SpielWelt: Beneath a Steel Sky


„Beneath a Steel Sky“ (1994) ist ein Titel, den ich in den vergangenen 25 Jahren immer mal wieder im Kopf hatte. Nun, ein Vierteljahrhundert nach seinem Erscheinen, war es endlich soweit: Ich habe mir das Spiel bei GOG.com heruntergeladen (dort wird es derzeit übrigens verschenkt!) und war gespannt, was mich erwarten würde.

Gesamteindruck: 5/7


Cyberspace und Body-Modification.

Ein kurzer Blick in die Geschichtsbücher zeigt: Die Zeit von 1985 bis 1995 kann man mit Fug und Recht als Goldene Ära der klassischen Grafik-Adventures bezeichnen. Im kollektiven Gedächtnis untrennbar damit verbunden sind vor allem zwei Software-Studios: LucasArts (u. a. „Maniac Mansion“, „Indiana Jones“, „Monkey Island“) und Sierra On-Line (u. a. „King’s Quest“, „Space Quest“, „Leisure Suit Larry“). Deren Spiele waren in meiner Erinnerung tatsächlich sehr gut, gleichzeitig konnten sie aber auf umfangreiche Marketingbudgets zurückgreifen. Und doch machten immer mal wieder auch kleinere Hersteller von sich reden – so auch Revolution Software aus England, die 1992 mit ihrem Debüt „Lure of the Temptress“ einen Achtungserfolg verbucht hatten. 1994 legten sie mit „Beneath a Steel Sky“ ein in allen Bereichen verbessertes Zweitwerk vor, das ihnen weiteres Lob sowie passable Verkaufszahlen brachte. Anmerkung am Rande: Der endgültige Durchbruch sollte Revolution dennoch erst 1996 mit dem Auftakt der „Baphomet’s Fluch“-Reihe gelingen. Das dann allerdings so nachhaltig, dass das Studio eines der wenigen jener Zeit ist, das bis heute fortbesteht.

Darum geht’s:
In nicht allzu ferner Zukunft hat die Menschheit es mal wieder geschafft: Die Erde ist ein verseuchter, großteils kaum bewohnbarer Ort geworden. Die kümmerlichen Reste der Spezies sind entweder in wenigen Megastädten zusammengepfercht oder hausen zwischen diesen, im „Gap“ genannten Ödland. Dort ist, nach einem Unfall, bei dem seine Eltern ums Leben gekommen sind, Robert Foster aufgewachsen. Eines Tages tauchen Regierungstruppen auf, metzeln den Stamm, der Foster aufgenommen hat, nieder und verschleppen den Erstaunten per Hubschrauber nach Union City. Doch im Landanflug fallen die Instrumente aus und der Heli stürzt in die Stadt. Foster überlebt den Crash zwar, muss ich nur aber in unbekannter Umgebung zurechtfinden und bei dieser Gelegenheit gleich auch dem Geheimnis der allmächtigen Computerintelligenz LINC auf die Spur kommen. Und auch die Gedächtnislücken, die ihn zeitlebens plagen, sollten endlich gefüllt werden

„Beneath a Steel Sky“ ist ein klassisches Grafik-Adventure: Man bewegt seinen Charakter per Mausklick in Seitenansicht durch handgezeichnete, teilweise animierte Hintergründe, die meist einen Bildschirm breit, ab und an aber auch etwas weitläufiger sind. Dort löst man die üblichen Rätsel, die meist aus der Kombination verschiedener, vorher aufgesammelter Gegenstände miteinander oder mit einem Element am aktuellen Bildschirm bestehen. Außerdem gibt es die typischen Multiple-Choice-Gespräche mit verschiedensten NPCs. Beides zusammen treibt die Handlung voran.

Eine eigene Nische.

Die Story prophezeit uns eine düstere Zukunft, in der die Geschicke der Menschheit von mächtigen Konzernen und künstlicher Intelligenz bestimmt werden. Kommt einem heute irgendwie bekannt vor… Diese Vision erzeugt schon per se ein mulmiges Gefühl, das durch das Geschehen auf dem Bildschirm noch verstärkt wird: Hier fließt Blut, wenn ein Laserstrahl einen Menschen halbiert, dort lässt man sich von einem zwielichtigen Arzt einen Port einbauen, um den Cyber… äh… LINC-Space betreten zu können, gleichzeitig rostet die Stadt vor sich hin, während die Bewohner, vom allmächtigen Computer in Klassen eingeteilt, ihr Dasein fristen, ohne sich über ihr Sklaventum bewusst zu sein.

Aus heutiger Sicht hätte ich „Beneath a Steel Sky“ wohl noch mehr gemocht, wenn es nur aus diesem finsteren Grundton bestanden hätte. Dem ist aber nicht so: Wie später von „Fallout“ (1997) perfektioniert, präsentiert sich das Spiel mit einem hohen Grad an Ironie. Im Gegensatz zum post-nuklearen Rollenspiel von Black Isle schreckt man allerdings auch vor der einen oder anderen Slapstick-Einlage nicht zurück und hat mit Begleitroboter Joey sogar einen Sidekick zur Hand, der für diverse Lacher gut ist. All das passt freilich perfekt in eine Zeit, in der Adventures zu einem hohen Grad über ihren Humor definiert und beurteilt wurden.

