf verzichten, den Antagonisten durch ausufernde Erklärungen zu entzaubern (siehe auch hier die Alien-Prequels). Heißt: In „Prey“ verhält sich der außerirdische Jäger so, wie man es erwartet; er hat die üblichen Waffen am Start, wirkt aber dennoch etwas urtümlicher als seine späteren Artgenossen. Das alles schließt sich wunderbar und nahtlos an die Darstellung an, die man aus Teil 1 und 2 kennt. Wobei man sich an dieser Stelle ganz leise fragen darf, wieso sich die Technik eines so fortschrittlichen Wesens in über 200 Jahren anscheinend kaum weiterentwickelt hat – aber das nur am Rande, eventuell hat die Ausrüstung vor allem rituelle oder traditionelle Bedeutung und „darf“ sich deshalb kaum ändern.

Was wollen die Fans?

Was mich an „Prey“ neben den genannten Faktoren aber fast am meisten beeindruckt hat: Dan Trachtenberg scheint verstanden zu haben, was das Publikum wirklich von einem Predator-Film erwartet (während man beim Gros der Filme nach 1990 nicht umhin kommt, den Verantwortlichen Geldmacherei mit einem großen Namen zu unterstellen). Eigentlich ist es fast schon erschreckend einfach: Predator war schon immer ein lupenreines Action-Franchise. Klar, wer wollte, konnte Teil 1 als mehr oder weniger tiefsinnige Verarbeitung des amerikanischen Vietnam-Traumas lesen. Vorwiegend waren „Predator“ und „Predator 2“ aber schlicht und einfach zur Unterhaltung gedacht.

Der Rest? Beiwerk, aber dennoch da, was den Filmen trotz der knallenden Fassade immer Herz und Seele verliehen hat, die den späteren Produktionen abgeht. Und so ist es auch mit „Prey“: Wenn man möchte, kann man den Kampf Predator vs. Kriegerin auf verschiedene Weise interpretieren. Beispielsweise könnte es sich dabei um eine Auseinandersetzung einer selbstbewussten Frau mit toxischer Männlichkeit handeln. Oder man sieht darin ganz allgemein den Kampf der amerikanischen Ureinwohner:innen gegen die technische und zahlenmäßige Überlegenheit der weißen Eroberer. Oder als Befreiung der Heldin Naru aus der von ihren Stammesgenoss:innen erwarteten Rolle.

All das ist möglich – genauso ist es, wie angedeutet, aber auch legitim, „Prey“ als einfachen, höchst unterhaltsamen Actionfilm. als Popcorn-Kino im besten Sinne, zu lesen. Das mag von den Anhänger:innen aktueller Filme und Serials belächelt werden, ich persönlich finde diese Herangehensweise allerdings sehr erfrischend: Man hat das Gefühl, dass die Action zählt und alles andere Beiwerk ist und der Regisseur somit genau das macht, wofür diese Filmreihe früher stand. Dennoch fühlt sich „Prey“ deutlich moderner als seine Pendants aus 1987 und 1990 an, ohne der Seelenlosigkeit aktuelle Produktionen anheim zu fallen. Genau vermag ich nicht zu erklären, woran das liegt – für mein Dafürhalten ist es jedenfalls eine außergewöhnliche Leistung.

Überraschend gut ohne zu überraschen.

Was das alles im Umkehrschluss bedeutet, ist klar: In „Prey“ gibt es keine ausgefeilten Dialoge (es wird generell wenig gesprochen) und das Drehbuch ist in weiten Teilen bis ins Detail vorhersehbar. Letzteres ist vermutlich der Kritikpunkt, der am häufigsten in Zusammenhang mit „Prey“ auf den Tisch kommen dürfte: Dan Trachtenberg orientiert sich so stark an „Predator“, dass man zeitweise fast von einer Kopie sprechen muss. Vielleicht ist aber genau das die Stärke eines Films, der genau weiß, was er sein will, was er kann – und was er tunlichst vermeiden sollte. Wahrscheinlich ist das wirklich die Krux: Mir war über die gesamte Länge (schön übrigens, dass man sich auf 100 Minuten beschränkt und das ganze nicht auf zwei Stunden oder mehr aufgeblasen hat) bewusst, dass „Prey“ Fan-Service par excellence ist. Gestört hat mich das allerdings zu keiner Sekunde, was den Film krass von vielen aktuellen Remakes, Prequels und Relaunches unterscheidet.

Anmerkung an dieser Stelle: Die Action ist hervorragend choreografiert, die Kämpfe entsprechend spektakulär; die Effekte sind gut (sieht man von den Raubtieren ab, speziell bei CGI-Bär musste ich schmunzeln), der Antagonist furchteinflößend. Und, was auch noch erwähnt werden muss: „Prey“ ist abseits der Action geradezu herausragend fotografiert und vertont. Selten wirkte ein amerikanischer Wald dermaßen düster, kühl und unheimlich.

Ganz kommt „Prey“ letztlich zwar nicht an die Filme heran, die den Ruhm der Predator-Reihe begründet haben. Dennoch ist Dan Trachtenberg der mit Abstand beste Versuch seit 1990 gelungen, diesen Stoff zu adaptieren. Wenn das das Niveau künftiger Filme aus dem Franchise sein soll, könnte man von mir aus gern damit weitermachen – etwas, das ich mir bisher bei kaum einem Versuch, so alte Schinken in die Moderne zu holen, wünschen würde.

Gesamteindruck: 5/7


Originaltitel: Prey.
Regie:
Dan Trachtenberg
Drehbuch: Patrick Aison
Jahr: 2022
Land: USA
Laufzeit: ca. 100 Minuten
Besetzung (Auswahl): Amber Midthunder, Dane DiLiegro, Dakota Beavers, Stormee Kipp



FilmWelt: The Hunt

Die Inhaltsangabe von „The Hunt“ (2020) lässt vermuten, dass hier ein altbekanntes Thema aufgegriffen wird: Menschen, die meinen, außerhalb des Gesetzes zu stehen, machen Jagd auf weniger Privilegierte. „Battle Royale“ (2000), „Hostel“ (2005) und die Serie „Squid Game“ (seit 2021) wären prominente Beispiele für Geschichten, die in diese Richtung gehen. Und „The Hunt“ beinhaltet auch tatsächlich eine ganze Reihe klassischer Genre-Motive. Sehenswert ist der Film aber dennoch – denn wie sich bereits nach wenigen Minuten herausstellt, bricht er gleichzeitig mit vielen Konventionen und birgt Überraschungen am laufenden Band.

Gesamteindruck: 6/7


Wer jagt wen?

Es ist gar nicht so leicht, eine Rezension zu „The Hunt“ einigermaßen spoilerfrei zu gestalten – ein so immanenter Bestandteil dieses Films sind seine Twists. Was man jedenfalls konstatieren kann: Nichts ist so, wie es scheint – nicht einmal, wer der Held oder die Heldin ist, erfährt man auf konventionelle Weise. Und, was noch unstrittig ist: Dieser Film legt ein gewaltiges Tempo vor und schreckt von Anfang an nicht vor expliziter Brutalität zurück. Letzteres hat, in Verbindung mit einer realen Gewaltwelle die in den USA just zu den ersten Ankündigungen des Films stattfand, dafür gesorgt, dass „The Hunt“ ein Jahr später als geplant veröffentlicht wurde (und kein US-Kino von innen gesehen hat). Übertrieben? Mag sein – aber auch ein Zeichen der Zeit, in der wir leben.

Worum geht’s?
Ist es nur eine urbane Legende, ein Scherz oder ein Internet-Phänomen? Angeblich soll sich „die Elite“ regelmäßig treffen, um Jagd auf Menschen zu machen. Und tatsächlich wacht eine Gruppe von Personen, die einander nicht kennen und die nicht wissen, wie ihnen geschieht, geknebelt irgendwo in einem Feld auf. In einer Kiste gibt es neben einem lebendigen Ferkel (!) diverse Waffen zu finden. Die werden auch dringend gebraucht, denn die Menschenhatz geht ohne Umschweife los…

„The Hunt“ startet mit dem üblichen, leicht mysteriösen Vorgeplänkel, in dem einige Charaktere vorgestellt (naja, eher: grob umrissen) werden. Bereits hier geht es sehr brutal zur Sache; am Ort des Geschehens angekommen, dauert es gefühlt nur Sekunden, bis das erste Opfer völlig unerwartet durch einen Kopfschuss niedergestreckt wird. Blut und Hirn spritzen durch die Gegend – und man fragt sich als Zuseher:in, was man hier gerade gesehen hat. Lange kann man nicht überlegen, denn es geht wirklich Schlag auf Schlag und schon nach rund 15 Minuten fragt man sich, wie der Film überhaupt weitergehen soll – denn bereits zu diesem frühen Zeitpunkt sind haben sich die Reihen dermaßen gelichtet, dass man fast schon beim „final girl“ angekommen scheint.

Opfer-Täter-Umkehr (oder so ähnlich?).

Dabei hat man erst der Anfang einer wilden Achterbahnfahrt gesehen, die von nahezu pausenloser Action, aber auch von vollkommen überraschenden Wendungen geprägt ist. Heißt: Auch wer schon den einen oder anderen auf den ersten Blick ähnlich gelagerten Film gesehen hat, wird die Twists, die Regisseur Craig Zobel hier inszeniert, großteils nicht kommen sehen. Und das hebt „The Hunt“ meines Erachtens von „Hostel“, „Battle Royal“ & Co ab: Der Film handelt nicht nur vom Überlebenskampf vermeintlicher Opfer, sondern zeichnet ein ambivalentes Bild, das dazu führt, dass die die Sympathiewerte des Publikums immer wieder wechseln. Das betrifft im Übrigen auch die Täter:innen, die ebenfalls ganz anders sind, als man es erwarten würde.

Dadurch entzieht sich der Film auf ganz eigentümliche Weise der politischen Agitation. Ich denke, es ist kein großer Spoiler, wenn ich es kurz zusammenfasse: Die Bösen, also diejenigen, die eine reale Jagd auf Menschen veranstalten, sind dem politisch links-liberalen Spektrum zuzuordnen, während sich die Opfer, mit denen man sich als Zuseher:in eigentlich voll identifizieren sollte, konservativ bis rechtsextrem sind, wie an diversen Szenen und Rückblenden eindeutig erkennbar ist. Das bringt natürlich ein interessantes Dilemma: Soll man – als selbst eher liberal eingestellter Mensch – nun tatsächlich für diejenigen sein, die Andere fangen, unter Drogen setzen und dann gnadenlos umbringen? Oder soll man sich mit den Opfern identifizieren, die – immer aus Sicht eines Liberalen – Waffennarren, Hassposter und homophobe W*chser sind? Durch diese sehr spannende Verteilung der Opfer- und Täter:innenrollen erhält „The Hunt“ einen Überbau, den man von einem Film, den man anhand des Trailers sofort zu durchschauen meint, nicht erwarten würde. Zumindest ist es mir so ergangen – und ich habe länger über dieses Werk nachgedacht, als mir lieb war.

Gut gespielt ist halb gewonnen.

Die einzige Konstante im ständigen Hin & Her der Story ist letzten Endes die von Betty Gilpin gespielte Crystal. Mir persönlich war die Darstellerin bisher kein Begriff, am ehesten wird sie einem breiteren Publikum vermutlich aus der Netflix-Wrestling-Parodie „GLOW“ (2017 bis 2019), vielleicht auch aus der TV-Serie „Nurse Jackie“ (2009 bis 2015) ein Begriff sein. Davon abgesehen war sie hauptsächlich in einzelnen Folgen anderer Serien zu sehen und hat den einen oder anderen Filmauftritt zu Buche stehen – ob und wann ich sie überhaupt einmal gesehen habe, weiß ich ehrlich gesagt nicht (mehr). Wie dem auch sei: Gilpin spielt in „The Hunt“ ganz hervorragend. Sie ist ja eigentlich ein Opfer der Menschenjäger:innen, will sich aber ganz und gar nicht in diese Rolle fügen.

