FilmWelt: Life

„Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt“ (1979) war einer der ersten Filme, der einem breiteren Publikum gezeigt hat, dass das Universum ein dunkler, gefährlicher Ort sein kann. Und, dass es gut möglich ist, dass außerirdische Lebensformen nicht unbedingt – wie z. B. in „Star Trek“ üblich – menschlich aussehen und handeln müssen. In eine ähnliche Kerbe schlägt knapp 40 Jahre später „Life“ (2017).

Gesamteindruck: 4/7


Es lebt.

Wieso ich die „Alien“-Reihe so prominent erwähne? Nun, einerseits ist das Thema, das in „Life“ behandelt wird, sehr ähnlich; wobei es mittlerweile sehr viele Filme gibt, die sich, mal mehr, mal weniger gelungen, mit einer ähnlichen Prämisse auseinandersetzen. Andererseits wurde „Life“ 2017 veröffentlicht, also ausgerechnet in jenem Jahr, in dem Kult-Regisseur Ridley Scott mit „Alien: Covenant“ seinen ersten „Alien“-Film seit 1979 inszenierte. Dass der alles andere als rund war, habe ich in meiner Rezension herauszuarbeiten versucht. „Life“ hat im Vergleich dazu zumindest den Vorteil, für sich alleine zu stehen und kann damit nicht an der (unrealistischen?) Erwartungshaltung scheitern, die man einem alten Franchise gegenüber hat. So richtig vermag aber auch vorliegende Variante des Weltraum-Horrors leider nicht zu begeistern.

Worum geht’s?
An Bord der Internationalen Raumstation (ISS) herrscht euphorische Stimmung: Soeben ist es der Besatzung gelungen, Spuren von Leben in Bodenproben, die auf dem Mars gesammelt wurden, nachzuweisen. Nachdem es dem wissenschaftlichen Leiter der Mission glückt, den mikroskopischen Organismus, der sich zunächst in einer Art Winterschlaf befindet, zu wecken, beginnt das Wesen schnell zu wachsen. Bald stellt sich heraus, dass die „Calvin“ genannte Lebensform überaus gefährlich ist…

Grundsätzlich machen Regisseur Daniél Espinosa und die Drehbuchautoren Rhett Reese und Paul Wernick viele Dinge richtig. So spielt „Life“ beispielsweise nicht in einer fernen Zukunft. Im Gegenteil: Alles wirkt sehr vertraut und manches heute – sechs Jahre nachdem der Film gemacht wurde – fast schon überholt. Ein solches Setting in zeitlicher und räumlicher Nähe zum Publikum hat den Vorteil, dass alles viel unmittelbarer wirkt und man sich fragt, ob das, was in „Life“ passiert, sich vielleicht morgen auf der echten ISS abspielen könnte. Und, auch nicht unwichtig: Die fremde Lebensform kommt vom Mars, also aus unserer unmittelbaren Nachbarschaft und einem Planeten, der sich nach wie vor perfekt eignet, die Fantasie der Menschheit anzuregen.

Schöne Prämisse verpufft schnell.

Die Prämisse ist also glaubwürdig und die Story in ihren Grundzügen durchaus interessant, was auch Ausstattung, Ton und Bühnenbild zu verdanken ist. Leider verpufft all das, sobald man feststellt, dass „Life“ diese Ausgangslage kaum nutzt: So ist die Handlung von Anfang an vorhersehbar und die Charaktere verhalten sich nicht gerade schlau – was beides nicht so schlimm wäre, wenn wenigstens richtige Gruselstimmung aufkommen würde. Denn, seien wir uns ehrlich: Die Story von „Alien“ passt auch auf einen Bierdeckel. Dort ist allerdings das düstere Setting unglaublich intensiv, während die Effekte und speziell auch die Beleuchtung verhindern, dass „Life“ eine ähnlich unheilvolle Atmosphäre aufbauen kann.

Gleichzeitig (und auch dadurch bedingt) mangelt es an Spannung: Man weiß nicht nur, was ungefähr als nächstes passiert, sondern man man bekommt viel zu schnell viel zu viel zu sehen. Das mag zwar die Neugier befriedigen, nimmt dem Film aber auch jeglichen Schrecken. „Alien“ war ja gerade deshalb so spannend und unheimlich, weil man das Wesen praktisch nie richtig zu Gesicht bekommen hat. Klar, das mag der Not, keine vernünftigen Effekte gehabt zu haben, geschuldet gewesen sein; dennoch wurden damit Ur-Ängste geschürt, die „Life“ aufgrund seiner Machart einfach nicht adressieren kann.

Figuren bestenfalls Mittelmaß.

Was die Figuren betrifft, bin ich ambivalent: Bis auf zwei (Jake Gyllenhaal als David Jordan und Rebecca Ferguson als Miranda North) sind alle Kanonenfutter. Dessen waren sich die Verantwortlichen freilich von Anfang an bewusst, was normalerweise kein Problem ist. Nur merkt man leider sehr deutlich – zumindest meinte ich das zu spüren – dass man sich genau deshalb kaum die Mühe gemacht hat, dem Cast ein vernünftiges Profil zu verleihen. Dafür reichen ja häufig kleine Anspielungen, an denen man sich als Zuschauer:in, so man sie überhaupt bewusst wahrnimmt, festhalten kann. Mir ist bei „Life“ aber so gut wie nichts in diese Richtung aufgefallen, sodass die Charaktere großteils fast so flach scheinen, wie man es aus vielen Teenie-Horror-Streifen kennt.

Immerhin sind die beiden Hauptpersonen einigermaßen interessant (oder zumindest interessant dargestellt): Gyllenhaal spielt den an der Mission zweifelnden, immer ein wenig depressiv und nachdenklich wirkenden Wissenschaftler sehr gut; derartige Charaktere sind ohnehin eine Art Paraderolle des US-Schauspielers, wie ich finde. Eine passend unterkühlt wirkende Rebecca Ferguson verkörpert seine Gegenspielerin, die für die Seuchenkontrolle zuständig ist, mitunter also ganz andere Ziele verfolgt. Letztlich dreht sich alles um diese zwei Figuren, was „Life“ zwar nicht wirklich zu einem Kammerspiel macht, aber zumindest ein wenig in Richtung eines solchen deutet. Schade ist hingegen, dass die guten Performances durch Gyllenhaal und Ferguson nicht ganz überdecken können, dass auch diese beiden Rollen durchaus besser ausgearbeitet hätten sein können.

Häufig ist der eigentliche Star bei Filmen wie „Life“ jedoch ohnehin kein Mensch: Der außerirdische Organismus und die Umgebung sorgen oft für den Löwenanteil an Nervenkitzel beim Publikum. Zum Set habe ich weiter oben schon ein paar Worte verloren: Einerseits schön, zeitgenössische Technik und einen Ort zu haben, den man zumindest vage erkennt. Andererseits ist es nicht ganz gelungen, die ISS selbst (oder zumindest den Weltraum, in dem sie sich ja befindet) zu einer bedrohlichen Umgebung zu machen. Auch hier wieder: Schade, wobei es sogar ein wenig verständlich ist, weil man wohl stark auf Realismus geachtet hat.

Von „Calvin“ bin ich leider nicht sonderlich überzeugt. Ein wenig unheimlich ist es zwar, wenn eine scheinbar formlose Masse immer gefährlicher und größer wird sowie Anzeichen von Intelligenz zeigt. So richtig bedrohlich wirkt das Vieh aber nicht, man sieht es ja ständig, ist über seine Fähigkeiten ziemlich gut im Bilde – und hat damit einfach Probleme, weil ein Teil seiner Gefährlichkeit (wie man deutlich merkt) allein dramaturgischen Gründen geschuldet ist. Wer es sich übrigens nicht so richtig vorstellen kann: Mich hat „Calvin“ stark an die Mimics aus dem Spiel „Prey“, das interessanterweise ebenfalls 2017 veröffentlicht wurde, erinnert.

Es fehlt etwas.

Im Endeffekt macht „Life“ zwar einiges richtig und ist weit davon entfernt, ein schlechter Film zu sein: Technisch und formell passt alles gut zusammen, am Cast ist wenig auszusetzen, das Pacing stimmt auch. Dennoch will der Funke nicht richtig überspringen – und genau solche Filme sind ja immer sehr schwierig zu bewerten und beschreiben. Vielleicht ist es am ehesten so: Es fehlt „Life“ irgendwie an… Leben. Alles wirkt zu routiniert, zu sehr wie eine Auftragsarbeit, auf die niemand so richtig Bock gehabt hat, die man aber trotzdem möglichst gut über die Bühne bringen wollte. Es fehlt an Leidenschaft, zumindest war das mein ganz persönlicher Eindruck, den man freilich nicht so richtig fassen kann

Was den Film übrigens rettet bzw. zumindest über eine noch schwächere Wertung hinaus trägt: Das Finale ist grandios inszeniert und mithin das einzige an „Life“, das bei mir nachhaltigen Eindruck hinterlassen hat. Dabei beginnt es recht konventionell und alienesk, indem die Rettungskapseln genutzt werden. Innen- und Außenaufnahmen suggerieren dann auch ein erwartbares Ende bis man feststellt, das zum Schluss doch alles ganz anders kommt. Ich weiß: Das ist schwer vorstellbar – aber vertraut mir, dieses Finale hat sich gewaschen und wiegt die Schwächen der 90 Minuten davor (wobei ich die – wie gesagt – keineswegs katastrophal finde) beinahe auf.

Soll man sich „Life“ nun aber ansehen oder nicht? Das wird jetzt niemand lesen wollen, aber: Ich weiß es wirklich nicht. Der Film fühlt sich nicht wie Zeitverschwendung an, er hinterlässt aber auch nicht das befriedigende Gefühl, etwas Großes erlebt zu haben. Er ist irgendwo mittendrin und darum kann und will ich weder eine Empfehlung noch eine Warnung aussprechen.

Gesamteindruck: 4/7


Originaltitel: Life.
Regie:
Daniél Espinosa
Drehbuch: Rhett Reese, Paul Wernick
Jahr: 2017
Land: USA
Laufzeit: ca. 100 Minuten
Besetzung (Auswahl): Jake Gyllenhaal, Rebecca Ferguson, Ryan Reynolds, Hiroyuki Sanada



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FilmWelt: Star Trek V: Am Rande des Universums

Aus heutiger Sicht wirkt es wie ein großer Schritt zurück: Leonard Nimoy hatte als Regisseur von „Star Trek IV: Zurück in die Gegenwart“ (1986) versucht, dem Franchise nach drei düster-dramatischen Kinoabenteuern eine weniger philosophische, deutlich leichtere Anmutung zu geben. Der Erfolg gab ihm Recht, was William Shatner jedoch nicht davon abhielt, drei Jahre später einen ganz anderen Weg einzuschlagen. In seiner Vision spielte Religion und deren missbräuchliche Verwendung eine große Rolle und es sollten jene großen Fragen aufgeworfen werden, die 1979 schon „Star Trek: Der Film“ zu einem so schwer verdaulichen Brocken gemacht hatten.

Gesamteindruck: 2/7


Das größte Abenteuer aller Zeiten?

Die Beziehung zwischen den Herren Shatner und Nimoy dürfte zu den merkwürdigsten in der Geschichte von Film und Fernsehen gehören: Grundsätzlich sollen die beiden zumeist wohl freundschaftlich miteinander umgegangen sein – mit dem Erfolg von „Raumschiff Enterprise“ (1966-1969) dürfte jedoch enormes Konkurrenzdenken Einzug gehalten haben. Das gipfelte darin, dass die Paramount Studios beiden vertraglich zusichern mussten, in allen Belangen mindestens „das Gleiche“ wie der jeweils Andere zu erhalten. Und das beschränkte sich nicht nur auf die Gage, sondern trieb teils sonderbare Blüten (gerüchteweise soll sogar auf die peinlich genaue Aufteilung von Screentime und Dialogzeilen geachtet worden sein, gern auch ohne Rücksicht auf dramaturgische Erfordernisse). So kam es dann auch dazu, dass Shatner nach zwei von Nimoy inszenierten „Star Trek“-Abenteuern 1989 selbst im Regiestuhl Platz nehmen und seine Ideen verwirklichen durfte. Andernfalls, so pfeifen es die Spatzen von den Dächern, hätte er sich nicht dazu überreden lassen, in „Star Trek IV“ überhaupt mitzuspielen…

Worum geht’s?
Die Crew der neu in Dienst gestellten „U.S.S. Enterprise“ (NCC 1701-A) genießt gerade ihren wohlverdienten Urlaub, als ein Notruf bei der Sternenflotte eingeht: Auf Nimbus III, einem Planeten in der neutralen Zone, ist es zu einer Geiselnahme gekommen. Die „Enterprise“ unter dem Kommando von Captain James T. Kirk soll die Situation klären. Dieser Versuch misslingt, die Aufständischen bekommen das Schiff unter ihre Kontrolle und steuern das Zentrum der Galaxis an. Dort, hinter einer vermeintlich undurchdringlichen Energiebarriere, soll das geheimnisvolle Sha-Ka-Ree liegen…

Ich nehme es mal vorweg: Vorliegender Film ist ein Werk mit vielen Schwächen. Als erste davon springt dem geneigten Fan natürlich der unpassende deutsche Titel ins Auge: Einerseits geht damit das Flair des Originals, das mit „The Final Frontier“ den Vorspann der klassischen Serie („Space… the final frontier“) aufgreift, verloren. Sinngemäß hätte es hier also entweder wörtlich „Die letzte Grenze“ oder aber so etwas wie „unendliche Weiten“ heißen müssen (letzteres ergibt freilich auch keinerlei Sinn, wäre aber passend zum deutschen Intro der Serie gewesen). Andererseits ist die „Übersetzung“ auch inhaltlich falsch: Die „Enterprise“ reist im Film ins Zentrum der Milchstraße, was so ziemlich das Gegenteil vom Rand des Universums ist. Eine Kleinigkeit? Mag sein, aber irgendwo auch symptomatisch für die Qualität von „Star Trek V“.