Heute kommt die Ironie – so es sie überhaupt gibt – deutlich subtiler zum Einsatz, was mir persönlich besser gefällt. All das soll nun aber nicht heißen, dass man „Beneath a Steel Sky“ als Comedy á lá „Monkey Island“ abheften kann, im Gegenteil. Ich halte es aber wichtig, auf diesen Unterschied sowohl zu zeitgenössischen als auch zu modernen Adventures hinzuweisen – so gesehen haben Revolution Softwre mit diesem Werk 1994 tatsächlich eine ganz eigene Nische besetzt.

Gute Grafik vs. Gedudel des Todes.

Grafisch braucht sich „Beneath a Steel Sky“ keineswegs vor den Großen des Genres zu verstecken. Im Gegenteil: Weil die düstere Optik weitgehend der dystopischen Handlung folgt, hebt sich das Spiel relativ stark von seinen Zeitgenossen ab. Für Teile der Grafik war übrigens – wie schon bei „Lure of the Temptress“ – Comiczeichner Dave Gibbons (u. a. „Watchmen“) verantwortlich. Klar: Auf heutigen Bildschirmen ist das Spiel arg pixelig, das gilt aber für die meisten Werke jener Ära und stört daher auch nicht weiter. Mit einer Ausnahme: Wenn es geht darum geht, einen kleinen Gegenstand zu finden und aufzuheben, wird das Spiel ab und an zu einer echten Herausforderung. Ich muss sogar zugeben, dass ich deshalb ein- oder zweimal eine Komplettlösung bemühen musste, einfach weil ich etwas übersehen habe, das im Pixelbrei kaum erkennbar war.

Beim Sound punktet „Beneath a Steel Sky“ mit Sprachausgabe für alle Figuren. Die ist durchaus professionell, allerdings muss man sich, spielt man auf Englisch, mit merkwürdigen Akzenten herumschlagen, die ich nicht so passend finde. Ein wirklicher Wermutstropfen, der sogar auf den Gesamteindruck durchschlägt, ist hingegen die Musik: Das Gedudel nervt schnell, passt oft überhaupt nicht zum Geschehen auf dem Bildschirm und ist ganz generell nicht sonderlich gelungen. Schade, denn dadurch wird die Atmosphäre erheblich gestört. Immerhin kann man die Lautstärke der Musik stark nach unten regulieren, ganz abschalten lässt sie sich allerdings nicht.

Effiziente Bedienung.

Der augenfälligste Unterschied zu „Monkey Island“ & Co. soll nicht unerwähnt bleiben: „Beneath a Steel Sky“ verzichtet komplett auf die damals noch als Standard geltende Steuerung über klickbare Verben am unteren Bildschirmrand („Gehe zu“ usw.) oder Interaktions-Symbole. Die Bedienung ist dadurch deutlich einfacher bzw. effizienter und beschränkt sich auf den Linksklick für gehen und ansehen sowie einen Rechtsklick, der automatisch die „richtige“ Aktion in der jeweiligen Situation ausführt. Ich glaube, dass ich mich 1994 im ersten Moment schwer damit getan hatte, immerhin bin ich mit den Verben sozialisiert worden („Maniac Mansion“ war eines der ersten Adventures, die ich jemals ausprobiert habe); 2021 weiß man natürlich, dass diese Form der Bedienung sich zu Recht durchgesetzt hat. Ob „Beneath a Steel Sky“ das erste Spiel war, das so gesteuert wurde, entzieht sich meiner Kenntnis; ich vermute aber, dass es eines der ersten gewesen sein könnte.

Von diesem doch recht großen Unterschied abgesehen, haben Revolution Software viele Tugenden der Konkurrenz übernommen und gleichzeitig auf das eine oder andere No-Go verzichtet. Besonders erfreulich: Es gibt keine Sackgassen (ich schaue in deine Richtung, Sierra On-Line…). Allerdings kann der Held, im Gegensatz zu vielen anderen Adventures, an gewissen Stellen im Spiel sterben. Glücklicherweise waren die Programmierer so großzügig, eine verschwenderisch große Anzahl an Speicherslots (1994 dürfte das fast eine …ähem… Revolution gewesen sein) auszustatten. Die sollte man tunlichst benutzen – wobei ich erwähnt haben möchte, dass die Tode, die die Figur sterben kann, im Großen und Ganzen nicht unfair sind, von der finalen Szene mal abgesehen. Unerwartet sind sie allemal, aber wenn man es zum ersten Mal erlebt hat, weiß man Bescheid und speichert entsprechend häufig ab.

