SerienWelt: Star Trek: Picard – Staffel 2

„Bleibt nur die Hoffnung auf Staffel 2“ – mit diesem Satz endete meine Besprechung zur ersten Staffel von „Star Trek: Picard“ (2020). Nun, zwei Jahre später macht sich Ernüchterung breit: Die Fortsetzung der Serie um eine der beliebtesten Figuren aus dem Star Trek-Universum ist eine einzige Enttäuschung. Erneut haben wir es mit 10 Episoden zu tun, die kaum Trek-Feeling vermitteln, schlimmer noch: Der Serie gelingt es zu keinem Zeitpunkt, ihre eigene Existenz in dieser Form zu rechtfertigen. Denn das, was wir hier zu sehen bekommen, ist erneut Stoff, für den früher eine Doppelfolge „The Next Generation“ locker ausgereicht hätte. Exakt das habe ich schon über Staffel 1 geschrieben – traurig, dass es immer noch gilt.

Gesamteindruck: 2/7


Die Borg, Zeitreisen… und Q.

Es ist nun einige Wochen her, dass das mit „Farewell“ höchst kreativ betitelte Staffelfinale über meinen Bildschirm geflimmert ist. Diese Zeit wollte ich mir bis zum Niederschreiben meiner Meinung geben, um halbwegs reflektiert an die Sache herangehen zu können. Wenn man aus folgendem Text also Unverständnis, Frust und Ärger herausliest, hat das nichts mit einer Kurzschlussreaktion zu tun; im Gegenteil, ich habe lange darüber nachgedacht, ob ich der Serie und den dafür Verantwortlichen vielleicht Unrecht tue. Um es jedoch gleich vorweg zu nehmen: Das Zuwarten und Sinnieren hat keine Besserung gebracht, Staffel 2 von „Star Trek: Picard“ (im Folgenden reicht es wohl, nur „Picard“ zu schreiben) hat mich enttäuscht und mir jegliche Illusion genommen, dass die Serie noch zu retten ist.

Inhalt in Kurzfassung
Seinen Ruhestand zu genießen, ist Jean-Luc Picard nicht vergönnt: Eine Weltraum-Anomalie sendet ein Signal aus, in dem um einen Beitritt zur Föderation gebeten wird – und diese Nachricht richtet sich an den ehemaligen Captain der USS Enterprise persönlich. Vor Ort zeigt sich, dass es offenbar ausgerechnet die Borg sind, die verhandeln wollen, was freilich nicht ohne Konflikt abgeht. Und als ob das für den alternden Diplomaten nicht genug wäre, mischt sich auch noch sein Erzfeind Q ein und verändert die Zeitlinie auf unerfreuliche Art und Weise. Für Picard und seine erneut hastig versammelten Freunde bedeutet das: Ab in die Vergangenheit und im Jahr 2024 alles versuchen, den entstandenen Schaden zu beheben…

Eigentlich widerstrebt es mir, erneut einen ellenlangen Rant loszulassen. Andererseits muss es einfach raus, denn „Star Trek“ nimmt seit jeher einen besonderen Platz in meinem Herzen ein. Wie also diesen Text beginnen, ohne sofort loszuschimpfen? Vielleicht mit ein paar Fakten: „Picard“ besteht, wie es sich für eine moderne Serie gehört, aus aufeinander aufbauenden Episoden, in diesem Fall sind es zehn Stück. Der Vorteil liegt auf der Hand: Die alten „Star Trek“-Serien setzten nach jeder ihrer in sich geschlossenen Folgen fast alles auf Null zurück. Das ermöglichte zwar einen jederzeitigen und leichten Einstieg, umgekehrt war eine grundlegende Weiterentwicklung der Charaktere kaum möglich. Grundsätzlich weiß ich den modernen Zugang, der das isolierte Ansehen einzelner Episoden ausschließt, durchaus zu schätzen, ermöglicht er doch ganz andere Entwicklungen und Handlungsbögen. Vor allem, seit man dank Streaming unabhängig von TV-Ausstrahlungen geworden ist und nicht mehr tagelang auf die neueste Episode warten muss, sehe ich hier gelegentlich sogar Vorteile gegenüber dem Film, der ja doch auf eine gewisse Laufzeit beschränkt ist. Aber das nur am Rande.

Licht bei den Nebenrollen…

Die inhaltliche Auseinandersetzung mit „Picard“ möchte ich mit einem uneingeschränkt positiven Punkt beginnen: John de Lancie kehrt in seiner Paraderolle als nahezu allmächtiger Q, seines Zeichens einer der wichtigsten und am besten geschriebenen Star Trek-Antagonisten, zurück. Ein echter Lichtblick! Und auch wenn seine Auftritte viel zu selten und sehr kurz sind, scheint er doch alle anderen an die Wand zu spielen, was an und für sich schon Bände spricht…

Apropos Nebendarsteller:innen und positive Anmerkungen: Auch Brent Spiner, der zweite Veteran, der sogar eine etwas größere Rolle spielt und immer ein Garant für gute Unterhaltung ist, ist als Pluspunkt zu verbuchen. In dieser Staffel spielt er zwar ganz und gar keinen Sympathieträger, dennoch macht er seinen Job einmal mehr sehr gut. Wobei ich an dieser Stelle eines anmerken muss (auch wenn das kein echter Kritikpunkt ist): Es ist nicht mehr feierlich, wie berechenbar Spiner eingesetzt wird. Im Wesentlichen gibt man seinen Star Trek-Rollen einfach irgendeinen Vornamen und stellt ihn dann als Vor-, Nachfahre oder sonst irgendeinen Verwandten von Dr. Noonien Soong (Schöpfer des von Spiner in „The Next Generation“ verkörperten Androiden Data) vor. So auch hier, wobei es in diesem Zusammenhang zu einem der wenigen Querverweise kommt, die ich wirklich zu schätzen wusste: Von Adam Soong scheint es durch die Eugenischen Kriege eine direkte Linie zu Arik Soong zu geben, der seinerseits in mehreren Episoden von „Star Trek: Enterprise“ als Genetiker auftritt. Das fand und finde ich schön gelöst, auch wenn sich dadurch die Frage aufdrängt, wieso Mitglieder der Familie Soong offenbar über Jahrhunderte immer wieder ungehindert an umstrittenen oder sogar verbotenen Projekten arbeiten konnten. Aber sei’s drum, diesen Faden haben die Showrunner für mein Dafürhalten sehr gut aufgegriffen (zumindest wenn man ignoriert, dass die Eugenischen Kriege laut Kanon eigentlich in den 1990ern hätten stattfinden müssen, man sich also fragen darf, wieso die Erde des Jahre 2024 in „Picard“ genau unserer Gegenwart entspricht).

…Schatten beim Haupt-Cast.

Zum Rest des Casts habe ich leider kaum positive Anmerkungen – und damit sind wir dann auch schon mittendrin in den Problemen, die ich mit der Serie habe. Patrick Stewart führt die Hauptrolle (die zwischendurch auch mal zum Nebencharakter wird) ungefähr so fort, wie man es aus Staffel 1 kennt. Heißt: Man tut sich weiterhin schwer, diesen Picard mit jenem aus „The Next Generation“ und den nachfolgenden Spielfilmen zusammenzubringen. Ob das am britischen Schauspieler liegt – oder doch am Drehbuch? Ich wage es nicht zu beurteilen, gebe aber zu bedenken, dass Stewart ab und an leider tatsächlich so wirkt, als würde er lieber etwas Anderes machen. Das gilt aus meiner Sicht aber für den gesamten Cast, vor allem Jeri Ryan (Seven of Nine) meint man durchgehend anzumerken, dass sie keine große Lust auf die Serie hatte, wobei ich auch hier die Frage aufwerfen möchte, ob das Problem nicht eher die Rolle ist, die ihr das Drehbuch vorgibt.

Die übrigen Darsteller:innen haben – im Vergleich zu den Genannten – bis auf „Picard“, Staffel 1, ja keine große Star Trek-Vergangenheit, mit der man sie in Verbindung bringen musste. Leider gibt es dennoch auch hier ein Problem: Niemand, den/die man bereits aus den ersten zehn Folgen kannte hat groß an Sympathiewerten gewonnen. Heißt: Santiago Cabrera gibt erneut den bemüht coolen Chris Rios, mit dem man wohl eine Art Han Solo schaffen wollte, was überhaupt nicht funktioniert; wie er vom Schmuggler in nur einem Jahr zu einem Captain der Sternenflotte aufsteigen konnte, steht in den Sternen. Michelle Hurd bleibt als Raffi Musiker eine unsäglich unsympathische Rolle, auf die man als Zuseher:in meines Erachtens generell hätte verzichten können. Alison Pill gibt weiterhin ihren weinerlich-verpeilten Gegenpart, mit dem eine Identifikation ebenfalls schwer fällt. In Hinblick auf die Nebenrollen ist eigentlich nur Annie Wershing als Borg-Königin erwähnenswert – sie hatte diese Rolle bereits im Finale der Serie „Star Trek: Voyager“ gespielt und macht ihre Sache ganz gut. Aber auch hier haben wir ein Problem mit dem Drehbuch, dass mit diversen losen Fäden und fehlender Logik innerhalb des Star Trek-Franchise gerade bezüglich jener Antagonistin mehr Fragen aufwirft, als es beantwortet. Der übrige Cast ist, soviel sei noch erwähnt, weder im positiven noch im negativen Sinn besonders auffällig.

Keine Binge Gefahr.

Wie oben angedeutet, könnte man einigen Schauspieler:innen durchaus vorwerfen, dass sie nicht gerade inspiriert oder inspirierend agieren. Die Schuld dafür würde ich im Endeffekt aber doch eher bei der Charakterzeichnung und im Drehbuch suchen. Zu ersterem habe ich bereits das eine oder andere geschrieben, noch einmal hervorheben möchte ich, dass eine Weiterentwicklung der Figuren nach Staffel 1 nicht passiert ist (das betrifft übrigens auch die Hauptfigur). Doch selbst wenn man akzeptiert, dass die Figuren nun mal so sind, wie sie sind, ist es ein echtes Problem, dass jegliche Sympathieträger:innen fehlen. Ich frage mich, ob es jenen, die nicht mit den alten Serien und Filmen sozialisiert wurden auch so geht – oder ob sie mit den Charakteren, die uns die „Picard“-Showrunner vorsetzen, tatsächlich warm werden. Ich kann es mir ehrlich gesagt kaum vorstellen, aber wer weiß.

Vielleicht liegt es auch daran: „Picard“ will – ähnlich wie schon „Star Trek: Discovery“ – eine Art Drama sein. Dafür gibt es im modernen Serien-Dschungel ja eine Menge gelungener Beispiele, von „Game of Thrones“ über „Battlestar Galactica“ und „Snowpiercer“ bis hin zu „The Walking Dead“. Was die genannten Serien aus meiner Sicht (bei all ihrer Unterschiedlichkeit und Folgen-/Staffel-weise durchaus schwankender Qualität) auszeichnet: Nach praktisch jeder Episode will man unbedingt wissen, wie es weitergeht – genau dieses Gefühl führt letztlich zum sogenannten Binge Watching. Im ersten Moment ist man versucht, das an den ausgesprochen geschickt platzierten Cliffhangern festzumachen, die am Ende jeder Folge stehen. Die hat „Picard“ zwar auch – und doch hat sich bei mir in zehn Folgen kein einziges Mal (!) die unbändige Lust eingestellt, direkt weiterzuschauen. Ich habe es zwar getan, aber das kam eher einer lästigen Pflichtübung als dem Befriedigen einer Sucht (im positiven Sinne) gleich.