Doch anders als es beim klassischen „final girl“ wird sie nicht erst gegen Ende zur grimmigen und nahezu unbesiegbaren Kämpferin, sondern hat von Anfang an gewisse Fähigkeiten, die ihr beim Überleben helfen. Das ist freilich dem Drehbuch zu verdanken – was hingegen an der Darstellung durch Betty Gilpin beeindruckt, ist die stoische Ruhe, mit der sich Crystal durch ihre zahlen- und waffenmäßig überlegenen Gegner:innen schneidet. Hier und da gibt es einen lockeren Spruch, insgesamt kommen ihr allerdings nicht allzu viele Worte – und schon gar kein Lächeln – über die Lippen. Die fast schon greifbare Aura von Gefahr, die die Figur umgibt und die Ruhe, die sie dabei ausstrahlt, hat fast schon was von Llewelyn Moss („No Country for Old Men“, 2007), wobei in vorliegendem Fall natürlich alles deutlich überzeichneter ist.

Als Gegenspielerin von Betty Gilpin bzw. Crystal tritt übrigens die von Hilary Swank verkörperte Athena auf. Diese Figur ist leider deutlich weniger interessant und vergleichsweise glatt. Schlecht gespielt ist die Rolle allerdings nicht, sehenswert vor allem der finale Kampf zwischen diesen beiden Charakteren, der viel vom 1. Kapitel („2“) von „Kill Bill – Volume 1“ (2003) hat. Überhaupt lässt die Stimmung von „The Hunt“ immer mal wieder Reminiszenzen an den Tarantino-Klassiker aufkommen, was ich durchaus als Kompliment verstanden wissen möchte.

Fazit: Ich finde tatsächlich kaum Haare in der Suppe, die uns Craig Zobel mit „The Hunt“ vorsetzt. Ihm ist hier ein flotter, höchst unterhaltsamer Film gelungen, der kaum Längen hat, gut gespielt ist, vor überraschenden Wendungen strotzt – und schlicht und einfach Spaß macht. Klar, man muss eine gute Portion Gore ertragen können und auch die Verteilung von Opern und Täter:innen wird nicht Allen schmecken. Mich hat das hingegen nicht gestört – nicht, weil ich mich mit den merkwürdigen Typen, die hier als Opfer dienen, identifizieren konnte, sondern weil dieser Ansatz durchaus dazu führen kann, dass man über die eigene, vermeintlich überlegene Moral nachdenkt. Und das ist dann doch deutlich mehr, als man von einem Film mit einer solchen Story erwarten würde. Daher: Ansehen!

Gesamteindruck: 6/7


Originaltitel: The Hunt.
Regie:
Craig Zobel
Drehbuch: Nick Cuse, Damon Lindelof
Jahr: 2020
Land: USA
Laufzeit: ca. 90 Minuten
Besetzung (Auswahl): Betty Gilpin, Hilary Swank, Emma Roberts, Justin Hartley, Ethan Suplee



FilmWelt: Snowpiercer

„Snowpiercer“ (2013) habe ich bis in den April 2022 schlichtweg ignoriert. Weil es aber mittlerweile eine Serie gleichen Namens gibt, die überall gelobt wird, wollte ich den Film sehen, bevor ich dort einsteige. Und, was soll ich sagen: „Snowpiercer“ hat mich, der ich ohne Vorkenntnisse herangegangen bin, ziemlich überrascht. Das ist heutzutage schon mal ein großer Pluspunkt – aber auch unabhängig davon kann das Werk des späteren Oscar-Preisträgers Bong Joon-ho durchaus überzeugen.

Gesamteindruck: 5/7


Comichafte Züge.

Im Zusammenhang mit „Snowpiercer“ kann ich mich an die eine oder andere Vorschau im Kino oder Fernsehen erinnern. Die dürften zeitlich ungefähr mit den ersten Trailern zur Serie „The Last Ship“ (2014-2018) zusammengefallen sein – und es kam, wie es kommen musste: Ich heftete beide Franchises unter „das ist doch das Gleiche, nur mit verschiedenen Transportmitteln“ ab, ohne dass ich das eine oder das andere jemals gesehen hätte. Ziemlich kurzsichtig? Mag sein, jedenfalls war genau das der Grund, wieso ich keine großen Erwartungen an „Snowpiercer“ hatte, obwohl ich eigentlich ein Fan endzeitlicher Science Fiction bin.

Worum geht’s?
Um der Erderwärmung endlich Herr zu werden, wird im Jahr 2014 damit begonnen, chemische Kältemittel in die obere Atmosphäre einzubringen. Das Experiment gelingt grundsätzlich, allerdings sind die Folgen dramatisch: Eine neue Eiszeit vernichtet fast alles Leben auf dem Planeten. Nur rund 1.000 Menschen haben die Katastrophe überstanden und sind seitdem im Zug „Snowpiercer“ zusammengepfercht, der auf einem globalen Schienennetz seine Runden zieht. An Bord herrscht ein striktes Klassensystem: Je weiter hinten im Zug man sich befindet, desto weniger Rechte hat man. Das will sich eine Gruppe von Menschen nach Jahren des Elends in den hintersten Waggons nicht mehr bieten lassen…

Was ich vorab nicht wusste: „Snowpiercer“ basiert auf einer französischen Graphic Novel namens „Le Transperceneige“ (deutsch: „Schneekreuzer“), die 1982 erstmals erschienen ist. Das ist auch der Hauptgrund für meine Verblüffung, denn anhand der Trailer hatte ich vermutet, dass der Film zwar eine etwas merkwürdige Prämisse hätte, an sich aber durchaus realistisch oder zumindest glaubwürdig wäre. Relativ schnell merkt man allerdings, dass „Snowpiercer“ eine ganze Reihe von Konzepten verarbeitet, die eher an Fantasy als an die Standard-Post-Apokalypse erinnern. Dieser Aspekt des Films wurde, zumindest meiner Erinnerung nach, in den Trailern geschickt verborgen. Ob das Absicht war oder nicht – oder ob ich einfach nicht genau hingesehen habe, kann ich heute freilich nicht mehr nachvollziehen. Fakt ist jedenfalls, dass ich eine andere Art von Film erwartet habe.

In seinen Mitteln unterscheidet sich „Snowpiercer“ folgerichtig recht stark von herkömmlichen Dystopien: Ein kilometerlanger Zug, angetrieben durch „die Maschine“, eine Art Perpetuum mobile, rast über ein Schienennetz, das die ganze Erde umspannt. Anhalten kann und darf er nicht; braucht er auch nicht, denn er ist ein in sich geschlossenes, sich selbst erhaltendes und versorgendes System (beispielsweise gibt es einen Waggon, der aus einem riesigen Aquarium zur Fischzucht besteht). Das allein ist schon ein sehr fantasievolles Gedankenspiel – dazu kommen dann noch die unterschiedlichen Zwecken dienenden und entsprechend eingerichteten Wagen (z. B. die Schule, in der die Kinder Loblieder auf die Maschine und Zugführer Wilford singen) und die nicht minder skurrile Bevölkerung.

Ein Comic ohne Komik.

Nun darf man „Snowpiercer“ trotz teilweise grotesker Szenen nicht als seichten Action-Reißer oder gar Klamauk abtun. Im Gegenteil, Regisseur Joon-ho setzt die Überzeichnung, die Comics und Graphic Novels seit jeher auszeichnet, so ein, dass sein Film fast noch düsterer wirkt, als es bei einer realitätsnäheren Produktion eventuell der Fall gewesen wäre. „Snowpiercer“ ist übrigens nicht unbedingt humorvoll: Man lacht gelegentlich aufgrund übertriebener, karikaturhafter Darstellungen; Thema und Dialoge bieten hingegen kaum Gelegenheit zum Schmunzeln, wobei man schon auch allenthalben auf Zynismus und Ironie trifft.

Wo sich der Film hingegen wenig von quasi-realistischen Dystopien unterscheidet, ist seine Kritik an autoritären Systemen und Zweiklassengesellschaften. Ob es zur Äußerung derselben nun besser ist, sie realistisch zu verpacken oder nachgerade absurder Überzeichnung zu arbeiten, wage ich nicht zu entscheiden. „Snowpiercer“ macht jedenfalls letzteres, was dem Film einen ganz eigenen Charme verleiht, den man in dieser Art selten zu sehen bekommt. Und: Bong Joon-ho nutzt zusätzlich Elemente sowohl der westlichen als auch der fernöstlichen Filmkunst, was den Eindruck, hier etwas völlig Neuartiges zu sehen, noch verstärkt. Da vergisst man dann schon mal, dass die Story per se nicht so richtig originell scheint, wobei der Twist am Ende durchaus gelungen ist. Generell besteht der Film aber aus einer Aneinanderreihung von Szenen, die davon handeln, wie sich die Protagonisten langsam aber sicher durch einen Waggon nach dem anderen in Richtung Lokomotive vorarbeiten.

Abschließend noch ein Wort zu den Darsteller:innen: „Snowpiercer“ ist stark besetzt, wobei einmal mehr die Antagonist:innen hervorstechen: Tilda Swinton und Ed Harris spielen ganz ausgezeichnet – erstere als eine Art Innenministerin, die zynisch und arrogant versucht, die Ordnung im Zug aufrecht zu erhalten. Harris taucht hingegen erst gegen Ende des Films auf, macht seine Sache als charismatischer Zugchef aber sehr gut, sodass man als Zuseher:in letzten Endes nicht so richtig sicher ist, ob man ihm nun böse sein muss oder nicht. Den Helden des Films gibt Chris Evans, dem ich persönlich hier das Prädikat „solide“ verleihen würde.

Fazit: „Snowpiercer“ ist eine bedrückende, aber durchaus unterhaltsame Endzeit-Vision, deren Stärken vor allem im unkonventionellen Szenario und in den schön gestylten und choreografierten Action-Szenen liegen. Die Story ist – wenngleich mit einer durchaus wichtigen Botschaft versehen – eher Mittelmaß, das Ende empfand ich gar als überhastet und nicht ganz stimmig. Ansonsten kann ich den Film aber allen empfehlen, die ansatzweise etwas mit der leicht schrägen Prämisse anfangen können. Sie machen mit „Snowpiercer“ definitiv nichts falsch – und jetzt bin ich gespannt auf die Serie.

Gesamteindruck: 5/7


Originaltitel: Snowpiercer.
Regie:
Bong Joon-ho
Drehbuch: Bong Joon-ho, Kelly Masterson
Jahr: 2013
Land: Südkorea, USA, Frankreich, Tschechien
Laufzeit: ca. 130 Minuten
Besetzung (Auswahl): Chris Evans, Song Kang-ho, Ed Harris, John Hurt, Tilda Swinton, Jamie Bell



FilmWelt: The Batman

Ich meine, irgendwo gelesen zu haben, dass „The Batman“ (2022) mit (oder trotz) seiner Laufzeit von 3 Stunden wie ein überlanger Vorspann wirkt. Stimmt, irgendwie. Und doch ist der erneute Reboot, ausgerechnet mit dem als romantischen Vampir bekannt gewordenen Robert Pattinson in der Hauptrolle, deutlich besser, als diese Zuschreibung nahe legt. Warum das so ist und was die zweifellos vorhandenen Schwächen des Films sind, versuche ich im Folgenden herauszuarbeiten.