Vorbildlich wurden im Übrigen die Rätsel designt: „Beneath a Steel Sky“ ist praktisch immer mit Logik und/oder ein bisschen ausprobieren beizukommen. Komplett unlogische und abseitige Puzzles, bei denen man sich fragt, wie sie jemals jemand ohne Komplettlösung schaffen konnte, gibt es nicht. Die größte Herausforderung besteht – ich habe es weiter oben erwähnt – in der auf großen Bildschirmen extrem pixeligen Grafik, die Gegenstände schon mal (fast) unsichtbar macht. Das führt heute mehr noch als früher zum berühmt-berüchtigten Pixelhunting, also dem „Scannen“ des Hintergrundes per Mauszeiger (Hotspot-Anzeige gab es damals natürlich noch keine). Interessanterweise fühlt sich „Beneath a Steel Sky“ durch dieses eher einsteigerfreundliche Rätselmodell deutlich moderner an als seine teils bockschweren Zeitgenossen. Rätselfreunde werden darüber eventuell die Nase rümpfen, mir hat es gefallen, weil ich das Gefühl hatte, logische Puzzles und eine interessante Story wären den Programmierern nahezu gleich wichtig gewesen. Und ganz so einfach wie beispielsweise „The Wolf Among Us“ (2013) ist es letztlich auch wieder nicht. Oder, um ein Klischee zu prägen: Die Mischung, die uns Revolution hier kredenzen, ist genau richtig.

Abzüglich der erwähnten Schwächen, zu denen ich noch die teils sehr umständlichen und langwierigen Laufwege zählen möchte (unter denen freilich fast alle Adventures jener Zeit leiden), komme ich damit auf starke 5 Punkte. Wenn die Musik etwas dezenter gewesen wäre, hätten es locker 6 sein können – aber auch so ist das ein mehr als respektables Ergebnis, vor allem, wenn es von einem kommt, bei dem damals praktisch nichts gegen „Monkey Island“ und „Indiana Jones“ bestehen konnte.

Gesamteindruck: 5/7


Genre: Point & Click-Adventure
Entwickler:
Revolution Software
Publisher: Virgin Interactive, Revolution Software
Jahr:
1994
Gespielt auf: PC


Screenshots aus „Beneath a Steel Sky“ – Copyright beim Entwickler!

FilmWelt: Pesthauch des Dschungels

Man verzeihe mir meine Ignoranz: Ich hatte immer das Gefühl, dass es Abenteuerfilme wie „Pesthauch des Dschungels“ (1956, im Original „La Mort en ce jardin“, also etwa „Der Tod in diesem Garten“) wie Sand am Meer gibt. Allerdings, und das wurde mir erst während des Ansehens klar, stammt vorliegendes Werk von Luis Buñuel. Und der Mexikaner gilt immerhin als einer der bedeutendsten Regisseure des 20. Jahrhunderts.

Gesamteindruck: 4/7


Mehr Fiebertraum als Pesthauch.

Trotz der Prominenz des Regisseurs habe ich von vorliegendem Film noch nie etwas gehört, bis er unlängst auf dem nie um Raritäten verlegenen Sender arte gezeigt wurde. Für mein Dafürhalten haben wir es hier mit einem soliden, gut gespielten und stark fotografierten Abenteuerfilm zu tun – ob er ein herausragender Vertreter seiner Zunft ist, wage ich hingegen nicht zu beurteilen. Mir hat er jedenfalls ganz gut gefallen, obwohl ich kein ausgewiesener Fan des Genres bin.

Worum geht’s?
In einem kleinen Dorf irgendwo in Südamerika sollen die Besitzer der hiesigen Diamantenminen enteignet werden. Die wollen sich das nicht gefallen lassen, was in einer gewalttätigen Auseinandersetzung mit den Sicherheitskräften endet. Das wiederum zwingt ein zusammengewürfeltes Quintett zur Flucht durch den unwegsamen Dschungel…

Im ersten Moment wirkt dieses im Deutschen einmal mehr sehr beliebig betitelte Werk wie ein klassischer Abenteuerfilm: Ein einsames Dorf mitten im Dschungel, bewohnt von Glücksrittern, die sich mehr schlecht als recht durchschlagen und staatliche Repression fürchten, ist Schauplatz der Handlung. Dann gibt es noch den hübschen Fremden mit undurchsichtigen Motiven, schöne Frauen und die übliche Eskalation der Gewalt, woraufhin die Flucht durch eine lebensfeindliche Umgebung folgt.

So weit, so normal – sollte man meinen. Anzumerken ist zunächst, dass „Pesthauch des Dschungels“ 1956 erschienen ist, zu einer Zeit, als speziell der französische Abenteuerfilm sehr populär war. Zu diesem stellt vorliegendes Werk allerdings eher eine Gegenposition dar, denn einen strahlenden, unbekümmerten Helden, der alle Probleme mit einem Achselzucken abschüttelt, sucht man vergebens. Überhaupt gibt es in keine wirklich brave Figur, einzig die stumme Tochter des alternden Diamantenjägers Castin stellt so etwas wie die personifizierte Unschuld dar. Weil alle Charaktere ihre menschlichen Stärken und Schwächen haben, keiner davon ein physischer oder moralischer Übermensch ist, reicht es, dass sie skizzenhaft angedeutet sind; Regisseur und Schauspieler verstehen es sehr gut, sie tiefgründiger wirken zu lassen, als man aufgrund der Handlung und der Dialoge annehmen sollte.

Schweiß und Dreck.