Spannung? Mangelware!

Die Frage, woran das liegt, lässt sich anhand mehrere Aspekte beantworten, von denen neben den fehlenden Identifikationsfiguren der Mangel an Qualität in Handlung und Drehbuch am schwersten wiegt. Im Endeffekt ist es so: Weder der übergreifende Handlungsbogen nebst wenig überzeugender Auflösung, noch das, was in einzelnen Episoden passiert, ist geeignet, Star Trek-Feeling aufkommen zu lassen.

Mit der Rahmenhandlung, die die zehn Episoden zusammenhalten soll, habe ich vor allem zwei Probleme: Einerseits wirkt sie uninspiriert und aufgesetzt – fast ist es, als hätte man sich unglaublich schwer getan, überhaupt eine solche Geschichte zu finden, aber es musste halt sein, weil man das eben so macht. Dabei ist man andererseits direkt einem folgenschweren Irrtum erlegen, indem man meinte, es würde sozusagen automatisch Komplexität und Tiefgang bringen, möglichst viele Trek-Themen (Zeitreise-Paradoxon, die Borg, Q, Picards Kindheit (!) und vermeintlichen Fan-Service) zusammenzuschmeißen. Das Ergebnis: Sogar ich als ausgewiesener Trekkie hatte große Probleme, den einzelnen Storylines folgen zu können. Das sollte man aber nicht mit Tiefgang verwechseln, denn dafür hätte es eine stimmigere Auflösung der Handlungsfäden gebraucht. Die erfolgt aber nicht oder nur holprig und ist voller Logikprobleme, was in einem Universum, das u. a. auch von (pseudo-)wissenschaftlichen Erklärungen lebt, fatal ist. An dieser Stelle muss man hoffen, dass einige offene Fragen (z. B. wie es denn nun mit der Borg-Königin weitergehen soll, ohne den eigenen Kanon zu gefährden) in der dritten und letzten Staffel beantwortet werden. Ob ich das noch miterleben werde, nachdem mich bereits die ersten 20 Folgen der Serie so enttäuscht haben? Ja, davon gehe ich, unverbesserlich wie ich bin, aus.

Mindestens ebenso schwer wie die hanebüchene Rahmenhandlung lasten die fehlende Spannung und das schwache Drehbuch der Einzelepisoden auf „Picard“. Klar, es gibt gewisse Qualitätsunterschiede in Hinblick auf die Folgen (eindeutiger Tiefpunkt: Folge 9, „Hide and Seek“), bedauerlicherweise ist das Gesamtniveau als solches jedoch erschreckend niedrig. Einerseits hat das damit zu tun, dass die Showrunner offenbar Spannung mit Action verwechselt oder gleich gesetzt haben: „Picard“ greift immer wieder auf Schläger- und Schießerein zurück, etwas, das es in „Star Trek“ zwar auch in der Vergangenheit schon häufiger gab, das hier jedoch erstmals den Eindruck erweckt, durchgehend (!) reiner Selbstzweck zu sein. Und das hat meiner Ansicht nach nicht mehr viel mit der ursprünglichen „Star Trek“-Vision zu tun. Oder, um es anders zu sagen: Die Action hat sich in früheren Serien und Filmen meist einem anderen Zweck untergeordnet, in „Picard“ fehlt dieser interne Unterbau bzw. wirkt er lieblos hingeschludert. Ein Beispiel ist die genannte Folge „Hide & Seek“: Der Borg-Königin ist es gelungen, eine Anzahl an Menschen zu assimilieren, die als Drohnen freilich wenig Sinn für Friedensverhandlungen haben. Nun wurde – wie immer, wenn es um Zeitreisen geht – in den Folgen zuvor mehrmals deutlich gemacht, dass jede noch so kleine Einmischung zu einer Katastrophe führen kann, was die Zeitlinie betrifft. In „Hide & Seek“ sind diese Bedenken plötzlich vom Tisch, unsere Superheld:innen schnetzeln sich durch die Cyborgs als gäbe es kein Morgen (was übrigens auch die einst so gefürchteten Borg ziemlich blöd aussehen lässt). Ob einer der dabei Getöteten vielleicht eine wichtige Rolle für die Zukunft der Erde hätte spielen können, interessiert nicht, es wird noch nicht einmal der Versuch unternommen, die Situation ohne Blutvergießen zu lösen. Und das soll noch „Star Trek“ sein? C’mon…

Guinan (!) und Wesley (!!).

Ein Punkt, den ich ganz am Rande noch erwähnen möchte, weil er angesichts der geschilderten Probleme keine große Rolle mehr spielt: Das Fan-Service von „Picard“ empfand ich als ziemlich dümmlich. Guinan (gespielt von Whoopi Goldberg bzw. in der 2024-er Variante von Ito Aghayere) erschien mir schon in „The Next Generation“ wie ein Fremdkörper, entsprechend kann man sich meine Begeisterung über dieses Wiedersehen vorstellen, das – unabhängig vom Charakter – auch überhaupt nicht in den bisherigen Kanon passt. Nicht mal ansatzweise.

Zum Glück deutlich weniger Screentime (es ist nur ein Kurzauftritt) gibt es für Wil Wheaton. Ja, richtig gelesen, man entblödet sich nicht, Wesley Crusher aus dem Nichts (in das er in „The Next Generation“ verschwand) auftauchen und zum Glück auch wieder verschwinden zu lassen. Ich sage es ganz ehrlich: Dieses Gastspiel hat mich laut und höhnisch auflachen lassen. Viel Gespür scheinen die Verantwortlichen eindeutig nicht für das Franchise zu haben – oder haben sie wirklich gedacht, ausgerechnet diese Figur würde für unbändige Freude bei alten Fans sorgen?

Bevor ich in weitere Tiraden verfalle, möchte ich aber auch noch einen positiven Gastauftritt erwähnen: Kirk Thatcher. Wer das ist? Nun, im Film „Star Trek IV: Zurück in die Gegenwart“ (1986) sitzt ein Punk in einem Bus und hört ohrenbetäubende Musik, was zu einer legendären Szene führt. Diese wurde für „Picard“ erneut aufgegriffen – und zwar ausnahmsweise mit so viel Liebe zum Detail und mit so viel Fingerspitzengefühl, dass ich es kaum glauben konnte. Es geht also doch.

Fazit: Muss man sich nicht antun.

Viel mehr möchte ich jetzt nicht mehr schreiben – ich glaube, es ist auch so klar geworden, dass ich „Picard“ für eine ziemliche Katastrophe halte. Am schlimmsten finde ich persönlich das völlige Fehlen des Gefühls, hier etwas Großes erlebt zu haben. Oder auch nur etwas in sich Stimmiges und für die weitere Entwicklung des „Star Trek“-Universum Relevantes.

Gerade letzteres hinterlässt mich in gewisser Hinsicht eher traurig als wütend: Ich sehe nicht, wie mich „Star Trek“ weiterhin begeistern soll, wenn „Picard“ und – in geringerem Ausmaß – „Discovery“ ein Blick in die Zukunft des Franchise sind. Die zum Zeitpunkt dieser Rezension jüngste Serie, „Strange New Worlds“, habe ich übrigens noch nicht gesehen – davon hört man aber nur Gutes, sodass ich wider besseres Wissen doch wieder sehr angefixt bin. Mit der Qualität von „Picard“ hat das alles aber nichts zu tun – da sehe ich mir dann tatsächlich lieber „Lower Decks“ oder sogar „The Orville“ an, die zwar ausgewiesene Comedy-Serien sind, es aber mit ursprünglichem „Star Trek“-Flair tatsächlich wesentlich besser schaffen, mich bei der Stange zu halten.

Gesamteindruck: 2/7


Originaltitel: Star Trek: Picard
Idee:
Akiva Goldsman, Terry Matalas u. a.
Land: USA
Jahr: 2022
Episoden: 10 á ca. 45 Minuten
Gesehen auf: Amazon Prime
Haupt-Besetzung (Auswahl): Patrick Stewart, Alison Pill, Michelle Hurd, Santiago Cabrera, Orla Brady



SerienWelt: Tribes of Europa – Staffel 1

Wie vor gar nicht allzu langer Zeit bei „Dark“ (2017-2020) hat es auch den Verantwortlichen für „Tribes of Europa“ gefallen, einer deutschen Serie einen englischen Titel zu verpassen. Beinbruch ist das natürlich keiner, aber gleichzeitig ist es meiner Meinung nach so etwas wie ein Fingerzeig auf eine der vielen Baustellen dieser stark gehypten Netflix-Serie.

Gesamteindruck: 2/7


Endzeit over Europa.

Eigentlich sollte ich ja längst wissen, dass es nicht immer klug ist, vorab Rezensionen zu lesen – zu voreingenommen geht man danach häufig an Bücher, Filme und Serien heran. Leider (?) konnte ich bei „Tribes of Europa“ nicht widerstehen und habe mich vorher im Netz schlau gemacht. Zwei Dinge waren dabei besonders auffällig: Einerseits der allgemein sehr durchwachsene Tenor in der (deutschen) Community, andererseits ein speziell auf die Sprache der Akteure bezogenes… ich würde fast sagen: bashing. Letzteres hatte ich auch schon in diversen Kommentaren zu „Dark“ herausgelesen, konnte beim Ansehen aber zumindest diesen Teil der Kritik nicht nachvollziehen. Bei „Tribes of Europa“ sieht die Sache allerdings anders aus.

Worum geht’s?
In nicht allzu ferner Zukunft hat die Welt, wie wir sie kennen, zu existieren aufgehört. Nach einem – vermutlich globalen – Blackout gibt es keine Staaten mehr, die Überlebenden der Katastrophe sind in Stämmen, den sogenannten „Tribes“, organisiert. Einer davon sind die „Origines“, die jegliche Technologie ablehnen und versuchen, mit der Natur im Einklang zu leben. Ihre Isolation endet, als eine Art Raumgleiter vom Stamm der „Atlantier“ in der Nähe abstürzt und ein Stück fortschrittlicher Technik, den „Cube“, verliert. Um dieses wertvolle Artefakt bricht bald ein Krieg aus, der viele Leben kostet – und das beschauliche Dasein dreier Geschwister von den Origines für immer verändert…

Ich bin mir nicht sicher, wie sich obige Zusammenfassung für jemanden liest, der die Serie nicht kennt. Selbst für mich, der ich die 6 Folgen, die bis dato erschienen sind, erst unlängst gesehen habe, klingt das nach wirrem Zeug, wenn ich ehrlich bin. Und tatsächlich hat „Tribes of Europa“ große Probleme, die sich – so scheint es mir – sogar in meiner kurzen Inhaltsangabe manifestiert haben. Bevor wir in medias res gehen noch eine Anmerkung: Zum Zeitpunkt dieser Rezension ist vollkommen offen, ob und wie die Serie fortgesetzt wird. Produzent Netflix hält sich derzeit zur Möglichkeit einer oder mehrerer weiterer Staffeln bedeckt, sodass es gut sein kann, dass der Cliffhanger am Ende der sechsten Folge genau das bleibt. Das nur als Warnung – die Handlung ist keineswegs in sich geschlossen, wer damit nicht klarkommt, sollte wohl erst dann mit der Serie beginnen, wenn klar ist, dass es irgendwann auch weitergeht.