Viele Köche…

Eines sollte man zunächst klarstellen, weil man relativ häufig darüber stolpert: William Shatner ist meiner Ansicht nach keineswegs allein am inhaltlichen und finanziellen Fiasko von „Star Trek V“ schuld. Sein religionskritischer Ansatz wäre meines Erachtens sogar eine starke und zum Geist der Marke passende Idee gewesen (wobei ich nicht weiß, wie weit seine Entwürfe ausgearbeitet waren bzw. was er darin alles vorgesehen hatte). Letzten Endes fand jedoch ein Gutteil seiner Vorschläge wenig Anklang bei Paramount. Und nicht nur dort, Teile des Skripts wurden von „Star Trek“-Schöpfer Gene Roddenbery, der damals schwerpunktmäßig als Produzent der neuen Serie, „Raumschiff Enterprise: Das nächste Jahrhundert“ („Star Trek: The Next Generation“), tätig war, abgelehnt. Aber auch Shatners Co-Stars Leonard Nimoy (Spock) und DeForest Kelley (Dr. McCoy) waren mit jenem Teil der Story nicht einverstanden, von dem sie eine Beschädigung ihrer Charaktere befürchteten. Das Ende vom Lied: Das Drehbuch wurde mehrfach und von verschiedenen Personen umgeschrieben und überarbeitet, was – im Gegensatz zu den Filmen davor – jedoch zu keinem sonderlich befriedigenden Ergebnis führte; das auch, weil Paramount aufs Tempo drückte und sich eine eigentlich dringend notwendige Feinabstimmung schlicht nicht mehr ausging.

Der immense Zeitdruck hatte auch auf einen anderen Aspekt des Films negativen Einfluss: Industrial Light & Magic, jene Firma, die bereits für die drei vorangegangenen „Star Trek“-Kinofilme die Effekte erstellt hatte, stand nicht zur Verfügung. Ein anderes Unternehmen (Associates and Ferren) wurde zwar gefunden, allerdings waren Budget und Zeit mittlerweile sehr knapp geworden. Zu allem Überfluss mischte sich Shatner bei den Effekten angeblich viel zu häufig in Details ein, was die Arbeit noch komplizierter und zeitraubender machte. Die Folge: „Star Trek V“ sieht optisch zum Teil minderwertiger aus als die 10 Jahre zuvor (!) erschienene Kinopremiere, die in dieser Hinsicht ebenfalls eine sehr wechselhafte Geschichte hat. Übrigens: Sollten die Sets der „Enterprise“ jemandem bekannt vorkommen, ist das kein Wunder – ein Gutteil davon wurde, um Kosten zu sparen, von „The Next Generation“ ausgeborgt. Das erklärt, warum die Gänge der zwei Raumschiffe, zwischen deren Einsatz im „Star Trek“-Kosmos über 80 Jahre liegen, sich so ähneln.

Was man in Hinblick auf die schwierige Genese des Films im Übrigen auch nicht unterschätzen sollte und was vermutlich sehr wohl dem Regisseur und Hauptdarsteller in Personalunion anzulasten ist: William Shatner hatte sich bereits zu Zeiten von „Raumschiff Enterprise“ den zweifelhaften Ruf erarbeitet, ein Egozentriker vor dem Herrn zu sein. Was von den Vorwürfen, die sich vor allem um Selbstüberschätzung und divenhaftes Verhalten drehen, wahr ist, kann und will ich nicht beurteilen; was jedenfalls gesichert scheint: Im Gegensatz zum amikalen und freundlichen Leonard Nimoy tat sich Shatner im Umgang mit Kolleg:innen und Filmcrew überaus schwer. Für einen Schauspieler mag das noch angehen, vor allem, wenn es einen Regisseur gibt, der mit diversen Anwandlungen umzugehen weiß. Spielt eine solch schillernde Persönlichkeit jedoch nicht nur die Hauptrolle, sondern hat, wie in vorliegendem Fall, auch hinter der Kamera das Sagen, mag das schon ein Puzzlestein sein, der zur fragwürdigen Qualität des Werkes beigetragen hat.

…viele Enttäuschungen.

Nach dieser langen Vorrede, die ich als notwendig erachte, um die Probleme von „Star Trek V“ zu begreifen, kommen wir nun endlich zum Inhalt. In seiner ursprünglichen Idee wollte William Shatner, die manipulativen Methoden von pseudo-religiösen (Fernseh-)Predigern und die Konsequenzen, die es haben kann, wenn man ihnen aufsitzt, aufzeigen. Grundsätzlich ein lobenswerter Ansatz, an der Umsetzung hapert es aber leider gewaltig. Das beginnt bereits bei der Besetzung: Dem üblichen Cast um Shatner, Nimoy und Kelley kann man kaum etwas vorwerfen, alle spielen ihre Rollen einmal mehr gewohnt solide. Wobei ich an dieser Stelle eines anmerken muss: Das Shatner gleich nach der Exposition dem Publikum weismachen möchte, ein sichtlich gealterter und zumindest leicht in die Breite gewachsener James T. Kirk wäre in der Lage, den berühmt-berüchtigten El Capitan im Yosemite-Nationalpark zu bezwingen, lässt für den Rest des Films nichts Gutes erwarten. Glücklicherweise bleibt es bei diesem Superhelden-Moment, davon abgesehen gibt es an der Darstellung der Helden wenig auszusetzen. Im Gegenteil, das Triumvirat, wie es mein liebster „Star Trek“-Podcast nennt, hat ein paar richtig gute, herzerwärmende Momente.

Was hingegen weniger passend ist: Der Antagonist, gespielt von Laurence Luckinbill. Ich möchte dem guten Mann, von dem ich vorher noch nie etwas gehört habe, nicht zu nahe treten – jenes Charisma, das die Handlung Sybok, so der Name der von ihm gespielten Figur, zuschreiben möchte, hat er jedoch bei weitem nicht. Schon als ich den Film in sehr jungen Jahren erstmals gesehen habe, wirkte Sybok auf mich nicht gefährlich und unberechenbar, sondern ganz nett, manchmal sogar trottelig-naiv. An diesem Eindruck hat sich bis heute nichts geändert, was für einen Antagonisten freilich ein vernichtendes Urteil ist. Erschwerend kommt der Hintergrund des Charakters hinzu: Es handelt sich dabei um den vorher und nachher nie wieder erwähnten Halbbruder eines gewissen vulkanischen Wissenschaftsoffiziers. Wer nun denkt, daraus würde sich eine Art Familien-Drama ergeben, wird bitter enttäuscht: Dass Spock und Sybok verwandt sind, spielt nach der zugegeben schockierenden Enthüllung keinerlei Rolle mehr. Das muss man sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen: Man führt hier aus dem Nichts ein, dass eine der wichtigsten Figuren des gesamten Star Trek-Universums einen Bruder hat, der – warum auch immer – nie erwähnt wurde. Und macht daraus… absolut nichts! Ich kann das bis heute kaum glauben, ehrlich gesagt. Offen bleibt indes die Frage, ob der Wunschkandidat für diese Rolle, Sean Connery (an dem sich Luckinbill optisch stark orientiert haben dürfte), mehr daraus gemacht hätte.

Ein schwacher Antagonist ist natürlich eine denkbar schlechte Ausgangsbasis für einen Film wie diesen. Leider knarzt und kracht es auch anderweitig im Gebälk – und damit meine ich nicht die kaum funktionierende, neue „Enterprise“, die ihren Captain ärgert. Wobei man auch das, bei allem Unterhaltungswert, den es zweifelsohne hat, kritisieren könnte: Sowohl die Fehlfunktionen des Schiffes als auch das, was dann auf der Reise ins Unbekannte folgt, wirkt wie 1:1 aus „Star Trek: Der Film“ übernommen. Nur halt auf völlig andere Art, denn hier sorgt das kaputte Schiff für Spaß beim Publikum, während es 1979 noch für den Tod mehrere Besatzungsmitglieder verantwortlich war. Und die Reise an den Rand… pardon, ins Zentrum der Galaxis? Auch das ist ein echtes Mirakel: Zunächst schwadroniert man lang und breit über die Unmöglichkeit, durch die ominöse Energiebarriere zu kommen – nur um es dann ohne Probleme und in einer sehr knappen, optisch eher unbeholfenen Sequenz zu schaffen. Nicht falsch verstehen: Ich gehöre zu jenen, die den minutenlangen Flug in die Energiewolke aus „Star Trek: Der Film“ gerne im schnellen Vorlauf sehen. Das ändert aber nichts daran, dass man sich bei der entsprechenden Szene in „Star Trek V“ fragt, wozu Sybok überhaupt die „Enterprise“ kapern musste – so leicht scheint es zu sein, die letzte Grenze zu überwinden. Dass „Star Trek“ 1989 eigentlich längst so weit war, eine Distanz wie diejenige ins galaktische Zentrum realistisch zu sehen (d. h. die Reise dorthin geht grundsätzlich viel zu schnellt vonstatten, ohne dass das erklärt wird), lasse ich mal so stehen.

Probleme bis zum Schluss.

Abschließend noch zwei Punkte, die ich kurz ansprechen möchte: Jene Szene, in der Sybok zunächst McCoy, dann Spock vermeintlich „umdreht“, fand ich gut. Heute hätte man hier wohl die ursprüngliche Idee von Shatner aufgegriffen und Kirk wäre tatsächlich von seinen engsten Freunden verraten worden. Dass man 1989 in dieser Hinsicht noch anders tickte, würde ich Leonard Nimoy und DeForest Kelley, die für eine Änderung plädiert haben, nicht unbedingt vorwerfen wollen. Was mir hier aber dennoch fehlt: Was ist der geheime Schmerz von Kirk? Das erfahren wir leider nicht und ich frage mich, woran das liegt. Schade, hier hätte man dann doch ein paar neue Einblicke geben können; wobei man sagen muss, dass speziell das, was Spock seelisch mit sich herumschleppt, alles andere als überraschend kommt.

Und dann wäre da noch das Finale (nicht das eigentliche Finale im Yosemite-Park, sondern das, was man als Höhepunkt des Films bezeichnen könnte): Man dringt ins Zentrum der Galaxis vor, wo Sybok das Paradies vermutet. Wie er zu dieser Annahme gekommen ist, wird übrigens nie erklärt, aber was soll’s. Dort angekommen findet man… ja, was eigentlich? Gott? Natürlich nicht – es scheint vielmehr eines dieser vielen übermächtigen Wesen zu sein, denen wir in „Star Trek“ an fast jeder Ecke begegnen. Kann man freilich so machen, ausgelutscht war dieses Thema aber auch 1989 schon. Zumal ich es nochmal erwähnen muss: Wir haben es auch hier mit einer Prämisse zu tun, die der von „Star Trek: Der Film“ stark ähnelt: Dort war ein Wesen (V’Ger) auf der Suche nach seinem Schöpfer (den Menschen), hier sind es die Menschen (bzw. menschenähnlichen Außerirdischen), die ihren Schöpfer suchen. Beides geht nicht gut aus, was freilich auch nicht überraschen sollte.

Fazit: Sehr schwach.

Eigentlich hatte ich „Star Trek V“ in guter Erinnerung, denn als Kind hat mich durchaus beeindruckt, was es hier zu sehen gibt. Es könnte sogar sein, dass es sich hierbei um den ersten „Star Trek“ handelt, den ich nach „Der Film“ gesehen habe, was erklären könnte, warum ich er mir gefallen hat: Heller, lustiger, leichter, straffer – all das war für mein kindliches Ich einfacher zu fassen. Später konnte ich über den Humor immer noch ganz gut lachen, fand die Story aber ziemlich schwach. Und heute? Mittlerweile weiß ich, dass es viel, viel besser geht und schaffe es nicht mehr, über die deutlichen Mängel dieses zusammengeschusterten Werks hinwegzusehen.

„Am Rande des Universums“ ist für mein Dafürhalten in jeder Hinsicht einer der Tiefpunkte der „Star Trek“-Historie. Von den Kinofilmen mit der alten Crew ist es mit Abstand der Schwächste, die TNG-Mannschaft hatte zumindest zwei, eher drei stärkere Filmauftritte als diesen – und die jüngsten Abenteuer kann und darf man eigentlich nicht mehr mit dem alten Trek vergleichen. Sorry, Bill Shatner: Das war wirklich nix!

Gesamteindruck: 2/7


Originaltitel: Star Trek V: The Final Frontier.
Regie:
William Shatner
Drehbuch: William Shatner, David Loughery, Harve Bennett
Produktion: Harve Bennett
Jahr: 1989
Land: USA
Laufzeit: ca. 107 Minuten
Besetzung (Auswahl): William Shatner, Leonard Nimoy, DeForest Kelley, Laurence Luckinbill, James Doohan, Nichelle Nichols



FilmWelt: Star Trek IV: Zurück in die Gegenwart

Der erste Ausflug ins Kino hatte die Crew der „U.S.S. Enterprise“ in ein ungewohnt düsteres Abenteuer geführt: „Star Trek: Der Film“ (1979) hatte so gut wie nichts von der Leichtigkeit, mit der die Serie „Raumschiff Enterprise“ (1966-1969) ähnliche Stories abgehandelt hatte. Mit den nachfolgenden Filmen änderte sich die Stimmung und man näherte sich im Verhältnis zwischen Humor und Drama wieder den Ursprüngen des Franchise an. Und dann kam „Star Trek IV: Zurück in die Gegenwart“ (1986), das noch einen Schritt weiter ging und das Roddenberry’sche Universum erstmals in Form einer reinrassigen Komödie präsentierte.

Gesamteindruck: 7/7


Beste 80er-Jahre-Unterhaltung.

Die Credits von „Star Trek IV“ bargen für mich – als damals jugendlichen Zuschauer, weit vor dem Internet-Zeitalter – eine echte Überraschung: Leonard Nimoy hatte als Regisseur eine Komödie inszeniert und war auch am Drehbuch beteiligt gewesen. Ausgerechnet er, den ich nur in der Rolle des vollkommen emotionslosen Spock kannte, hatte es geschafft, ein Millionenpublikum zum Lachen zu bringen. Ich konnte das damals einfach nicht mit jenem Nimoy (bzw. Spock), den ich über viele Jahre kennen- und verstehen gelernt hatte, zusammenbringen. Und sogar mit dem heutigen Wissen kann ich zu dieser Konstellation letztlich nur eines sagen: „Faszinierend“.