Ob der Film eine politische Komponente hat, die auf die Zustände seiner Zeit hinweisen, wage ich nicht zu beurteilen (angeblich beschäftigt er sich mit dem Regime des spanischen Diktators Franco, das von 1936 bis 1975 Bestand hatte). Mich haben allerdings seine völlige Humorlosigkeit und Brutalität überrascht. Das manifestiert sich vor allem zum Schluss – ein richtiges Happy End ist den Charakteren nicht vergönnt, was ich von einem derartigen Film aus den 1950er Jahren so nicht erwartet hätte.

Und auch der „abenteuerlichste“ Part des Films, der anstrengende Marsch durch den Dschungel, ist ein intensiveres Ereignis, als ich zunächst für möglich gehalten hätte. Der Urwald sieht beängstigend dicht aus, vor allem aber fühlt man förmlich die feuchte Hitze, was auch daran liegt, dass die Charaktere ständig von einem dünnen Schweißfilm überzogen scheinen und bald regelrecht vor Dreck starren. Kombiniert wird die Tortur des weglosen Dschungels mit einigen Elementen, die in solchen Filmen eher selten Eingang finden: Schwäche und Hunger treiben die Charaktere regelrecht ins Delirium, was sich im einen oder anderen Fiebertraum, aber auch in den Dialogen und in der generellen Darstellung sehr stark bemerkbar macht. Wikipedia sagt mir allerdings, dass „Pesthauch des Dschungels“ eigentlich eine rund dreiminütige „Sequenz von Traum- und Schockbildern“ enthalten hatte, die dem Schnitt zum Opfer gefallen sind. Soweit ich das beurteilen kann, fehlen diese Bilder in der deutschen Fassung auch 2021 noch, was ich sehr schade finde.

Fazit: Auch wenn „Pesthauch des Dschungels“ allein auf die Handlung bezogen gar nicht so spektakulär sein mag, ist die Umsetzung doch ausgesprochen stark und intensiv. Hätte ich so nicht erwartet – klare Empfehlung für alle, die grundsätzlich etwas mit der filmischen Darstellung von Dschungelstrapazen anfangen können und sich auch nicht davon abhalten lassen, dass echte fehlenden Wohlfühl-Charaktere fehlen. Ganz überzeugen konnte mich der Streifen im Endeffekt aber nicht.

Gesamteindruck: 4/7


Originaltitel: La Mort en ce jardin.
Regie:
Luis Buñuel
Drehbuch: Luis Buñuel, Luis Alcoriza, Raymond Queneau, Gabriel Arout
Jahr: 1956
Land: Frankreich, Mexiko
Laufzeit: ca. 95 Minuten
Besetzung (Auswahl): Simone Signoret, Charles Vanel, Georges Marchal, Michel Piccoli



SpielWelt: Fallout

Als „Fallout: A Post Nuclear Role Playing Game“ vor knapp 25 Jahren erschienen ist, wäre ich eigentlich genau in der Zielgruppe von Entwickler Black Isle gewesen. Allerdings war das Geld als Schüler denkbar knapp, sodass die ersten beiden Titel der legendären Serie komplett an mir vorüber gegangen sind. Zeit, die Ankündigung aus meiner Rezension zu Teil 4 der Serie wahr zu machen und das zu ändern!

Gesamteindruck: 4/7


Post-nukleare Rettungmission.

Bevor wir in medias res gehen, möchte ich in aller Kürze meine Sozialisierung in Sachen „Fallout“ umreißen: Ich bin 2008 mit „Fallout 3“ in die Reihe eingestiegen und habe es – genau wie den quasi-Nachfolger „Fallout: New Vegas“ (2010) – mit Begeisterung gespielt. Und auch wenn ich „Fallout 4“ (2015) ziemlich mau fand, haben mir diese drei Spiele den Zugang zum isometrischen Ursprung der Serie stark erschwert – zu sehr war ich von der Ego-Perspektive meiner ersten Berührung mit der Reihe geprägt. An der Stelle möchte ich aber auch nicht unerwähnt lassen, dass das Entwicklerstudio Bethesda (das seit 2007 praktisch alle Rechte an „Fallout“ hält) es ausgezeichnet verstanden hat, die spezielle Atmosphäre der Serie in die 3. Dimension zu überführen. Es scheint also eine Frage der ersten Erfahrung mit „Fallout“ zu sein, mit welcher Technik man sich leichter tut.

Darum geht’s
Im Jahr 2077 verwandelt ein Atomkrieg weite Teile unseres Planeten in ein lebensfeindliches Ödland. Bevor die Bomben fielen, konnten sich wenige Auserwählte in die Sicherheit großer Bunkeranlagen, genannt „Vaults“, retten. In einem davon, Vault 13, fällt fast 100 Jahre nach dem Krieg die Wasseraufbereitungsanlage aus. Weil eine Reparatur nicht möglich ist, wird ein Bewohner ausgewählt, der sich den unbekannten Gefahren des Ödlandes im Großraum Los Angeles stellen muss…

Zu den Fakten: „Fallout“ ist ein klassisches Rollenspiel, das umfangreiche Optionen zur Charaktererstellung und -entwicklung bietet. Gespielt wird in isometrischer Ansicht, also aus einer Art Vogelperspektive von schräg oben. Die eigene Spielfigur bewegt man am besten mit der Maus, etwaige NPC-Begleiter folgen dem Hauptcharakter brav und meist problemlos nach. Der zahlreichen Feinde erwehrt man sich mit einem ansehnlichen Arsenal aus Hieb-, Stich- und Schusswaffen, letztere in unterschiedlichsten Kalibern und Ausführungen (auch futuristisches Zeugs wie Plasmapistolen oder Lasergewehre ist dabei).

