FilmWelt: Outbreak – Lautlose Killer

Irgendwie merkwürdig, „Outbreak“ mitten in der globalen Corona-Pandemie zum ersten Mal nach mindestens 20 Jahren wieder anzusehen. In den 1990ern war dieser Film mitunter auch deshalb so interessant, weil er mit der Ausbreitung und Eindämmung einer Seuche ein Thema beschrieb, zu dem man als Normalsterblicher so gut wie keinen Bezug hatte.

Gesamteindruck: 5/7


Von der Fiktion zur Realität.

Es ist wohl keine große Überraschung, wenn ich sage, dass „Outbreak“ anno 2021 völlig anders wirkt als vor 25 Jahren. Sicher, es war immer schon ein spannender Film, damals allerdings eher abstrakt und weit weg von unserem Alltagsleben. Heute kennen wir Vokabeln wie „exponentielles Wachstum“, wissen, was „Inzidenz“ bedeutet und hören täglich von der Isolation ansteckender Patienten, von Ausgangssperren und der Abriegelung ganzer Ortschaften. Selbst das einsame Sterben in den Krankenhäusern und das rasche Verscharren der Leichen in Massengräbern sind Dinge, die uns leider nicht mehr fremd sind. Solche Themen behandelt „Outbreak“ – doch wer hätte 1995 ahnen können, dass uns noch zu unseren Lebzeiten das im Film Gesehene näher sein könnte als uns lieb ist?

Worum geht’s?
1967 wird ein kleines Dorf in Zaire (Afrika) von der US-Armee dem Erdboden gleich gemacht – ein tödliches, hoch infektiöses Virus hatte sich dort verbreitet. Jahre später stellt sich heraus, dass die Versuche, die Krankheit einzudämmen, nicht erfolgreich waren. Das „Motaba-Virus“ hat überlebt und gelangt über Umwege in die Vereinigten Staaten, wo es bald zu einem katastrophalen Ausbruch mit schrecklichen Folgen kommt…

Für „Outbreak“ wurde ordentlich Starpower versammelt: Die Regie übernahm Wolfgang Petersen (u. a. „Das Boot“, Air Force One“), in den Hauptrollen sehen wir Dustin Hoffman und Rene Russo. Und auch die Nebenrollen sind hochkarätig besetzt – Morgan Freeman, Donald Sutherland und die damals noch relativ unbekannten Cuba Gooding Jr. und Patrick Dempsey (!) geben sich die Ehre. Alle Genannten machen ihre Sache sehr gut, besonders hervorheben möchte ich das Duo Freeman und Sutherland, die den guten (naja…) und bösen Vertreter der Armee sehr glaubwürdig rüberbringen. Dustin Hoffman kann als Wissenschaftler, dem wie üblich niemand glauben möchte, glänzen und ergänzt sich bestens mit Rene Russo, wobei die dyfunktionale Beziehung der beiden für meinen Geschmack einen Tick zu routiniert abgehandelt wird.

Ausgestattet ist „Outbreak“ in typischer 90er-Jahre-Manier. Digitale Special Effects steckten damals noch in den Kinderschuhen, was man an deren mittelprächtiger Qualität (z. B. die „Aerosol-Bombe“) deutlich sieht – allerdings gibt es nur wenige Szenen, in denen Derartiges zum Einsatz kommt. Ansonsten ist alles relativ schnörkellos, angefangen bei der Kulisse der amerikanischen Kleinstadt bis hin zum mittelgroßen Armee-Aufgebot. Sieht einfach gut und realistisch aus, eben so, wie man es aus Filmen jener Epoche gewohnt ist; der Hochglanz heutiger Produktionen fehlt natürlich, aber ich finde gerade bei Katastrophen- und Kriegsfilmen die „analoge“ Herangehensweise deutlich stärker. Mag sein, dass das an meinem eigenen Alter liegt und die jungen Leute über Dinosaurier wie mich lachen – aber was soll’s, so bin ich nun mal gestrickt.

Gut geschrieben, gut gespielt.