Babylonische Sprachverwirrung.

Nun aber zur Sache – und vielleicht beginnen wir mit dem, was ich schon in der Einleitung angedeutet habe: der Sprache. „Origines“, „Tribes“ und „Cube“ sind nur einige der angelsächsischen Begriffe, die in „Tribes of Europa“ nur zu gern verwendet werden. Nun bin ich wirklich niemand, der auf Deutschtümelei steht, ganz im Gegenteil – was beim von mir hoch geschätzten „Game of Thrones“ (2011-2019) in der Übersetzung teilweise verbrochen wurde, spottet jeder Beschreibung. Allerdings gibt es einen gravierenden Unterschied: Beim Vorzeige-Epos von HBO versuchte man, die gesamte (englischsprachige) Fantasy-Welt komplett ins Deutsche zu übersetzen. „Tribes of Europa“ setzt hingegen auf ein merkwürdiges Gemisch aus Deutsch und Englisch, das vermutlich die Vielfältigkeit des Kontinents abbilden soll. Ganz so, als gäbe es in Europa nur diese beiden Sprachen, was vollkommen absurd wirkt und der Serie zu einem denkbar schlechten Start verhilft. Mir ist schlicht nicht klar, warum die Charaktere zum Beispiel „Tribes“ sagen müssen, wenn es doch mit „Stämme“ eine adäquate und passende Übersetzung gegeben hätte. Wie ist das dann in der englischen Synchronisation? Sind es dort auch die „Tribes“, sind es die „Stämme“ oder nimmt man ein ganz anderes Wort? Vielleicht was Französisches? Oder eine slawische Übersetzung? Ich weiß es nicht – wenn aber die Absicht war, die bunte Vielfalt Europas nach einer großen Katastrophe anzudeuten, ist diese Idee voll und ganz daneben gegangen.

Leider ist das nicht die einzige Schwäche, die sich „Tribes of Europa“ in Sachen Sprache leistet. Der einleitende Hinweis auf „Dark“ bezieht sich nämlich auf etwas, letztlich nichts damit zu tun hat, ob Deutsch oder Englisch gesprochen wird: Im Gegensatz zu synchronisierten Serien, aber auch zu … keine Ahnung … „Tatort“, klingt das, was die Schauspieler in „Tribes of Europa“ in ihrer Muttersprache zum Besten geben, sehr befremdlich. Ist das die berühmt-berüchtigte „deutsche Theatersprache“, wie sie in einigen Rezensionen bezeichnet wird? Ich weiß es nicht, hatte aber fast durchgehend das Gefühl, dass das Gros der Darsteller höchst unnatürlich und hölzern spricht. Nein, das ist nicht ganz richtig, sie scheinen vielmehr so zu agieren und zu intonieren, als würden sie auf einer Theaterbühne stehen. Das mag dort passend sein, auf dem Bildschirm wirken die Dialoge (und auch Teile der Körpersprache) unnatürlich. Es ist, als hätten es die Mimen nicht geschafft (oder wäre es nicht gewollt gewesen), sich vom Theater zu emanzipieren. Wieso das so ist? Ich kann es nicht sagen, aber es hat mich massiv gestört.

Gute Ausstattung allein reicht nicht.

Kommen wir nun aber endlich zu den guten Nachrichten, von denen es zumindest zwei gibt: Erstens ist die Serie geradezu unverschämt gut ausgestattet. Kostüme, Kulissen, Effekte – all das stimmt zu 100 Prozent und ist für eine deutschsprachige Produktion weit über dem Durchschnitt. „Mad Max“ und „The Walking Dead“ stellen die Post-Apokalypse optisch auch nicht besser dar – allein das halb verfallene Berlin ist ein grandioser Anblick. Und, zweitens, ist „Tribes of Europa“ sehr gut fotografiert. Die Aufnahmen lassen nichts zu wünschen übrig, egal ob in der Totalen oder in der Detailansicht. Alles ist hervorragend ausgeleuchtet und stimmungsvoll in Szene gesetzt. Optisch gibt es also (fast) keinen Grund zu meckern.

Fast? Richtig gelesen, ein Lapsus hat sich auch hier eingeschlichen: Der Schnitt ist überhaupt nicht gelungen, was für eine moderne Produktion sehr ungewöhnlich ist. Ein guter Schnitt ist so unauffällig, dass man ihn als Zuseher überhaupt nicht bemerkt. Wenn er in einer einzelnen Szene mal nicht passt, fällt das schnell auf. Bei „Tribes of Europa“ kommt es hingegen so häufig vor, dass ein Protagonist sozusagen in die falsche Kamera schaut, dass man kaum noch von einem Ausrutscher sprechen kann. Speziell in Dialogen merkt man immer wieder, dass sie in mehreren Takes aufgenommen wurden. In einem Text ist das freilich schwer erklärbar, aber ich würde dieses Problem für so gravierend halten, dass es eigentlich fast jedem, der sich die Serie ansieht, auffallen müsste.

Und weil wir gerade bei Dingen sind, über die man in professionellen Produktionen in der Regel kein Wort verlieren muss: Auch der Ton bzw. der Mix ist nicht der Standard, den man heute gewohnt ist. Teile der Dialoge sind schlicht unverständlich, weil viel zu leise. Wobei ich mir nicht ganz sicher bin, ob ich dafür dem Tonmann die Schuld zuschanzen möchte – einige Schauspieler neigen offenbar stark zum Nuscheln und Flüstern, was aber die Tonregie zumindest hätte erkennen und korrigieren müssen. Interessant… nun bin ich von einem Lob wieder direkt ins Meckern übergegangen. Dabei wollte ich die Serie nach dem Trailer und auch von der eigentlich lässigen Prämisse her unbedingt mögen. Allein: Mir schon nach zwei Folgen klar, dass „Tribes of Europa“ durchzustehen ein hartes Stück Arbeit werden würde. Was eigentlich ein Todesurteil für eine Serie ist, die unterhalten soll.

Story & Drehbuch: Prädikat „schwerfällig“.

Im Endeffekt summieren sich die bisher genannten Dinge natürlich, so richtig krankt es aber woanders: Story und Drehbuch sind schwerfällig, holprig und wirr, kurz: haben mit allen möglichen und unmöglichen Problemen zu kämpfen. Alles aufzuzählen würde wohl den Rahmen sprengen, also versuche ich, mich kurz zu fassen: Die Story eines endzeitlichen Europas mag für eine deutsche Produktion innovativ klingen, auf den zweiten Blick und vor allem im internationalen Vergleich ist sie es jedoch nicht. So hart muss man es leider sagen – „Tribes of Europa“ bietet letztlich eine von vorne bis hinten konventionelle Post-Apokalypse. Das wäre nicht so schlimm, wäre die Serie nicht dermaßen oberflächlich. Man erfährt viel zu wenig über die neue Ordnung der Welt, alle Charaktere bleiben flach und austauschbar, manche wirken gar lächerlich und/oder fehl am Platz (vor allem sei hier der Grazer Schauspieler Robert Finster als Kommandant der Crimson Guard genannt, der meines Erachtens eine komplette Fehlbesetzung ist und überhaupt nicht überzeugt). An dieser Stelle wäre es vielleicht angebracht, sich die Serie einmal auf Englisch anzusehen, ich wäre gespannt, wie sich die Dialoge darstellen, wenn sie synchronisiert sind. Leider fehlt mir dafür aktuell die Zeit.

Spannung kommt jedenfalls so gut wie nie auf – und wenn es einmal so weit ist, wird das Tempo direkt wieder reduziert und man beschränkt sich darauf, vermeintlich bedeutungsvoll in die Gegend zu schauen. Ich verstehe ja, dass man nicht sofort alles verraten möchte, vor allem, sieht es so aus, als wäre der Grund für den globalen Blackout ein gut gehütetes Geheimnis. Nur ist das Drehbuch einfach nicht geeignet, dahingehend diese fast nicht auszuhaltende Neugier zu schüren bzw. aufrecht zu erhalten, die man von anderen Produktionen kennt. Ein oder zwei positive Momente gibt es zwar – so sind es einmal mehr die Bösewichte, die einiges rausreißen und durchaus zu unterhalten wissen. Ob es Sinn der Sache sein kann, dass man sich eher auf den Auftritt der fiesen „Crows“ freut, als mit den „Origines“ zu leiden, wage ich allerdings zu bezweifeln. Und dann gibt es da noch den u. a. aus „Dark“ bekannten Schauspieler Oliver Masucci, der in „Tribes of Europa“ als undurchsichtiger Gauner, der das Herz am rechten Fleck hat, glänzen kann – mithin der einzig wirklich brauchbare Charakter in der Serie, wobei sein Cowboy-Gehabe etwas übertrieben wirkt, aber zumindest für den ein oder anderen Lacher sorgt. Letztlich ist aber sogar diese immerhin unterhaltsame Figur nicht mehr als ein großes Klischee, das man aus anderen Filmen und Serien zur Genüge kennt.

Und mehr gibt es jetzt wirklich nicht mehr zu sagen. Muss man sich „Tribes of Europa“ ansehen? So hart das jetzt klingt, ich glaube, man muss es nicht – maximal, um mitreden zu können, kann man einen Blick riskieren. Wer das plant, sei gewarnt: Die Leichtigkeit des Seins, den Zwang zum Binge-Watching, der z. B. „The Walking Dead“ (zumindest anfangs) auszeichnete, fehlt „Tribes of Europa“ zumindest in meinen Augen vollkommen. Das typische Hineinkippen ist mir zu keinem Zeitpunkt passiert – und das war beim immer wieder gern als Vergleich genommenen „Dark“ trotz vermurkster Staffel 3 sehr wohl der Fall. Werde ich „Tribes of Europa“ wieder einschalten, falls sich Netflix doch zu einer Fortführung entscheiden sollte? Ich sage mal vorsichtig: Ja, der letzte Cliffhanger wirkt zumindest derzeit noch nach. Viel erwarte ich mir allerdings nicht von einer neuen Staffel.

Gesamteindruck: 2/7


Originaltitel: Tribes of Europa.
Idee: Philip Koch
Land: Deutschland
Jahr: 2021
Episoden: 6
Länge: ca. 45 Minuten
Gesehen auf: Netflix
Besetzung (Auswahl): Henriette Confurius, Emilio Sakraya, David Ali Rashed, Melika Foroutan, Oliver Masucci, Robert Finster, Benjamin Sadler, Ana Ularu



SerienWelt: Ratched – Staffel 1

Beinahe wäre es passiert: Ich fand den Piloten der 2020er Netflix-Produktion „Ratched“ dermaßen wirr, dass ich kurz davor stand, die als Prequel von „Einer flog über das Kuckucksnest“ (1975) konzipierte Serie direkt ad acta zu legen. Das wäre ein Fehler gewesen, denn Staffel 1 ist deutlich spannender und unterhaltsamer, als man nach der ersten Folge zunächst vermutet.

Gesamteindruck: 4/7


American Horror Story: Kuckucksnest.