Während die Erkundung in Echtzeit abläuft, schaltet das Spiel für den Kampf auf einen rundenbasierten Modus um, was beispielsweise an einige „Ultima“-Vertreter oder die „Jagged Alliance“-Reihe erinnert. Gewonnene Kämpfe und gelöste Rätsel bringen Erfahrungspunkte, die irgendwann zum Stufenaufstieg führen. Ist das der Fall, dürfen neue Fertigkeiten freigeschaltet oder alte verbessert werden. Alles in allem ein zigfach bewährtes System, dem „Fallout“ wenig Neues hinzufügt (abgesehen von seinem ungewöhnlichen Setting natürlich). Mir ist übrigens bewusst, dass Designer Brian Fargo und Interplay mit „Wasteland“ bereits 1987 ein sehr ähnliches Spiel auf den Markt gebracht haben – genau darum und wegen des Scheiterns der Verhandlungen mit Rechteinhaber Electronic Arts kam es ja überhaupt erst zu „Fallout“. Das aber nur am Rande, der geistige Vater beider Spiele ist ohnehin ein und dieselbe Person.

Vieles überzeugt auch nach 25 Jahren noch.

Die größte Stärke von „Fallout“: Entwickler Black Isle und vor allem Mastermind Brian Fargo haben es geschafft, eine einzigartige, glaubwürdige und atmosphärisch sehr starke Welt zu kreieren. Das post-nukleare Amerika ist ein brutaler und zynischer Ort, der voller Details und skurriler Geschichten steckt. Verstärkt wird dieses spezielle Gefühl durch eine Vielzahl an pointierten und treffsicheren Dialogen mit den vielen, oft nicht minder skurrilen NPCs. Viel trägt übrigens auch akustische Untermalung zur desolaten Ödland-Stimmung bei – eine Tatsache, die gerne mal übersehen wird. Grafisch sind, um das auch noch zu erwähnen, Zwischensequenzen und Dialoge mit wichtigen Charakteren als besonders gelungen hervorzuheben.

All das deutet auf ein Spiel hin, das zu den Besten aller Zeiten gehört. Das kann man ohne weiteres so stehen lassen, dennoch möchte ich – wie oben angedeutet – ein paar Kritikpunkte nennen. Und: Ja, ich weiß, „Fallout“ ist zum Zeitpunkt dieser Rezension fast 25 Jahre alt. Das rechne ich in Hinblick auf meine Kritik durchaus ein, mache ich ja ohnehin immer, wie beispielsweise an meinen Rezensionen zur „Ultima“-Reihe erkennbar sein sollte. Allerdings kann und will ich über gewisse Schwächen nicht hinwegsehen, die mir das Spielvergnügen zwar nicht verdorben, es aber doch in gewissem Ausmaß eingeschränkt haben. Also: Stark sein, ihr „Fallout“-Veteranen. 😉

Frust und Pannen.

Nachdem ich die eine oder andere zeitgenössische Rezension zu „Fallout“ gelesen habe, war ich erstaunt: Dominierender Kritikpunkt scheint damals die Grafik gewesen zu sein. Nun muss man zugeben, dass die Optik eher zweckmäßig als schön ist – und ich bin mir sicher, dass auch 1997 in dieser Hinsicht deutlich mehr möglich gewesen wäre (im Spiel, nicht in den Zwischensequenzen, wohlgemerkt!). Das betrifft weniger die Details, die en masse vorhanden sind; die immer gleichen Sprites, Gebäude(teile) und Hintergründe sind hingegen tatsächlich kein Argument, das für „Fallout“ spricht. Freilich ist die Optik nicht alles, wenn es darum geht, die Güte eines Spiels zu bewerten – Fakt ist aber dennoch, dass man einem Spiel aus den 1980ern seine schlichten Grafiken deutlich leichter verzeiht als einem, das 1997 erschienen ist. All das ändert aber nichts daran, dass ich die Grafik letzten Endes gar nicht so übel fand, wie es einige Rezensenten Ende der 1990er offenbar taten.

Was damals hingegen kaum angesprochen wurde, es mir persönlich aber schwer gemacht hat, „Fallout“ wirklich gern zu spielen, sind Mängel in der im Design und vor allem in der Bedienung; beides hätte ich bei einem großen Hit Ende der 1990er so nicht erwartet. Ersteres ist vergleichsweise noch verschmerzbar, kann aber auch zu Frust führen, wenn Spielstände zum Teil nicht korrekt gespeichert werden, es gelegentliche Abstürze gibt und einige Bugs das Abschließen von Quests verhindern. Ab und an muss man dadurch einen früheren Spielstand laden, was den Programmierern wohl bewusst gewesen sein dürfte – nicht umsonst wird im Handbuch immer wieder darauf verwiesen, so oft wie nur irgend möglich zu speichern und dafür auch neue Spielstände anzulegen. In diesem Zusammenhang ist außerdem zu erwähnen, dass die freie Spielwelt natürlich ihre Tücken birgt und es immer wieder zu Dialogen kommt, in denen bereits erledigte Dinge angesprochen werden. Ein Problem, das Open World-Titel bis heute noch nicht richtig in den Griff bekommen haben.