Gesamteindruck: 5/7


Gotham noir.

Bevor wir zum Film kommen, sei mir eine Frage gestattet: Was soll das mit diesen ständigen Remakes, Reboots, Sequels und Prequels eigentlich? Für mein Gefühl hat die Wiederverwertung bekannten Stoffs in den vergangenen 10 Jahren (ich schreibe diesen Text im April 2022) geradezu groteske Ausmaße angenommen. Als Freund halbwegs konsistenter und kanonischer Geschichten kann man das eigentlich nicht gut heißen – wobei ich gleichzeitig konstatieren muss, dass das in diesem Fall die einzig vernünftige Herangehensweise an das früh gescheiterte DC Extended Universe sein dürfte. Am besten ist also, man vergisst Gedanken wie Wie verhält sich dieser Batman zu jenem aus „Justice League“? Wie zum Joker von 2019? und betrachtet jeden dieser Filme vollkommen für sich.

Worum geht’s?
Gotham City ist ein von Korruption und mafiösen Strukturen durchsetzter Moloch. Weite Teile der Polizei stehen auf der Lohnliste brutaler Gangster, die dadurch praktisch freie Hand in der Stadt haben. Die wenigen Beamten, die nicht käuflich sind, haben hingegen keine Chance, dem Verbrechen Herr zu werden. Es gibt allerdings einen Mann, der versucht, für Ruhe und Ordnung zu sorgen – indem er als maskierter Rächer allein und außerhalb des Gesetzes gegen die Schurken antritt. Viel scheint sein Kampf nicht zu bringen – bis er eines Nachts eher zufällig beginnt, die größeren Zusammenhänge zu erkennen…

Zur Einordnung dieses Werkes, das den Auftakt einer weiteren Reihe über den Dunklen Ritter bilden soll, muss man kurz auf bisherige Filme zu diesem Thema referenzieren: Meiner Ansicht nach steht dieser „The Batman“ in der Tradition der Filme von Tim Burton („Batman“, 1989 und „Batmans Rückkehr“, 1992), in denen Michael Keaton die Titelrolle inne hatte. Denn im Gegensatz zur Nolan’schen „The Dark Knight“-Trilogie (2005-2012, mit Christian Bale) lernen wir die Fledermaus diesmal als fertigen Rächer kennen. Über seine Jugend erfahren wir kaum etwas, das über Andeutungen hinausgeht, wie er zu seiner Ausrüstung gekommen ist und zu kämpfen gelernt hat, wird bestenfalls angerissen. Der (Anti-)Held ist hier ein gegebener Faktor in Gotham City – ganz so, wie er es in den alten Filmen und Serien war.

Und doch unterscheidet sich unser Mann von seinen frühen Inkarnationen – denn noch nie war Batman derart düster und ernst, wie ihn Matt Reeves inszeniert hat. Das hat wohl auch damit zu tun, dass die Zeiten, in denen ein Held ohne Persönlichkeit, vor allem aber ohne Tragik, auskommen musste, längst passé sind. Das war bereits an Nolans Filmen deutlich zu erkennen, „The Batman“ setzt noch zwei drauf: Einerseits suchen Regenmenge und Finsternis in Gotham City ihresgleichen, andererseits ist das Herz der Titelfigur so düster wie die Stadt selbst. „The Batman“ ist völlig humorlos, mehr noch als Christopher Nolan es seiner Trilogie zugestanden hat, die immerhin ein paar witzige One-Liner von Heath Ledger zu bieten hatte. Hier kann ich mich hingegen an keinen Moment erinnern, in dem sich der Hauptdarsteller auch nur der Anflug eines Lächelns abringt. Das betrifft übrigens auch die anderen Figuren: Wenn mal gelacht wird, dann wahlweise bitter oder verrückt, nie jedoch humorvoll.

Nicht falsch verstehen: Batman ist per se ein düsterer Held. Aber dieser Film erreicht eine Trostlosigkeit und eine Stimmung, die ich mir im Superhelden-Genre so nicht hätte vorstellen können. Dazu tragen verschiedene Faktoren bei: „The Batman“ spielt praktisch nur nachts, in Gotham City regnet es, wie erwähnt, fast immer in Strömen, generell wirkt die Stadt wie in Lethargie und Angst versunken. Und auch der Soundtrack sollte nicht vergessen werden, weil er die Atmosphäre noch verstärkt. Es gibt aber eine Sache, die ganz besonders aufs Gemüt schlägt: Die Darstellung des Mannes, der sich die Nächte als Rächer im Fledermauskostüm um die Ohren schlägt. Bruce Wayne ist hier eine Figur, die ihrem alter ego in Sachen Bitterkeit in nichts nachsteht. Seinen Reichtum, der ihm überhaupt erst die Möglichkeit gibt, auf Verbrecherjagd zu gehen, sieht man ihm – im Gegensatz zu seinen bisherigen Inkarnationen – überhaupt nicht an. Überhaupt scheint im das Geld völlig egal zu sein, er wagt sich auch als Bruce Wayne kaum in die Öffentlichkeit – und nicht einmal die bisher immer so unerschütterliche Beziehung zu seinem Butler/väterlichen Freund Alfred Pennyworth, gespielt von Andy Serkis (!), ist frei von Problemen.

Die erwähnten Punkte machen „The Batman“ nicht gerade zu einem leicht verdaulichen Werk. Dennoch hat mir die Atmosphäre des Films ausgesprochen gut gefallen, weil dadurch einem altbekannten Thema tatsächlich noch einmal eigenständiges Leben eingehaucht wird. An dieser Stelle sei noch eine Sache erwähnt, die vielleicht nicht jedem Publikum schmeckt: Der Film ist sehr „trocken“, vor allem was seine Figuren betrifft. Heißt: Sieht man von einem Fledermauskostüm ab, sind alle Charaktere wahnsinnig realistisch und haben nichts vom bunten und absurden Comic-Look früherer Werke. Das ist hochinteressant und rückt den Film in eine ganz andere Richtung, als man es bei diesem doch sehr plakativen Titel erwarten würde (gleiches galt meines Erachtens schon für „Joker“).

Charaktere und Story überzeugen nicht voll.

Allerdings – ich habe es ja eingangs angedeutet – heißt all das nicht, dass „The Batman“ ohne Schwächen daherkommt. Zwei Dinge fallen besonders ins Auge: Erstens fand ich abgesehen von der Titelfigur keinen Charakter sonderlich überzeugend, am ehesten konnte noch Jeffrey Wright als ehrenwerter Polizist Jim Gordon punkten. Beim Rest des Casts hatte ich das Gefühl, dass die Rollen hinter Batman und dem quasi-Bösewicht, der Gotham City selbst ist, zurückstehen mussten. Mit Zoë Kravitz ist zwar eine grundsätzlich gute Besetzung der Catwoman gelungen, andererseits hat mich dieser Charakter fast gar nicht berührt – zu sehr auf Action getrimmt und mit zu wenig Tiefgang kommt mir die Katzenfrau hier daher. Schade auch, dass die Schurken nicht punkten können – was aber wohl schwer war, wenn Batman selbst ein dermaßen ambivalenter Charakter ist wie hier. Paul Dano spielt den Hauptantagonisten Riddler und hat das Problem, dass er bis zum Ende sein Gesicht nicht zeigen darf. Der Gedanke war wohl, das durch die üblichen Rätsel und die verrückte-bedrohliche Stimme zu kompensieren. Während letzteres passabel geglückt ist, fand ich die Rätsel, immerhin die Stärke dieses vermeintlichen Bösewichts, viel zu unspektakulär und langweilig. Im Finale kann Dano dann zwar einigermaßen zeigen, was in ihm steckt, das entschädigt aber nicht für die Stunden davor. Die zwei anderen Schurken im Bund sind übrigens ein Mafia-Boss, der letzten Endes jedem Klischee entspricht – und der Pinguin, ebenfalls ein Mafioso, bei dem ich mir auch deutlich mehr Tiefgang gewünscht hätte. Mal sehen, ob in weiteren Filmen noch etwas dazu kommt – denn eigentlich haben wir hier mit Riddler, Catwoman, Pinguin und – ganz als letzten Auftritt – den Joker, die gesamte Herrlichkeit der wichtigsten Batman-Antagonisten versammelt.

Der zweite Kritikpunkt ist die Handlung, die – gelinde gesagt – ziemlich dünn und belanglos ist. Dass mir die erzählte Geschichte nicht so recht gefallen will, passiert mir bei den Superhelden-Filmen der vergangenen Jahre relativ häufig. Im Falle von „The Batman“ ist es nicht anders: Unsere Lieblingsfledermaus legt sich mit einigen Schurken an, meist im durchaus gut inszenierten und choreografierten Faustkampf. Ansonsten beklagt man die Schlechtheit der Welt und versucht, dagegen vorzugehen. Die Polizisten sind korrupt, die Bösewichte gemein, der Riddler spricht in Rätseln usw. Ich weiß ehrlich gesagt nicht so recht, was ich dazu sagen soll: All das ist durchaus solide, aber im Endeffekt wenig spektakulär oder gar tiefgründig.

Fazit: Trotz allem ansehen!

Paradoxerweise kann ich mich an kaum einen Film, zumal mit einer solchen Mammutspielzeit, erinnern, an dem mich die zwar solide, aber kaum nennenswerte Handlung (gleiches gilt für das Gros der Charaktere) so wenig gestört hat. „The Batman“ hat seine Stärken woanders: In den atmosphärischen Bildern und in der nachdenklich-griesgrämigen Hauptfigur. Beides ist dermaßen stark umgesetzt, dass ich dem Film trotz der genannten Schwächen eine hohe Wertung gebe – denn eines ist nicht wegzudiskutieren: „The Batman“ hat mich mit seiner Wucht über die volle Laufzeit gefesselt und nie richtig gelangweilt. Dass habe ich auch daran gemerkt, dass mir erst nach Verlassen des Kinos aufgefallen ist, dass mir der Film ja gar keine so beeindruckende Geschichte erzählt hat. Er endet ja auch nicht mit einem Sieg für den Helden – sondern einfach mittendrin, was den eingangs erwähnten Eindruck eines überlangen Vorspanns noch verstärkt.

Nun, ich bin tatsächlich etwas sprachlos, wenn ich meine Kritikpunkte mit untenstehender Wertung vergleiche. Und doch: Jede:r der/die mit dem dunklen Ritter etwas anfangen kann, sollte sich „The Batman“ unbedingt ansehen. Dermaßen film noir war Batman noch nie – und jetzt bin ich wirklich gespannt auf die Fortsetzung.

Gesamteindruck: 5/7


Originaltitel: The Batman.
Regie:
Matt Reeves
Drehbuch: Matt Reeves, Peter Craig
Jahr: 2022
Land: USA
Laufzeit: ca. 180 Minuten
Besetzung (Auswahl): Robert Pattinson, Zoë Kravitz, Jeffrey Wright, Paul Dano, Colin Farrell, Andy Serkis



FilmWelt: A. I. Rising

Die Fragen nach Wesen und Möglichkeiten künstlicher Intelligenz waren früher der Science Fiction vorbehalten. Heute ist das anders: Die ungelenken Droiden aus „Star Wars“ scheinen wirken fast schon rückständig und selbst Data aus „Star Trek: The Next Generation“ scheint bald von der Wirklichkeit überholt zu werden. „A. I. Rising“ (2018) stellt folgerichtig eine Maschine in den Mittelpunkt, die vor nicht allzu langer Zeit noch nicht denkbar gewesen wäre, heute aber nicht mehr so weit von der technischen Machbarkeit entfernt scheint.

Gesamteindruck: 3/7


Befreiung einer Sklavin.