Reden wir nicht um den heißen Brei: Ich Banause habe weder den 1976 mit fünf (!) Oscars geadelten Film von Miloš Forman (in den Hauptrollen: Jack Nicholson und Louise Fletcher) gesehen noch dessen literarische Vorlage (1962, geschrieben von Ken Kesey) gelesen. Ist das ein Problem? Nun, es ist auf jeden Fall eine Bildungslücke, die ich zu schließen gedenke – davon wird dann hoffentlich auch irgendwann auf WeltenDing zu lesen sein. Für das Verständnis der Serie „Ratched“, die sich als Prequel zum Film versteht und von der Krankenschwester gleichen Namens handelt, sind Vorkenntnisse allerdings nicht zwingend notwendig. Es kann natürlich durchaus sein, dass ich etwaige Anspielungen, Zitate und Hinweise auf spätere Ereignisse nicht erkannt habe, was für den Eingeweihten sicher auch einen Teil des Reizes von „Ratched“ ausmacht.

Inhalt in Kurzfassung
Nach einem grausamen Mord an mehreren Priestern landet der offenbar schwer gestörte Edmund Tolleson Mitte der 1940er Jahre in einer psychiatrischen Anstalt in Kalifornien. Eben dort bewirbt sich die rhetorisch außerordentlich begabte Mildred Ratched als Krankenschwester und wird bald zur rechten Hand des Klinikleiters Dr. Hanover, der mit überaus fragwürdigen Behandlungsmethoden an den wehrlosen Patienten experimentiert.

Irgendwo habe ich gelesen, dass es geradezu an Betrug grenzen soll, „Ratched“ als Prequel zu „Einer flog über das Kuckucksnest“ zu bezeichnen. Ich kann das, wie in der Einleitung angedeutet, nicht beurteilen – eines möchte ich aber dennoch hervorheben: Wenn die Serie „American Horror Story: Ratched“ heißen würde, wäre das nicht verkehrt. Eigentlich logisch, ist ja nicht nur Hauptdarstellerin Sarah Paulson (die auch an der Produktion beteiligt war) in jeder Staffel von „AHS“ sehr prominent am Start; auch Ryan Murphy ist hier wie dort als Regisseur und Drehbuchschreiber verantwortlich.

Als jemand, der „Einer flog über das Kuckucksnest“ nicht kennt, wage ich sogar zu behaupten: „Ratched“ ist ungefähr das, was man gerne von „AHS“ gesehen hätte, nachdem jene Serie in den letzten Staffeln immer chaotischer und schwächer geworden war. Fast wirkt es, als wäre „Ratched“ zunächst als Versuch eines Neustarts von „AHS“ mit alten Tugenden gedacht gewesen (allerdings minus übernatürlicher Phänomene) und man hätte den Stoff erst nach einer gewissen Zeit in die endgültige Richtung entwickelt. Wobei die gefühlte Ähnlichkeit auch ein wenig auf Staffel 2 von „AHS“ (mit dem vielsagenden Untertitel „Asylum“) zu tun haben könnte.

Charakter vor Story.

Die Handlung von ist relativ stringent, verwirrt im Endeffekt nur im Piloten ein wenig und pendelt sich dann auf spannendem Niveau ein. Im letzten Drittel gibt es einen kleinen Einbruch, insgesamt ist die Serie aber durchaus zum Binge-Watching geeignet. Alles in allem lebt „Ratched“ aber ohnhin weniger von der ausgeklügelten Geschichte, sondern fast nur von der namensgebenden Hauptfigur. Eine Sympathieträgerin im eigentlichen Sinne ist sie freilich nicht – es macht aber durchaus Laune, die wortgewandte und gewissenlose Mildred Ratched bei ihren Intrigen zu beobachten. Sarah Paulson schafft es dabei, die Figur dort, wo es notwendig ist, eiskalt rüberkommen zu lassen, in anderen Situationen wiederum verletzlich, aber auch nur dann, wenn es ihr für die Erreichung eines Zieles notwendig scheint.

Dabei hilft natürlich, dass Drehbuch und Dialoge praktisch nur auf einen Charakter zugeschnitten sind. Das soll aber die gute Leistung, die der „AHS“-Star hier abruft, nicht schmälern. Der restliche Cast ist demgegenüber nicht sonderlich auffällig. Mir persönlich haben hier Jon Jon Briones als dubioser Klinikleiter Dr. Hanover und Judy Davis als schrullige Schwester Betsy Bucket am besten gefallen. Übrigens gibt es sogar ein kleines Staraufgebot zu bewundern: Vincent D’Onofrio (u. a. „Full Metal Jacket“, „Criminal Intent“), Cynthia Nixon („Sex and the City“) und die lange nicht mehr gesehene Sharon Stone (u. a. „Total Recall“, „Sliver“) geben sich in Nebenrollen die Ehre.

Der Stil: Typisch.

Ich weiß nicht, ob es nur mir so geht: „Ratched“ ist rein stilistisch nach wenigen Sekunden als Serie eines Streaming-Anbieters zu erkennen. Es ist ein ganz eigenes Flair, dass die Serien von Netflix, Amazon & Co bei aller inhaltlichen Unterschiedlichkeit umgibt – man hat stets das Gefühl, dass eine derartige Stilistik bei klassischen Fernsehserien praktisch nie vorkommt. Und damit meine ich nicht nur die Bilder, es ist vielmehr die Kombination aus Bild, Ton und Schnitt, die den Unterschied auszumachen scheint. „Ratched“ bildet da keine Ausnahme – und stellt sich ebenfalls überaus eigenwillig dar.

Vor allem das Farbenspiel beeindruckt: Intensive Landschaftsbilder wechseln sich mit der kalten Atmosphäre der Nervenheilanstalt ab, extravagante, farbenfrohe Kostüme mit der einfachen Tracht der Krankenschwestern. Aber auch Autos, Speisen und Getränke, verschiedene Alltagsgegenstände – vieles strahlt in unnatürlich kräftigen Farben. Andere Szenen werden wiederum komplett in Farbe ausgeleuchtet, z. B. eisiges Blau, wenn die Hauptfigur einen ihrer perfiden Pläne schmiedet. Im ersten Moment mag all das chaotisch klingen, das Gegenteil ist jedoch der Fall: Die Serie als Ganzes sieht trotz ihrer grellen Optik geradezu schmerzhaft clean aus. Alles hat seinen Platz und ist wohlgeordnet, was ein merkwürdiger Kontrast zum brutalen Inhalt und zum bedrückenden Ort des Geschehens ist. Dazu passt übrigens auch der Soundtrack, der sich durchgehend in klassischen Gefilden bewegt, ab und an auch mal die Klassiker der Filmgeschichte zitiert (z. B. „Psycho“). Lange Rede, kurzer Sinn: Der Stil von „Ratched“ mag nicht jedem gefallen, ich selbst finde ihn gut.

Schwierig zu bewerten.

Beim Schreiben dieser Rezension ist es mir schon aufgefallen: Ich tue mir mit einer Bewertung von „Ratched“ relativ schwer. Ich glaube, dass liegt daran, dass mir die Serie zwar gefallen hat, ich aber immer das Gefühl hatte, es wäre mehr drin gewesen und aus einer „nur“ guten und spannenden Staffel hätte etwas wirklich Begeisterndes werden können. Ich fühlte mich zwar (fast) durchgehend recht gut unterhalten, aber ein unvergessliches Serienerlebnis sieht dennoch anders aus. Denn „Ratched“ ist kurzfristig definitiv spannend, eine nachhaltige Wirkung kann ich aber bisher nicht erkennen.

Ich frage mich, wie diejenigen die Serie sehen, die „Einer flog über das Kuckucksnest“ nicht nur kennen, sondern vielleicht auch eine Art emotionale Bindung zum Film haben. Mir scheint, das wäre für eine abschließende und wirklich umfassende Bewertung der Serie notwendig. Von mir gibt es vorerst einmal 4 von 7 Punkten für Staffel 1. Wie auf Nadeln sitze ich definitiv nicht, wenn ich an die irgendwann erscheinende Fortsetzung denke; neugierig, wie es weitergeht, bin ich aber trotzdem.

Gesamteindruck: 4/7


Originaltitel: Ratched.
Idee: Ryan Murphy, Evan Romansky
Land: USA
Jahr: 2020
Episoden: 8
Länge: ca. 45-60 Minuten
Gesehen auf: Netflix
Haupt-Besetzung: Sarah Paulson, Jon Jon Briones, Finn Wittrock, Cynthia Nixon, Judy Davis, Charlie Carver, Sharon Stone, Corey Stoll, Vincent D’Onofrio



SerienWelt: Braunschlag

Es gibt einiges, das ich an „Braunschlag“ mag: Die Charaktere sind herrlich (und vor allem gut gespielt), die Dialoge treffsicher. Das tiefste Niederösterreich wird als Ort der Handlung passend porträtiert, ebenso die Anspielungen auf die Irrungen, Wirren und Niederungen der Lokalpolitik. Die Handlung kann anfangs ebenfalls überzeugen, ist aber gleichzeitig der Knackpunkt, der eine bessere Gesamtwertung verhindert.

Gesamteindruck: 5/7


Gegrüßet seist Du, Maria.

„Braunschlag“ wurde von Kult-Regisseur David Schalko (u. a. „Die 4 da“, „Sendung ohne Namen“, „Altes Geld“), der auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnet, produziert. Die ORF-Serie wurde erstmals 2012 ausgestrahlt und erzählt in 8 Folgen á 45 Minuten mehr oder weniger zusammenhängende, skurrile Geschichte aus dem fiktiven Ort Braunschlag, irgendwo in Niederösterreich. Die Besetzung ist hochkarätig: Die Hauptrollen spielen Robert Palfrader, Nicholas Ofczarek, Nina Proll, Maria Hofstätter und Raimund Wallisch, dazu gibt es ein umfangreiches Ensemble an bekannten Nebendarstellern.

Inhalt in Kurzfassung
Der niederösterreichischen Marktgemeinde Braunschlag droht der Bankrott. Nur noch ein Wunder kann die finanziellen Probleme lösen – was den Bürgermeister und einen Lokalbesitzer auf eine Idee bringt: Warum auf eine Marien-Erscheinung warten, wenn man selbst eine herbeiführen und damit zahlungskräftige Pilger anlocken kann?

Der gelernte Österreicher fühlt sich in „Braunschlag“ schnell zu Hause. Vor allem, wenn er selbst aus der Provinz kommt, wird er viele der gezeigten Charaktere wiedererkennen. Das reicht vom Bürgermeister über den Dorfwirt bis hin zu den hiesigen Polizisten. Die Figuren sind natürlich überspitzt dargestellt – wobei, wenn ich es mir recht überlege, ist die Überzeichnung gar nicht so groß, wie man als Außenstehender vielleicht meinen könnte. Korruption im Westentaschenformat, Protektionismus und ähnliche Phänomene sind nun nichts, was David Schalko hätte extra für „Braunschlag“ erfinden müssen. Selbiges gilt für die Handlung: Ich glaube, dass sich die Mär vom selbst erfundenen Wunder so oder so ähnlich tatsächlich irgendwo in unserem Land abgespielt haben könnte. Dass die Charaktere überzeugen, ist auch den großteils sehr pointierten und witzigen Dialogen zu verdanken, die sich mit grobschlächtigem Wortwitz abwechseln. Um beides zu verstehen ist die Kenntnis ur-österreichischer Gegebenheiten (und auch des Dialekts) allerdings hilfreich – wenn nicht sogar Pflicht, denn die Serie lebt zu einem Gutteil von ihrer mit reichlich Lokalkolorit angehauchten Darstellung.