Worum geht’s?
Auf dem Planeten Vulkan bereiten sich Admiral James T. Kirk und seine Offiziere auf die Rückkehr zur Erde vor. Dort erwartet sie eine Gerichtsverhandlung, in der sie sich u. a. für die Entführung und Zerstörung der „U.S.S. Enterprise“ verantworten sollen. Soweit kommt es jedoch nicht: Die Erde wird – so erfährt man über Funk – von einer unbekannten Sonde angegriffen. Alle Versuche einer Kontaktaufnahme scheitern, eine Verteidigung scheint unmöglich. Die rettende Idee: Ein Zeitsprung, um zwei Buckelwale zu besorgen. Denn, so die Theorie, nur die im 23. Jahrhundert längst ausgestorbenen Meeressäuger sollen in der Lage sein, die Rufe der Sonde zu beantworten. Ein gewagtes Manöver, vor allem angesichts des ungewöhnlichen Fluggerätes, mit dem man seit der Vernichtung der „Enterprise“ unterwegs ist…

„Zurück in die Gegenwart“? Da klingelt es natürlich: Robert Zemeckis‘ Zeitreise-Komödie „Zurück in die Zukunft“ war 1985 erschienen, hatte weltweit über 380 Millionen Dollar eingespielt und gilt bis heute zu Recht als eines der filmischen Highlights der 1980er und weit darüber hinaus. Das soll nun nicht heißen, dass für den 4. Teil der „Star Trek“-Kinoreihe von jenem Blockbuster abgekupfert wurde; im Gegenteil, war man in „Raumschff Enterprise“ doch bereits in den 1960ern mehrfach durch die Zeit gereist. Es mag aber durchaus sein, dass erst der Mega-Blockbuster mit Michael J. Fox die Verantwortlichen bei Paramount Pictures überzeugt hatte, tatsächlich grünes Licht für das ungewohnte Format der Komödie zu geben. Der deutsche Verleih setzte dann freilich noch einen drauf, denn auf Englisch heißt „Zurück in die Gegenwart“ schlicht „The Voyage Home“, was nicht nur der per se stärkere Titel ist, sondern auch jegliche Verwechslung mit „Back to the Future“ ausschließt. Übrigens: Das 4. Abenteuer der „Star Trek“-Crew spielte 133 Millionen Dollar ein. Ein gigantischer Erfolg für Paramount – von Zahlen, wie sie „Zurück in die Zukunft“ erzielt hatte, konnte man indes nur träumen.

Mit Spaß die Welt retten.

Die Geschichte, die „Star Trek IV“ erzählt, ist auf den ersten Blick ganz klassisch: Es gilt, die Welt vor einer übermächtigen Bedrohung zu retten; dass nur unsere Helden dazu in der Lage sind, ist klar. Wie üblich wird die Handlung genutzt, um zentrale Probleme des Zeitgeschehens aufzugreifen – dazu gehörten in den 1980ern u. a. die fortschreitende Umweltverschmutzung und der immer noch nicht ausgestandene Kalte Krieg. All das ist nun nicht sonderlich innovativ und auch die Idee, mittels Zeitreise den Schaden zu reparieren, den die Menschheit durch ihr kurzsichtiges Verhalten angerichtet hat, ist kein Kniff, der noch nie dagewesen wäre. Gerade aus letzterem ergibt sich allerdings die Komik, von der der Film letztendlich lebt. Will sagen: „Star Trek IV“ mag sich dem einen oder anderen ernsten Thema widmen, eine Botschaft, die über ein recht allgemeines „seid doch nicht so grausam zu Mutter Natur!“ hinausgeht, verbirgt hier meines Erachtens jedoch nicht dahinter. Was nicht heißen soll, dass das ein unwichtiges Anliegen wäre – als „Star Trek“-Fan ist man diese relativ simple und geradlinige Ansprache jedoch nicht unbedingt gewohnt.

Letzten Endes gibt es gar nicht so viel über die Handlung von „Star Trek IV“ zu sagen. Der Film lebt – wie angemerkt – davon, dass die Protagonist:innen von einer für sie ungewohnten Situation in die andere stolpern. Mal schimpft Kirk wie ein Rohrspatz los, als er fast überfahren wird, dann wieder wundert sich Pille über die primitiven Methoden im hiesigen Krankenhaus, während Scotty versucht, mit einem altmodischen MS-DOS-PC zu hantieren. Und Spock? Der ist höchst verdutzt über Sprache und Gebräuche der Erdenmenschen des 20. Jahrhunderts. Neugierig ist er als Wissenschaftler freilich auch – und er versucht sich anzupassen, indem er sich beispielsweise in der Verwendung „farbiger Metaphern“ übt. Kurzum: Ein riesengroßer Spaß für jede:n, der:die auch nur ansatzweise etwas mit den Action-Komödien der 1980er anfangen kann. Angemerkt sei an dieser Stelle noch, dass der Film durchaus spannend ist, auch wenn man zugeben muss, dass echte Überraschungen fehlen.

Ungewohntes Terrain.

Das alles kommt freilich nicht von ungefähr: Produzent Harve Bennett und Regisseur Leonard Nimoy hatten von Anfang an geplant, ihr Werk leichtfüßiger und ohne die teils ausgesprochen düstere Dramatik der drei vorangegangenen Filme zu gestalten. Die frühen Versionen des Drehbuchs überzeugten die Paramount-Bosse jedoch nicht (aus ihnen wurde wohl nur das grundlegende Element der Zeitreise übernommen), es folgten mehrere Autoren-Wechsel, bis schließlich die Zusammenarbeit von Harve Bennett und Nicholas Meyer (der in „Star Trek II“ Regie geführt und am Drehbuch mitgewirkt hatte), zur Freigabe durch das Studio führte. Die Arbeitsteilung dürfte dabei recht strikt gewesen sein: Bennett zeichnete für jene Teile des Skripts verantwortlich, die vor dem Zeitsprung spielen, Meyer schrieb alles, was im San Francisco der 1980er passiert und brachte damit quasi nebenbei auch die gesamte Komik ins Drehbuch. Von Bennett kam außerdem das Ende, das wiederum leicht von Meyer überarbeitet wurde und damit als Gemeinschaftsprodukt der beiden gelten kann.

Noch ein Wort zur Personalsituation: Während Leonard Nimoy seit dem von ihm inszenierten „Star Trek III: Auf der Suche nach Mr. Spock“ (1984) nichts mehr von seinem zuvor gefassten Entschluss, die spitzen Ohren endgültig an den Nagel zu hängen, wissen wollte, war es diesmal William Shatner, den man nur mit geradezu fürstlichen Zuwendungen an Bord holen konnte. Angeblich waren seine finanziellen Forderungen sogar ausschlaggebend dafür, dass man sich im Hause Paramount dazu entschied, im TV künftig auf eine komplett neue Crew mit unbekannten, ergo günstigen, Schauspieler:innen zu setzen, was ab 1987 dann ja auch tatsächlich passierte. Woran das alles jedoch nichts ändert: Beide, sowohl Shatner als auch Nimoy, legen in vorliegendem Film eine grandiose Performance hin. Die Chemie stimmt speziell zwischen diesen beiden (wobei auch der Rest des Casts bestens drauf ist), vermutlich auch, weil sie ihre Rollen diesmal völlig anders anlegen dürfen. Wohl vor allem deshalb fällt es nicht ins Gewicht, dass „Zurück in die Gegenwart“ über keinen Bösewicht im eigentlichen Sinne verfügt.

Weiters erwähnenswert: Ein famoser Soundtrack, der unterstreicht, in welch ungewohnter Umgebung sich die sonst so schneidigen Sternenflotten-Offiziere befinden, die gute Qualität der Effekte – und natürlich der Drehort. Nun ist San Francisco per se ja keine sonderlich aufregende Location, in Verbindung mit der Story und den Charakteren wirkt die Stadt jedoch wie der optimale Hintergrund. Und auch aus heutiger Sicht weckt die Kulisse ein gutes und authentisches Gefühl von 1980er-Stimmung. Nostalgie? Mag sein, aber mir hat die Stimmung des Films in dieser Hinsicht wirklich gut gefallen.

Fazit: Ich glaube, „Zurück in die Gegenwart“ reizt das Maximum, das in „Star Trek“ in Sachen Humor möglich ist, aus. Leonard Nimoy schafft hier etwas, das man vermutlich auch bei Paramount nicht für möglich gehalten hätte: Er mischt Science Fiction, Action und – nennen wir das Kind beim Namen – Slapstick zu einem Cocktail, der einfach schmeckt und den maximalen Wohlfühlfaktor bietet. Dabei ist eines aber ganz wichtig festzuhalten: Dieses Werk schießt zu keinem Zeitpunkt über das Ziel hinaus und steht trotz der wohl ungewöhnlichsten Herangehensweise aller bis heute erschienen Filme voll und ganz im Geiste dessen, was „Star Trek“ ausmacht. Diesen Spagat hinzubekommen und damit auch noch großen Erfolg zu feiern ist wirklich aller Ehren wert.

Alles andere als die Höchstwertung wäre hierfür selbstredend zu wenig. Und auch, wenn ein kleines Stück zur herausragenden Qualität eines „Zurück in die Zukunft“ fehlt, würde ich „Zurück in die Gegenwart“ allen ans Herz legen, die etwas mit geradliniger und unterhaltsamer 1980er-Action anfangen können. „Star Trek“-Fans kommen ohnehin nicht daran vorbei.

Gesamteindruck: 7/7


Originaltitel: Star Trek IV: The Voyage Home.
Regie:
Leonard Nimoy
Drehbuch: Nicholas Meyer, Harve Bennett, Steve Meerson, Peter Krikes, Leonard Nimoy
Produktion: Harve Bennett
Jahr: 1986
Land: USA
Laufzeit: ca. 120 Minuten
Besetzung (Auswahl): William Shatner, Leonard Nimoy, DeForest Kelley, Jane Wyatt, James Doohan, Walter Koenig



FilmWelt: Possessor

Den Körper eines anderen Menschen zu übernehmen und in dessen Gestalt allerhand Schindluder zu treiben ist ein verbreitetes Motiv in Literatur, Film und Fernsehen. Brandon Cronenberg versucht sich mit „Possessor“ (2020) an einer weiteren Variante. Dabei schreckt er, familientypisch möchte man sagen, auch nicht vor expliziten Gewalt- und Nacktdarstellungen zurück. Und doch wäre es zu einfach, sein folgerichtig mit einem FSK 18-Sticker versehenes Werk als reine Effekthascherei abzutun.

Gesamteindruck: 6/7


Der (fast) perfekte Mord.

Beim Namen des Regisseurs klingelt es beim geneigten Connaisseur spezieller Filmkunst natürlich: Brandon ist der Sohn von David Cronenberg. Der kanadische Altmeister (* 1943 und zum Zeitpunkt dieser Rezension nach wie vor aktiv) gilt spätestens seit den 1980ern als einer der Besten in den experimentellen Randbereichen von Horror- und Science Fiction. Mit „Possessor“ tritt der Sohn in die Fußstapfen des Vaters; und das nicht nur in Hinblick auf teils arg verstörende Bilder, sondern auch, was dessen spätere Hinwendung zu Psychologie und Drama betrifft.

Worum geht es?
Tasya Vos ist eine Auftragskillerin ganz besonderer Art: Statt ihren Opfern persönlich gegenüberzutreten, übernimmt sie mit Hilfe der Technik den Körper ihnen nahestehender Personen. Gefahr, dass sie – oder ihre Auftraggeber – dabei enttarnt werden, besteht nicht. Und doch gibt es ein Problem: Vos fällt es zunehmend schwerer, ihren Geist von dem des jeweiligen „Wirtes“ abzugrenzen…

Ich habe es in der Einleitung angedeutet: Die Prämisse von „Possessor“ ist nicht neu: Serien wie „Raumschiff Enterprise“ kennen beispielsweise eine Vielzahl von Variationen dieses Stoffes, darunter die (feindliche) Übernahme durch Telepathie, außerirdische Organismen, unbekannte Krankheiten oder wie in vorliegendem Fall technische Hilfsmittel. Wie genau die Maschine funktioniert, die es der Protagonistin ermöglicht, ihre Morde zu begehen, bleibt übrigens weitgehend unklar. Das spielt auch keine große Rolle; ohnehin sind die Erklärungen, die andere Produktionen dazu haben, oft unglaubwürdig bis lächerlich. Folgerichtig geht es in „Possessor“ also weder um das „Wie“, noch um die knifflige Suche nach der Mörderin – und auch ihre Opfer werden eher am Rand beleuchtet. „Possessor“ dreht sich vielmehr darum, was ein solcher „Job“ mit dem Geist beider betroffenen Personen anstellen mag.

Audiovisueller Horrortrip.

Optisch und akustisch ist das Werk über jeden Zweifel erhaben: Brandon Cronenberg ist ein wunderbar intensiver Film gelungen, dessen verstörende Ästhetik von fast schon psychotischen Schnitten und einem harten Soundtrack bestimmt wird. Was hier auf das Publikum einprasselt, ist stellenweise regelrecht unangenehm. Was ich aber ausdrücklich als Lob verstanden wissen möchte, löst es doch genau das Gefühl aus, dass auch die Figuren haben müssen, denen unbegreiflich bleibt, was überhaupt vorgeht.

Anzumerken ist an dieser Stelle auch, dass „Possessor“ seine extrem brutalen Momente hat. Das zwar gar nicht so oft, wie man meinen möchte; wenn es aber in die Vollen geht, dann zoomt die Kamera sofort ganz nahe heran, wodurch z. B. das Aufschlitzen einer Kehle fast schon körperliche Schmerzen auslöst. Dabei unterstützen auch die Effekte, die meines Erachtens eher praktisch sind und seltener aus dem Computer stammen heutzutage ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Geradezu verschwenderisch wurde im Übrigen mit Kunstblut umgegangen, das in diesem Film besonders rot ist, was ebenfalls zur eigentümlichen Atmosphäre beiträgt.

Grandios gespielt.

Gar nicht genug loben kann man die Darsteller:innen, wobei aus meiner Sicht offen bleibt, wer hier überhaupt die Hauptrolle spielt. Denkt man darüber nach, zeigt sich besonders deutlich, wie stark der Film im eigenen Kopf wirkt: Die Erwartung ist ja, dass die von Andrea Riseborough sehr unterkühlt verkörperte Tasya Vos die wichtigste Figur im Ensemble ist. Sie wird uns auch als Hauptprotagonistin vorgestellt, hat bei genauerer Betrachtung aber gar nicht so viel Screentime. Vielmehr sind es die von ihr „Besessennen“, allen voran der von Christopher Abbott gespielte Colin Tate, die man deutlich häufiger zu Gesicht bekommt und die innerhalb der Handlung auch mehr zu tun haben

Diese Verwirrung legt meiner Ansicht nach eindrucksvoll Zeugnis über das handwerklichen Könnens aller Beteiligten ab: Man weiß als Zuseher:in ja, zu welchem Zeitpunkt Vos den Körper einer anderen Person übernimmt. Speziell m Falle von Tate hat man ab diesem Moment das Gefühl, als hätten auch Abbott und Riseborough den Platz getauscht. Die offensichtlichen Unterschiede zwischen den beiden blendet man im eigenen Geist quasi aus, so anders und merkwürdig spielt Christopher Abbott ab der „Übernahme“ seiner Figur. Ich weiß nicht, wie ich das besser und verständlicher beschreiben soll jedenfalls hat mir dieser Körpertausch wahnsinnig gut gefallen und das Spiel, vor allem von Abbott, ist wirklich bemerkenswert.

Nicht ganz perfekt.