Auch wenn es derzeit noch nicht ganz mit intelligenten (im Sinne von selbständig denkenden) Maschinen funktioniert, ist es absehbar, dass die Entwicklung eines maschinellen Bewusstseins so fern nicht mehr ist. Die Fragestellung für die weitere Zukunft muss also einen Schritt weitergehen und sich beispielsweise mit der Möglichkeit auseinandersetzen, intelligente Roboter mit Emotionen auszustatten. Doch was ist eine Maschine mit Intelligenz und Emotionen? Ist das überhaupt noch ein Roboter? Oder ist es eine Art Mensch? Ist die Erschaffung derartiger Wesen überhaupt erstrebenswert? Und wie werden wir, die wir Maschinen nur als mechanische Diener nutzen, mit ihnen umgehen? Derartige Fragen harren mittlerweile tatsächlich auch außerhalb der Science Fiction ihrer Beantwortung. „A. I. Rising“ versucht sich an diesem überaus komplexen Thema.

Worum geht’s?
Im Jahr 2148 sind die Ressourcen der Erde bis in den letzten Winkel ausgebeutet. Die Hoffnung der Menschheit liegt bei den Sternen – und dorthin, genauer nach Alpha Centauri, startet als Pionier der Kosmonaut Milutin. Damit seine Psyche auf der langen Reise keinen Schaden nimmt, wird ihm die Androidin Nimani zur Seite gestellt. Verschiedene Verhaltensmuster, aus denen frei gewählt werden kann, sollen in jeder Hinsicht für Zerstreuung sorgen. Allerdings reicht es dem einsamen Kosmonauten bald nicht mehr aus, nur vorgefertigte Programme abzuspulen…

Dass Pornodarstellerin Stoya eine der beiden Hauptrollen in „A. I. Rising“ spielt, mag Kalkül gewesen sein – zumindest ist aber davon auszugehen, dass ihr doch recht bekannter Name die Zielgruppe für den Film erweitert hat. Und tatsächlich wird niemand, der/die angesichts dieser Besetzung auf viel nackte Haut hofft, enttäuscht: Stoya verbringt – ohne dass ich es gestoppt hätte – mehr als die Hälfte ihrer Screentime unbekleidet. Und ja, um auch das gleich abzufrühstücken: Man bekommt Sexszenen zu sehen, Softcore natürlich, aber definitiv expliziter, als es in einem Film aus Hollywood vermutlich der Fall gewesen wäre.

Wer nun denkt, dass die Freizügigkeit der Hauptdarstellerin nur Mittel zum Zweck wäre, täuscht sich meiner Meinung nach jedoch. Denn auch, wenn es schwer fällt, muss man speziell als Mann zugeben, dass die Art, wie Nimani und Milutin die Reise verbringen, in weiten Teilen durchaus realistisch anmutet. Mit anderen Worten: Es hätte zwar vermutlich auch mit weniger nackter Haut funktioniert, jedoch wird gerade dadurch die bedrückende Atmosphäre von „A. I. Rising“ zusätzlich verstärkt – denn freudvoll und leidenschaftlich ist es nicht, was sich zwischen den Charakteren abspielt.

Besser gespielt als vermutet.

Freilich ist die Atmosphäre von „A. I. Rising“ vor allem der Optik in Zusammenspiel mit dem Soundtrack geschuldet. Aber, und das kann man nicht genug betonen: Die Leistung von Stoya trägt viel mehr dazu bei, als das Standard-Vorurteil gegenüber ihrem Brotberuf vermuten lässt. Einerseits erfordert es die Rolle der Androidin, eine Balance zwischen kalter Technik und menschlicher Wärme zu finden – denn genau das ist es ja, das derartige Roboter so unheimlich macht. Ich weiß nicht, ob sich eine Stoya anhand ihrer zum Teil sehr schwierigen Erfahrungen in der Pornoindustrie leichter damit tut; Tatsache ist aber, dass sie die distanzierte Maschine, die Gefühle nur auf Knopfdruck zeigt, sehr gekonnt portraitiert. Andererseits hilft ihr dabei meines Erachtens ihr Aussehen, dem die Attribute fehlen, die man landläufig bei einer Pornoqueen vermutet. Dadurch ist ihre Rolle optisch näher an einem natürlichen, menschlichen Erscheinungsbild und hat nichts von der automatisierten Sexpuppe, was die Unterscheidung zwischen Mensch und Maschine stark verschwimmen lässt. Fazit: Chapeau Stoya, wirklich gut gemacht!

Hauptdarsteller Sebastian Cavazza muss im Vergleich zu seiner zerbrechlich wirkenden Partnerin einen Charakter darstellen, der wenig Sympathisches an sich hat. Er ist ausgesprochen verschlossen und zeigt im Verlauf des Filmes immer widerwärtigere Verhaltensweisen. Das geht so weit, dass man auch zum Schluss hin, als man eigentlich das Gefühl hat, man müsse sich mit beiden Figuren identifizieren, keine Chance mehr hat, einen Zugang zu ihm zu finden. Ob das so beabsichtigt war, weiß ich nicht – ich denke aber, dass man das durchaus so machen kann, auch wenn der Film dadurch im Nachgang noch einmal düsterer wirkt, als während des ohnehin völlig humorlosen Verlaufs.

Nicht zu Ende gedacht.

All das klingt eigentlich vielversprechend und wird, wie angedeutet, in überzeugender Optik dargestellt (wer z. B. „Sunshine“, 2007, kennt, weiß ungefähr, wie „A. I. Rising“ aussieht). Dass mich der Film dennoch nicht überzeugen konnte, liegt einmal mehr am Drehbuch. Dabei ist die Prämisse eigentlich sehr interessant, wie an den von mir weiter oben aufgeworfenen Fragestellungen deutlich geworden sein mag. Nur macht „A. I. Rising“ zu wenig daraus, indem er sich voll und und ganz auf die problematische Liebesbeziehung zwischen Nimani und Milutin fokussiert. Und die ist, mit Verlaub, wenig spannend, weil vorhersehbar.

Einige Ansätze, die es wert gewesen wären, erkundet zu werden, sind ja vorhanden: So beginnt der Film beispielsweise mit dem starken Bild, dass der Kapitalismus die Erde komplett ausgebeutet hätte. Abgelöst wurde er offenbar durch ein sozialistisches Regime – was für die Handlung allerdings überhaupt keine Rolle spielt. Muss es auch nicht, aber dann wäre es besser gewesen, diese Tatsache ganz wegzulassen. Das vor allem auch, weil ein Raumschiff und eine Androidin, die Eigentum eines Großkonzerns sind, überhaupt nicht in meine Vorstellung eines sozialistischen Staates passen wollen…

Ein anderes Problem, an dem ich mich sogar noch mehr gestört habe: „A. I. Rising“ deutet technische Aspekte an, lässt sie dann aber völlig offen. Beispielsweise erfährt man nicht, wie lange die Reise nach Alpha Centauri dauern und welche Technologie sie überhaupt ermöglicht. Das hätte ich wichtig gefunden, um einschätzen zu können, wie lange sich die beiden Figuren überhaupt miteinander beschäftigen können und müssen – immerhin ist Alpha Centauri so weit weg, dass der Flug nach heutigen Maßstäben nicht in der Lebenszeit eines Menschen möglich sein kann. Die Bilder legen übrigens nahe, dass die Situation noch in unserem Sonnensystem völlig eskaliert, was die Frage aufwirft, wie man jemals hatte davon ausgehen können, dass ein Trip über mehr als vier Lichtjahre physisch und psychisch möglich wäre.

Es ist aber auch nicht erklärt, wie die Androidin eigentlich funktioniert bzw. welcher technische Fortschritt die Implementierung von Intelligenz und Emotionen ermöglicht hat. Der Film konzentriert sich fast völlig auf die Versuche des Kosmonauten, die Sicherheitsvorrichtungen zu überwinden und dadurch – wenn man so will – die Sklavin endgültig zu befreien. Auch hier: Man muss das nicht zwangsweise mit Technobabble erklären, sollte dann aber zumindest stärker auf die ethischen Implikationen, die sich daraus ergeben, eingehen. Leider passiert das nicht, im Gegenteil, die Dialoge sind ganz und gar nicht dazu angetan, das philosophische Dilemma dieser Situation zu adressieren.

Fazit: Meines Erachtens wäre eines von beiden notwendig gewesen, um „A. I. Rising“ zu einem wirklich guten Film zu machen: Mehr Technik oder mehr Philosophie. Beides kommt viel zu kurz, das Hauptaugenmerk liegt darauf, uns zu erklären, dass man auch eine Maschine nicht schlecht behandeln darf. Zumindest dann nicht, wenn die Möglichkeit besteht, dass sie dabei tatsächlich etwas empfinden könnte, das über die reine Simulation von Emotionen hinausgeht. Diese Lektion zu erteilen, schafft „A. I. Rising“ auch, bleibt dabei aber so oberflächlich, dass ich mich letzten Endes trotz guter Ansätze zu keiner besseren Wertung aufraffen kann. Symptomatisch, dass mein persönliches Highlight des Films der Hinweis auf die bereits 1942 von Isaac Asimov formulierten Robotergesetze ist – auch hier, ohne dass das dahinterliegende Konzept ausführlich behandelt wird.

Gesamteindruck: 3/7


Originaltitel: A. I. Rising.
Regie:
Lazar Bodroza
Drehbuch: Dimitrije Vojnov
Jahr: 2018
Land: Serbien
Laufzeit: ca. 85 Minuten
Besetzung (Auswahl): Sebastian Cavazza, Stoya, Marusa Majer



FilmWelt: Resident Evil

Den Namen „Resident Evil“ verbindet der/die passionierte Gamer:in zunächst mit der gleichnamigen japanischen Videospielreihe, die dem Genre des Survival Horrors zu weltweitem Durchbruch verholfen hat. Ich selbst kenne die Spieleserie allerdings nur dem Vernehmen nach, was wohl damit zu tun hat, dass ich nicht sonderlich Konsolen-affin bin und „Resident Evil“ anfangs vor allem dort groß war. Entsprechend gering die Vorkenntnisse, mit denen ich an den ersten Realfilm von 2002 herangegangen bin.

Gesamteindruck: 3/7


Zombies in der Tiefe.

Bevor wir zum Film kommen, sei erwähnt, dass sich die Marke „Resident Evil“ als ausgesprochen langlebig erwiesen hat und ferner eines der erfolgreichsten Beispiele für ein Franchise ist, das sich weit über seine Ursprungsplattform ausdehnen konnte. So gibt es allein in der Hauptreihe bis dato zehn Spiele (das zum Zeitpunkt dieser Rezension aktuellste stammt aus 2021), dazu diverse Remakes und Ableger. Weiters wurden unzählige Romane, Comics und Animationsfilme veröffentlicht – und, zwischen 2002 und 2016, eben auch sechs Realfilme. Ein Ende des Hypes ist derzeit nicht absehbar, 2021 startete z. B. mit „Resident Evil: Welcome to Raccoon City“ ein filmisches Reboot.

Worum geht’s?
Kurz nachdem Alice ohne sich an irgend etwa erinnern zu können in einer leeren Villa zu sich kommt, wird das Haus von einer Spezialeinheit gestürmt. Die Soldat:innen nehmen die junge Frau mit in den Hive, einen unterirdischen Forschungskomplex, in dem ein gefährliches Virus freigesetzt wurde. Die Aufgabe der Sicherheitskräfte: Den Zentralcomputer, der die Anlage abgeriegelt hat und außer Kontrolle geraten ist, zu deaktivieren…

Vorliegender Film dürfte der Startschuss gewesen sein, mit „Resident Evil“ einen internationalen Massenmarkt zu erobern. Diesen Versuch kann man nur als gelungen bezeichnen: Allein Teil 1 spielte weltweit über 100 Millionen Dollar ein (bei Kosten von rund 30 Millionen). Eine respektable Leistung, die von den Nachfolgern nochmals in den Schatten gestellt wurde, sodass die Serie als Ganzes weltweit fast 1,3 Milliarden (!) Dollar eingespielt hat. Diese Summe ist per se schon astronomisch – dass sie aber von Filmen, die auf Computerspielen basieren, erwirtschaftet wurde, ist alles andere als alltäglich.