Inhaltlich ist „Outbreak“ ein Katastrophenfilm der altmodischen Art. Heißt: Im Gegensatz zu modernen Vertretern des Genres verzichtet Regisseur Petersen auf allzu weitschweifige Ausflüge ins Privatleben seiner Figuren. Was beispielsweise das Problem zwischen den von Hoffman und Russo gespielten Charakteren ist, wird maximal angedeutet. Aus heutiger Sicht ist das höchst ungewohnt, mir gefällt es aber gut, weil es kaum etwas gibt, das vom Thema des Films ablenkt. Das ist freilich nur möglich, weil das Drehbuch so stark ist, dass man ohne weiteres auf derartige Kniffe verzichten kann. Die Rollen wurden so angelegt, dass die bloße Andeutung ihrer persönlichen Geschichte reicht, um ihnen Profil zu verleihen. Das scheint eine Kunst zu sein, die heutigen Produktionen oft abgeht – zumindest könnte ich mir vorstellen, dass wir deshalb in ähnlich gelagerten, späteren Filmen immer auch eine Liebesgeschichte serviert bekommen. Die soll wohl Tiefe verleihen, was aber in sehr wenigen Fällen wirklich gelingt. „Outbreak“ lässt sich auf diese Grätsche hingegen gar nicht erst ein, was ihm gut zu Gesicht steht.

Generell ist der Film sehr wissenschaftlich angelegt und erinnert – wenn ich einen literarischen Vergleich ziehen soll – an die Bücher von Michael Crichton. Für mein Gefühl behandelt „Outbreak“ die Versuche, eine Pandemie einzudämmen, also sehr plausibel. Anzumerken wäre in dieser Hinsicht nur, dass der Film aus dramaturgischen Gründen die Ereignisse sehr stark komprimiert: Das, was wir aktuell seit einem Jahr erleben, bricht Regisseur Petersen auf wenige Tage herunter. Wobei man konstatieren muss, dass das in den 1990er Jahren kaum jemandem aufgefallen sein dürfte, heute sind wir ja alle so etwas wie Westentaschen-Infektiologen. Humor ist in „Outbreak“ eher eine Randnotiz (für ein bisschen Spaß sorgt, wie nicht anders zu erwarten, Cuba Gooding Jr.) und auch Action-Szenen findet man nicht allzu viele vor. Spannend ist der Film freilich dennoch – und das auch über fast die gesamte Laufzeit von immerhin knapp 130 Minuten.

Ein kleines Haar könnte man dennoch in der Suppe finden (wenn man wirklich danach sucht): Die von Dustin Hoffman gespielte Figur ist an und für sich ein Klischee, das wir zur Genüge kennen – der geniale Wissenschaftler, der vergeblich vor einer Katastrophe warnt und auf den man erst hört, wenn es zu spät ist. Das kennt man und kannte man auch 1995 schon so. Umgekehrt muss man mit Blick auf die zum Zeitpunkt dieser Rezension vorherrschenden Weltlage sagen, dass es im Film ein Klischee sein mag – das heißt aber nicht, dass es nicht der Wirklichkeit entspricht. Davon abgesehen ist noch anzumerken, dass die Zerstörung von Siedlungen samt der Auslöschung ihrer Bewohner zum Glück in einer echten Pandemie offenbar keine Option ist (zumindest bisher, man weiß ja nicht, welche Pläne die Regierenden, speziell in den USA, noch in der Hinterhand haben). Aber man kann diese, ich nenne es mal „Kosten-Nutzen-Rechnung“ selbstverständlich als Überzeichnung der Situation lesen, die wir gerade überall auf der Welt vorfinden.

Fazit: „Outbreak“ war schon ohne globale Pandemie ein guter Film. Im Angesicht von Corona zeigt sich deutlich, dass er auch 2021 noch relevant ist. Vielleicht sogar mehr noch als vor 25 Jahren, denn er zeigt eine Situation, die damals undenkbar war und die heute für Milliarden Menschen fast zum Alltag geworden ist. Ich kann den Film nur empfehlen, kleine Abzüge gibt es, weil die Dialoge stellenweise etwas zu trocken sind, was trotz durchgängiger Spannung zu klitzekleinen Längen führt.

Gesamteindruck: 5/7


Originaltitel: Outbreak.
Regie:
Wolfgang Petersen
Drehbuch: Laurence Dworet, Robert Roy Pool
Jahr: 1995
Land: USA
Laufzeit: ca. 130 Minuten
Besetzung (Auswahl): Dustin Hoffman, Rene Russo, Morgan Freeman, Donald Sutherland, Cuba Gooding Jr.



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FilmWelt: Das Parfum

Letztlich hat es mit dem deutschen Regisseur Tom Tykwer nach langer Zeit doch ein Filmemacher geschafft, die Freigabe zur Verfilmung von Patrick Süskinds 1985 erschienen Roman „Das Parfum“ zu erhalten. Die Umsetzung ist – bis auf wenige Kleinigkeiten – sehr gut gelungen, was das Werk eher zu einer Ausnahmeerscheinung unter den Romanverfilmungen macht.