Einen nervigen Designmangel, der nicht spielentscheidend, aber sehr frustrierend ist, möchte ich noch gesondert hervorheben: Die isometrische Perspektive ist bis heute völlig zu Recht ein etablierter Standard. Allerdings hatte ich selten derartige Probleme mit der Steuerung eines Spiels, das sich dieser Ansicht bedient. Das Problem ist bekannt: Was passiert, wenn die Spielfigur von einem Objekt, beispielsweise einer Wand, verdeckt wird? In „Fallout“ wird das Hindernis komplett transparent, sodass man seinen Charakter weiterhin im Blick hat. Funktioniert meistens gut – außer, wenn sich genau an dieser Stelle z. B. eine Tür oder ein Schalter befindet. Die Transparenz verhindert das Anklicken, heißt: Will man die Tür öffnen, muss man zuerst ein paar Schritte zurücktreten, um sie sichtbar zu machen. Unglaublich mühsam, vor allem, wenn man mehrere Versuche benötigt, um ein Schloss zu knacken.

Was das Interface und den Bedienkomfort betrifft, möchte ich drei Punkte, die man sicher auch 1997 schon hätte besser gestalten können, hervorheben. Ob und wie sehr sie den Spielfluss stören, muss jeder für sich entscheiden:

  • Inventar-Management: Je nach Stärke kann der „Vault Dweller“, wie der Spieler-Charakter genannt wird, seine Taschen gut füllen. Auf dem Bildschirm wird das Inventar jedoch in einer einzigen, nicht sortierbaren Spalte dargestellt. Unübersichtlich ist ein Hilfsausdruck, dazu nervt die mühsame Scroll-Arbeit. Eine Beschreibung von Gegenständen per Mouse-over gibt es übrigens nicht, wobei ich jetzt nicht sicher bin, ob das 1997 schon Standard war. Ein damit verwandter Minuspunkt: Es gibt nur zwei Quickslots, von denen einer in der Regel mit der aktuellen Waffe belegt ist. Um zu verdeutlichen, was das bedeuten kann: Will man ein Stimpack zur Heilung benutzen, muss man ins Inventar, den Gegenstand suchen (s. o.), auf einen der beiden Hand-Slots ziehen und ihn dann an der eigenen Figur oder einem NPC benutzen. Ein höchst mühsamer Vorgang – doch damit nicht genug: Man kann immer nur ein einzelnes Stimpack in die Hand nehmen. Braucht man mehrere für sich und seine Begleiter, dauert die medizinische Behandlung schon mal 10 Minuten.
  • Shopping-System: Wie in jedem guten Rollenspiel bieten auch in „Fallout“ diverse Händler ihre Ware feil. Allerdings gestaltet sich der Handel ungemein mühsam. Die Gründe: Eine automatische oder schnelle Vergleichsmöglichkeit mit Gegenständen aus dem Inventar gibt es nicht, angelegte Waffen oder Rüstungen kann man im Handelsmodus weder betrachten noch verkaufen. Will man also wissen, ob dieses oder jenes Schießeisen besser ist, als das, das man gerade in Händen hält, muss man seine eigene Waffe erstmal im Inventar verstauen – oder ein gutes Gedächtnis haben. Das Kaufen und Verkaufen erfolgt dann über ein Tausch-System, was üblich und in Ordnung wäre, wenn man nicht darauf angewiesen wäre, oft recht hohe Beträge ganz genau hinzublättern. Ein Beispiel: Habe ich zwei Waffen und eine Rüstung zu verkaufen und möchte dafür Munition und den Rest in klassischer „Fallout“-Währung (Kronkorken), lege ich zuerst meine Verkaufsgegenstände auf den Tisch (hier kommt übrigens wieder die oben genannte Inventar-Katastrophe ins Spiel). Dann sehe ich die Summe, die es mir im Idealfall ermöglicht, die gesamte Munition des gewünschten Kalibers vom Händler zu nehmen. Wie hoch der Restbetrag ist, den ich in Kronkorken vergütet haben möchte, muss ich mir selbst ausrechnen (!), das Spiel zeigt mir nur die Summen auf beiden Seiten des Verhandlungstisches an. Meine Kronkorken darf ich mir dann aus dem Inventar des Händlers auf den Tisch ziehen, aber immer nur maximal 999 zugleich, was bei hohen Beträgen ziemlich viel Zeit in Anspruch nimmt und mich ganz zum Schluss sogar nochmal zum Rechnen zwingt. Ich weiß nicht, was man sich bei diesem System gedacht hat – ich fand es höchst befremdlich und ausgesprochen frustrierend. Glücklicherweise ist man irgendwann im Spiel so reich, dass man kaum noch handeln muss und auf diesen Spießrutenlauf verzichten kann. Pro-Tipp: Braucht man eine Summe zwischen 1 und 999 Kronkorken, ist die zum Glück über das Nummernpad des Keyboards eingebbar, worüber sich das Handbuch aber ausschweigt. Danke ans Internet für diesen Hinweis – meine ersten Handelsaktionen habe ich per Maus durchgeführt, was fast ein Grund gewesen wäre, „Fallout“ enttäuscht in die Ecke zu feuern.
  • Questlog und Automap: Ich bin nun wirklich keiner jener Spieler, die ihre Quest-Marker, Tutorials, In-Game-Hilfen usw. brauchen, um glücklich zu sein. Wenn das so wäre, hätte ich beispielsweise keine Freude an der „Ultima“-Reihe gehabt, die bis in die 1990er ohne Block und Stift nicht spielbar war. ABER: „Fallout“ ist 1997 erschienen, warum also haben die Verantwortlichen weder Questlog noch Automap für notwendig erachtet? Bevor jetzt jemand aufschreit: Ja, ich weiß, beides ist vorhanden – aber aus meiner Sicht so rudimentär, dass man den Eindruck hat, das Spiel wäre unfertig auf den Markt geworfen worden. Kurz zur Erklärung: Das Questlog beschränkt sich auf Einträge wie „Destroy the Mutants“ oder „Get the Waterchip“. Hintergrundinfos, Hinweise auf den Ort oder den Questgeber (um die Aufgabe abschließen zu können) sucht man vergeblich. Dabei bekommt man in den Dialogen ja alles gesagt – nur ist halt mitschreiben Pflicht, wenn man, spielt man mal länger als ein oder zwei Tage nicht, nicht völlig ratlos sein will. Über die Automap hüllen wir am besten direkt den Mantel des Schweigens, wenn es keine gegeben hätte, wäre es auch nicht viel anders gewesen, nur hätte man sich dann nicht über diese rudimentäre Variante ärgern müssen.