Als futuristischer Psychothriller funktioniert „Possessor“ definitiv. Zwei Schwächen verhindern in meinen Augen aber eine noch bessere Wertung: Einerseits weist der Film die eine oder andere Länge auf, beispielsweise, wäre es nicht notwendig gewesen, den Mord an Tates Schwiegervater (Sean Bean in einer für ihn recht typischen Rolle, wie ich finde) so ausufernd zu erzählen.

Andererseits war es mir nicht möglich, das Gefühl, es würde etwas fehlen, komplett zu ignorieren: Cronenberg konzentriert sich stark auf die Psyche der Beteiligten und auch die Physis, also die Gewalt, kommt nicht zu kurz. Was allerdings maximal am Rande thematisiert wird, sind die Hintergründe: Warum wird überhaupt ein solcher Aufwand betrieben, um die Morde zu begehen? Was passiert danach, wie verändert sich dadurch die Welt? All das wird vergleichsweise rudimentär behandelt und wirft relativ viele Fragen auf. Mir ist schon klar, dass diese Dinge, für die Geschichte nicht allzu relevant sind; im Sinne eines glaubhaften worldbuildings wäre etwas mehr Information dennoch wünschenswert gewesen.

Trotz dieser kleinen Schwächen war und bin ich beeindruckt, was Brandon Cronenberg mit „Possessor“ auf die Beine gestellt hat. Ob das der Film ist, mit dem er aus dem übermächtigen Schatten seines Vaters treten kann, ist zum Zeitpunkt dieser Rezension, also immerhin zwei Jahre nach Veröffentlichung des Films, allerdings nach wie vor nicht klar. Ob das überhaupt ein Ziel von Cronenberg ist, auch nicht für mich als Zuseher spielt es aber ohnehin keine Rolle: So lange dabei Filme wie „Possessor“ herauskommen, die es schaffen, einem alten Thema neues Leben einzuhauchen, ist mir die Motivation der Person hinter den Kameras egal. Und darum kann ich abschließend nur eine Empfehlung aussprechen: Wer auch nur ansatzweise etwas mit dieser Materie anfangen kann, wird diese 105 Minuten definitiv nicht bereuen!

Gesamteindruck: 6/7


Originaltitel: Possessor.
Regie:
Brandon Cronenberg
Drehbuch: Brandon Cronenberg
Produktion: Fraser Ash, Niv Fichman, Kevin Krikst, Andrew Starke
Jahr: 2020
Land: USA, Großbritannien, Kanada
Laufzeit: ca. 105 Minuten
Besetzung (Auswahl): Andrea Riseborough, Christopher Abbott, Rossif Sutherland, Tuppence Middleton



FilmWelt: Star Trek III: Auf der Suche nach Mr. Spock

„Star Trek II: Der Zorn des Khan“ (1982) hatte mit einem echten Paukenschlag geendet: Spock, einer der beliebtesten Charaktere, hatte sein Leben gegeben, um Schiff und Besatzung zu retten. Der Schock war bei genauerer Betrachtung freilich nicht ganz so groß, gab es doch unverhohlene Hinweise auf eine mögliche Rückkehr des Mannes mit den spitzen Ohren und der unschlagbaren Logik. Und so kam 1984 der trefflich betitelte Film „Star Trek III: Auf der Suche nach Mr. Spock“ in die Kinos.

Gesamteindruck: 5/7


Logische Rückkehr.

Leonard Nimoy (1931-2015) hatte als Schauspieler eine ambivalente Beziehung zu einer der prägendsten Figuren der Science Fiction: Einerseits war er durch seine grandiose Verkörperung des stoischen Spock in der Serie „Raumschff Enterprise“ weltberühmt und zum Publikumsliebling geworden. Andererseits hatte er diese Rolle so sehr gelebt, dass es nicht nur den Fans, sondern auch ihm selbst zunehmend schwergefallen war, sich selbst von Spock abzugrenzen. So gesehen verwundert es nicht, dass es viel gutes Zureden (und eine üppige Gage) brauchte, um ihn für „Star Trek: Der Film“ (1979) erneut an Bord der „Enterprise“ zu holen. Für „Star Trek II“ konnte man Nimoy dem Vernehmen nach gar nur gewinnen, nachdem man ihm klargemacht hatte, dass Spock sterben würde – und auch er, Nimoy, damit endlich seine Ruhe hätte. Heute wissen wir, dass es ganz anders kam. Und der Rest ist Geschichte.

Worum geht’s?
Nach dem Kampf gegen Khan Noonien Singh humpelt die notdürftig zusammengeflickte „U.S.S. Enterprise“ zur Erde zurück. Doch nicht nur das Schiff ist beschädigt: Die Crew hat schwer am Verlust von Wissenschaftsoffizier Spock zu knabbern, der sich geopfert und damit alle anderen an Bord gerettet hatte. In dieser Zeit der Trauer erhält Admiral James T. Kirk überraschenden Besuch: Spocks Vater Sarek erklärt ihm, dass die unsterbliche Seele seines Sohnes zurück nach Vulkan gebracht werden müsse. Um das zu bewerkstelligen, gibt es nur einen Weg: Man muss den mittlerweile zum Sperrgebiet erklärten Genesis-Planeten, der im Nachgang der Schlacht gegen Khan entstanden war, aufsuchen und den Leichnam des gefallenen Kameraden bergen

Schon während der Produktion von „Der Zorn des Khan“ war Leonard Nimoys Interesse an Spock wieder aufgeflammt. Als er den fertigen Film zu Gesicht bekam, gab es kein Halten mehr: Der Schauspieler sagte direkt zu, seine Paraderolle auch in künftigen „Star Trek“-Produktionen verkörpern zu wollen. Doch damit nicht genug: Nimoy durfte „seine“ Rückkehr selbst inszenieren, indem er erstmals für eine Kinoproduktion am Regiestuhl Platz nahm (TV-Erfahrung hatte er in dieser Position bereits). Dass dieser Posten frei war, hatte mit dem Abgang von Nicholas Meyer zu tun, der mit seiner famosen Inszenierung von „Star Trek II“ die Kinozukunft des Franchise gerettet hatte. Dabei hatte er sich allerdings mit Studio und Produzent überworfen, die gegen seinen Willen – aber offenbar in weiser Voraussicht – die Hinweise auf Spocks Rückkehr überdeutlich in den Film eingebaut hatten.

Die Doppelbelastung für Nimoy dürfte sich allerdings in Grenzen gehalten haben: Der Name Spock steht zwar im Titel des Films, letztlich ist der Charakter aber nur wenige Minuten zu sehen, sodass man Nimoy in Wirklichkeit nicht einmal zum erweiterten Kreis der Hauptdarsteller zählen kann. Produziert wurde „Auf der Suche nach Mr. Spock“ erneut von Harve Bennett, der, tatkräftig von Nimoy unterstützt, auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnete. Wobei Bennett selbst zugegeben haben soll, dass es nach den Indizien, die in „Star Trek II“ ausgelegt worden waren, nicht sonderlich schwer war, eine Story rund um die Rückkehr von Spock zu verfassen. Vor der Kamera gab es auch eine Änderung: Kirstie Alley kehrte nicht als Vulkanierin Saavik zurück, angeblich, weil sie Angst vor dem Nimoy’schen Schicksal hatte, was die Identifikation mit ihrer Rolle betraf (ihre finanziellen Forderungen sollen der andere Grund gewesen sein). Sie wurde, leider mehr schlecht als recht, durch Robin Curtis ersetzt. Den Bösewicht mimt hingegen ein Mann, der ein Jahr später mit „Zurück in die Zukunft“ zu echtem Weltruhm gelangen sollte: Christopher Lloyd (!) spielt den klingonischen Captain Kruge. Dass er im Vergleich zu Ricardo Montalbán, der im Vorgänger als Khan brilliert hatte, den Kürzeren zieht: Geschenkt, immerhin war und ist letzterer der bis heute der unbestritten beste Antagonist aller „Star Trek“-Filme.

Kurz(weilig).

Der Abschied von Spock war eine inszenatorische Meisterleistung von Nicholas Meyer: Noch heute muss ich jedes Mal, wenn ich die finalen Szenen von „Der Zorn des Khan“ sehe, mit den Tränen kämpfen. Und genau dort setzt „Auf der Suche nach Mr. Spock“ an – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes, beginnt doch zum ersten und bis dato letzten Mal ein „Star Trek“-Film mit einer Rückblende. Der Kniff ist gut: Einerseits holt er neue Zuseher:innen gleich an Bord, andererseits lagen zwischen dem Kinostart der beiden Filme zwei Jahre, sodass es durchaus sinnvoll war, auch bei den Fans die Emotionen aufzufrischen. Das ist aus meiner Sicht durchaus gelungen und stimmt nahezu perfekt auf die düstere Grundstimmung ein, die auf der „Enterprise“ herrscht. Übrigens: Wer die deutsche Fassung sieht, wird feststellen, dass der Rückblick neu und teilweise mit anderem Text synchronisiert wurde.

Inhaltlich ist letzten Endes gar nicht so viel zu „Star Trek III“ zu sagen: Die Handlung selbst passt erneut auf einen Bierdeckel: Wir sehen die Rückkehr der Enterprise in ihren Heimathafen, erfahren, wo Spocks Seele „zwischengeparkt“ wurde und was (ungefähr) zu tun ist, um sie zu bergen. Danach erleben wir, wie die Crew allerlei Abenteuer bestehen muss, bis sie ihren Kameraden schließlich in die Arme schließen kann. All das wird uns sehr geradlinig und schnörkellos erzählt, was aber nicht heißt, dass der Film langweilig wäre. Im Gegenteil, wir haben es hier mit einem durchgehend kurzweiligen Werk zu tun, was fast schon überrascht, weil das Thema per se ungewöhnlich esoterisch, fast schon religiös anmutet. So gesehen war es sicher keine schlechte Entscheidung, die Erzählung an sich sehr einfach zu halten.

Dass man sich den Film so gut ansehen kann, hat viel mit der Balance zu tun, die Leonard Nimoy als Regisseur gelungen ist. Einerseits merkt man vielen Szenen seinen Hang zur Komödie an; freilich nicht in dem Ausmaß, wie man es aus dem ebenfalls von ihm inszenierten „Star Trek IV: Zurück in die Gegenwart“ (1986) kennt – es ist dennoch nicht zu leugnen, dass es in beiden Vorgängern deutlich weniger zu lachen gab als hier. Andererseits enthält „Star Trek III“ auch ein gerüttelt Maß an Ernsthaftigkeit und Drama. Das ergibt sich natürlich aus der Prämisse: Spock ist für seine Kameraden nach wie vor tot, sodass wirklich ausgelassene Stimmung unpassend gewesen wäre. Und dann sind da ja noch die Klingonen, die auch ein Wörtchen mitreden und sich „Genesis“, aus ihrer Sicht eine mächtige Waffe, unter den Nagel reißen wollen. Sie zeigen sich hier so bösartig wie noch nie – mit durchaus dramatischen Folgen, die vor allem den Charakter von Kirk formen. Oder formen würden, denn so richtig vermag man aus den zwei Traumata, die er durchleben muss, weder in diesem noch in den folgenden Filmen Kapital für die Entwicklung der Figur zu schlagen.

Fazit: Sehenswert.

Knapp über 100 Minuten dauert „Auf der Suche nach Mr. Spock“ und ist damit der bis dahin kürzeste „Star Trek“-Film. Er fühlt sich auch so an, was ich durchaus als Kompliment meine: Es scheint hier nichts Überflüssiges zu geben, umgekehrt hat man aber auch nie das Gefühl, das etwas fehlen würde. Eine rundum gelungene Sache also? Fast, alles in allem fällt Nimoys Kinodebüt gegenüber seinem Vorgänger dann aber doch ab. Dass es das eine oder andere Problem mit der …ähem… Logik gibt, ist nicht weiter schlimm, das war bei „Star Trek“ ja schon immer so. Es ist jedoch, so glaube ich, vor allem die Intensität, die fehlt. Alles wirkt ein wenig distanziert, an vielen Stellen meint man zu merken, dass sie anders umgesetzt wurden, als angedacht, was ihnen den Impact nimmt. Ein Beispiel: Die unmittelbare Reaktion von Kirk auf den Tod seines Sohnes ist ganz ausgezeichnet von William Shatner gespielt und gibt der Szene ordentlich Dramatik und Emotion. Man spürt förmlich, dass hier ein Mann bis ins Mark erschüttert wurde – bis man realisiert, dass a) vorher gar keine Beziehung zwischen Vater und Sohn aufgebaut wurde und b) es nicht lange dauert, bis Kirk wieder ganz er selbst ist.

Davon abgesehen empfinde ich „Star Trek III: Auf der Suche nach Mr. Spock“ aber als gelungenen Film. Bei weitem nicht der Beste der Reihe, aber dennoch ein Werk, das man sich immer und durchaus auch öfter ansehen kann. Faszinierend, Mr. Nimoy!

Gesamteindruck: 5/7


Originaltitel: Star Trek III: The Search for Spock.
Regie:
Leonard Nimoy
Drehbuch: Harve Bennett
Produktion: Harve Bennett
Jahr: 1984
Land: USA
Laufzeit: ca. 105 Minuten
Besetzung (Auswahl): William Shatner, DeForest Kelley, Christopher Lloyd, James Doohan, George Takei, Nichelle Nichols



FilmWelt: Star Trek II: Der Zorn des Khan

„Star Trek: Der Film“ (1979) hatte mit so vielen Problemen zu kämpfen gehabt, dass zunächst zweifelhaft war, ob es überhaupt eine Fortsetzung geben würde. Schließlich rang sich das Studio Paramount Pictures doch dazu durch und gab „Star Trek II“ in Auftrag. Viel Zutrauen dürfte man zunächst nicht gehabt haben: Die Entscheidung, den Film ins Kino statt nur ins Fernsehen zu bringen, fiel relativ spät, das Budget wurde im Vergleich zum Vorgänger drastisch reduziert und auch personell blieb kein Stein auf dem anderen. Zumindest hinter der Kamera – davor hatte sich das übliche Ensemble eingefunden, um sich einem alten Bekannten zu stellen.

Gesamteindruck: 7/7


Unerwartet intensive Action.

Fakt ist: „Star Trek: Der Film“ war kein finanzieller Flop, spülte er doch 140 Millionen Dollar in die Kassen von Paramount – inflationsbereinigt mehr, als jeder seiner Nachfolger bis zum Reboot von J. J. Abrams (2009). Dennoch herrschte Unzufriedenheit bei allen Beteiligten: Dem guten Einspielergebnis standen enorme Kosten von 44 Millionen Dollar gegenüber, die gesamte Produktion war überaus chaotisch gewesen und in der Folge hatten weder die Kritik noch das Publikum das Werk enthusiastisch aufgenommen. Es musste sich daher sowohl im Umfeld als auch inhaltlich Einiges ändern, sollte sich die Marke „Star Trek“ auch im Kino als echte Größe etablieren.