Überzeugt nicht durchgängig.

Leider reicht es trotz der genannten positiven Aspekte nicht für eine bessere Wertung. Grund ist, dass „Braunschlag“ auf mich wirkt, als hätten die guten Ideen für maximal fünf Folgen gereicht. Die Serie umfasst allerdings acht Episoden, was meiner Meinung nach eine gewisse Verwässerung zur Folge hat, unter der „Braunschlag“ letztlich als Ganzes leidet. Die Geschichte rund um das Wunder und dessen Folgen ist tadellos erzählt, ebenso sind die Beziehungen der Hauptfiguren untereinander gut ausgearbeitet. Nach einigen Folgen wird die Handlung allerdings zunehmend abstrus und verlässt den eigentlich sehr realistischen Pfad. Das finde ich persönlich schade, weil es bei mir das Gefühl hinterlassen hat, dass David Schalko nicht so richtig wusste, wie er „Braunschlag“ vernünftig zu Ende führen sollte. Stimmt vermutlich nicht und er wollte es genau so, wie er es umgesetzt hat – das ändert aber nichts daran, dass ich mich bis ungefähr Folge 5 extrem gut unterhalten gefühlt habe, danach leider nicht mehr so richtig. Das liegt übrigens auch an dem einen oder anderen Nebenstrang, auf den ich hätte verzichten können. Nicht, weil er per se nicht brauchbar wäre, sondern weil es dort an Tiefgang fehlt.

Fazit: „Braunschlag“ ist gut und hat durchaus das Zeug zur kleinen Kultserie. So richtig überzeugend finde ich die ORF-Produktion als Ganzes aus genannten Gründen jedoch nicht, sodass es für immer noch sehr gute 5 Punkte reichen muss.

Gesamteindruck: 5/7


Originaltitel: Braunschlag.
Idee: David Schalko
Land: Österreich
Jahr: 2012
Episoden: 8
Länge: ca. 45 Minuten
Gesehen auf: Netflix
Haupt-Besetzung: Robert Palfrader, Nicholas Ofczarek, Maria Hofstätter, Nina Proll, Raimund Wallisch, Christopher Schärf, Simon Schwarz, Manuel Rubey, Sabrina Reiter



 

SerienWelt: „Dark“ – Zusammenfassende Bewertung

„Dark“ ist meines Erachtens nicht nur eine der bisher besten Netflix-Eigenproduktionen. Ich bin sogar der Ansicht, dass es sich dabei überhaupt um eine der stärksten Serien handelt, die der Streaming-Anbieter im Angebot hat – und das trotz teils hochklassiger internationaler Konkurrenz. „Dark“ wurde zwischen 2017 und 2020 produziert, es gibt 26 Episoden (Länge zwischen 45 und 70 Minuten) in drei Staffeln. Hier beschreibe ich den Gesamteindruck, den die Serie bei mir hinterlassen hat – Links zu den Einzelbewertungen der drei Staffeln finden sich ganz unten.

Gesamteindruck: 6/7


Zeit ist relativ.

Beginnen wir mit den Fakten: „Dark“ ist die erste deutschsprachige Serien-Produktion von Netflix. Das bedeutet u. a., dass die Serie in Deutschland spielt (Handlungsort ist die fiktive Kleinstadt Winden) und mit deutschen Schauspielern besetzt ist. Warum man dennoch auch hierzulande den englischen Serientitel verwendet, entzieht sich meiner Kenntnis – ich nehme aber an, dass man auf diese Art und Weise auch in deutschsprachigen Ländern leichter das Interesse des Publikums wecken kann. Verantwortlich für die Serie zeichneten Regisseur/Drehbuchautor Baran bo Odar und Produzentin/Drehbuchautorin Jantje Friese, die auch privat ein Paar sind und deren bekanntestes Werk neben „Dark“ wohl der Thriller „Who Am I – Kein System ist sicher“ sein dürfte. An Auszeichnungen konnte „Dark“ den Grimme-Preis sowie einen Preis der Deutschen Akademie für Fernsehen einheimsen, bei der Goldenen Kamera reichte es hingegen „nur“ für drei Nominierungen.

Nun könnte natürlich sein, dass die genannten Fakten eher abschrecken, als zum Ansehen von „Dark“ motivieren, genießen doch deutsche Serien oft einen recht zweifelhaften Ruf. In vorliegendem Fall ist die Angst vor einem neuen „Tatort“ oder gar einer Netflix-Variante der „Lindenstraße“ allerdings unbegründet. Ja, einiges in „Dark“ geht tatsächlich ein wenig in diese Richtung, vor allem in Teilen der Dialoge wähnt man sich ab und an im biederen Hauptabend des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Glücklicherweise sind solche Szenen aber die Ausnahme und werden durch über weite Strecken hochspannende und stark gemachte Sequenzen in den Hintergrund gedrängt.

Denn „Dark“ ist über drei Staffeln hinweg das, was „Tatort“ an guten Tagen und in einzelnen Folgen hinbekommen mag: sehr düster, stark inszeniert und mit einer Ausstattung auf internationalem Niveau versehen. Tatsächlich merkt man nur an der fehlenden Synchronisation und an Offensichtlichem (deutsche Polizeiuniformen usw.), dass „Dark“ keine internationale Produktion ist. Wer hier also nur nicht reinschauen will, weil „deutsch“ drauf steht, ist selbst schuld.

Humor? Fehlanzeige!

Die Handlung von „Dark“ ähnelt einschlägigen Zeitreise-Stories – vor allem an „Zurück in die Zukunft“ musste ich recht häufig denken; dazu kommen Mystery-Elemente, die Erinnerungen an Serien wie „Lost“, vor allem aber „Twin Peaks“ wecken. Die Inszenierung von „Dark“ ist, dem Titel entsprechend, extrem düster ausgefallen. Das reicht vom Dauerregen (fast schon Film noir-mäßig) über die stets bedrohliche Atmosphäre bis hin zur völligen Humorlosigkeit der Serie. Letzteres ist durchaus wörtlich zu nehmen – in keiner einzigen (!) Szene gibt es für den Zuseher etwas zu Lachen. Übrigens auch für die Serien-Charaktere nicht, ich kann mich nicht erinnern, jemals so wenig lächelnde Gesichter in einer solchen Produktion gesehen zu haben. Aber auch abgesehen davon ist „Dark“ nichts für zart besaitete Gemüter: Gewalt gegen Männer, aber auch gegen Frauen und Kinder (!) wird immer wieder gnadenlos realistisch und gerne auch in Großaufnahme dargestellt. Dass es keine Figur gibt, die sich so richtig zum Sympathieträger eignet (praktisch jeder hat seine brutalen Geheimnisse), setzt der Trostlosigkeit die Krone auf. Zusammengenommen sorgt das alles für eine durchgehend bedrückende Stimmung, die so stark komponiert wurde, dass sie den Zuseher mehr und mehr in ihren Bann zieht. Vielleicht auch gegen seinen eigenen Willen, wer aber eine Ader für solch dunkle Geschichten hat, kann sich bald nicht mehr losreißen.

Doch zurück zur Story: „Dark“ setzt auf sehr komplex miteinander verschränkte Elemente. Im Wesentlichen entspinnt sich die Handlung um vier Familien in Winden, deren Mitglieder in unterschiedlichen Zeiten auf verschiedene Weise verbunden sind. Was anfangs, d. h. in den ersten Folgen von Staffel 1, noch einigermaßen überschaubar wirkt, wird relativ schnell zu einem sich immer wieder an verschiedenen Stellen überschneidenden Geflecht aus Beziehungen und Verwandtschaften, in dem man schnell den Überblick verlieren kann. Das geht soweit, dass eine Figur irgendwann erkennen muss, dass ihre Tochter gleichzeitig ihre Mutter ist. Oder dass Ereignisse, die Zeitreisende in der Vergangenheit ändern, mal mehr, mal weniger Einfluss auf die Zukunft haben. Paradox? Ja, aber das sind Zeitreise-Geschichten ohnehin immer, in „Dark“ wird es eben konsequent auf die Spitze getrieben. Hilfreich wären theoretisch „Stammbäume“ und „Zeitreise-Tafeln“, die man im Netz findet – u. a. auch auf Wikipedia. Allerdings sollte man sich gut überlegen, ob und wann man sich diese Interpretationshilfen ansieht, denn sie enthalten naturgemäß große Spoiler.

Komplex aber nicht schwerfällig.

Interessant ist, dass „Dark“ speziell in den Staffeln 1 und 2 trotz dieser auf den ersten Blick sehr verworrenen Geschichte keineswegs anstrengend ist (immer vorausgesetzt, man kann grundsätzlich mit solchen Stories etwas anfangen). Im Gegenteil, alles wird anschaulich, um nicht zu sagen „locker-flockig“, erklärt, was trotz aller Komplexität den Effekt hat, dass man unbedingt noch eine Folge und dann noch eine sehen möchte – Binge Watching at its best. Erst in Staffel 3 wird die Serie wirklich herausfordernd und verliert viel von ihrer bis dahin gewohnten Leichtigkeit. Dafür sind meines Erachtens zwei Gründe verantwortlich: Das zusätzliche Element paralleler Welten fügt ein Scherflein Komplexität zuviel hinzu, hier ist es dann plötzlich nicht mehr mit ein bisschen Nachdenken getan, sondern man muss schon richtig konzentriert bei der Sache sein, um noch folgen zu können. Zweitens ist Staffel 3 hoch philosophisch, heißt, hier wird von Beginn an mehr erklärt und geredet, als in den vorherigen Staffeln. Und das auf eine Art und Weise, die leider ziemlich einschläfernd ist. Wer das übersteht, bekommt aber zum Schluss eine relativ befriedigende Auflösung, sodass die Handlung von „Dark“ über alle Staffeln das Attribut „sehr gut“ verdient. An dieser Stelle muss man auch nochmals die Showrunner loben: Die scheinen sich tatsächlich von Beginn an akribisch Gedanken über jeden Strang der Handlung bzw. dessen Auflösung gemacht zu haben. Logiklöcher gibt es vielleicht ein oder zwei, aber insgesamt passen die vielen, vielen Puzzleteile erstaunlich gut zusammen.

Eine positive Anmerkung möchte ich abschließend in Richtung der Schauspieler loswerden. Oben habe ich ja schon geschrieben, dass manche Dialoge nicht gerade das Gelbe vom Ei sind. Stimmt, das ist mitunter sogar ein Grund, wieso man trotz aller Ernsthaftigkeit von „Dark“ unbeabsichtigt Schmunzeln muss. Manche „Weisheiten“ scheinen die Showrunner tatsächlich direkt dem Leitspruch-Kalender entnommen zu haben. Abseits davon finde ich die Darbietung der Mimen jedoch aller Ehren wert. Klar, es gibt die eine oder andere Schwäche, die hat, abgesehen vom hie und da aufblitzenden Overacting, meist aber eher mit dem Drehbuch als mit den Schauspielern selbst zu tun. Denn die agieren über weite Strecken schon glaubwürdig, wie ich finde.

Fazit: Eine komplexe, über weite Strecken aber dennoch nicht überfordernde Handlung, eine sehr gute Ausstattung, eine starke Inszenierung und großteils glaubwürdige und gut agierende Schauspieler machen die erste Netflix-Serien-Produktion aus Deutschland definitiv zu einem Highlight des Streaming-Dienstes. Wer auch nur ansatzweise etwas mit dieser im wahrsten Sinne des Wortes düsteren Geschichte anfangen kann, sollte unbedingt einen Blick riskieren!

