Ich mag ja die alten, japanischen Godzilla-Filme sehr gern, weil ich finde, dass sie trotz (oder gerade wegen) ihrer aus heutiger Sicht unbeholfen wirkenden Monster-Darstellung eines hatten, das vielen modernen Produktionen immer häufiger abgeht: Charakter. „Godzilla“ (2014) war in dieser Hinsicht gar nicht verkehrt, der Nachfolger „Godzilla II: King of the Monsters“ (2019) hat mich hingegen enttäuscht.
Gesamteindruck: 4/7
Monster-Menagerie.
Amerikanische „Godzilla“-Filme? Da war doch was… Richtig, der letzte Versuch vor dem 2014er-Relaunch datiert aus dem Jahre 1998, war von Roland Emmerich und wird allgemein wenig wohlwollend betrachtet. Ich persönlich fand den Film gut; hätte der Regisseur die Optik der Riesenechse nicht dermaßen radikal umgestaltet, wäre die Sache wohl anders ausgegangen. Aber das nur am Rande, denn seit 2014 sieht Godzilla auch in Hollywood wieder deutlich traditioneller aus, sodass man sich zumindest diesbezüglich kaum beschweren kann. Über andere Dinge hingegen sehr wohl, zumindest was diese Fortsetzung von 2019 betrifft, die ich im Gesamteindruck knapp unter der 1998er-Version einordnen würde. Ja, wirklich!
Worum geht’s?
2014 hat das gigantische Monster Godzilla zwar die Welt gerettet, dabei wurden aber weite Teile von San Francisco dem Erdbeben gleichgemacht. Unter den vielen Toten war auch der Sohn von Emma und Mark Russell, die entsprechend schlecht auf den Riesen zu sprechen sind. Gemeinsam haben sie ein Gerät entwickelt, das der Organisation Monarch die Kommunikation mit den Titanen genannten Monstern ermöglichen soll. Als Emma mitsamt Gerät und gemeinsamer Tochter entführt wird, soll Mark als Berater bei der Suche helfen. Gleichzeitig versuchen Öko-Terroristen, weitere Titanen aus ihrem Schlaf zu wecken, damit diese die durch menschliche Ausbeutung bedrohte Erde retten und das natürliche Gleichgewicht wieder herstellen…
Ein Kritikpunkt an „Godzilla“ (ich spreche im folgenden übrigens immer vom 2014er Film) war, dass selbiger relativ wenig Screentime bekommen hat. Stimmt, ich habe das auch so in Erinnerung und es wird sicher objektive Aussagen dazu geben, wie viele Minuten das Monster tatsächlich im Bild war. Dennoch mag ich die Kritik nicht so recht teilen, schon gar nicht nach dem Genuss von „Godzilla 2“, der deutlich macht, was passieren kann, wenn man den umgekehrten Weg geht: Man sieht sich schneller als ich es je für möglich gehalten hätte, an Kreaturen, die einander brüllend gegenüber stehen, satt. Dazu kommt noch, dass die optisch großartigen Monster-Fights stark an Dramatik vermissen lassen; will sagen: Man hat bis zum Ende hin nie den Eindruck, dass die Viecher einander wirklich gefährlich werden können, sodass die Spannung trotz rasanter Bildschirm-Action eher gemächlich vor sich hin köchelt.
Optik kaschiert Plot.
Wie angedeutet, schaut „Godzilla 2“ exzellent aus. Das betrifft sowohl die hervorragende Kameraarbeit, die von düsteren Bildern und wunderbaren Farbenspielen geprägt ist, als auch die Titanen selbst. Beides zeigt mit aller Deutlichkeit, was heutzutage technisch möglich ist. Besonderen Applaus von meiner Seite auch dafür, dass all das im Vergleich zu vielen Produktionen der jüngeren Vergangenheit gar nicht so sehr nach CGI-Overkill aussieht, wie man meinen könnte. Tatsächlich haben die Verantwortlichen für mein Dafürhalten eine sehr gute Symbiose aus dem ursprünglichen Charme der im Gummi-Kostüm als Godzilla & Co. agierenden Japaner und moderner Computertechnik hinbekommen. Das war schon in „Godzilla“ ein Pluspunkt und trifft auf den Nachfolger im gleichen Ausmaß zu.