Worum geht’s?
Unter dem Decknamen „Genesis“ haben Wissenschaftler:innen der Föderation eine Möglichkeit entwickelt, lebensfeindliche Welten innerhalb kürzester Zeit bewohnbar zu machen. Ein Praxistest steht noch aus – daher sucht das Raumschiff U.S.S. Reliant nach geeigneten, d. h. völlig unbelebten, Planeten. Auf einem vielversprechenden Kandidaten trifft die Crew, zu der u. a. Pavel Checkov gehört, auf den genetisch modifizierten Khan Noonien Singh. Der war dort vor Jahren von der U.S.S. Enterprise unter James T. Kirk ausgesetzt worden und sieht nun den Moment für seine Rache gekommen. Es gelingt ihm, die „Reliant“ zu übernehmen und Genesis zu stehlen, was wiederum Kirk und die „Enterprise“ auf den Plan ruft. Und so beginnt ein nervenaufreibendes Katz-und-Maus-Spiel im Weltraum…

Beginnen wir mit dem, was hinter den Kulissen passiert ist: Die wohl wichtigste Änderung war, dass der geistige Vater des Franchise, Gene Roddenberry, seinen Posten als Produzent verlor und praktisch keinerlei kreativen Einfluss nehmen konnte (er und Regisseur Robert Wise mussten als Sündenböcke für den vermeintlichen Misserfolg des ersten Kinofilms herhalten). Ihm folgte Harve Bennett, ein Mann, der eigentlich vom Fernsehen kam und bisher nichts mit „Star Trek“ am Hut gehabt hatte. Nachdem er zur Vorbereitung diverse Folgen „Raumschff Enterprise“ gesehen hatte, schrieb er die erste Story, die später mehrfach überarbeitet und schließlich von Nicholas Meyer, der auch die Regie übernahm, gemeinsam mit Jack Sowards fertig gestellt sowie in ein vernünftiges Drehbuch überführt wurde. Noch eine Randnotiz zum Personal: Bennett hatte für sich – ob mit Absicht oder aus Unerfahrenheit – die für das TV wichtige Rolle des Executive Producers festgelegt. Der fürs Kino deutlich prestigeträchtigere Credit des Producers fiel Robert Sallin zu, der eigentlich nur zur tatkräftigen Unterstützung Bennets verpflichtet worden war.

Ein Wort zum Budget: „Star Trek: Der Film“ hatte 44 Millionen Dollar verschlungen. Solche Summen wollte (und konnte?) Paramount nicht mehr aufbringen und stutzte das Budget auf ein Viertel (ca. 12 Millionen Dollar) zusammen. Wohl auch darum sehen wir hier einen völlig anderen Film mit vielen praktischen Effekten, echten Modellen usw. Das heißt übrigens nicht, dass „Star Trek II“ billig wirkt, im Gegenteil: Er ist optisch für mein Dafürhalten deutlich besser gealtert als sein Vorgänger und sieht immer noch ausgesprochen gut aus. Bei den Effekten ging man diesmal übrigens kein Risiko ein: Industrial Light & Magic wurden engagiert und lieferten auf erwartungsgemäß hohem Niveau (und pünktlich!) ab.

Richtige Entscheidungen am laufenden Band.

Ein großer Kritikpunkt an „Star Trek: Der Film“ war, dass man versucht hatte, eine für eine Fernsehserie geschriebene Story auf die epische Länge von 130 Minuten auszudehnen. Das Ergebnis war zwar nicht direkt langweilig, aber – mit Verlaub – sehr langatmig. Und das nicht nur aufgrund ausufernder Sequenzen, die augenscheinlich nur dazu dienten, das Publikum mit teuren Effekten zu beeindrucken: Die gesamte Erzählweise des Films war meiner Ansicht nach viel zu behäbig. Das ändert sich in „Star Trek II“ maßgeblich, obwohl dessen Handlung ebenfalls kaum über das hinausgeht, was man nicht auch in einer Folge der Serie hätte erzählen können. Den Unterschied macht die Inszenierung aus – konsequenter, actionreicher, spannender und dramatischer sind Schlagworte, die mir dazu einfallen. Dabei hilft freilich auch, dass der Film um rund 20 Minuten kürzer ist als sein Vorgänger, was ihn deutlich dichter und kompakter macht.

„Star Trek“-Fans werden auch schnell merken, welche Episoden Harve Bennett besonders beeindruckt haben müssen: „Der schlafende Tiger“ (im Original „Space Seed“, 1967), in dem die „Enterprise“ auf ein altes Raumschiff trifft, auf dem sich seit den 1990ern genetisch verbesserte Menschen im Kälteschlaf befinden – unter ihnen der große Antagonist des Films, Khan Noonien Singh. Die zweite offensichtliche Referenz ist die Episode „Spock unter Verdacht“ („Balance of Terror“, 1966): Hier liefern sich die „Enterprise“ und ein unsichtbares Schiff der Romulaner ein Gefecht, dass seinerseits wiederum vom Kriegsfilm „Duell im Atlantik“ (1957) inspiriert ist. Letzteres zeigt sich an der ungewohnt militaristischen Ausrichtung und Ausstattung von „Star Trek II“ (die dem humanistisch eingestellten Gene Roddenberry freilich gar nicht schmecken wollte). Ein kleines Beispiel dafür sind die neuen Uniformen (eine Idee von Robert Sallin), die erstmals in „Star Trek“ tatsächlich militärisch aussehen (und mir persönlich ausgesprochen gut gefallen).

Viele gute Entscheidungen wurden also von den Verantwortlichen für „Star Trek II“ getroffen. Das offensichtlichste Beispiel dafür ist der Antagonist: War V’Ger im Vorgänger noch eine Bedrohung, die bis zum Ende abstrakt und gesichtslos bliebt, stellte man Kirk & Co. diesmal einen Gegner aus Fleisch und Blut gegenüber. Allein das macht einen gewaltigen Unterschied – und dass man im Gegensatz zu V’Ger, der praktisch aus dem Nichts kam, einen direkten Anknüpfungspunkt in einer früheren Episode gefunden hat, vertiefte das Star-Trek-Universum, in dem bis dahin alles sehr isoliert passiert war, auf einen Schlag. Dabei enthält der Film gar nicht so viele Rückbezüge auf „Der schlafende Tiger“, man muss jene Folge nicht einmal gesehen haben, um sich auszukennen. Aber allein die Andeutung sorgt für ein entscheidendes Etwas, das im Vorgänger noch fehlte.

Nebenbei war damit gleich ein glaubwürdiges Motiv sowohl für den Antagonisten als auch für unsere Crew gefunden: Khan wurde Jahre zuvor seinem Schicksal überlassen, die „Enterprise“ ist nie, wie damals von Kirk versprochen, zurückgekehrt, um nach dem Rechten zu sehen, was wiederum den „Zorn des Khan“ legitimiert. Insofern ist auch sofort klar, dass Kirk die Verantwortung trägt und sich persönlich in der Pflicht sieht, seinen alten Feind zu stoppen. Schön ist in diesem Zusammenhang auch, dass man mit dem 2009 verstorbenen Ricardo Montalbán jenen Schauspieler verpflichten konnte, der schon 1967 den Khan verkörpert hatte. Abgesehen von dessen beeindruckender Präsenz – meines Erachtens ist er der mit Abstand beste Bösewicht aller Kino-Auftritte von „Star Trek“ und spielt hier auch Shatner & Co. an die Wand – sorgte das für weiteren Tiefgang: Beide Seiten sind bei ihrem Aufeinandertreffen in gleichem Maße gealtert und gereift, der eine (Khan) gehärtet im Exil, der andere (Kirk) verunsichert, seit er als Admiral mehr Zeit hinter dem Schreibtisch als an Bord eines Raumschiffs verbringt.

Bestens aufgelegter Cast.

Die schauspielerischen Leistungen in „Der Zorn des Khan“ sind meiner Ansich tnach über jeden Zweifel erhaben (das waren sie aber auch schon im ersten Film, was man nicht unter den Tisch fallen lassen sollte). Ricardo Montalbán habe ich bereits lobend erwähnt, der Mexikaner ist aus meiner Sicht tatsächlich bester Mann am Platz. Aber auch William Shatner (Kirk), Leonard Nimoy (Spock) und DeForest Kelley (McCoy) sind bestens aufgelegt und spielen hier deutlich befreiter auf, als es im ersten Film der Fall war. Klar: Das liegt auch am Drehbuch, das in „Star Trek: Der Film“ eine einander mittlerweile fremd gewordene Crew darstellen wollte. Hier haben sie es leichter, weil ihre Rollen durch die vorangegangenen Ereignisse wieder zusammengefunden haben; die Chemie entspricht damit fast wieder jener, die man aus der Serie kennt. Dennoch schwingt auch hier ständig das Thema des Älterwerdens mit, das auch im Vorgänger ein Motiv war, diesmal aber besser ausgearbeitet wurde. Gerade William Shatner mimt den mitten in einer Midlife-Crisis steckenden Kirk sehr stark. Was in dieser Hinsicht übrigens auch hilft: „Star Trek II“ ist bei all seiner Brutalität ein deutlich weniger verbissener Film, der sich zwischendurch auch mal einen Witz erlaubt, was ebenfalls dem Spirit der Original-Serie entspricht, wie ich finde.

Außerdem erwähnenswert: Wie schon bei „Star Trek: Der Film“ hat sich Leonard Nimoy sehr bitten lassen, noch einmal die spitzen Ohren anzulegen. Überreden ließ er sich mutmaßlich erst, nachdem ihm das durch Jack Sowards adaptierte Drehbuch vorgelegt wurde – mit dem bekannten Finale, zu dem ich weiter unten noch ein paar Anmerkungen habe. Zu den Nebenrollen ist vergleichsweise wenig zu sagen: Die erweiterte Hauptbesetzung (James Doohan als Scott, Nichelle Nichols als Uhura, Walter Koenig als Chekov und George Takei als Sulu) macht ihre Arbeit gewohnt gut und hat sogar vergleichsweise viel zu tun. Aber auch der restliche Cast ist gut besetzt, stellvertretend seien hier Kirstie Alley (als Saavik in ihrer ersten Kinorolle zu sehen), Bibi Besch (Carol Marcus) und Judson Scott (der Khan-Untergebene Joaquim) genannt. Nur mit Merritt Butrick (David Marcus) hatte ich Schwierigkeiten – er bringt das merkwürdige Verhältnis zu Kirk, das sich im Laufe des Films entspinnt, nicht so richtig glaubwürdig rüber. Mag aber auch sein, dass das Drehbuch zu wenig wert auf die Ausarbeitung dieser Beziehung legt; so oder so stimmt die Chemie zwischen den beiden Rollen (oder zwischen den zwei Schauspielern?) nicht richtig.

Angesichts des ikonischen Duells zwischen Kirk und Khan – Shatner und Montalbán sind sich am Set übrigens kein einziges Mal begegnet – gerät die Story um das „Genesis-Projekt“ nahezu völlig in den Hintergrund. Und doch ist es wichtig – allerdings eher für den nachfolgenden Film (1984), dessen Handlung fast nahtlos anschließt. Hier ist „Genesis“ hingegen nur Mittel zum Zweck und untermauert die Wichtigkeit der Auseinandersetzung, die den Kern von „Star Trek II“ ausmacht. Und die ist überaus gelungen: Einerseits gibt es diverse Psychospielchen, in denen die Hauptdarsteller fühlbar alles geben. Höhepunkt ist die Situation, in der Khan dem auf einem leblosen Planeten festsitzenden Kirk in Aussicht stellt, dort zurückgelassen zu werden, was im berühmt-berüchtigten „Khaaaan!“ endet. Shatner’sches overacting? Ja, irgendwie schon, hier aber ausnahmsweise vollkommen passend. Andererseits kann man sich keineswegs über fehlende Weltraumaction beklagen: Das Gefecht zwischen „Enterprise“ und „Reliant“ ist zwar bei weitem nicht die größte, aber dafür die am stärksten inszenierte Schlacht aller bis heute erschienen „Star Trek“-Filme.

Spoiler: Schock-Moment im Finale.

All das ist ungewohnt brutal, stellenweise sogar blutig, vor allem aber durchgehend (!) spannend und unterhaltsam. Nun noch ein paar Worte zum Finale – sollte es tatsächlich jemanden geben, der den Film noch nicht gesehen hat, sollte er:sie jetzt besser nicht weiterlesen, es folgen Spoiler!

Man sollte ja meinen, die Zerstörung der „Reliant“ wäre das perfekte Ende für „Star Trek II“: Das Gute hat gesiegt, Khan wurde gestoppt, das auch als Waffe einsetzbare Genesis-Projekt sichergestellt. Doch dann zündet Khan mit seinem letzten Atemzug das „Genesis-Projektil“, die schwer beschädigte „Enterprise“ droht in einer Druckwelle zu verglühen. Es folgt der absolute Schocker: Spock eilt in den Maschinenraum, um den Antrieb zu reparieren, schafft es – und kommt dabei ums Leben. Ein unerhörter Vorgang, noch nie war in „Star Trek“ ein Hauptcharakter gestorben. Und ja, ich gebe es zu: Bei der abschließenden Verabschiedungsszene („Von meinem Freund kann ich nur dieses sagen: Von allen Seelen, die mir begegnet sind auf meinen Reisen, war seine die… menschlichste.“) muss ich bis heute jedes Mal eine Träne zerdrücken. Und so weiß man am Ende nicht, ob man sich mit der Crew der „Enterprise“ freuen soll: Khan ist besiegt, aber zu welchem Preis? Sieht man Kirk, Spock und McCoy als drei Teile des selben Charakters (was durchaus legitim ist), muss man konstatieren, dass es Khan tatsächlich gelungen ist, seinen Feind nahezu tödlich zu verwunden – und in dieser nachdenklichen und traurigen Stimmung endet „Star Trek II“.

Dazu noch etwas Hintergrundinfo: Dieses Finale war es, das Leonard Nimoy, der nach wie vor stark darunter litt, dass er, Nimoy, in der Öffentlichkeit mit seiner Rolle, Spock, gleichgesetzt wurde, dazu bewegt hatte, wieder an Bord der „Enterprise“ zu gehen. Ursprünglich war der Tod des Publikumslieblings auch endgültig gewesen, Hinweise auf eine mögliche Rückkehr fehlten weitgehend. Es kam jedoch anders, wobei ich nicht sicher bin, ob Nimoy selbst es so wollte, weil ihm die Dreharbeiten doch ordentlich Spaß gemacht hatten – oder ob es einzig und allein von Studio und Produzent so entschieden wurde. Jedenfalls wurde das Finale nach den ersten Probevorführungen entschärft und gegen den Willen von Nicholas Meyer durch Produzent Harve Bennett die bekannten Indizien zur Rückkehr von Spock ergänzt.