Einzelwertungen:

Gesamteindruck: 6/7


Originaltitel: Dark
Idee: Jantje Friese, Baran bo Odar
Land: Deutschland
Jahr: 2017-2020
Episoden: 26 in 3 Staffeln
Länge: ca. 45-70 Minuten
Gesehen auf: Netflix
Haupt-Besetzung: u.a. Louis Hofmann, Lisa Vicari, Dietrich Hollinderbäumer, Barbara Nüsse, Maja Schöne, Moritz Jahn, Oliver Masucci, Walter Kreye, Carlotta von Falkenhayn, Arndt Klawitter


SerienWelt: Dark – Staffel 3

„Dark“ ist – dem englischen Titel zum Trotz – eine deutsche Produktion des Streaming-Anbieters Netflix. In 26 Episoden bzw. 3 Staffeln erzählen Baran bo Odar und Jantje Friese einen Mystery-Thriller über eine deutsche Kleinstadt in der nichts so ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Diese Rezension behandelt Staffel 3. Meine Meinung zu Staffel 1 gibt es hier, Staffel 2 hier.

Gesamteindruck: 4/7


„Was soll das heißen?“

Staffel 2 der ersten deutschsprachigen Netflix-Produktion „Dark“ endete mit einem ausgewachsenen Cliffhanger: Als wäre die Zeitreise-Thematik nicht schon komplex genug, deutete das Finale an, dass Parallelwelten ebenfalls eine Rolle spielen könnten. Ein weiterer Schub an komplizierten Verflechtungen war zu erwarten – und passiert dann auch. Wer also schon in bisher mit der ausufernden Zahl der Charaktere und Schauplätze (streng genommen ändert sich der Schauplatz übrigens nicht, sondern nur die Epoche) überfordert war, erlebt in Staffel 3 endgültig sein blaues Wunder.

Inhalt in Kurzfassung
Es bleibt nur mehr wenig Zeit: Die Reisenden haben erkannt, dass der deutschen Kleinstadt Winden die Apokalypse droht. Doch während die einen alles daran setzen, die Ereignisse zu verhindern, die zur Katastrophe führen, sind die anderen der Ansicht, dass unbedingt alles so geschehen muss, wie es vorherbestimmt ist. Doch was, wenn es eine Möglichkeit zwischen diesen Extremen gäbe, was, wenn Reisen nicht nur durch die Zeit, sondern auch durch den Raum, in Parallelwelten, möglich wären?

Die Frage, die ich als Überschrift für diese Rezension gewählt habe, hat zwei Aspekte. Einerseits verdeutlicht sie die größte Schwäche von „Dark“, die schon in den ersten Staffeln erkennbar war und die nun endgültig überhand nimmt: Teile der Dialoge bestehen aus endlosen Wiederholungen. Das von unterschiedlichen Charakteren immer wieder gern gefragte „Was soll das heißen?“ ist nur ein Beispiel – es gibt eine Vielzahl an typischen Stehsätzen, die teils schon vor Halbzeit dieser Staffel zu nerven beginnen: „…in seiner Welt und in deiner“, „Der Anfang ist das Ende und das Ende ist der Anfang“, „Es muss alles so geschehen, wie es immer geschehen ist“ oder „Er glaubt, den Ursprung gefunden zu haben“ und ähnliche Perlen finden sich, in verschiedenen Abwandlungen, zuhauf in „Dark“. Dazu kommt noch die Tendenz, dass manche Aussagen so klingen, als wären sie direkt dem Leitspruch-Kalender entnommen, das aber nur am Rande, weil ich es nicht so problematisch finde, auch wenn es in dieser todernsten Serie nicht einer gewissen unfreiwilligen Komik entbehrt.

Andererseits ist die Frage „Was soll das heißen?“ durchaus symptomatisch für Vieles, das inhaltlich und inszenatorisch in „Dark“ passiert. Den Zuseher mag es immer wieder frustrieren, dass er meist nicht sofort erfährt, wie die Ereignisse zusammenhängen – da geht es ihm ähnlich wie den Protagonisten der Serie. In Staffel 3 wird allerdings viele von dem, was bisher völlig unbegreiflich war, erklärt: Man erfährt tatsächlich, „was das heißen soll“, wo der „Ursprung“ liegt und was zu tun ist, um „den Knoten zu durchtrennen“. Unglaublich aber wahr – die Showrunner schaffen es tatsächlich, die vielen Fäden und Stränge, aus denen ihre Serie von Beginn an bestanden hat, zu einem größtenteils befriedigenden Abschluss zusammenzuführen. Hut ab vor dieser Leistung, dafür war definitiv sehr viel Planungsarbeit und Geduld notwendig.

Steiniger Weg zum Finale.

Stichwort „Geduld“: Ganz am Ende wird man als Zuseher zwar mit einer gut gemachten Auflösung belohnt. Allerdings, und jetzt kommt’s, ist der Weg dorthin in Staffel 3 ausgesprochen steinig. Mehr als einmal wurde mir das Ansehen durch ewig lange, redundante Dialoge vergällt. Teilweise erinnert das äußerst ungut an den berühmt-berüchtigten Monolog des Architekten in „Matrix Reloaded“, dessen pseudo-philosophisches Gelaber ähnlich unverständlich war. In „Dark“ tritt diese Problematik in Staffel 3 verstärkt auf, teilweise hat man im Nachgang das Gefühl, dass ganze Folgen aus endlosen Auseinandersetzungen mit der Natur von Zeit und Raum auf quantenphysikalischer Ebene bestehen. Das nervt ehrlich gesagt ganz gewaltig, weil es der bis dahin so gut gemachten und trotz ihres Ernstes und aller Komplexität so leichtfüßig daherkommenden Serie einen ordentlichen Dämpfer verpasst. Es scheint manchmal fast, als wäre der Stoff eigentlich nur auf 2 Staffeln ausgelegt gewesen, so dünn mutet die eigentliche Handlung zeitweise an. Man springt munter zwischen Zeiten und Welten hin und her, lässt keiner Szene genügend Raum zum Atmen und vergisst dabei, dass die Zusammenhänge immer noch komplex sind. Ich denke, eine etwas längere Verweildauer in den einzelnen Szenen wäre hier angebracht gewesen.

Überhaupt ist es fraglich, ob die Einführung paralleler Welten eine gute Idee war. Am Ende wird zwar klar, dass sich dadurch ein sehr stimmiges Gesamtbild ergibt – aber irgendwie hat man das Gefühl, dass das eigentlich nicht so geplant war. Mich persönlich hat die Zeitreise-Story bei aller Komplexität durchgehend unterhalten, den zusätzlichen Aspekt der Viele-Welten-Theorie hätte ich eigentlich nicht gebraucht. Und weil davon in den ersten Staffel keine Rede war, wirkt das Ganze ein wenig aufgesetzt, obwohl man sich relativ erfolgreich bemüht hat, die losen Fäden auch unter diesem Gesichtspunkt miteinander zu verbinden.

Lange Rede, kurzer Sinn: So richtig bin ich mit der finalen Staffel von „Dark“ nicht einverstanden. Daran ändern auch das weiterhin großartige Setting, die immer noch perfekte Ausstattung und die nach wie vor guten Schauspieler nichts. Gerade letztere leiden natürlich besonders stark unter der Dialoglastigkeit von Staffel 3; speziell, was man den armen Charakteren Adam und Eva in den Mund legt, ist teilweise ganz starker Tobak. Dennoch: Wer bisher dabei war, wird natürlich auch das Finale sehen wollen, allein schon um die Antwort auf die allumfassende Frage zu erfahren: „Was soll das heißen?“. Ob diese Antwort letztlich befriedigend ausfällt, wird jeder für sich entscheiden müssen – ich war mit der Auflösung zufrieden, mit dem Weg dorthin erstmals seit Beginn der Serie nicht mehr so wirklich.

Gesamteindruck: 4/7


Originaltitel: Dark
Idee: Jantje Friese, Baran bo Odar
Land: Deutschland
Jahr: 2020
Episoden: 8
Länge: ca. 45-70 Minuten
Gesehen auf: Netflix
Haupt-Besetzung: u.a. Louis Hofmann, Lisa Vicari, Dietrich Hollinderbäumer, Barbara Nüsse, Maja Schöne, Moritz Jahn, Oliver Masucci, Walter Kreye, Carlotta von Falkenhayn, Arndt Klawitter



 

SerienWelt: Dark – Staffel 2

„Dark“ ist – dem englischen Titel zum Trotz – eine deutsche Produktion des Streaming-Anbieters Netflix. In 26 Episoden bzw. 3 Staffeln erzählen Baran bo Odar und Jantje Friese einen Mystery-Thriller über eine deutsche Kleinstadt in der nichts so ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Diese Rezension behandelt Staffel 2.

Gesamteindruck: 6/7


Wann, wohin, wieso?

Netflix macht es möglich: „Dark“ kann und konnte über den Streaming-Dienst in fast 200 Ländern weltweit gesehen werden – für eine deutsche Serien-Produktion dürfte das ein absoluter Rekordwert sein. Und es ist gut, dass die Mystery-Serie so großen Zuspruch fand, hängen Fortsetzungen doch sehr stark von den Zuschauerzahlen ab; es wäre jedenfalls sehr schade und unbefriedigend gewesen, hätten die Netflix-Bosse „Dark“ frühzeitig eingestellt…

Inhalt in Kurzfassung
Nach dem Verschwinden zweier Kinder tritt die Polizei in der deutschen Kleinstadt Winden weiterhin auf der Stelle. Ermittlungserfolge gibt es nicht, entsprechend groß sind Sorge und Wut bei den Einwohnern. Zur Unterstützung trifft ein Sonderermittler ein, der schnell merkt, dass praktisch Jeder in Winden dunkle Geheimnisse zu verbergen versucht. Inzwischen beginnen Vorbereitungsmaßnahmen zur Abschaltung des Kernkraftwerks, die Jugendlichen starten eigene Nachforschungen zu den Verschwundenen und es verdichten sich die Hinweise auf eine bevorstehende Apokalypse.

Auch Staffel 2 von „Dark“ kann – so viel sei vorweg genommen – voll und ganz überzeugen, ist meiner Ansicht nach sogar noch eine Spur besser als die erste Staffel. Nichts geändert hat sich an der Komplexität: Eine Vielzahl an Protagonisten, die in unterschiedlichen Epochen agieren, fordern nach wie vor die volle Aufmerksamkeit des Zusehers. Faszinierend, dass trotz teils höchst komplizierter Zusammenhänge, gerne mal erklärt mittels theoretischer Physik, die auch nicht gerade zu den Leichtgewichten der Wissenschaft zählt, die Spannung auf so hohem Niveau bleibt.

Dafür ist weiterhin das geschickte Spiel zwischen der Klärung offener Stränge und dem kontinuierlichen Auftauchen neuer Fragen verantwortlich. Das Drehbuch ist auch in Staffel 2 sehr intelligent und schafft es, den Zuseher bei der Stange zu halten, obwohl (oder gerade weil?) man ständig meint, endlich einen Blick auf das Gesamtbild erhaschen zu können – nur, um im nächsten Moment durch eine neue, unerwartete Wendung wieder nicht zu wissen, was das Ganze eigentlich soll.