Zu diesen großen, teils überaus frustrierenden Punkten kommt noch eine Anzahl kleinerer Pannen und Irritationen, beispielsweise das umständliche Verlassen von Städten oder die Leere der riesigen Weltkarte.

Es kann dennoch ein Vergnügen sein.

Interessant ist, dass ich „Fallout“ nach großen Startschwierigkeiten trotz dieser eigentlich recht umfangreichen Mängelliste gern gespielt habe. Vor allem gegen Ende, also zu einem Zeitpunkt, an dem man bei vielen Rollenspielen froh ist, dass es bald vorbei ist, habe ich „Fallout“ wirklich genossen. es ist also sehr paradox: Das Spiel ist inhaltlich eines der besten, die ich kenne – Handlung und Atmosphäre stimmen komplett, die Welt ist glaubwürdig, die (wenigen) Nebenquests überzeugen. Man hat Handlungsfreiheit und viele Aufgaben lassen sich auf unterschiedliche Art lösen. Es gibt unzählige Möglichkeiten zur Charakterentwicklung und interessante NPCs.

Dem stehen schwere technische Mängel gegenüber, die man heute keinem großen Titel mehr verzeihen würde. Dass man es 1997 getan hat, mag zum Teil verständlich sein – ich bin aber nach wie vor der Meinung, dass es damals deutlich besser programmierte Titel gegeben hat. So wie „Fallout“ sich präsentiert, verlangt es dem Spieler – aus meiner Sicht ohne Not – deutlich mehr ab, als ich mir jemals vorstellen konnte. Und doch… das gesamte Drumherum ist dermaßen überzeugend, dass ich trotz vieler Frustmomente einfach durchhalten musste. Dafür gibt es dann auch eine deutlich bessere Wertung, als aus dem Text dieser Rezension vielleicht herauszulesen war. Es ist aber nicht auszudenken, wie gut das Spiel eigentlich hätte sein können!

Und jetzt bin ich gespannt auf „Fallout 2“, wobei sicher ein bisschen Zeit vergehen wird und muss, bis ich mich wirklich ran wage.

Gesamteindruck: 4/7


Genre: Rollenspiel
Entwickler: Black Isle Studios
Publisher: Interplay
Jahr:
1997
Gespielt auf: PC


Screenshots aus „Fallout“ – Copyright beim Entwickler!

FilmWelt: Sputnik – Es wächst in dir

Abseits des Hollywood-Mainstreams gibt es immer wieder gute und frische Ideen zu entdecken. „Sputnik – Es wächst in dir“ (2020) ist einer dieser Filme, die es schaffen, dem alt-ehrwürdigen Thema der Frage nach außerirdischem Leben neue Impulse zu versetzen. Leider geht der russischen Produktion unterwegs ein wenig die Puste aus, was letzten Endes deutlich auf die Gesamtwertung durchschlägt.

Gesamteindruck: 3/7


Der Feind im eigenen Körper.

Es ist wieder passiert: Ich habe mir mit „Sputnik – Es wächst in dir“ einen Film angesehen, der weitgehend positive, zum Teil sogar enthusiastische Kritiken erhalten hat – nur, um festzustellen, dass ich die Begeisterung nicht so richtig zu teilen vermag. Dabei basiert das Werk auf einer zwar alten Idee, setzt diese aber durchaus spannend um, ist gut gespielt und ausgestattet sowie vor allem technisch stark gemacht. Doch was nützen die besten Ansätze, wenn das Drehbuch es nicht schafft, sie zu einem überzeugenden Gesamtbild zu vereinigen?