Der Erfolg gibt den Verantwortlichen, allen voran Paul W. S. Anderson, der alle Drehbücher geschrieben und mit zwei Ausnahmen auch immer am Regiestuhl Platz genommen hat, also recht. Und ich will auch nicht bestreiten, dass „Resident Evil“ einiges richtig macht – so richtig vermag ich die Begeisterung jedoch nicht zu teilen. Ich frage mich übrigens, ob Fans der Spiele den Film generell anders (besser? schlechter?) wahrnehmen als Zuschauer:innen, die keine Ahnung von den Games haben. Bzw. ob letztere überhaupt einen nennenswerten Anteil am Publikum haben – das aber nur am Rande.

Ein passabler Vertreter seiner Zunft.

Fangen wir mit dem Positiven an: „Resident Evil“ dürfte tatsächlich eine der besten Spielverfilmungen sein, die es bis dato gibt – wer sehen möchte, was in der Hinsicht normalerweise abgeliefert wird, kann sich z. B. „Mortal Kombat“ (1995, ausgerechnet von Paul Anderson inszeniert, kommerziell allerdings ähnlich erfolgreich wie „Resident Evil“), „Double Dragon“ (1994), „Wing Commander“ (1999) oder – besonders übel – „Alone in the Dark“ (2005) geben. Im Falle von „Resident Evil“ hat es der Regisseur – im Gegensatz zu den genannten und einigen anderen Filmen – zumindest verstanden, die Atmosphäre der Vorlage zu konservieren. Speziell hervorheben möchte ich in diesem Zusammenhang Optik, Schnitt und Soundtrack, die zusammengenommen dem Gefühl eines Videospiels sehr nahe kommen. Und, auch wichtig: „Resident Evil“ funktioniert grundsätzlich auch dann, wenn der Film völlig isoliert von der Spielreihe betrachtet wird, Vorkenntnisse sind also nicht notwendig, um zu verstehen, was im Hive passiert.

Man könnte nun ganze Abhandlungen über die Schwierigkeiten schreiben, die die Umsetzung von Inhalten für verschiedene Medien mit sich bringt. Im Falle der Konvertierung eines Spiels in einem Film würde ich zusammenfassend meinen, dass es meist die Story ist, an der es sich spießt (die Kosten für Spezialeffekte dürften heute keine so große Rolle mehr spielen). Der Grund sollte einleuchten, auch wenn man noch nie ein Spiel in der Hand gehabt hat: Games sind immer interaktiv, d. h. man muss selbst etwas tun, um die Story voranzutreiben. Dabei ist nicht selten der Weg, auf dem diverse Aufgaben zu erfüllen sind, das Ziel. In einem Film sieht man hingegen passiv zu, wie hoffentlich interessante Charaktere etwas tun – entsprechend anders muss die Gewichtung unterschiedlicher Faktoren sein.

In Levels gedacht.

„Resident Evil“ ist in meiner Wahrnehmung großteils wie ein Spiel aufgebaut. Und nein, das ist nichts Gutes, jedenfalls nicht für einen Film. Ein Beispiel: Die Story, die der Film erzählt, mag für ein Spiel, in dem man sie selbst vorantreibt, reichen, weil dort der Fokus in der Regel ein anderer ist. Hier ist sie ärgerlich, weil wahlweise nebensächlich oder vorhersehbar. Oder: Der Aufbau der Forschungsanlage „Hive“ entbehrt jeder Logik, man kann sich nicht vorstellen, dass dort normalerweise Wissenschaftler:innen arbeiten. Der Komplex scheint nur dem Zweck zu dienen, es den Charakteren schwer zu machen, ihn zu durchqueren. Ganz ähnlich ist es mit den Problemen, die dabei zu lösen sind, denn die erinnern in ihrem fast schon modularen Aufbau an die Aufgaben, die man in einem linearen Shooter hat. Zusammengenommen macht all das „Resident Evil“ zu einem überaus schlichten, stellenweise arg berechenbaren Action-Reißer. Mehr will er vermutlich auch nicht sein, dennoch hat mich die gnadenlose Einfachheit des Films ziemlich ratlos hinterlassen. Oder, anders gesagt: Das hier mag einer der besten Versuche sein, ein Computerspiel auf die Leinwand zu bringen – zu einem guten Film wird „Resident Evil“ dadurch aber nicht.

Das größte Problem ist, dass der Film abseits seiner stimmungsvollen Optik und durchgehendem Geballer praktisch nichts zu bieten hat – das allerdings sind Dinge, an denen man sich sehr schnell sattgesehen hat, weil die Varianz fehlt. Eine spannende Geschichte und Charaktere, die mehr sind als bloße Stichwortgeber sucht man hingegen vergeblich. Wie gesagt, man darf von einem Actioner keine philosophische Tiefgründigkeit erwarten – aber das, was die Figuren in diesem Film von sich geben, ist einfach nur dümmlich, jedoch nicht auf die lustige Art: Eigentlich ist „Resident Evil“ komplett humorlos, unfreiwillig komisch sind allerdings die markigen Sprüche der bemüht coolen Eingreiftruppe. Sieht man davon ab, bleibt die Riege der Schauspieler:innen aber völlig blass, speziell die männlichen Figuren.

Milla Superstar?

Glänzen, wenn man das denn so nennen möchte, kann vor allem Hauptdarstellerin Milla Jovovich, die man vorher eigentlich nur aus „Das fünfte Element“ (1997) kannte. Die Rolle der „Alice“ sollte die Karriere der Schauspielerin für die nächsten knapp 15 Jahre prägen; ich wage nicht zu beurteilen, ob die „Resident Evil“-Reihe Fluch oder Segen für ihre weiteren Hollywood-Ambitionen war. Fakt ist jedenfalls, dass Jovovich ihre Sache in vorliegendem Film ganz gut macht. Die Entwicklung ihres Charakters erinnert allerdings stark an die, den sie in „Das fünfte Element“ auch schon gezeigt hat: Vom zerbrechlich wirkenden Mädchen mit Gedächtnislücken hin zu immer mehr Selbstbewusstsein.

Abschließend und der Vollständigkeit halber noch ein paar Fragen, über die man nicht nachdenken sollte, wenn man „Resident Evil“ genießen möchte: Warum wird ein gefesselter Gefangener zu einer so gefährlichen Operation mitgenommen? Warum erklärt das Computerprogramm den „Eindringlingen“ bereitwillig, was sich zugetragen hat? Wieso vertraut die Truppe eben jenem Computer, der sie vorher noch beseitigen wollte? Nunja, ich habe es ja mehrfach angedeutet: Vielleicht ist es besser, einfach das Hirn auszuschalten und den Film als das zu sehen, was er ist: Ein Action-Streifen mit Horror- und Science Fiction-Elementen, der schnell, laut und ab und an etwas düster ist. Nicht mehr, aber auch nicht weniger und bei weitem nicht so schlimm wie vieles, das ähnlich aufgebaut ist. Ich glaube, 3 von 7 Punkten sind dafür gerechtfertigt.

Gesamteindruck: 3/7


Originaltitel: Resident Evil.
Regie:
Paul W. S. Anderson
Drehbuch: Paul W. S. Anderson
Jahr: 2002
Land: Deutschland, Großbritannien
Laufzeit: ca. 100 Minuten
Besetzung (Auswahl): Milla Jovovich, Michelle Rodríguez, Eric Mabius, James Purefoy, Martin Crewes



FilmWelt: Iron Sky: The Coming Race

„Iron Sky“ (2012) war Independent-Streifen, den ich überraschend gelungen gefunden habe: Die wahnwitzige und absurde Story hat sicher nicht jeden Geschmack getroffen, war gleichzeitig aber auch unterhaltsam und originell. Finanziell wird sich das Abenteuer – so nehme ich an – ebenfalls gelohnt haben; naheliegend also, dass ein Nachfolger her musste. Im Nachhinein betrachtet wäre es freilich besser gewesen, sich mit dem Achtungserfolg von 2012 zufrieden zu geben. Doch der Reihe nach…

Gesamteindruck: 1/7


Sie sind wieder da.

„Iron Sky: The Coming Race“ (2019) feierte sieben (!) Jahre nach „Iron Sky“ seine Premiere. Dabei wurde bereits 2012, also wirklich zeitnah, mit den Vorbereitungsarbeiten begonnen. Bald darauf konnte auch die (Teil-)Finanzierung sichergestellt werden (erneut per Crowdfunding), allerdings musste das Budget während der Produktion mehrmals erhöht werden, was für erhebliche Verzögerungen sorgte. Im Endeffekt schlug der Film dann mit Kosten von rund 17 Millionen Dollar zu Buche (10 Millionen mehr als noch Teil 1), der Löwenanteil dürfte für die Special Effects draufgegangen sein. Was für Hollywood-Verhältnisse nach Peanuts klingt, macht „The Coming Race“ zur bis dato teuersten finnischen Produktion überhaupt.

Worum geht’s?
30 Jahre, nachdem ein Atomkrieg die Erde unbewohnbar gemacht hat, fristen die letzten Reste der Menschheit ihr Dasein in der ehemaligen Nazi-Basis auf der Rückseite des Mondes. In der langsam zerfallenden Station macht sich Verzweiflung breit – bis sich plötzlich ein Raumschiff mit Flüchtlingen von der Erde nähert. Unter anderem an Bord: Der totgeglaubte Mondführer Kortzfleisch, der enthüllt, dass die Erde hohl ist und eine Zivilisation von außerirdischen Reptiloiden beherbergt, die Zugang zur mächtigen, unerschöpflichen und unsterblich machenden Vril-Energie besitzen…

Es ist ja wirklich nicht so, dass „The Coming Race“ eine tiefgründige Story erzählen würde. Das ändert allerdings nichts daran, dass ich nicht so richtig verstanden habe, was uns Regisseur Timo Vuorensola mit seinem Film sagen möchte. Und das, obwohl ich grundsätzlich an Verschwörungserzählungen interessiert bin und mir einbilde, ein einigermaßen fundiertes Laienwissen dazu zu haben: Reichsflugscheiben, Hohlerde und Reptiloiden – all das war und ist mir ein Begriff. Vom Roman „Das kommende Geschlecht“ (Edward Bulwer-Lytton, 1871, eng.: „The Coming Race“) hatte ich vor der Recherche zu dieser Rezension hingegen noch nie gehört. Ebenso wenig von den darin vorkommenden Vril-Ya mit ihren mysteriösen Kräften, was zur Folge hatte, dass ich mir nicht erklären konnte, was der Titel des Films überhaupt zu bedeuten hat (zumal das auch aus der Handlung nicht klar wird, wenn mich nicht alles täuscht). Man lernt freilich nie aus, ein wenig unglücklich scheint mir dieser recht obskure Mythos als Prämisse für einen Unterhaltungsfilm dennoch zu sein.

Katastrophale Fortsetzung.