Schwächen setzen sich fort.

Ich möchte nicht verhehlen, dass es ein Mindestmaß an Geduld, vor allem aber ein gewisses Interesse an den Paradoxien braucht, die mit Zeitreise-Geschichten einhergehen. Ich finde zwar, dass „Dark“ den Spagat zwischen philosophischen, wissenschaftlichen und dramatischen Elementen gut schafft, würde es aber auch niemandem verübeln, der die Geduld dafür nicht aufbringt. Denn, auch daran hat sich nichts geändert, „Dark“ eignet sich nach wie vor nicht, um sich nebenbei berieseln zu lassen.

Obwohl ich Staffel 2 wie angedeutet sehr positiv aufgenommen habe, gibt es einige Kritikpunkte, die nicht unerwähnt bleiben sollen: Ich habe bereits in meiner Rezension zu Staffel 1 angemerkt, dass die Verantwortlichen es in Sachen Bild-Ton-Komposition ein wenig übertrieben haben. Diese Problematik setzt sich in Staffel 2 nicht nur fort, sondern verstärkt sich in einigen Szenen sogar noch. Wenn einige Protagonisten zu prinzipiell gut passendem Synthie-Pop höchst bedeutungsvoll in die Gegend starren, ist das eine Sache – kommt das gefühlt in jeder Folge vor, noch dazu jedes Mal länger und länger, nutzt sich der im ersten Moment gut gemachte Effekt so sehr ab, dass man regelrecht genervt davon ist. Zwar tragen dazu auch die Schauspieler durch gewisses Overacting ihr Scherflein dazu bei, aber die Hauptverantwortung liegt hier schon bei den Showrunnern, die manche Folge offenbar künstlich etwas verlängern wollten; zumindest konnte ich mich dieses Eindrucks nicht immer erwehren.

Zu den Schauspielern ist zu sagen, dass der Cast nach wie vor gut agiert. Die Dialoge weisen zwar ein paar Schwächen (in Form von gelegentlichen Wiederholungen auf), den Darstellern kann man das aber nicht zur Last legen. Schon eher, dass manche Szenen dann doch etwas zu übertrieben gespielt sind – vor allem die traurige Verstocktheit (ich weiß nicht, wie ich das sonst nennen soll) von Hauptdarsteller Louis Hofmann (Jonas) wirkt stellenweise sehr unnatürlich.

Sieht man von diesen Punkten ab, ist Staffel 2 jedoch eine sehr würdige Fortsetzung. Das Setting ist und bleibt großartig, die bedrohliche Grundstimmung überzeugend, die Verflechtungen der Figuren schlüssig. Die Effekte sind überdurchschnittlich, die schauspielerische Leistung stimmt über weite Strecken – daher schrammt auch die zweite Staffel von „Dark“ nur knapp an 7/7 Punkten vorbei.

Gesamteindruck: 6/7


Originaltitel: Dark
Idee: Jantje Friese, Baran bo Odar
Land: Deutschland
Jahr: 2019
Episoden: 8
Länge: ca. 45-70 Minuten
Gesehen auf: Netflix
Haupt-Besetzung: Maja Schöne, Louis Hofmann, Stephan Kampwirth, Daan Lennard Liebrenz, Karoline Eichhorn, Oliver Masucci, Christian Steyer, Moritz Jahn



 

SerienWelt: Dark – Staffel 1

„Dark“ ist – dem englischen Titel zum Trotz – eine deutsche Produktion des Streaming-Anbieters Netflix. In 26 Episoden bzw. 3 Staffeln erzählen Baran bo Odar und Jantje Friese einen Mystery-Thriller über eine deutsche Kleinstadt in der nichts so ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Diese Rezension behandelt Staffel 1.

Gesamteindruck: 6/7


Hochspannende Mystery aus Deutschland.

Eine Warnung vorweg: Wer sich „Dark“ ansehen möchte, muss sich darauf gefasst machen, dass die Konzentration stark gefordert ist. Sieht man sich die Serie „nebenbei“ an, wird man relativ schnell den Überblick verlieren. Glücklicherweise heißt das nicht, dass „Dark“ extrem schwer konsumierbar ist. Im Gegenteil, vor allem die Staffeln 1 und 2 sind, wenn man grundsätzliches Interesse an derart komplexen Geschichten hat, bestens zum Binge Watching geeignet.

Inhalt in Kurzfassung
Winden ist eine typische Kleinstadt irgendwo in Deutschland. Vordergründig ist hier die Welt noch in Ordnung – bis ein Mann Selbstmord begeht und bald darauf wie schon einmal vor vielen, vielen Jahren, Kinder zu verschwinden beginnen. In dieser Situation beginnt die gutbürgerliche Fassade zu bröckeln und bald stellt sich heraus, dass es in Winden vor dunklen Geheimnissen nur so wimmelt. Vor allem vier Familien sind davon betroffen; und was haben das örtliche Kernkraftwerk, größter Arbeitgeber der Region, und eine geheimnisvolle Höhle mit den mysteriösen Ereignissen zu tun?

„Dark“ hat ein bisschen was von „Lost“ (2004-2010): Man weiß als Zuschauer sehr, sehr lange nicht, wie das Gesehene einzuordnen ist. Letztlich dauert es tatsächlich bis zur letzten Folge der dritten Staffel, bis wirklich alle Zusammenhänge erklärt sind. Allerdings tut das recht wenig zur Sache, denn dem verantwortlichen Duo Jantje Friese und Baran bo Odar gelingt es, die Spannung von Beginn an kontinuierlich zu steigern. Und all das auf glaubwürdige, immer nachvollziehbare Art. Genau dieser Balance-Akt ist es auch, der Respekt abringt: „Dark“ beginnt relativ ruhig und geradlinig, wird aber bereits in Staffel 1 bald zu einem im ersten Moment überwältigenden Geflecht aus Figuren, die sich in unterschiedlichen Zeiten bewegen. Es gibt eine Unzahl an Namen und Verflechtungen, denen es zu folgen gilt, um den Überblick zu bewahren.

Was aber fast nach Schwerstarbeit klingt, ist (fast) das Gegenteil: Das Drehbuch ist dermaßen clever geschrieben, dass man fast schon mühelos folgen kann, wenn man es schafft, sich zumindest die Namen der wichtigsten Figuren zu merken. Dass das so geschmeidig funktioniert, ist der geradezu virtuosen Komposition aus normalen Szenen, Flashbacks und Zeitsprüngen geschuldet, die ich auf diese Art und Weise noch nicht häufig in einer Serie oder einem Film bewundern durfte. Wer „Lost“ als Beispiel eher abschreckend findet, kann auch an „Zurück in die Zukunft“ denken – denn mit dem in einer Szene sogar zitierten Spielberg-Klassiker (1985-1990) hat „Dark“ viel gemein. Nimmt man dessen Humor heraus („Dark“ ist zu keinem Zeitpunkt auch nur ansatzweise komisch), hat man sogar eine in Grundzügen recht ähnliche Handlung.

Kaum Kritikpunkte.

Ich habe tatsächlich sehr wenig an der 1. Staffel von „Dark“ auszusetzen. Wie gut die Handlung inklusive ihrer teils komplett unerwarteten Wendungen und Verästelungen ist, habe ich schon angedeutet. Freilich wäre das nicht viel wert, wenn die Figuren nicht überzeugen würden – aber auch an dieser Stelle gibt es wenig auszusetzen. Bedenken muss man nur, dass die Serie und der komplette Handlungsbogen auf 3 Staffeln ausgelegt ist, man also nicht von Beginn an durchschaut, welcher Charakter wie tickt. Ein Gut-Böse-Schema gibt es ohnehin nicht, wie man relativ bald feststellen muss. Hier passt dann auch gleich hin, dass die Schauspieler ihre Sache meines Erachtens gut machen und – vor allem für eine deutsche Produktion – sehr glaubwürdig agieren. Die Performance des gesamten Cast (!) trägt viel dazu bei, dass man die Dunkelheit, die düsteren Geheimnisse, die der Serie ihren Namen geben, fast schon körperlich zu spüren meint.  Apropos Produktion: „Dark“ kann vor allem optisch, aber auch akustisch und in Sachen Ausstattung problemlos mit internationalen Serien mithalten. Auch das trägt viel dazu bei, dass man sich als Zuseher fragt, ob es nicht in der eigenen Nachbarschaft hinter verschlossenen Türen vielleicht ähnlich dramatisch zugeht.

Ein negativer Aspekt muss dann aber doch erwähnt werden: Auch wenn der Ton prinzipiell in Ordnung wäre, übertreiben es die Showrunner zum Teil. Viele Szenen sind hoch-offensiv mit bedeutungsschwangerer Musik unterlegt, die zwar passen würde – aber es ist einfach zu viel des Guten. Ich weiß nicht, was da passiert ist, ob man vielleicht zu stolz darauf war, für jede Szene den passenden Song zu haben, aber das hätte es für mich nicht gebraucht. Noch dazu ist der Mix in einigen Folgen ziemlich misslungen, heißt, dass die Musik im Verhältnis zum Rest viel zu laut ist. Besonders ärgerlich ist das in manchen Dialogen, die kaum verständlich sind, was aber gerade in diesen Schlüsselszenen notwendig wäre. Weniger wäre hier also tatsächlich mal mehr gewesen, um mal kurz in die Klischeekiste zu greifen.

Bis auf diesen Schönheitsfehler ist „Dark“ jedem Mystery-Fan jedenfalls wärmstens ans Herz zu legen!

Gesamteindruck: 6/7


Originaltitel: Dark
Idee: Jantje Friese, Baran bo Odar
Land: Deutschland
Jahr: 2017
Episoden: 10
Länge: ca. 45-70 Minuten
Gesehen auf: Netflix
Haupt-Besetzung: Maja Schöne, Louis Hofmann, Stephan Kampwirth, Daan Lennard Liebrenz, Karoline Eichhorn, Oliver Masucci, Christian Steyer, Moritz Jahn



 

SerienWelt: The Man in the High Castle – Staffel 2

„The Man in the High Castle“ basiert auf der gleichnamigen Erzählung von Philip K. Dick aus dem Jahre 1962. In der von Amazon produzierten Serie ist häufig recht holprig vom „Mann im hohen Schloss“ die Rede, der Roman erschien im deutschsprachigen Raum hingegen unter dem Titel „Das Orakel vom Berge“. Die Serie besteht aus vier Staffeln, die zwischen 2015 und 2019 erstmals ausgestrahlt wurden. In dieser Rezension behandle ich Staffel 2 aus dem Jahr 2016.

Gesamteindruck: 5/7


Die Welt am Abgrund.

Die erste Staffel dieser Amazon-Original-Serie fand ich bis auf kleinere Kritikpunkte gut. Als negativ empfand ich vor allem das oftmals gehetzt wirkende Erzähltempo, das die Protagonisten dazu zwang, in unglaubwürdig hoher Schlagzahl komplexe Probleme zu lösen. Um es vorweg zu nehmen: Zwar meint man auch in Staffel 2 gelegentlich, man hätte versucht, zu viele Ideen in zu kurzer Zeit unterzubringen. Weil das aber eher die Ausnahme als die Regel ist, haben die einzelnen Story-Elemente und Charaktere meines Erachtens deutlich mehr Möglichkeiten, sich zu entfalten. Was freilich nicht heißt, dass es an vorliegenden 10 Folgen gar nichts auszusetzen gibt.