Worum geht’s?
Anfang der 1980er stürzt eine sowjetische Raumkapsel in Kasachstan ab. Die Retter sind schnell zur Stelle und finden einen Überlebenden vor. Als sich herausstellt, dass mit dem Kosmonauten etwas nicht stimmt, wird er in eine Forschungseinrichtung gebracht. Dort soll eine Psychologin, die mit umstrittenen Mitteln arbeitet, versuchen, zum Patienten durchzudringen. Bald merkt sie, dass ihr Schützling etwas aus dem Weltall mitgebracht hat…

Nein, neu ist der Grundgedanke von „Sputnik“ wahrlich nicht: Regisseur Jegor Abramenko hat Versatzstücke, die man aus anderen, teils überaus erfolgreichen Science Fiction-/Horror-Werken kennt, genommen und versucht, daraus etwas Eigenständiges zu kreieren. Das ist natürlich legitim – und in vorliegendem Fall durchaus gelungen: Die Mär vom Weltraumfahrer, der nach einer Begegnung der 3. Art eine gefährliche, außerirdische Lebensform in sich trägt, ist zwar 1:1 aus „Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt“ (1979) übernommen. Allerdings geht „Sputnik“ einen Schritt weiter: Was, wenn die Kreatur den Wirt verlässt, dieser den Vorgang überlebt – und die beiden eine symbiotische Beziehung haben, d. h. weder keiner von beiden ohne den anderen überleben kann?

Ein überaus spannender Ansatz, der auch den an sich wenig überraschenden Versuch der Militärs, den fremden Organismus für sich nutzbar zu machen, eine neue Dimension hinzufügt: Wie mit dem Kosmonauten umgehen, wie mit der gefährlichen Kreatur, wenn man weder den einen noch den anderen verletzen darf? Diese Frage ist auch durch den Ort des Geschehens interessant: In einer Forschungseinrichtung der Sowjetunion, mitten im Kalten Krieg, scheint tatsächlich alles möglich zu sein.

An dieser Stelle sei auch die nüchterne und düstere Ausstattung, die sich doch recht stark von der klassischen Hollywood-Optik unterscheidet, lobend erwähnt. Und weil auch die russischen Schauspieler ihre Sache großteils sehr ordentlich machen, stellt sich spätestens jetzt die Frage, wieso „Sputnik“ bei mir nicht ganz so toll abschneidet wie bei der professionellen Kritik.

Gut 30 Minuten zu lang.

Meiner Ansicht nach liegen die Schwächen ganz klar im Drehbuch. Dabei geht „Sputnik“ sehr gut los und schafft schnell eine düstere und bedrückende Atmosphäre. Die Spannung ist hoch und der Film schafft es sehr gut, das Geheimnis, das die außerirdische Kreatur und ihren Wirt umgibt, zu verschleiern. Sobald aber rund um die Halbzeit klar ist, worum es eigentlich geht – und sich überflüssigerweise auch noch die bereits vorher erwartbaren, zärtlichen Gefühle zwischen den Hauptdarstellern verdichten – geht „Sputnik“ die Puste aus.

Ungefähr zu diesem Zeitpunkt beginnt der Film, sich zu ziehen – am Ende ist er meines Erachtens gut 30 Minuten zu lang. Immer wieder machen sich Passagen bemerkbar, die wesentlich schneller hätten abgehandelt werden, so aber die anfangs so gut aufgebaute Atmosphäre empfindlich stören. Man muss im Endeffekt auch konstatieren, dass die Handlung relativ vorhersehbar ist, speziell in der zweiten Hälfte des Films. All das ist schade, weil es „Sputnik“ für mich zu einem Werk macht, das ich mir wohl kaum ein zweites Mal – geschweige denn noch öfter – ansehen werde.

Fazit: Von der andernorts gelobten Vielschichtigkeit ist bei mir nicht viel hängen geblieben. Im Gegenteil, ich fand den Film zum Ende hin immer geradliniger und, so ehrlich muss man sein, auch langweiliger. Von mir kann es daher nur eine mittelmäßige Wertung geben – ich hätte mir schlicht und einfach mehr erwartet und erhofft.

PS: Ich glaube, „Sputnik“ hätte ein herausragender Kurzfilm sein können. Oder eine starke Folge von „Akte X – Die unheimlichen Fälle des FBI“. Wobei, wenn ich so drüber nachdenke: Gab es da nicht mindestens eine Folge mit sehr ähnlichem Inhalt? Sicher bin ich mir nicht, aber es könnte gut sein…

Gesamteindruck: 3/7


Originaltitel: Спутник.
Regie:
Jegor Abramenko
Drehbuch: Oleg Malowitschko, Andrei Solotarew
Jahr: 2020
Land: Russland
Laufzeit: ca. 115 Minuten
Besetzung (Auswahl): Oxana Akinschina, Pjotr Fjodorow, Fjodor Bondartschuk, Anton Wassiljew