So wurde diesem epochalen Ereignis leider viel vom beabsichtigten Impact genommen, weil man die Kinobesucher:innen (die in den 1980ern ohnehin noch anders tickten) nicht mit einem negativen Gefühl entlassen wollte und eine Fortsetzung (mit Nimoy) bereits absehbar war. Ich persönlich hätte ich es lieber gesehen, wenn man den Zuschauer:innen nicht ganz so offensiv mitgegeben hätte, dass das Ende von Spock nur temporär war – und so sah es auch Regisseur Meyer. Der war übrigens auch höchst verärgert, weil man, angeblich ohne mit ihm zu sprechen, den Titel des Films von „Das unentdeckte Land“ (ja, richtig gelesen!) in „Der Zorn des Khan“ geändert und damit jegliche Überraschung in Hinblick auf den Antagonisten im Keim erstickt hatte. Nach diesen Affronts wollte Meyer verständlicherweise nicht an „Star Trek III“ mitwirken, aber das ist eine andere Geschichte.

Fazit: Unbedingt ansehen!

Alles in allem bietet „Star Trek II“ viel gelungene Action, eine durchdachte, spannende Geschichte und gute, glaubwürdige Charaktere, die nahezu perfekt gecastet wurden. Bemerkenswert ist aber noch ein Punkt: Wie schon die Regisseure und Autoren früherer „Raumschiff Enterprise“-Folgen brachte auch Nicholas Meyer ein gerüttelt Maß an literarischen Referenzen in seinem Film unter. Viele Motive von William Shakespeare und Herman Melville lassen sich hier finden: Freundschaft und Alter, Tod und Wiedergeburt, das Streben nach Rache – all das ist, mal mehr, mal weniger verklausuliert, in „Der Zorn des Khan“ enthalten. Und, wie soll es anders sein: Auch hier gelingt es dem Regisseur, genau das rechte Maß zu finden, sodass man unterm Strich nur sagen kann: Ein rundum gelungener Film, der zu Recht als einer der besten – wenn nicht der beste überhaupt – seines Franchise gilt. Und damit kann es nur die Höchstwertung und die absolute Empfehlung geben, sich dem Zorn des Khan auszusetzen.

Gesamteindruck: 7/7


Originaltitel: Star Trek II: The Wrath of Khan.
Regie:
Nicholas Meyer
Drehbuch: Nicholas Meyer, Jack B. Sowards
Jahr: 1982
Land: USA
Laufzeit: ca. 113 Minuten
Besetzung (Auswahl): William Shatner, Leonard Nimoy, DeForest Kelley, Ricardo Montalbán, James Doohan, George Takei



FilmWelt: Star Trek: Der Film

Wir schreiben das Jahr 1979: Die letzte Folge der Serie „Star Trek“ (bei uns besser bekannt als „Raumschiff Enterprise“) war 1969 veröffentlicht worden, neuen Stoff aus dem von Gene Roddenberry erdachten Universum hatte es – abgesehen von einer kurzlebigen Zeichentrick-Serie – also seit zehn Jahren nicht mehr gegeben. Entsprechend hoch müssen die Erwartungen an den ersten Kinofilm der legendären Crew gewesen sein. Und „Star Trek: The Motion Picture“ wurde tatsächlich ein finanzieller Erfolg – so richtig überzeugen konnte er allerdings weder Kritik noch eingefleischte Trekkies.

Gesamteindruck: 3/7


Eine Maschine sucht ihre Schöpfer.

Ich habe vorliegenden Film bis vor kurzem nur ein einziges Mal gesehen: Meine Eltern müssen ihn Ende der 1980er in einer Videothek (!) ausgeliehen haben, weil sie wussten, dass ich ein großer Fan von „Raumschiff Enterprise“ war. Meine Großmutter (!!) hatte mir die Serie ursprünglich näher gebracht und Oma, Mama und ich waren höchst gespannt, auf die filmischen Abenteuer unserer Held:innen. Leider glaube ich auch, dass das tatsächlich unser letzter gemeinsamer Versuch war, denn der Film hatte so gut wie nichts mit dem gemein, was wir aus unserer geliebten Serie kannten. Den beiden Damen war das nachhaltig zu viel, sodass sie bei allem, was „Star Trek“ künftig bringen sollte, nicht mehr an Bord waren. Ich selbst habe mich nicht abschrecken lassen und blieb dem Franchise treu. Dass „Star Trek: Der Film“ alles andere als leichte Kost war und ist, habe ich allerdings unlängst, rund 30 Jahre nach meinem ersten Versuch, erneut feststellen müssen.

Worum geht’s?
Die U.S.S. Enterprise liegt nach einer Runderneuerung im Trockendock, als ein Notfall eintritt: Eine riesige Energiewolke, die alles vernichtet, was ihr in den Weg kommt, bewegt sich auf die Erde zu. Die Enterprise ist das einzige Raumschiff in der Nähe und wird auf einen Abfangkurs geschickt. Das Kommando übernimmt der mittlerweile zum Admiral beförderte James T. Kirk, sehr zum Leidwesen des eigentlichen Captains Will Decker. Nachdem diejenigen aus der alten Crew, die nicht mehr an Bord waren, eingesammelt wurden, macht man sich auf den Weg, um herauszufinden, was es mit der fremden Macht auf sich hat…

Vorweg ein paar Worte zur Entstehungsgeschichte: 1969 war „Raumschiff Enterprise“ nach nur drei Staffeln und ständig schlechter werdenden Quoten eingestellt worden. Das war aber keineswegs das Ende, denn das verantwortliche Studio Paramount Pictures verkaufte die Serie an private und lokale Sender in den ganzen USA. Die nahmen sie mit Handkuss und spielten sie teils zur besten Sendezeit, was letztlich den Erfolg brachte, der der Erstausstrahlung versagt geblieben war. Und mehr als das: „Star Trek“ begann, sich zum gigantischen Kult entwickeln und fand schnell auch ein internationales Publikum. Dieser späte und unerwartete Durchbruch brachte Paramount schließlich dazu, laut über die Zukunft eines Franchise, das man eigentlich schon aufgegeben hatte, nachzudenken.

Zeitdruck allenthalben.

Der erste Versuch einer Fortsetzung war die eingangs erwähnte Zeichentrick-Serie (bei uns bekannt als „Die Enterprise“, zur besseren Unterscheidung von der späteren Prequel-Realserie „Enterprise aber meist „The Animated Series“ genannt). Die wurde zwar vom Original-Cast eingesprochen, stieß aber dennoch auf wenig Interesse beim Publikum und wurde 1974 nach nur 22 Folgen abgesetzt. Überlegungen, es danach mit einem Realfilm zu versuchen, wurden zunächst verworfen und man entschied sich, es mit einer weiteren Realserie zu probieren. Die Arbeiten für „Star Trek: Phase II“ sollten 1977 beginnen, was auch passierte (übrigens ohne Spock-Darsteller Leonard Nimoy, der keine Lust mehr auf die Rolle und sich obendrein mit Paramount überworfen hatte). Kurz, bevor es tatsächlich mit dem Dreh losgehen sollte, revidierten die Studio-Bosse ihre Meinung erneut und kündigten im März 1978 – wohl ermutigt durch den Erfolg von „Star Wars“ – den ersten „Star Trek“-Kinofilm an (mit Nimoy, den man mutmaßlich mit einer stattlichen Gage und der Aussicht auf Kino-Ruhm geködert hatte). In ihrer unermesslichen Weisheit buchten sie auch gleich die Kinos, die Premiere musste daher unter allen Umständen am 7. Dezember 1979 stattfinden.

Der Zeitdruck war also von Anfang an enorm und es gab – neben vielen kleinen – zwei ganz große Sorgenkinder: Das Drehbuch und die Spezialeffekte. Für ersteres wurde das Skript des für „Phase II“ geplanten Pilotfilms in höchster Eile adaptiert. Glaubt man den Gerüchten, ging das soweit, dass die Schauspieler:innen teilweise erst am Set erfuhren, was in der für diesen Tag gültigen Version des Drehbuches stand. Was die Special Effects betrifft, musste man selbstverständlich kleckern und nicht klotzen, denn man wollte in dieser Hinsicht keinesfalls das Nachsehen gegenüber „Star Wars“ (oder auch „Alien“, der früher im Jahr 1979 erschienen war) haben. Leider war die Firma, die dafür engagiert worden war, heillos überfordert, was aber fatalerweise erst sehr spät bemerkt wurde. Die Folge: Auch hier mussten massive Verzögerungen hingenommen werden.

So kam es, wie es kommen musste: Der eigentlich sehr erfahrene Regisseur Robert Wise hatte keine Chance mehr, sein Werk so zu schneiden, wie er es ursprünglich geplant hatte; er schaffte es gerade noch, eine einigermaßen vorzeigbares Produkt abzuliefern, sah das Ergebnis aber selbst immer eher als Rohfassung und nie als fertigen Film. Der Legende nach brachte er die noch feuchten Filmrollen persönlich wenige Minuten vor der Premiere im Kino vorbei. Zufrieden war mit diesem Ergebnis keine:r der Beteiligten, dennoch sei an dieser Stelle erwähnt, dass „Star Trek: Der Film“ kein finanzieller Misserfolg war: Der Film spielte weltweit an die 140 Millionen Dollar ein, inflationsbereinigt deutlich mehr, als jeder seiner Nachfolger mit Ausnahme des ersten J. J. Abrams-Reboots (2009). Dass Paramount dennoch nicht zufrieden war, lag an den Kosten von 44 Millionen Dollar, ein auch nach modernen Maßstäben ausgesprochen üppiger Betrag (der sich übrigens auch draus erklärt, dass dem Film ein großer Teil der für die Pre-Production von „Phase II“ angefallenen Kosten zugerechnet wurde, warum auch immer). So kam es, dass das Werk als Flop verbucht wurde, was schließlich darin gipfelte, dass „Star Trek“-Schöpfer und Produzent Gene Roddenberry in Ungnade fiel.

So viel zum überaus chaotischen, aber auch sehr interessanten Hintergrund; dass ich um diesen weiß, habe ich übrigens dem Podcast „Trek am Dienstag“ zu verdanken, der mich überhaupt erst dazu gebracht hat, mir a) den Film wieder anzusehen und b) über die Entstehungsgeschichte nachzudenken. An dieser Stelle daher eine ausdrückliche Hörempfehlung!

Eine laaaange Folge „Raumschiff Enterprise“.

Das waren jetzt recht umfangreiche Ausführungen, die ich aber als notwendig erachte, um das Gesehene besser einordnen zu können. Freilich schützt das den Film vor einer inhaltlichen Kritik – und zu der komme ich nun endlich, beginnend mit der Handlung. Wie erwähnt, haben wir es mit einer Geschichte zu tun, die ursprünglich als Pilot zu einer TV-Serie geschrieben worden war. Und das merkt man allen Ecken und Enden… Nicht falsch verstehen: Grundsätzlich ist schon interessant, was hier passiert, es ist allerdings nichts, was für einen abendfüllenden Spielfilm, von dem man eine gewisse Tiefe erwartet, ausreicht. Dafür ist mir die Handlung schlicht und einfach zu dünn bzw. zu wenig ausgearbeitet. Übrigens wird hier ein Thema behandelt, das so ähnlich schon in der „Raumschiff Enterprise“-Folge „Ich heiße Nomad“ (Staffel 2, 1967) aufgegriffen worden war. Gerade dadurch wird umso deutlicher, wie kompakt die Serie ihre Geschichten dargestellt hat – eine Eigenschaft, die dem Film aus genannten Gründen fast völlig abgeht.

Und hier kommen wir zur anderen Seite der Medaille: Die Spezialeffekte, die einerseits überaus gelungen und nach wie über jeden Zweifel erhaben sind (sieht man von einer gewissen psychedelischen Ästhetik ab, die man heute wohl nicht mehr so bringen würde). Für die Spannung und den Unterhaltungswert des Films sind sie andererseits jedoch Gift: Fast wirkt es, als hätte man entweder so viel wie möglich davon in die Endfassung aufnehmen müssen, um Publikum und das geldgebende Studio nachhaltig zu beeindrucken. Mag auch sein, dass nur so die gewünschte Laufzeit von gut zwei Stunden erreichbar war – oder es war eine Kombination aus beidem, gepaart mit dem Zeitmangel, der es z. B. nicht zuließ, zusätzliche Charakter-Szenen zu drehen. So oder so: Gerade durch den ausufernden Einsatz der Effekte – ich spreche vor allem von den berühmt-berüchtigten Flügen in die Wolke, die man nur als „langatmig“ bezeichnen kann – fällt auf, wie wenig sonst im Film passiert.

Zu den Charakteren ist zu sagen, dass interessante Geschichten, beispielsweise um Spock, der seine menschliche Seite immer mehr zu akzeptieren scheint oder Kirk, der eine Art Midlife-Crisis durchlebt (und dessen Rolle kaum noch mit seiner ursprünglichen Ausrichtung in Einklang zu bringen ist), nicht so richtig auserzählt werden. Das hat mithin vielleicht auch mit der optischen Pracht zu tun, die fast alles andere in den Hintergrund drückt. Dabei wäre es bitter nötig gewesen, die Figuren (neu) zu erklären: Es gab vor diesem Film 10 Jahre lang kein nennenswertes „Star Trek“. Für das Publikum waren die Charaktere also nach wie vor so, wie sie 1969 abgetreten waren. Der Kinofilm zeigt uns aber ganz andere Figuren, die älter geworden sind und sich auseinander gelebt haben. In diesem Zusammenhang muss man auch bedenken, dass die Serie kaum Charakter-Entwicklung kannte, es wurde ja praktisch nach jeder Folge ein Reset durchgeführt. Und hier gibt es dann eine sichtlich gealterte Crew zu sehen, die nicht nur untereinander, sondern auch vom Publikum entfremdet daher kommt. Heute würde man das das Schicksal unserer Held:innen in den Jahren zwischen Serie und Film vermutlich mit einer Romanreihe erklären, die das Publikum vor Genuss des Films „abholen“; daran war 1979 freilich noch nicht zu denken.

Positives und Fazit.