Inhalt in Kurzfassung
Das Deutsche Reich und das Japanische Kaiserreich haben den 2. Weltkrieg gewonnen. Die ehemaligen USA stehen unter Verwaltung der Achsenmächte – die Japaner regieren die Westküste, die Nazis den Osten, dazwischen liegt eine neutrale Zone. Doch es regt sich Widerstand, befeuert durch merkwürdige Filme, die vom „Mann im hohen Schloss“ unters Volk gebracht werden und die eine alternative Realität aufzeigen. Und auch zwischen den mächtigen Verbündeten kommt es zum Konflikt, der in einer nuklearen Katastrophe zu enden droht…

Im Wesentlichen hat Staffel 1 von „The Man in the High Castle“ einen Großteil des relativ kurz gehaltenen Romans von Philip K. Dick erzählt. Dick selbst hatte irgendwann in den 1970er Jahren zwar zu Protokoll gegeben, an einer Fortsetzung zu arbeiten, erschienen ist eine solche aber nie, es gab aber sehr wohl einige Andeutungen zum Inhalt. Eine davon umfasst die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Realitäten zu reisen und auch Gegenstände mitzunehmen – so wie es einer der Akteure in Staffel 2 der Serie macht (im Buch gibt es ein vergleichbares Ereignis, das aber eher den Charakter einer Vision hat). Somit ist einer der Punkte, die dazu geführt haben, dass diese Staffel deutlich schlechtere Bewertungen hinnehmen musste eine Idee, die wohl vom Autor des Originals selbst stammt. Meine persönliche Meinung dazu: Ich finde nicht, dass es diesen Kniff unbedingt gebraucht hätte, weil der Serie damit ein Teil ihrer Ernsthaftigkeit genommen wird. Leider ist es noch dazu so, dass das Staffel-Finale in höchstem Maße auf diesen deus ex machina angewiesen ist – schade, diese Problematik wäre doch sicher auch anders lösbar gewesen.

Trotz Schwächen sehenswert.

Von diesem Lapsus (der in meiner Gesamtbewertung der Staffel immerhin zu zwei Punkten Abzug führt) abgesehen, bleibt „The Man in the High Castle“ auch in Staffel 2 sehenswert. Und das durchaus im wahrsten Sinne des Wortes: Vor allem die Optik begeistert weiterhin ohne Wenn und Aber. Das unter japanischer bzw. deutscher Verwaltung stehende Amerika sieht bedrückend-realistisch aus. Das betrifft sowohl Innen- und Außenaufnahmen von Städten und Gebäuden als auch Personen und Gegenstände. Und auch, dass in Staffel 2 öfter mal ein Blick nach Berlin, ins Zentrum des Großdeutschen Reiches, geworfen wird, bringt eine faszinierende (und gleichzeitig ungemein beängstigende) Perspektive. Dort ist die Serien-Welt allerdings bei weitem nicht so gut ausgearbeitet wie in San Francisco und mit Abstrichen New York.

An dieser Stelle merkt man dann auch recht deutlich, dass der Roman von Philip K. Dick keine Vorlage mehr liefert – was in Berlin im Detail passiert, kommt dort einfach nicht vor. Und genau darunter scheint Staffel 2 insgesamt ein wenig zu leiden. Der Höhepunkt, auf den alles hinausläuft, wird selbstverständlich auch im Buch angedeutet: Der innere Machtkampf im deutschen Reich, der in einer Katastrophe für die ganze Welt zu enden droht. Doch irgendwie hege ich Zweifel daran, dass die Auflösung, die uns hier präsentiert wird, im Sinne des Autors gewesen wäre – zu einfach, zu wenig subtil, zu sehr auf Nummer sicher.

Leichter konsumierbar.

Überhaupt machen es die Verantwortlichen dem Publikum in Staffel 2 deutlich leichter. Während die erste Staffel noch – ganz in der Dick’schen Philosophie – auf undurchschaubare Charaktere setzt, die schwer fassbar sind und die wechselnde Sympathien beim Zuseher wecken, verfällt man nun relativ schnell in eine Art von Gut-Böse-Schema. Das ist natürlich bequemer und wesentlich leichter, angenehmer konsumierbar – ob es nun besser ist, wage ich nicht zu beurteilen. Bei mir hat diese Staffel jedenfalls ein positiveres Gefühl hinterlassen (und das hat in diesem Fall nichts mit der technischen und schauspielerischen Qualität zu tun!), gleichzeitig ist mein Eindruck, dass etwas an Tiefe verloren gegangen ist. Interessant, weil gerade die Schwierigkeit, einen Sympathieträger zu identifizieren, ein Kritikpunkt von mir an Staffel 1 war…

Wie man sieht, ist das alles nicht so leicht zu bewerten. Ich fand jedenfalls auch die zweite Staffel von „The Man in the High Castle“ hochspannend, aufgrund etwas zurückgefahrener Subtiltiät vielleicht sogar spannender als Staffel 1. Dennoch fehlt etwas, das ich nicht genauer festmachen kann, sodass ich letztlich einen Punkt weniger springen lasse. Und mich dennoch auf Staffel 3 freue.

Gesamteindruck: 5/7


Originaltitel: The Man in the High Castle
Idee: Frank Spotnitz
Land: USA
Jahr: 2016
Episoden: 10
Länge: ca. 50-60 Minuten
Gesehen auf: Amazon Prime Video
Haupt-Besetzung: Alexa Davalos, Rupert Evans, Luke Kleintank, DJ Qualls, Rufus Sewell, Cary-Hiroyuki Tagawa, Joel de la Fuente, Brennan Brown, Chelah Horsdal



 

SerienWelt: The Man in the High Castle – Staffel 1

„The Man in the High Castle“ basiert auf der gleichnamigen Erzählung von Philip K. Dick aus dem Jahre 1962. In der von Amazon produzierten Serie ist häufig recht holprig vom „Mann im hohen Schloss“ die Rede, der Roman erschien im deutschsprachigen Raum hingegen unter dem Titel „Das Orakel vom Berge“. Die Serie besteht aus vier Staffeln, die zwischen 2015 und 2019 erstmals ausgestrahlt wurden. In dieser Rezension behandle ich Staffel 1 aus dem Jahr 2015.

Gesamteindruck: 6/7


Spannendes Alternativwelt-Szenario.

In meiner Rezension zum Buch „Das Orakel vom Berge“ habe ich es schon geschrieben: Eine alternative Realität, in der die Geschichte ganz anders abgelaufen ist, als wir sie kennen, ist eine reizvolle Idee. Den Roman von Philip K. Dick finde ich gut, umso gespannter war ich, wie das eher philosopophisch-nüchterne Werk für ein audio-visuelles Medium umgesetzt werden würde. So viel sei vorweg genommen: Die erste Staffel von „The Man in the High Castle“ hat meine Erwartungen tatsächlich erfüllt, auch wenn nicht alles perfekt ist.

Inhalt in Kurzfassung
Das Deutsche Reich und das Japanische Kaiserreich haben den 2. Weltkrieg gewonnen. Die ehemaligen USA stehen unter Verwaltung der Achsenmächte – die Japaner regieren die Westküste, die Nazis den Osten, dazwischen liegt eine neutrale Zone. Beide Siegermächte herrschen mit Willkür, oft auch mit Brutalität, wenig verwunderlich also, dass sich Widerstand regt. Und dann gibt es da noch merkwürdige Filmrollen, die eine alternative Realität zu zeigen scheinen, eine Welt, in der der Krieg ganz anders ausgegangen ist…

Wer „Das Orakel vom Berge“ gelesen hat, wird anhand der Inhaltsangabe vermuten, dass sich die Serie relativ nahe an der Vorlage orientiert. Zumindest in gewissen Aspekten – sieht man genauer hin, merkt man beispielsweise schnell, dass es doch recht große Unterschiede gibt. Nichtsdestotrotz schafft die Serie eine hervorragende Atmosphäre, die meines Erachtens genau das Amerika zeigt, das Dick in seinem Roman beschreibt. Das betrifft die Figuren (die selbstherrlichen und sich stets überlegen fühlenden Nazis, die zurückhaltenden und verschlossenen Japaner, die zwischen Hoffnungslosigkeit und Trotz schwankenden Amerikaner), aber auch die gesamte Umgebung. Letztere zeigt eine interessante Mischung aus heruntergekommenen Gegenden, in denen die verarmte Bevölkerung ihr Dasein fristet und den luxuriösen Verwaltungsgebäuden der Besatzer. Vor allem die bombastisch-bedrückenden Nazi-Bauwerke stehen in starkem Kontrast zum 1960er-Feeling. Ich würde sogar sagen, dass die Serie durch ihre visuellen Möglichkeiten dem Buch in dieser Hinsicht überlegen ist, das aber auch, weil Philip K. Dick ein eher philosophischer Autor war, der wenig Wert auf Außenbeschreibungen gelegt hat. Umso erstaunlicher, was die Serien-Macher hier geleistet haben.

Freilich gibt es, wie angedeutet, auch gravierende Unterschiede zum Buch, auf die ich aber nicht allzu sehr eingehen möchte. Gesagt sei, dass die Story nur sehr rudimentär auf den Ereignissen des Romans basiert. Letztlich muss man konstatieren, dass die Geschichte in weiten Teilen vollkommen anders abläuft, was aber nicht zwangsweise bedeutet, dass die Serie schlecht ist. Im Gegenteil – wer sich darauf einlassen kann und nicht ständig Vergleiche mit dem Buch zieht (wobei fraglich ist, ob überhaupt ein nennenswerter Teil des Serienpublikums „Das Orakel vom Berge“ gelesen hat), darf sich auf spannende und unterhaltsame 10 Stunden freuen.

Kleinere Kritikpunkte.

Zwei Kritikpunkte habe ich aber dennoch: Erstens hat man des Öfteren das Gefühl, dass die Showrunner versucht haben, viel zu viele Ideen unterzubringen. Eventuell war ursprünglich nur eine Staffel geplant und man wollte deshalb so viel wie möglich umsetzen? Ich weiß es nicht, aber teilweise entsteht dadurch ein regelrecht gehetzt wirkendes Erzähltempo. Damit geht der zweite Punkt einher: Die Hauptfiguren müssen häufig in hoher Schlagzahl ein Problem nach dem anderen lösen und wechseln dabei auch mal munter ihre Ausrichtung. Ihnen passiert einfach zu viel, sodass man einerseits die Glaubwürdigkeit in Frage stellt, andererseits tatsächlich Probleme hat, einen echten Sympathieträger zu identifizieren.

Dennoch: Die erste Staffel von „The Man in the High Castle“ ist gutes Handwerk, bietet ein tolles Setting und ist spannend, kurz: Hier bekommt man alles, was man von einer modernen Serie erwarten darf. Ich bin jedenfalls sehr gespannt, wie es in Staffel 2 weitergeht.

Gesamteindruck: 6/7


Originaltitel: The Man in the High Castle
Idee: Frank Spotnitz
Land: USA
Jahr: 2015
Episoden: 10
Länge: ca. 50-60 Minuten
Gesehen auf: Amazon Prime Video
Haupt-Besetzung: Alexa Davalos, Rupert Evans, Luke Kleintank, DJ Qualls, Rufus Sewell, Cary-Hiroyuki Tagawa, Joel de la Fuente, Brennan Brown, Carsten Norgaard