Gesamteindruck: 6/7


Mit kleinen Abstrichen gelungene Verfilmung eines Klassikers.

Dass die filmische Umsetzung eines Buches, das sich praktisch ausschließlich mit der Welt der Gerüche beschäftig, sehr schwierig ist, liegt auf der Hand. Unabhängig davon: Einen Vergleich zwischen Buch und Verfilmung zu treffen ist sowieso immer ein zweischneidiges Schwert. Einerseits gibt es hier eine Vorlage, die viele aus dem Publikum kennen und die ein eigenes Bild der Geschichte im Kopf schafft – davon muss man sich (zumindest) ein Stück weit lösen, um eine solche Verfilmung überhaupt irgendwie objektiv betrachten und vielleicht sogar genießen zu können. Auf der anderen Seite ist es, vor allem was die Grundhandlung und die Hauptfiguren betrifft, eigentlich unmöglich, ohne einen Vergleich auszukommen, wenn man das Gesamtwerk (als Kenner des Buches) umfassend bewerten möchte.

Naturgemäß fallen als Erstes die durchwegs gelungenen, atmosphärischen Bilder auf. Hier spielt Regisseur Tom Tykwer geradezu meisterhaft mit den Farben und der Kameraführung. Vor allem die beklemmende Düsterkeit (geht schon fast in Richtung schwarz/weiß oder Sepia), aus der einzelne, „wohlriechende“ Dinge in geradezu überirdisch leuchtenden Farben hervorstechen, entspricht meiner Ansicht nach nicht nur der Gesamtstimmung des Buches, sondern wäre auch ohne die Vorlage bemerkenswert.

Dramaturgie und Handlungsablauf stimmen weitgehend ebenfalls, allerdings zeichnet die viel bemühte „künstlerische Freiheit“ des Regisseurs doch manchmal ein nicht beabsichtigtes Bild von den Zuständen der Figuren. Das empfinde ich persönlich als Kenner des Buches nicht als extrem störend, allerdings scheint mir, dass viele, die den Roman nicht gelesen haben, dadurch einen völlig falschen Eindruck bekommen – siehe dazu Rezensionen, in denen die „Verherrlichung eines Massenmörders“ beklagt wird. Damit einhergehend (und gar nicht auf das Buch bezogen, sondern auf die Rollen an sich) ist die schauspielerische Leistung. Während man dem grandiosen Alan Rickman († 2016) den „Richis“ jederzeit abnimmt, bleibt Dustin Hoffman als „Baldini“ merkwürdig farblos. Rachel-Hurt Wood hingegen spielt die „Laura“ mehr als akzeptabel. Schwierig zu bewerten ist die Hauptrolle – hier hätte man wohl anstelle von Ben Wishaw einen etwas „hässlicheren“ Schauspieler nehmen (bzw. eine entsprechende Maske verwenden) sollen. Das hätte eine Identifikation mit seiner Figur weitaus schwieriger gemacht und ihm damit viel von der durchaus vorhandenen Sympathie genommen, was dem Ganzen besser zu Gesicht gestanden hätte. Diese Sympathie entsteht nämlich aus Gesamtentwicklung, die der Charakter „Grenouille“ im Film nimmt und der wichtige Facetten des Buches fehlen – hauptsächlich dadurch dürfte bei Lesern des Buches und auch bei moralischen und zartbesaiteten Menschen die Ambivalenz in der Bewertung entstehen.

Alles in allem scheint mir Tom Tykwer etwas mehr Wert auf das gesamte Drumherum, auf die Grundstimmung gelegt zu haben, als auf den Hauptcharakter, um den sich die ganze Geschichte dreht und drehen soll. Wenn man zwischen Film und Buch eine klare Grenze zieht bleibt dennoch ein sehr guter Streifen mit hervorragenden Bildern, guten Darstellern und einer angenehmen Dramaturgie, der trotz seiner Länge im Endeffekt sehr kurzweilig ist. Wenn die Hauptrolle etwas anders angelegt gewesen wäre und etwas mehr Abscheu beim Publikum erzeugt hätte, wäre vielleicht die volle Punktzahl möglich gewesen.

Gesamteindruck: 6/7


Originaltitel: Das Parfum – Die Geschichte eines Mörders
Regie: Tom Tykwer
Jahr: 2006
Land: Deutschland, Frankreich, Spanien, USA
Laufzeit: 147 Minuten
Besetzung (Auswahl): Ben Wishaw, Dustin Hoffman, Alan Rickman, Rachel Hurd-Wood, Corinna Harfouch, Birgit Minichmayr