Vielleicht liegt es ja daran, dass ich mir dermaßen schwer getan habe, Zugang zum zweiten Film aus dem „Iron Sky“-Universum zu finden. Letztlich bin ich gescheitert, denn mir war die Geschichte, wie sie hier erzählt wird, von Anfang an zu unlogisch, bruchstückhaft und verworren, um eine Identifikation zu ermöglichen. Das steht in krassem Gegensatz zu Teil 1, der für mein Gefühl durchaus logisch und sinnvoll war (innerhalb seiner eigenen Absurdität natürlich). Die Geschichte von „The Coming Race“ wirkt hingegen wie eine lahme, höchst oberflächliche und austauschbare Entschuldigung, um einen schnellen und seichten Actionfilm in einem von „Iron Sky“ relativ gut etablierten Setting zu produzieren. Ob das wirklich so geplant war? Ich wage es zu bezweifeln, zu gravierend scheint mir der qualitative Unterschied zwischen den beiden Filmen zu sein.

Doch auch wenn ich vielleicht zu viel Tiefgang von einem Film erwartet habe, der nicht mehr sein will, als eine unterhaltsame und leicht groteske Action-Komödie, finde ich „The Coming Race“ katastrophal schlecht. Neben der Problematik, dass der Film ein Bündel an Verschwörungstheorien zur Grundlage nimmt, ohne diese zu erklären oder gar kritisch zu hinterfragen, strotzt er nur so vor Ungereimtheiten. Spannung kommt maximal im ersten Drittel auf, danach gibt es eine bloße Aneinanderreihung simpler Action-Szenen inklusive lieblos hingeschluderter Popkultur-Referenzen (u. a. das Wagenrennen aus „Ben Hur“, das Gemälde „Das letzte Abendmahl“ von Leonardo Da Vinci, ein bisschen „2001: Odyssee im Weltraum“ hier, ein wenig „Ancient Aliens“ da). Alles schön und gut, die Verantwortlichen haben es halt schlicht nicht hinbekommen, zwischen diesen Anspielungen eine interessante und mitreißende Geschichte zu erzählen.

Film ohne Charakter.

Oder gute Charaktere zu schreiben – denn das ist ein weiteres Problem von „The Coming Race“: Es gibt hier schlicht keine Figur, mit der man sich als Zuseher:in auch nur annähernd identifizieren kann. Am ehesten noch mit dem etwas tumben aber liebenswerten Soldaten Malcolm, der Rest der Truppe ist völlig beliebig. Das beginnt bei der Hauptfigur Obianaju Washington, genannt „Obi“ (wer ist bloß auf diese Idee gekommen?), die als Look- und Act-alike von Michael Burnham („Star Trek: Discovery“) rüberkommt. Und zwar so sehr, dass ich nachsehen musste, ob wir es hier mit der gleichen Schauspielerin zu tun haben (dem ist nicht so, Obi wird gespielt von der mir völlig unbekannten Lara Rossi).

Ihr zur Seite steht der klischeehafte, russische Pilot, dargestellt von Vladimir Burlakov: Ein tollpatschiges Improvisationstalent, das zu viel quasselt, das Herz aber am rechten Fleck hat. Aus jedem Dialog, aus jeder Szene mit ihm schreit der Film heraus, dass man den guten Sasha doch bitte, bitte mögen muss, genau wie Obi (natürlich!) lernt, ihn zu mögen und zu lieben. Das klappt aber nicht, zumindest bei mir nicht – er ist zu flach, zu sehr Abziehbild, um auch nur annähernd Identifikationsmöglichkeiten zu bieten. Das war übrigens eines der besonders irritierenden Erlebnisse bei der Sichtung von „The Coming Race“: Da ist dieser Typ, man weiß genau, man soll mit ihm mit fiebern und ihn sympathisch finden, selten wurde man von einem Drehbuch so darauf hingestoßen – und doch schafft man es nicht, rutscht sprichwörtlich immer wieder an diesem glatten Charakter ab.

Der Mangel an starken Held:innenfiguren wäre weniger schlimm, wenn der Film über interessante Antagonisten verfügen würde. Udo Kier als Mondführer Wolfgang Kortzfleisch wurde wohl vor allem aus der Versenkung geholt, um leichter an Teil 1 anknüpfen zu können. Der Haken: Ihm kann man nichts so richtig übelnehmen, was zu gleichen Teilen am Drehbuch und an der sanften Darstellung durch Kier liegen mag. Die übrigen Bösewichte befinden sich in der Hohlerde – und sind völlig nichtssagend. Merkwürdig erscheint mir, dass man ausgerechnet dem 2011 verstorbenen Apple-Gründer und langjährigen -CEO Steve Jobs eine relativ große Antagonisten-Rolle zugesteht bzw. dessen Unternehmenskultur relativ prominent aufgreift. Damit konnte ich als jemand, der noch im Leben eine iPhone hatte, überhaupt nichts anfangen. Nicht, dass ich nicht verstanden hätte, dass die Sekte des „Jobismus“ die quasi-religiöse Verehrung dieser Firma aufs Korn nimmt; ich fand es allerdings mäßig witzig, was auch hier am fehlenden Tiefgang liegen mag.

Interessanterweise stellt der Film übrigens die US-Präsidentin als Hauptschurkin dar – und nicht den ebenfalls von Udo Kier gespielten Adolf Hitler. Der bekommt am Ende natürlich auch sein Fett weg, aber bei mir hat dieser Auftritt einen faden Beigeschmack hinterlassen. Ich vermute, das hat damit zu tun, dass der „Iron Sky“-Hitler weder als richtig böse noch als völliger Trottel dargestellt wird, sondern als einer von vielen Antagonisten. Dabei ist Darstellung von Nationalsozialisten als Reptiloiden schon per se nicht ganz unproblematisch, erzeugt sie doch das ungute Gefühl, einer Relativierung: Instinktiv möchte man natürlich auch den hier präsentierten Hitler hassen, allerdings ist seine Rolle so nichtssagend geschrieben, dass er einem quasi egal ist. Das erzeugt im Nachgang eine Stimmung, die mir überhaupt nicht gefallen hat (ich gehe aber mal davon aus, dass das keine böse Absicht des Regisseurs war und eher meiner persönlichen Einstellung entspringt).

Schwach auf allen Ebenen.

Fast schon nicht mehr ins Gewicht fällt nach diesen Punkten, dass nicht einmal die finalen Kämpfe überzeugend oder gar spannend sind. Weder Hitler noch Kortzfleisch sterben einen auf irgendeine Weise herausragenden Tod. Das kann man schon so machen, um dem jedoch Sinn zu geben, hätte halt der Rest des Films deutlich stärker sein müssen. Im Übrigen ist „The Coming Race“ auch alles andere als gut gespielt. Das konnte man zwar auch über „Iron Sky“ sagen; allerdings ist das, was 2012 noch als weiterer Aspekt des B-Movie-Charmes durchgehen konnte, in der Fortsetzung völlig überzogen. Will sagen: „Iron Sky“ wirkte, als wäre das Schauspiel tatsächlich etwas unbeholfen, während man in „The Coming Race“ das Gefühl hat, dass hier mit Gewalt versucht wurde, eine ähnlich unbedarfte Atmosphäre zu schaffen. Das gelingt den Darsteller:innen und dem Regisseur allerdings nicht, sodass man sich ob der hölzernen Darbietung immer wieder peinlich berührt abwenden möchte.

Das Fazit folgt sogleich, zwei positive Aspekte von „The Coming Race“ möchte ich der Vollständigkeit halber aber auch erwähnen: Erstens verfügt der Film wie schon sein Vorgänger über eine herausragende Optik. Speziell die Mondbasis in ihrem halb verfallenen Zustand wurde großartig umgesetzt und lässt echte Endzeit-Stimmung aufkommen. Generell sind die Effekte stark, die Kosten dafür dürften aber hauptverantwortlich für das Überziehen des Budgets gewesen sein (was ich nicht ganz verstehe, denn so viel anders als das vergleichsweise günstige „Iron Sky“ sieht die Fortsetzung auch wieder nicht aus). Ein zweiter Pluspunkt ist die an sich völlig unverbrauchte Thematik. Die Hohlerde war beispielsweise in jüngerer Vergangenheit im „MonsterVerse“-Franchise ein Thema, insgesamt fühlen sich die Theorien, die die beiden „Iron Sky“-Filme streifen, sehr frisch und unverbraucht an. Umso bitterer, wie wenig vorliegendes Werk aus diesem Alleinstellungsmerkmal macht.

Fazit: 1,5 Stunden Quatsch.

Ich fasse zusammen: „Iron Sky: The Coming Race“ ist völliger Quatsch, dessen 1,5 Stunden Laufzeit einem mangels Handlung wie 30 Minuten vorkommen (wenigstens etwas…). Anfangs möchte man über gewisse Fehler und Ungereimtheiten noch hinwegsehen, relativ bald merkt man aber, dass der Film wirklich so schwach ist. Es gibt keine Spannung, keine Identifikation mit den Charakteren und auch das Schauspiel, das in Teil 1 über weite Strecken in Ordnung war, ist hier nicht der Rede wert. Und: Der Film beinhaltet keinerlei Kritik an den von ihm dargestellten Mythen, es sei denn, man sieht das Verlachen der Verschwörungsgläubigen per se als Form der Kritik. Kann man natürlich machen, blöderweise verfügt „The Coming Race“ aber weder über nachhaltigen noch über unmittelbaren Humor. Oder es ist nicht mein Geschmack, was natürlich auch sein kann. Keine Ahnung.

Meine Vermutung zu den genannten Problemen: Die lange Produktionszeit hat dem Drehbuch massiv geschadet, weil dadurch der Fokus verlorengegangen ist. Und/oder kurz vor der Veröffentlichung gab es soviel Druck auf die Verantwortlichen, dass eine vernünftige Nachbearbeitung nicht mehr möglich war. Anders kann ich mir das alles nicht erklären. Daher abschließend die gar nicht so ketzerische Frage: Wozu gibt es diesen Film überhaupt? Ich weiß es wirklich nicht. Gelohnt haben dürfte es sich jedenfalls nicht: Mittlerweile mussten sowohl die Produktionsfirma des Films als auch die des „Iron Sky Universe“-Franchise Konkurs anmelden. Und daran trägt die Qualität von „The Coming Race“ wohl ein gerüttelt Maß an Mitschuld, wage ich zu behaupten.

Gesamteindruck: 1/7


Originaltitel: Iron Sky: The Coming Race.
Regie:
Timo Vuorensola
Drehbuch: Dalan Musson
Jahr: 2019
Land: Finnland, Belgien, Deutschland
Laufzeit: ca. 95 Minuten
Besetzung (Auswahl): Lara Rossi, Vladimir Burlakov, Kit Dale, Udo Kier, Julia Dietze, Tom Green



FilmWelt: ARQ

An diese Stelle hätte ich im Wesentlichen den Text kopieren können, den ich in meiner Rezension zu „TAU“ (2018) als Einleitung geschrieben habe. Denn auch „ARQ“ (2016) ist so ein Werk, das mir beim gelangweilten Durchsehen meiner Netflix-Empfehlungen offenbar stark genug aufgefallen ist, um es meiner Watchlist hinzuzufügen. So etwas passiert bei mir ja recht schnell und hat zur Folge, dass jene Liste (und ihre Pendants bei anderen Diensten) zum Bersten gefüllt und damit alles andere als eine Entscheidungshilfe ist. Noch schlimmer: Trotz chronischen Zeitmangels zwingt mich die Liste sozusagen, Filme anzusehen, bei denen schon zu erahnen ist, dass sie unter „das war wohl nix“ fallen würden. „ARQ“ ist allerdings eine löbliche Ausnahme von dieser Regel.

Gesamteindruck: 5/7


Und täglich grüßt… der Tod.