Doch leider, und das ist mein Problem mit „Godzilla 2“, habe ich das Gefühl, dass die Effekthascherei vor allem dazu dient, den lahmen Plot zu kaschieren. „Godzilla“ hatte meiner Meinung nach eine gute Story – die Titanen kannte damals noch niemand und das Rätseln um ihren Ursprung hatte schon was. Jedenfalls war mir das deutlich lieber als die dünne Geschichte von „Godzilla 2“, die sich im Wesentlichen darum dreht, die Monster mit irgendeinem hanebüchen erklärten Gerät zu kontrollieren (dass das nach hinten losgeht ist wenig überraschend und tut letztlich auch nicht viel zur Sache). Nebenbei bemerkt: „Godzilla“ war vergleichsweise realistisch und spielte in einem normalen 2014 während „Godzilla 2“ für meinen Geschmack etwas zu viel Science Fiction auffährt. Hier sei erwähnt, dass mir durchaus bewusst ist, dass es auch im japanischen „Godzilla“-Franchise solche Auswüchse gab; für mich macht es aber einen Unterschied, ob die Filme, so wie damals, für sich stehen oder ob sie – wie heute – in einen größeren Kontext eingebettet sind. Ist letzteres der Fall, ist es aus meiner Sicht deutlich wichtiger, auf die innere Logik zu achten, wenn man ein wirklich stimmiges Filmuniversum kreieren möchte.*
Dazu passt auch, dass teilweise ausgesprochen wirres Zeug ins Drehbuch gemischt wurde – beispielsweise, wenn sich aus dem Nichts herausstellt, dass die Theorie von der Hohlerde simmt. Wtf?! Und wozu das Ganze? Nur, damit man erklären kann, wieso Godzilla schnell seinen Standort wechseln kann, wobei die zurückgelegten Distanzen aus meiner Sicht trotz dieses deus ex machina vollkommen an den Haaren herbeigezogen scheinen (wieso sind übrigens gegen Ende des Films plötzlich alle Titanen gleichzeitig in den USA? Logik?). Oder, um ein anderes Beispiel zu nennen, man entdeckt plötzlich die „Heimat“ von Godzilla, eine Art Tempel tief unter dem Meer. Interessante Sache – die dem Publikum aber einfach so hingeworfen wird, ohne näher darauf einzugehen. Ärgerlich, weil verschenktes, nicht zu Ende gedachtes Potenzial, würde ich sagen… Übrigens, und das scheint im Angesicht dieser Punkte fast schon unerheblich, scheint Godzilla immer mal wieder gewissen Größenschwankungen unterworfen zu sein.
* Dabei handelt es sich um das „MonsterVerse“, zu dem auch King Kong gehört, der 2017 mit „Kong: Skull Island“ einen ähnlich guten Relaunch hingelegt hat, wie Godzilla drei Jahre zuvor.
Charakterzeichnung höchst mangelhaft.
Ich denke, dass all das nicht dermaßen dramatisch wäre, wie es klingt, wenn die Charaktere gut wären. Oder sympathisch. Oder mit Ecken und Kanten. Von dieser Front kann ich aber leider überhaupt nichts Gutes berichten, sieht man vom aus dem Vorgänger bekannten Ken Watanabe ab, der seine Rolle als Dr. Serizawa erneut stark verkörpert. Der Rest des Casts steht – im Gegensatz zu Teil 1 – vollkommen im Schatten der Titanen. Ironie des Schicksals: Das hat relativ wenig mit der umfangreicheren Screentime der Monster zu tun, sondern schlicht und einfach damit, dass die Charaktere (und letztlich auch ihre Darsteller) auch für sich genommen geradezu erschreckend blass bleiben. Gefühle wirken dadurch wie unechter Kitsch, Dialoge, die düster und schicksalsschwanger gemeint sind, werden unfreiwillig komisch und/oder langatmig und der Humor fühlt sich fast immer aufgesetzt an. Das gilt übrigens sowohl für die Guten als auch für die Bösewichte – der von mir eigentlich sehr geschätzte Charles Dance wirkt als Terroristen-Boss dermaßen lustlos und demotiviert, dass man sich fragt, ob es hinter den Kulissen Ärger gegeben hat.
Harte Worte… Und ja, ich weiß, das ist Popcorn-Kino und ein Blockbuster, den man nicht zu ernst nehmen sollte. Leider will mir das nicht gelingen, einerseits weil Teil 1 zeigt, dass es auch anders gegangen wäre, andererseits, weil sich „Godzilla 2“ selbst ziemlich ernst nimmt. Um das auf mich als Zuseher zu übertragen, wäre aber zumindest ein Mindestmaß an Tiefgang erforderlich gewesen. Weil das fehlt, sitzt der Film mehr oder weniger zwischen den Stühlen, was ich sehr schade finde. Hier muss man auch Regisseur/Drehbuchautor Michael Dougherty in die Verantwortung nehmen – der kann zwar gute Action inszenieren, mit dem Inhalt scheint er aber Probleme zu haben, wie auch andere Beispiele aus seiner Filmografie zeigen („X-Men 2“, „Superman Returns“). Bleibt zu hoffen, dass der zum Zeitpunkt dieser Rezension (Februar 2021) unter seiner Regie fertig abgedrehte „Godzilla vs. Kong“ besser wird – man wird es dann irgendwann hier zu lesen bekommen.
Fazit: Wer sich damit zufrieden gibt, dass Godzilla und sein Erzfeind Ghidhora aufeinander gehetzt werden und sich nach allen Regeln der Kunst diverse Köpfe einschlagen, hat kaum Grund, zu meckern. Wobei ich auch bei Ausblenden aller von mir geschilderten Probleme zu keinem Zeitpunkt das Gefühl hatte, hier eine wirklich epische Auseinandersetzung zu erleben, aber das mögen andere anders sehen. Wer ein bisschen mehr möchte, wird wohl enttäuscht sein. Traurig, weil ich mich grundsätzlich über das Wiedersehen mit einigen Monstern meiner Jugend gefreut habe. Aber es hilft alles nichts:„Godzilla“ sehe ich mir immer mal wieder gerne an. „Godzilla 2“ ist einmal ganz gut, ein zweites Mal noch ok, öfter braucht man jedoch nicht mehr als 2 Stunden Lebenszeit in diesen Film zu investieren.
Gesamteindruck: 4/7
Originaltitel: Godzilla 2: King of the Monsters.
Regie: Michael Dougherty
Drehbuch: Max Borenstein, Michael Dougherty, Zach Shields
Jahr: 2019
Land: USA
Laufzeit: ca. 130 Minuten
Besetzung (Auswahl): Kyle Chandler, Vera Farmiga, Millie Bobby Brown, Ken Watanabe, Charles Dance