Trotz dieser doch recht herben Kritik gibt es auch Positives zu berichten. So ist „Star Trek: Der Film“ beispielsweise technisch gut gemacht: Die Spezialeffekte habe ich erwähnt, hinzu kommen der hervorragende Soundtrack, die starke Dialogregie und die tolle Kameraarbeit inklusive Bildkomposition. Führt man sich oben beschriebene Entstehungsgeschichte vor Augen, ist es umso beeindruckender, wie wenig man filmtechnisch an diesem Werk auszusetzen findet. Doch auch das macht es noch einmal auffälliger, wie sehr die Hintergrundgeschichte unter Wert verkauft wird. Und man kommt nicht umhin, sich zu fragen, was wohl gewesen wäre, hätte man über ein einem solchen Mammutprojekt angemessenen Zeitrahmen verfügt. Dem war leider nicht so und daher müssen wir – ich wiederhole mich – mit einer stellenweise unerträglich aufgeblasenen Handlung, die halt nur für eine Folge einer TV-Serie reicht, vorlieb nehmen.

Ein Sidestep noch zu Technik und Ausstattung: Meine Erinnerung an den Film vor diesem Rewatch war das Gefühl eines ausgesprochen finsteren Werks. Nicht in inhaltlicher Hinsicht (wobei die Story auch eher düster daher kommt), sondern im wahrsten Sinne des Wortes: Innen- und Außenaufnahmen schienen mir damals dermaßen mangelhaft ausgeleuchtet, dass mir allein dadurch viel an Unterhaltung vergällt wurde. Ob das daran liegt, dass es im heimischen Wohnzimmer zu hell war? Ich weiß es nicht, bei meiner jüngsten Visite auf der Enterprise ist mir dieses Problem allerdings nicht untergekommen. Was mir die neuerliche Sichtung aber bestätigt hat: Die Uniformen, die die Crew hier trägt, sind mit die schlimmsten Klamotten im gesamten SciFi-Genre. Unglaublich.

Nun bleibt noch die Frage zu beantworten, ob ich diesen Film letztlich mag. Schwierig, sagen wir es vielleicht so: Ich habe es nicht bereut, ihn endlich mal wieder gesehen zu haben, fand ihn sogar deutlich besser, als ich ihn in Erinnerung hatte. Wiederholen werde ich dieses Erlebnis in nächste Zeit jedoch nicht, denn ich muss offen und ehrlich zugeben, dass mir „Star Trek: Der Film“ einfach zu anstrengend ist. Er ist nicht nur lang, sondern wirkt künstlich in die Länge gezogen; da hilft auch die durchaus brauchbare Inszenierung diverser Szenen und Dialoge wenig. Gleichzeitig fehlt es weitgehend an Action, alles wirkt sehr langsam und behäbig. Das wäre kein Problem, wenn man hier ein ordentliches Drama erleben würde – doch auch das ist aus meiner Sicht nur bedingt der Fall. Klar, es geht um das Älterwerden, um menschliche Gefühle und um die Erneuerung alter Freundschaften, die nicht gepflegt wurden. Leider wird das alles nicht sonderlich tiefgehend behandelt, man hat ständig das Gefühl, das etwas fehlt. Apropos „fehlt“: Dem Film geht meines Erachtens außerdem zumindest ein kleines Quäntchen Humor ab. Nicht, dass ich gerne Slapstick gesehen hätte, aber das hier ist schon unglaublich ernsthaft, was dem Ganzen angesichts seiner inhaltlichen und optischen Schwere gar nicht guttut und eigentlich auch völlig untypisch für „Star Trek“ ist.

Sollte man sich den Film also ansehen? Ja, ich denke, das kann und sollte man durchaus tun, jedenfalls wenn man generell etwas mit dem „Star Trek“-Franchise anfangen kann. Ich fand und finde es schön, dass man hier Charaktere sieht, die im Vergleich zur TV-Serie gereift sind und die sich entwickelt haben. Sie passen so viel besser auf die große Leinwand – es ist nur ewig schade, dass man uns so wenig von dieser Entwicklung zeigt. Im Gegensatz zu den folgenden Filmen, die in praktisch jeder Hinsicht besser sind – und vielleicht ist das auch ein Verdienst dieses Films: Es wurde Erfahrung gesammelt, die bei der Inszenierung einiger echter „Star Trek“-Klassiker helfen sollte. Das hilft vorliegendem Werk freilich nur bedingt, weswegen es punktemäßig bei mir nur für eine Durchschnittswertung reicht.

Gesamteindruck: 3/7


Originaltitel: Star Trek: The Motion Picture.
Regie:
Robert Wise
Drehbuch: Harold Livingston
Jahr: 1979
Land: USA
Laufzeit: ca. 130 Minuten
Besetzung (Auswahl): William Shatner, Leonard Nimoy, DeForest Kelley, James Doohan, George Takei



FilmWelt: Prey

Die Ankündigung eines neuen Films aus dem Predator-Universum habe ich mit gemischten Gefühlen aufgenommen: „Predator“ (1987) und „Predator 2“ (1990; ja, auch den!) fand ich großartig, über alles, was danach gekommen ist (inklusive der „Alien vs. Predator“-Crossovers), kann man getrost den Mantel des Schweigens hüllen. Ob es „Prey“ (2022 und damit genau 35 Jahre, nachdem Arnold Schwarzenegger erstmals dem außerirdischen Trophäenjäger gegenüber stand, erschienen) gelingt, an alte Qualitäten anzuknüpfen, versuche ich im Folgenden zu klären.

Gesamteindruck: 5/7


Keine leichte Beute.

Der Titel „Prey“ (deutsch: „Beute“) lässt vermuten, dass das Vertrauen in die Strahlkraft einer einst so mächtigen Marke nicht allzu groß gewesen dürfte – immerhin haben wir es hier mit dem ersten Film der Reihe zu tun, der nicht direkt am Namen als Predator erkennbar ist. Vielleicht ist es aber auch eine Art Neustart, der die verkorksten Jahre, die nach „Predator 2“ folgten, vergessen machen soll? Ich weiß es nicht, im Endeffekt spielt es für die Bewertung aber auch keine große Rolle.

Worum geht’s?
Nordamerika im 18. Jahrhundert: Für die junge Comanche Naru ist in ihrem Stamm die Rolle als Heilerin vorgesehen. Sehr zu ihrem Unmut, ist sie doch eine talentierte Jägerin, was aber kaum jemand ihrer Gefährt:innen zu erkennen vermag. Als sie eines Tages eine merkwürdige, feurige Erscheinung am Himmel sieht, glaubt sie die Zeit gekommen, den Beweis für ihre Jagdkunst anzutreten. Was sie nicht weiß: Eine unheimliche Kreatur ist ebenfalls auf der Suche nach Beute…

Man ist ja leider ein gebranntes Kind, was die Weiterführung klassischer Filmreihen ist: Egal, ob „Predator“, „Alien“, „Terminator“, „Indiana Jones“ oder „Stirb Langsam“ – praktisch alles aus der Hochzeit des Action-Kinos wurde nach zwei, drei Filmen gnadenlos gegen die Wand gefahren. Und auch jeder spätere Versuch, eines dieser Franchises für ein moderneres Publikum attraktiv zu machen, scheiterte grandios. Eine detaillierte Analyse dieses Missstandes würde den Rahmen einer Rezension freilich sprengen; nichtsdestotrotz erklärt obige Aufzählung vielleicht, warum ich dermaßen überrascht war, nachdem der Abspann von „Prey“ nach gut anderthalb kurzweiligen Stunden über meinen Bildschirm flimmerte: Nie hätte ich erwartet, dass es überhaupt möglich wäre, dieses Kind der späten 1980er/frühen 1990er im Jahr 2022 so trefflich fortzuführen.

Gute Entscheidungen.

Dass „Prey“ so überzeugend um die Ecke kommt, ist einer Reihe guter Entscheidungen durch Regisseur Dan Trachtenberg (u. a. „10 Cloverfield Lane“) und Drehbuchautor Patrick Aison zu verdanken. So ist beispielsweise die Gestaltung als Prequel in der Regel hochgefährliches Terrain, weil dadurch fast zwangsläufig Probleme mit der Kontinuität entstehen, die speziell älteren Fans sauer aufstoßen (siehe u. a. die Alien-Prequels oder die Star Trek-Serien „Enterprise“ und „Discovery“). Im Falle von „Prey“ ist dem nicht so, weil Zeit und Ort der Handlung so gewählt wurden, dass aufgesetzt wirkende Referenzen auf spätere Filme kaum möglich sind. Anachronismen, die vor allem das alte Publikum übelnehmen könnte, werden dadurch fast ausgeschlossen (eine kleine Anspielung auf „Predator 2“ ist dennoch drin, die wurde allerdings sehr schön eingebaut). Unabhängig davon ist die Form des Prequels in diesem Fall wohl die beste und glaubwürdigste Methode, mit dem Film tatsächlich back to the roots zu gehen.

Erwähnenswert ist in Sachen Entscheidungen ferner, dass die Verantwortlichen darauf verzichten, den Antagonisten durch ausufernde Erklärungen zu entzaubern (siehe auch hier die Alien-Prequels). Heißt: In „Prey“ verhält sich der außerirdische Jäger so, wie man es erwartet; er hat die üblichen Waffen am Start, wirkt aber dennoch etwas urtümlicher als seine späteren Artgenossen. Das alles schließt sich wunderbar und nahtlos an die Darstellung an, die man aus Teil 1 und 2 kennt. Wobei man sich an dieser Stelle ganz leise fragen darf, wieso sich die Technik eines so fortschrittlichen Wesens in über 200 Jahren anscheinend kaum weiterentwickelt hat – aber das nur am Rande, eventuell hat die Ausrüstung vor allem rituelle oder traditionelle Bedeutung und „darf“ sich deshalb kaum ändern.

Was wollen die Fans?

Was mich an „Prey“ neben den genannten Faktoren aber fast am meisten beeindruckt hat: Dan Trachtenberg scheint verstanden zu haben, was das Publikum wirklich von einem Predator-Film erwartet (während man beim Gros der Filme nach 1990 nicht umhin kommt, den Verantwortlichen Geldmacherei mit einem großen Namen zu unterstellen). Eigentlich ist es fast schon erschreckend einfach: Predator war schon immer ein lupenreines Action-Franchise. Klar, wer wollte, konnte Teil 1 als mehr oder weniger tiefsinnige Verarbeitung des amerikanischen Vietnam-Traumas lesen. Vorwiegend waren „Predator“ und „Predator 2“ aber schlicht und einfach zur Unterhaltung gedacht.

Der Rest? Beiwerk, aber dennoch da, was den Filmen trotz der knallenden Fassade immer Herz und Seele verliehen hat, die den späteren Produktionen abgeht. Und so ist es auch mit „Prey“: Wenn man möchte, kann man den Kampf Predator vs. Kriegerin auf verschiedene Weise interpretieren. Beispielsweise könnte es sich dabei um eine Auseinandersetzung einer selbstbewussten Frau mit toxischer Männlichkeit handeln. Oder man sieht darin ganz allgemein den Kampf der amerikanischen Ureinwohner:innen gegen die technische und zahlenmäßige Überlegenheit der weißen Eroberer. Oder als Befreiung der Heldin Naru aus der von ihren Stammesgenoss:innen erwarteten Rolle.

All das ist möglich – genauso ist es, wie angedeutet, aber auch legitim, „Prey“ als einfachen, höchst unterhaltsamen Actionfilm. als Popcorn-Kino im besten Sinne, zu lesen. Das mag von den Anhänger:innen aktueller Filme und Serials belächelt werden, ich persönlich finde diese Herangehensweise allerdings sehr erfrischend: Man hat das Gefühl, dass die Action zählt und alles andere Beiwerk ist und der Regisseur somit genau das macht, wofür diese Filmreihe früher stand. Dennoch fühlt sich „Prey“ deutlich moderner als seine Pendants aus 1987 und 1990 an, ohne der Seelenlosigkeit aktuelle Produktionen anheim zu fallen. Genau vermag ich nicht zu erklären, woran das liegt – für mein Dafürhalten ist es jedenfalls eine außergewöhnliche Leistung.

Überraschend gut ohne zu überraschen.

Was das alles im Umkehrschluss bedeutet, ist klar: In „Prey“ gibt es keine ausgefeilten Dialoge (es wird generell wenig gesprochen) und das Drehbuch ist in weiten Teilen bis ins Detail vorhersehbar. Letzteres ist vermutlich der Kritikpunkt, der am häufigsten in Zusammenhang mit „Prey“ auf den Tisch kommen dürfte: Dan Trachtenberg orientiert sich so stark an „Predator“, dass man zeitweise fast von einer Kopie sprechen muss. Vielleicht ist aber genau das die Stärke eines Films, der genau weiß, was er sein will, was er kann – und was er tunlichst vermeiden sollte. Wahrscheinlich ist das wirklich die Krux: Mir war über die gesamte Länge (schön übrigens, dass man sich auf 100 Minuten beschränkt und das ganze nicht auf zwei Stunden oder mehr aufgeblasen hat) bewusst, dass „Prey“ Fan-Service par excellence ist. Gestört hat mich das allerdings zu keiner Sekunde, was den Film krass von vielen aktuellen Remakes, Prequels und Relaunches unterscheidet.

Anmerkung an dieser Stelle: Die Action ist hervorragend choreografiert, die Kämpfe entsprechend spektakulär; die Effekte sind gut (sieht man von den Raubtieren ab, speziell bei CGI-Bär musste ich schmunzeln), der Antagonist furchteinflößend. Und, was auch noch erwähnt werden muss: „Prey“ ist abseits der Action geradezu herausragend fotografiert und vertont. Selten wirkte ein amerikanischer Wald dermaßen düster, kühl und unheimlich.

Ganz kommt „Prey“ letztlich zwar nicht an die Filme heran, die den Ruhm der Predator-Reihe begründet haben. Dennoch ist Dan Trachtenberg der mit Abstand beste Versuch seit 1990 gelungen, diesen Stoff zu adaptieren. Wenn das das Niveau künftiger Filme aus dem Franchise sein soll, könnte man von mir aus gern damit weitermachen – etwas, das ich mir bisher bei kaum einem Versuch, so alte Schinken in die Moderne zu holen, wünschen würde.

Gesamteindruck: 5/7


Originaltitel: Prey.
Regie:
Dan Trachtenberg
Drehbuch: Patrick Aison
Jahr: 2022
Land: USA
Laufzeit: ca. 100 Minuten
Besetzung (Auswahl): Amber Midthunder, Dane DiLiegro, Dakota Beavers, Stormee Kipp



FilmWelt: The Witch Next Door

„The Witch Next Door“ (2019) ist einer dieser Fälle, in denen ich – analog zum unlängst besprochenen „Halloween Haunt“ (ebenfalls 2019) – einem Teil der Kritiker:innen beim besten Willen nicht folgen kann (ein Beispiel). Für mich handelt es sich hier um biederen Horror, der ohne große Inspiration und noch dazu recht schwerfällig über den Bildschirm flimmert.