Die Ähnlichkeit zwischen „TAU“ und „ARQ“ beschränkt sich übrigens nicht nur auf den in Versalien geschriebenen 3-Buchstaben-Titel. Beide Filme sind von Netflix produziert und spielen in einem einzigen Haus und drehen sich um ein klassisches Science Fiction-Phänomen: „TAU“ ist mit der Frage nach dem Wesen künstlicher Intelligenz näher an unserer Zeit, „ARQ“ nimmt sich mit der Zeitreise einem Thema an, das (noch?) keine Entsprechung in der Gegenwart hat. Mehr Gemeinsamkeiten gibt es allerdings nicht – sieht man davon ab, dass beide Filme andeutungsweise in einer dystopischen Zukunft zu spielen scheinen, was aber weder hüben noch drüben erschöpfend behandelt wird.

Worum geht’s?
Nur Sekunden, nachdem Renton aufgewacht ist, stürmen bewaffnete Männer sein Schlafzimmer, reißen ihn aus dem Bett und zerren ihn durch die Tür. Als sich der Überraschte zu wehren beginnt, stürzt er, bricht sich das Genick und… erwacht wieder in seinem Bett. Bevor er der neben ihm liegenden Hannah auseinandersetzen kann, was passiert ist – oder ob es nur ein Traum war – passiert es erneut: Bewaffnete dringen gewaltsam ins Schlafzimmer ein und nehmen ihn mit… wieder kommt Renton ums Leben, wieder erwacht er in seinem Bett und langsam dämmert ihm, dass diese merkwürdigen Ereignisse mit dem ARQ, einer von ihm erfundenen Maschine, zu tun haben könnten…

Die Suche nach möglichen Vorbildern für „ARQ“ fällt leicht: Hier ist z. B. ganz viel von „Und täglich grüßt das Murmeltier“ drin – oder, wenn man es etwas ernsthafter haben möchte, von der „Star Trek – The Next Generation“-Folge „Déjà Vu“. Die kam übrigens 1992, also noch ein Jahr vor der denkwürdigen Komödie mit Bill Murray, was zwar nichts mit „ARQ“ zu tun hat, mir bis vor wenigen Minuten aber überhaupt nicht bewusst war. Interessant. Zu genannten Werken könnte man ferner, um eine etwas neuere Variante zu nennen, „Edge of Tomorrow“ (2014) hinzufügen.

Es geht hier also, wie unschwer zu erkennen sein sollte, um das die Zeitschleife, eine spezielle Form der Zeitreise. Im Wesentlichen dreht sich alles darum, dass die Protagonist:innen in scheinbar endloser Wiederholung die immer gleiche Sequenz von Ereignissen durchleben. Dass sich die Charaktere entweder sofort oder nach und nach an vorangegangene Schleifen erinnern können und dieses Wissen nutzen, um die Ereignisse zu manipulieren, macht einen Teil der Faszination dieser Prämisse aus. Ziel ist es in der Regel, den Teufelskreis zu durchbrechen, was entweder gelingt, indem sich die Protagonist:innen selbst hinterfragen und zu einem besseren Individuum werden („Und täglich grüßt das Murmeltier“), indem sie eine Katastrophe verhindern („Déjà Vu“) oder eine andere, oft technische Lösung finden, indem sie z. B. die Zeitmaschine vernichten und damit die Welt wieder gerade rücken. Letzteres ist meines Erachtens das, was in „ARQ“ versucht wird, wobei der Film in dieser Hinsicht eher vage bleibt – aber dazu weiter unten mehr.

Was vorliegenden Titel von den mir bekannten Beiträgen zur Zeitschleifen-Problematik unterscheidet, hat vor allem mit der Perspektive zu tun, die ich so noch nicht häufig (oder gar nicht) gesehen habe: Regisseur und Drehbuchautor Tony Elliot („ARQ“ ist der erste Langfilm des Serien-Spezialisten) gestaltet den Blickwinkel variabel. Das heißt, dass wir in der einen oder anderen Iteration zu sehen bekommen, was die Antagonisten machen, denen im Laufe der Handlung ebenfalls bewusst wird, sie immer wieder die gleichen Ereignisse erleben. Daraus ergeben sich trotz des naturgemäß repetitiven Charakters von „ARQ“ sehr interessante Differenzen in der gleichen Geschichte, was mir ungemein gut gefallen hat und eine erfrischende Neuerung in einem im Laufe der Jahre recht häufig beackerten Feld darstellt.

Ein starkes Drehbuch.

Aber auch abseits dieses Alleinstellungsmerkmals ist „ARQ“ stark, denn das Drehbuch hält jede Menge Twists parat, die nicht in jedem Fall mit der Zeitschleife zu tun haben, sondern vor allem in den Charakteren liegen. Ohne zu viel zu verraten: Das anfangs simpel wirkende Schema von Gut und Böse verschwimmt im Laufe der Handlung zusehends, was dem Film ein zusätzliches Spannungselement verleiht; man weiß nie so richtig, was einen in der nächsten Schleife erwartet. Das hätte ich so nicht erwartet, weil „ARQ“ ja eigentlich so aufgebaut ist, dass man meint, es ginge „nur“ darum, aus dieser Situation zu entkommen. Das ist aber nur ein Aspekt der Handlung, während sich der Rest in Thriller-Manier mit Täuschung und Verrat beschäftigt, was den Film letztlich doch recht deutlich von seinen Genregenossen abhebt.

Was mir außerdem sehr gut gefällt, ist die Art und Weise, wie der Film seine eigene Story konstruiert bzw. im Laufe der Schleifen re-konstruiert. Das wirkt auf mich sehr durchdacht und so, als hätte der Regisseur ganz genau gewusst, was er da tut. Dafür nimmt er anfangs sogar Frustmomente im Kauf – denn während z. B. „Und täglich grüßt das Murmeltier“ Story und Charaktere von Beginn an klar umreißt, erschließen sich die Gegebenheiten bei „ARQ“ schrittweise und nicht zwingend chronologisch. Heißt: In den ersten zwei, drei Szenen versteht man teilweise überhaupt nicht, worum es geht und wer die Figuren auf dem Schirm eigentlich sind. Eine mutige Entscheidung, die sich im Endeffekt aber lohnt, weil es durchaus befriedigend ist, wie die Puzzleteile nach und nach an ihren Platz fallen.

Was bei den Pluspunkten auch nicht unerwähnt bleiben sollte: „ARQ“ wurde zwar von Netflix produziert, das Budget war aber vergleichsweise gering. Der Großteil des Films spielt in einem einzigen Haus; dort fällt der budgetäre Aspekt nicht allzu sehr ins Gewicht, sieht man von (sehr seltenen) Splatter-Szenen ab, die etwas billig wirken (per se aber ganz gut zum Film passen). Gegen Ende hin geht es auch mal nach draußen, wo man zu Gesicht bekommt, was bis dahin nur in Dialogen angedeutet wurde: „ARQ“ spielt nach einer nicht näher genannten, weltweiten Katastrophe. Klar, dass die Machart des Films die Spannung, wie das Draußen wohl aussehen würde, in schwindelerregende Höhen treibt. Was man dann zu sehen bekommt, ist eher unspektakulär, ich denke aber, dass die Optik für die Mittel, die für diesen Film aufgewendet wurden, vollkommen in in Ordnung ist. Abgesehen davon ist hier die Handlung ohnehin wichtiger.

Ein paar Erklärungen zu wenig.

Ein bis dato unerkanntes Meisterwerk ist „ARQ“ trotz der genannten Vorzüge allerdings nicht. Dass Hauptdarsteller Robbie Amell mehr an einen Action-Helden als an einen genialen Wissenschaftler erinnert, ist zwar kein Beinbruch, stört die Atmosphäre aber tatsächlich ein wenig (seine Ex-Freundin Hannah wird hingegen sehr passend von Rachael Taylor verkörpert). Was mich hingegen wirklich gewurmt hat: „ARQ“ unternimmt nicht einmal den Versuch, zu erklären, wie die Zeitschleife eigentlich funktioniert. Man bekommt zwar ein recht billig aussehendes, merkwürdiges Gerät zu Gesicht, das wohl eine Art Perpetuum mobile sein soll, was es damit aber auf sich hat, muss man sich selbst zusammenreimen.

Ich verstehe schon, dass das nicht der Fokus der Handlung ist – ein wenig mehr „Fleisch“ hätte dem Film an dieser Stelle aber nicht geschadet. Hinzu kommen gewisse logische Ungereimtheiten – so laufen beispielsweise Uhren mit Fortdauer des Films sichtbar schneller, was meines Erachtens aber nicht von den Charakteren bemerkt werden dürfte, wenn die sich weiterhin in normaler Geschwindigkeit durch den Raum bewegen. Kleinlich? Mag sein, aber dadurch, dass es hier – im Gegensatz zu „Und täglich grüßt das Murmeltier“ – eine eindeutige, technische Komponente gibt, die den Zeitsprung auslöst, hätte ich mir dazu auch eine gewisse Pseudo-Wissenschaftlichkeit gewünscht.

Einen Punkt möchte ich noch ansprechen, bevor ich zum Fazit komme: Den Schluss von „ARQ“ fand ich enttäuschend. Um es deutlich zu sagen: Es wirkt, als hätte schlicht und ergreifend niemand eine Idee gehabt, wie man die Story vernünftig zu Ende führen soll. Ein Happy End war angesichts des allgemeinen Tenors wohl zu Recht keine Option, sodass man sich für eine zweitschlechteste Alternative entschieden hat: Das Ende ist offen, es geht also alles wieder von vorne los – ob das nun besser oder schlechter als die auf unterschiedliche Weisen aufgelösten Zeitschleifen anderer Werke ist, sei dahingestellt; meinen Geschmack hat es jedenfalls nicht getroffen, weil es sich merklich nach einer Verlegenheitsoption anfühlt.

Fazit: Sehenswert.

Ich würde „ARQ“ trotz der genannten Schwächen allen empfehlen, die eine Vorliebe für das Konzept der Zeitreise und ihrer Konsequenzen haben. Wie sehr die fehlende Wissenschaftlichkeit fehlt, hängt meines Erachtens stark vom persönlichen Geschmack ab. Ich gebe jedoch zu bedenken, dass mir selbst solche Dinge in der Regel sehr wichtig sind, ich „ARQ“ aber trotz ihrer Abwesenheit als spannend und unterhaltsam empfunden habe. Wer nicht so viel Wert darauf legt, alles möglichst lückenlos erklärt zu bekommen, wird an dieser Stelle ohnehin keine Probleme mit dem Film haben und erlebt einen spannenden Thriller, in dem nichts so ist, wie es anfangs scheint. Das dürfte sogar funktionieren, wenn man mit der Zeitschleifen-Thematik nicht warm wird, weil der Regisseur es meines Erachtens völlig unabhängig davon schafft, eine interessante und überraschende Geschichte zu erzählen.

Größter Wermutstropfen ist das Finale. Das ist eigentlich sogar recht konsequent, dennoch hinterlässt es das Publikum eher ratlos, weil das Gefühl dominiert, alles, was die Charaktere zuvor erlitten haben, wäre sinnlos gewesen. Ob das in diesem Ausmaß gewollt war, wage ich nicht zu beurteilen. So oder so: „ARQ“ ist definitiv sehenswert und hätte mit einem etwas … naja… „besseren“ Finale (was auch immer das heißen mag) mindestens einen Punkt mehr bekommen. Aber auch so sollten Science Fiction-Fans unbedingt einen Blick riskieren – es lohnt sich.

Gesamteindruck: 5/7


Originaltitel: ARQ.
Regie:
Tony Elliott
Drehbuch: Tony Elliott
Jahr: 2016
Land: USA, Kanada
Laufzeit: ca. 90 Minuten
Besetzung (Auswahl): Robbie Amell, Rachael Taylor, Shaun Benson, Gray Powell, Adam Butcher



FilmWelt: TAU

„TAU“ (2018) gehört zu jener Sorte Filme, die man nach einem beiläufigen Blick auf die Inhaltsangabe auf die Watchlist gibt. Dort setzt er dann – gemeinsam mit hundert ähnlichen Werken – sprichwörtlichen Staub an, bis man sich irgendwann doch zu einer Sichtung aufrafft und oft genug eine Enttäuschung erlebt. Inwiefern das in vorliegendem Fall zutrifft, versuche ich im Folgenden herauszuarbeiten.

Gesamteindruck: 2/7


Mensch und Maschine gegen Mensch.

Es ist kein neues Terrain, auf das sich Regisseur Federico D’Alessandro und Drehbuchautorin Noga Landau mit „TAU“ begeben. Moment, wer? Gute Frage, ich musste auch erst recherchieren… In aller Kürze: Der Name D’Alessandro ist (im Gegensatz zu Landau) zumindest mit großen Produktionen assoziiert. So hat unser Mann beispielsweise an Filmen wie „I Am Legend“ (2007), „Bird Box“ (2018) und einer stattlichen Zahl von Blockbustern aus dem Marvel-Universum mitgewirkt. Allerdings, und das ist die Crux und mithin der Grund, wieso mir der Name nicht geläufig war: D’Alessandro ist kein gelernter Regisseur, sondern in der Regel für das „storyboard“ verantwortlich, also für die grobe, visuelle Konzeption von Filmszenen. Eine wichtige Aufgabe, allerdings keine, die mit den Herausforderungen, denen sich ein Regisseur stellen muss, vergleichbar ist. Das schon mal zur Orientierung und Einordnung dessen, was ich in weiterer Folge über „TAU“ zu sagen habe.

Worum geht’s?
Julia, eine Kleinkriminelle, die sich mit Diebstählen und Hehlerei über Wasser hält, wird entführt und findet sich unversehens in einem futuristischen Haus wieder. Dessen Eigentümer Alex braucht Versuchskaninchen für ein nicht näher genanntes Projekt, das irgend etwas mit der Entwicklung künstlicher Intelligenz zu tun hat. In Abwesenheit ihres Entführers soll Julia, beaufsichtigt vom intelligenten und mit Emotionen ausgestatteten Computer TAU, verschiedene Aufgaben und Tests bestehen. Zunächst bleibt ihr nichts übrig, als sich zu fügen – bis sie eine Möglichkeit findet, das Vertrauen der Maschinenintelligenz zu gewinnen und sich mit ihm gegen Alex zu verbünden…

Auf dem Papier klingt die Prämisse von „TAU“ nicht schlecht, stellt sie doch die Frage nach dem Wesen von Intelligenz und der Bedeutung von Emotionen für Mensch und Maschine. Dieses Thema ist ein Klassiker der Science Fiction und angesichts jüngster Entwicklungen so aktuell wie nie zuvor in der Geschichte. So gesehen ist es auch kein Wunder, dass „TAU“ inhaltlich an Werke wie „2001: Odyssee Im Weltraum“ (1968), dessen Hommage „Dark Star“ (1974) und die eine oder andere Folge diverser Science Fiction-Serien (z. B. „Computer M5“ aus „Raumschiff Enterprise“) erinnert. In jüngerer Zeit stellten beispielsweise „Ex Machina“ (2015) oder, allerdings erst nach „TAU“, „I Am Mother“ (2019) ähnliche Themen zur Diskussion.

Diese Referenzen weisen darauf hin, was „TAU“ anhand seiner Prämisse hätte sein können. Leider – und damit nehme ich das Fazit vorweg – hinterlässt der Film im Gegensatz zu seinen vermeintlichen Vorbildern keinen bleibenden Eindruck. Er stellt zwar indirekt, also aus der Handlung heraus, wichtige Fragen, eine tiefschürfende Beantwortung, die uns neue Erkenntnisse bringen könnte, bleibt er jedoch schuldig. Letzten Endes muss man sogar konstatieren, dass es schwierig ist, eine Aussage über den Sinn dieses Films zu treffen. Ein ziemlich vernichtendes Urteil, das ich in weiterer Folge zu erklären versuche.

Thema verfehlt.

„TAU“ enttäuscht auf mehreren Ebenen. So wirkt der Film beispielsweise auf mich, als hätte der Regisseur zwei Ideen gehabt: Einerseits sollte es um die Psychologie einer Entführung gehen, andererseits musste „irgendwas mit künstlicher Intelligenz“ rein; letzteres vielleicht als Reminiszenz an genannte Klassiker oder um brennende Fragen unserer Zeit zu diskutieren – ich weiß es nicht. Diese beiden Gedanken miteinander zu verbinden ist jedenfalls nicht so weit hergeholt und eine legitime Herangehensweise, die aber leider maximal im Aufbau des Films halbwegs funktioniert. Nach der Einführung der Grundidee und der ersten Vorstellung der Charaktere geht „TAU“ relativ schnell die Luft aus.

Ein Grund dafür ist, dass die Verantwortlichen sich offenbar nicht sicher waren, auf welche Weise sie die Gefahren überhaupt thematisieren sollen, die der Menschheit drohen könnten, wenn Maschinen intelligent und emotional werden. Mit anderen Worten: Die Frage nach dem Umgang mit künstlicher Intelligenz wirkt fast schon vorgeschoben und wie eine Art Anhängsel zur eigentlich favorisierten Entführungsgeschichte, die sich im Laufe des Films zu einer Art Romanze entwickelt.

Denn genau das passiert: Julia wird entführt, zeigt sich in Gefangenschaft zunächst widerspenstig, besinnt sich dann aber darauf, das Vertrauen ihrer Peiniger zu gewinnen, um so zu entkommen. Mit dem Einen gelingt ihr das nicht, zum Anderen kann sie schließlich tatsächlich eine Beziehung aufbauen. Das wiederum löst Streit unter den Schurken aus – was zu einem Finale führt, das ähnlich vorhersehbar ist, wie der eben beschriebene Rest. Einzige Besonderheit: Einer der Gegenspieler ist kein Mensch, sondern ein Computer – und ausgerechnet der lässt sich zu emotionalem Handeln hinreißen, während sein menschlicher Schöpfer kalt wie eine Maschine agiert. Theoretisch mag das nach einem interessanten Setting klingen, in Wirklichkeit ist es aber eine Themenverfehlung, weil der Film für mein Dafürhalten etwas Anderes verspricht.

Doch auch, wenn ich die Intention von „TAU“ fehlinterpretiert hätte, hat der Film mit ganz grundsätzlichen Schwächen zu kämpfen. So kommt das Drehbuch recht spannungsarm, teils unlogisch und auch lückenhaft daher: Was ist beispielsweise der Zweck der Experimente von Alex? Wie ist es möglich, „Schmerz“ bei einem Computer auszulösen? Warum kann eine allmächtige KI, die schreit, wenn man ihr „weh“ tut, zwar Geheimnisse für sich behalten, aber keine Türen öffnen? Überhaupt wirkt das Verhalten des Computers TAU häufig unglaubwürdig, auch dann, wenn man ihm eine Intelligenz unterstellt, die über das hinausgeht, was aktuelle Rechner leisten können. Nichts von alledem wird sinnvoll erläutert, sodass auch in dieser Hinsicht definitiv ein schaler Nachgeschmack bleibt. Auch wenn ich mich wiederhole: Es wirkt, als wäre das, was später zur künstlichen Intelligenz TAU werden sollte, ursprünglich für einen menschlichen Charakter geschrieben gewesen, der sich erst sträubt und schließlich nach und nach von seinem eigentlichen Opfer einlullen lässt.

Lustlose Darsteller:innen.

„TAU“ wird im Wesentlichen von drei Figuren bestimmt: Julia, gespielt von Maika Monroe, Antagonist Alex, den Ed Skrein darstellt – und, irgendwo zwischen diesen beiden Polen, der Computer TAU, gesprochen vom großartigen Gary Oldman. Ich würde das, abgesehen vielleicht von Skrein, eine durchaus passable Besetzung nennen, die der Regisseur allerdings nicht zu nutzen vermag. Einerseits, weil es ihm offenbar nicht gelungen ist, seine Schauspieler:innen richtig zur Arbeit zu motivieren: Weder Monroe noch Skrein legen meines Erachtens irgendeine Form von Leidenschaft in ihre Darbietung. Wer nun argumentiert, dass speziell der Bösewicht kalt und unnahbar sein muss, hat grundsätzlich schon recht – nur löst das fast schon gelangweilt wirkende Spiel von Ed Skrein keinerlei Emotionen bei mir aus. Weder finde ich ihn auch nur ansatzweise sympathisch, noch ist er einer dieser Schurken, die so gemein sind, dass man sie einfach hassen muss. Er ist schlicht und einfach nichtssagend, genau wie sein weiblicher Konterpart. Gary Oldman kann das auch nicht rausreißen, im Gegenteil: Durch die sanfte Emotionalität, die er – bzw. sein Synchronsprecher, das Original kenne ich nicht – in die Stimme von TAU legt, geht der KI völlig die berechnende Kälte einer Maschine ab, die in ähnlichen Filmen immer unbewusst mitschwingt. Ein bedrohlicher Computer ist TAU jedenfalls nicht, was wiederum an der Glaubwürdigkeit des gesamten Films rüttelt.

Doch auch, wenn die Schauspieler:innen recht lustlos agieren, würde ich ihnen nicht die Schuld an der mageren Wertung für „TAU“ geben. Viel gravierender sind – neben genannten inhaltlichen Schwächen – die für sie geschriebenen Dialoge, die sich nahtlos in die Oberflächlichkeit des Gesamwerks einreihen. Die Gespräche zwischen TAU und Julia sind anfangs noch halbwegs interessant und bieten auch eine gewisse Spannung (schafft sie es, den Computer auf ihre Seite zu ziehen?). Im Laufe der Handlung verflachen sie jedoch zusehends, wiederholen sich und sind kaum geeignet, das Interesse aufrecht zu erhalten. Eine wichtige Aussage vermag ich darin – wie auch im restlichen Film – kaum zu finden. Der Vollständigkeit halber sei abschließend erwähnt, dass das gelegentliche Geplänkel zwischen Alex und Julia bestenfalls Standard ist, den man, wie den Großteil der Handlung, aus praktisch jeder Entführungsgeschichte kennt.

Was bleibt als Fazit? Zunächst einmal mehr die Erkenntnis, dass Netflix-Produktionen oft stark fotografiert und sehr stylisch sind (so auch dieses Werk), über gute Effekte verfügen und sich in der Besetzung nicht vor anderen Titeln verstecken müssen. Gleichzeitig sind sie inhaltlich oft deutlich schwächer, als man erwarten würde – und das ist eben auch bei „TAU“ der Fall. Wenn man es ganz genau nimmt, macht der Film aus seiner Prämisse praktisch nichts, denn, brutal gesagt: Es hätte für die Handlung so gut wie nichts geändert, wenn statt einer künstlichen Intelligenz zwei menschliche Entführer am Werk gewesen wären. Heißt: Der Film „TAU“ hätte mit geringfügigen Änderungen auch ohne den Computer TAU funktioniert. Und das ist eigentlich ein verheerendes Zeugnis, dass sich letztlich auch in der Wertung niederschlagen muss.

Gesamteindruck: 2/7


Originaltitel: TAU.
Regie:
Federico D’Alessandro
Drehbuch: Noga Landau
Jahr: 2018
Land: USA
Laufzeit: ca. 100 Minuten
Besetzung (Auswahl): Maika Monroe, Ed Skrein, Gary Oldman