Gesamteindruck: 3/7


Kleinstadt-Horror.

Dass „The Witch Next Door“ bei mir nicht so richtig funktioniert, hat diverse Gründe. Das größte Problem scheint mir jedoch die Austauschbarkeit nahezu aller Aspekte des Films zu sein: Prämisse, Story, Charaktere – fast alles wirkt völlig generisch auf mich. Kein Wunder also, dass der Funke einfach nicht überspringen wollte…

Worum geht’s?
Das Kleinstadt-Idyll, in das Teenager Ben aus Erziehungsgründen geschickt wird, ist trügerisch: Zunächst hat der junge Mann mit den üblichen Problemen seines Alters zu kämpfen und findet schwer Anschluss im Ort. Diese Schwierigkeiten geraten jedoch zunehmend in den Hintergrund, als Ben merkt, dass mit der Familie, die nebenan wohnt, etwas ganz und gar nicht stimmt…

Auch wenn es in meiner Einleitung so rüberkommen mag: Es ist nicht alles schlecht an „The Witch Next Door“ (im Original übrigens „The Wretched“; ich werde wohl nie verstehen, warum deutschsprachige Verleihe einen englischen Titel durch einen anderen ersetzen). Vor allem die Grundstimmung wurde von den für Regie und Drehbuch verantwortlichen Brüder Brett und Drew Pierce gut inszeniert: So wirkt das Küstenstädtchen zwar idyllisch, man merkt als Zuseher:in allerdings sofort, dass hier einiges im Argen liegt. Das Gefühl, dass man dort nicht unbedingt wohnen möchte, ist – ganz im Gegensatz zu einer Legion ähnlicher Filme, die hierfür zum metaphorischen Holzhammer greift – vor allem einigermaßen subtil verpackt, was eine echte Wohltat ist.

Damit hat es sich dann aber leider weitgehend, was die Qualitäten von „The Witch Next Door“ betrifft. Eventuell kann man der Idee, dass die Angehörigen „vergessen“, wen oder was sie verloren haben, noch etwas abgewinnen – das allein reicht aus meiner Sicht aber nicht für einen wirklich spannenden Film. Zumal mir alles zu oberflächlich daher kommt; so, als hätte man eine an sich gute Idee gehabt, damit dann aber nichts Vernünftiges anzufangen gewusst. Damit wirkt die Prämisse wie ein notwendiges Übel, um überhaupt eine Geschichte erzählen zu dürfen. Ein harsches Urteil, ich weiß – aber wenn es hier eine versteckte Ebene geben sollte, ist sie mir entgangen. Oder, anders ausgedrückt: Die Pierce-Brüder haben es nicht geschafft, sie mir zu vermitteln.

Weder richtig schlecht noch wirklich gut.

Unabhängig davon leidet „The Witch Next Door“ aus meiner Sicht an einer ganzen Reihe von Schwierigkeiten, die für sich genommen nicht katastrophal wären, in der Summe aber für den schwachen Gesamteindruck sorgen. So kann man zum Beispiel die Charaktere mit praktisch jedem Beitrag zum Genre des Teenie-Horrors, den man in den vergangenen 25 Jahren gesehen hat, austauschen. Ähnliches gilt für den Cast, der die Figuren verkörpert. Freilich darf man den Schauspieler:innen nicht die Schuld an den Versäumnissen von Drehbuch und Dialogen geben; gleichzeitig muss ich aber schon auch konstatieren, dass es an Spielfreude fehlt.

Das größte Problem ist aus meiner Sicht jedoch das Drehbuch. Das beginnt bereits beim Aufbau der Geschichte, der relativ gemächlich von Statten geht. Das wäre per se nicht negativ, in diesem Fall fehlt es aber so sehr an Spannung, dass man ständig Gefahr läuft, das Interesse des Publikums zu verlieren. Wenn dann irgendwann etwas mehr Bewegung in die Sache kommt, war es für mich zu spät – „The Witch Next Door“ konnte mich einfach nicht mehr „einfangen“. Das auch damit zu tun, dass an keiner Stelle wirklich Überraschendes passiert. Das ist fast schon paradox, bedient sich der Film doch relativ umfangreich an Versatzstücken unterschiedlicher Genres und Werke. Das mag im ersten Moment grandios klingen, ist hier aber so inszeniert, dass man viel zu häufig erahnen kann, was als Nächstes passiert. Letztlich hält sich sogar der Gruselfaktor für meinen Geschmack arg in Grenzen, sodass „The Witch Next Door“ auch hier nicht so richtig zu punkten vermag.

Damit kann ich eigentlich nur ein Fazit ziehen: Die Pierce-Brüder haben hier ein in allen Belangen durchschnittliches Werk geschaffen, das nirgends richtig schlecht – aber eben auch nicht richtig gut – ist. Und das ist mir persönlich einfach zu wenig, wenn ich mir ansehe, aus welchen und wie vielen Filmen man heutzutage frei wählen kann.

Gesamteindruck: 3/7


Originaltitel: The Wretched.
Regie:
Brett Pierce, Drew T. Pierce
Drehbuch: Brett Pierce, Drew T. Pierce
Jahr: 2019
Land: USA
Laufzeit: ca. 95 Minuten
Besetzung (Auswahl): John-Paul Howard, Piper Curda, Jamison Jones, Azie Tesfai, Kevin Bigley



FilmWelt: The Hunt

Die Inhaltsangabe von „The Hunt“ (2020) lässt vermuten, dass hier ein altbekanntes Thema aufgegriffen wird: Menschen, die meinen, außerhalb des Gesetzes zu stehen, machen Jagd auf weniger Privilegierte. „Battle Royale“ (2000), „Hostel“ (2005) und die Serie „Squid Game“ (seit 2021) wären prominente Beispiele für Geschichten, die in diese Richtung gehen. Und „The Hunt“ beinhaltet auch tatsächlich eine ganze Reihe klassischer Genre-Motive. Sehenswert ist der Film aber dennoch – denn wie sich bereits nach wenigen Minuten herausstellt, bricht er gleichzeitig mit vielen Konventionen und birgt Überraschungen am laufenden Band.

Gesamteindruck: 6/7


Wer jagt wen?

Es ist gar nicht so leicht, eine Rezension zu „The Hunt“ einigermaßen spoilerfrei zu gestalten – ein so immanenter Bestandteil dieses Films sind seine Twists. Was man jedenfalls konstatieren kann: Nichts ist so, wie es scheint – nicht einmal, wer der Held oder die Heldin ist, erfährt man auf konventionelle Weise. Und, was noch unstrittig ist: Dieser Film legt ein gewaltiges Tempo vor und schreckt von Anfang an nicht vor expliziter Brutalität zurück. Letzteres hat, in Verbindung mit einer realen Gewaltwelle die in den USA just zu den ersten Ankündigungen des Films stattfand, dafür gesorgt, dass „The Hunt“ ein Jahr später als geplant veröffentlicht wurde (und kein US-Kino von innen gesehen hat). Übertrieben? Mag sein – aber auch ein Zeichen der Zeit, in der wir leben.

Worum geht’s?
Ist es nur eine urbane Legende, ein Scherz oder ein Internet-Phänomen? Angeblich soll sich „die Elite“ regelmäßig treffen, um Jagd auf Menschen zu machen. Und tatsächlich wacht eine Gruppe von Personen, die einander nicht kennen und die nicht wissen, wie ihnen geschieht, geknebelt irgendwo in einem Feld auf. In einer Kiste gibt es neben einem lebendigen Ferkel (!) diverse Waffen zu finden. Die werden auch dringend gebraucht, denn die Menschenhatz geht ohne Umschweife los…

„The Hunt“ startet mit dem üblichen, leicht mysteriösen Vorgeplänkel, in dem einige Charaktere vorgestellt (naja, eher: grob umrissen) werden. Bereits hier geht es sehr brutal zur Sache; am Ort des Geschehens angekommen, dauert es gefühlt nur Sekunden, bis das erste Opfer völlig unerwartet durch einen Kopfschuss niedergestreckt wird. Blut und Hirn spritzen durch die Gegend – und man fragt sich als Zuseher:in, was man hier gerade gesehen hat. Lange kann man nicht überlegen, denn es geht wirklich Schlag auf Schlag und schon nach rund 15 Minuten fragt man sich, wie der Film überhaupt weitergehen soll – denn bereits zu diesem frühen Zeitpunkt sind haben sich die Reihen dermaßen gelichtet, dass man fast schon beim „final girl“ angekommen scheint.

Opfer-Täter-Umkehr (oder so ähnlich?).

Dabei hat man erst der Anfang einer wilden Achterbahnfahrt gesehen, die von nahezu pausenloser Action, aber auch von vollkommen überraschenden Wendungen geprägt ist. Heißt: Auch wer schon den einen oder anderen auf den ersten Blick ähnlich gelagerten Film gesehen hat, wird die Twists, die Regisseur Craig Zobel hier inszeniert, großteils nicht kommen sehen. Und das hebt „The Hunt“ meines Erachtens von „Hostel“, „Battle Royal“ & Co ab: Der Film handelt nicht nur vom Überlebenskampf vermeintlicher Opfer, sondern zeichnet ein ambivalentes Bild, das dazu führt, dass die die Sympathiewerte des Publikums immer wieder wechseln. Das betrifft im Übrigen auch die Täter:innen, die ebenfalls ganz anders sind, als man es erwarten würde.

Dadurch entzieht sich der Film auf ganz eigentümliche Weise der politischen Agitation. Ich denke, es ist kein großer Spoiler, wenn ich es kurz zusammenfasse: Die Bösen, also diejenigen, die eine reale Jagd auf Menschen veranstalten, sind dem politisch links-liberalen Spektrum zuzuordnen, während sich die Opfer, mit denen man sich als Zuseher:in eigentlich voll identifizieren sollte, konservativ bis rechtsextrem sind, wie an diversen Szenen und Rückblenden eindeutig erkennbar ist. Das bringt natürlich ein interessantes Dilemma: Soll man – als selbst eher liberal eingestellter Mensch – nun tatsächlich für diejenigen sein, die Andere fangen, unter Drogen setzen und dann gnadenlos umbringen? Oder soll man sich mit den Opfern identifizieren, die – immer aus Sicht eines Liberalen – Waffennarren, Hassposter und homophobe W*chser sind? Durch diese sehr spannende Verteilung der Opfer- und Täter:innenrollen erhält „The Hunt“ einen Überbau, den man von einem Film, den man anhand des Trailers sofort zu durchschauen meint, nicht erwarten würde. Zumindest ist es mir so ergangen – und ich habe länger über dieses Werk nachgedacht, als mir lieb war.

Gut gespielt ist halb gewonnen.

Die einzige Konstante im ständigen Hin & Her der Story ist letzten Endes die von Betty Gilpin gespielte Crystal. Mir persönlich war die Darstellerin bisher kein Begriff, am ehesten wird sie einem breiteren Publikum vermutlich aus der Netflix-Wrestling-Parodie „GLOW“ (2017 bis 2019), vielleicht auch aus der TV-Serie „Nurse Jackie“ (2009 bis 2015) ein Begriff sein. Davon abgesehen war sie hauptsächlich in einzelnen Folgen anderer Serien zu sehen und hat den einen oder anderen Filmauftritt zu Buche stehen – ob und wann ich sie überhaupt einmal gesehen habe, weiß ich ehrlich gesagt nicht (mehr). Wie dem auch sei: Gilpin spielt in „The Hunt“ ganz hervorragend. Sie ist ja eigentlich ein Opfer der Menschenjäger:innen, will sich aber ganz und gar nicht in diese Rolle fügen.

Doch anders als es beim klassischen „final girl“ wird sie nicht erst gegen Ende zur grimmigen und nahezu unbesiegbaren Kämpferin, sondern hat von Anfang an gewisse Fähigkeiten, die ihr beim Überleben helfen. Das ist freilich dem Drehbuch zu verdanken – was hingegen an der Darstellung durch Betty Gilpin beeindruckt, ist die stoische Ruhe, mit der sich Crystal durch ihre zahlen- und waffenmäßig überlegenen Gegner:innen schneidet. Hier und da gibt es einen lockeren Spruch, insgesamt kommen ihr allerdings nicht allzu viele Worte – und schon gar kein Lächeln – über die Lippen. Die fast schon greifbare Aura von Gefahr, die die Figur umgibt und die Ruhe, die sie dabei ausstrahlt, hat fast schon was von Llewelyn Moss („No Country for Old Men“, 2007), wobei in vorliegendem Fall natürlich alles deutlich überzeichneter ist.

Als Gegenspielerin von Betty Gilpin bzw. Crystal tritt übrigens die von Hilary Swank verkörperte Athena auf. Diese Figur ist leider deutlich weniger interessant und vergleichsweise glatt. Schlecht gespielt ist die Rolle allerdings nicht, sehenswert vor allem der finale Kampf zwischen diesen beiden Charakteren, der viel vom 1. Kapitel („2“) von „Kill Bill – Volume 1“ (2003) hat. Überhaupt lässt die Stimmung von „The Hunt“ immer mal wieder Reminiszenzen an den Tarantino-Klassiker aufkommen, was ich durchaus als Kompliment verstanden wissen möchte.

Fazit: Ich finde tatsächlich kaum Haare in der Suppe, die uns Craig Zobel mit „The Hunt“ vorsetzt. Ihm ist hier ein flotter, höchst unterhaltsamer Film gelungen, der kaum Längen hat, gut gespielt ist, vor überraschenden Wendungen strotzt – und schlicht und einfach Spaß macht. Klar, man muss eine gute Portion Gore ertragen können und auch die Verteilung von Opern und Täter:innen wird nicht Allen schmecken. Mich hat das hingegen nicht gestört – nicht, weil ich mich mit den merkwürdigen Typen, die hier als Opfer dienen, identifizieren konnte, sondern weil dieser Ansatz durchaus dazu führen kann, dass man über die eigene, vermeintlich überlegene Moral nachdenkt. Und das ist dann doch deutlich mehr, als man von einem Film mit einer solchen Story erwarten würde. Daher: Ansehen!

Gesamteindruck: 6/7


Originaltitel: The Hunt.
Regie:
Craig Zobel
Drehbuch: Nick Cuse, Damon Lindelof
Jahr: 2020
Land: USA
Laufzeit: ca. 90 Minuten
Besetzung (Auswahl): Betty Gilpin, Hilary Swank, Emma Roberts, Justin Hartley, Ethan Suplee