BuchWelt: Die unendliche Geschichte

Michael Ende


„Die unendliche Geschichte“ ist natürlich Kult, vor allem im deutschsprachigen Raum, wo es kaum einen Jugendlichen geben dürfte, der noch nie etwas davon gehört hat. Zumindest war das früher so – ob der Einfluss des Opus Magnum von Michael Ende immer noch so groß ist, kann ich nicht beurteilen. Aus Sicht des erwachsenen (Wieder-)Lesers ist das Buch nicht ganz perfekt – zu flach die Charaktere, zu oberflächlich Teile der Handlung. Das ist allerdings Kritik auf sehr hohem Niveau und sollte niemanden davon abhalten, „Die unendliche Geschichte“ zu lesen. Es ist und bleibt ein zeitloser Klassiker auf nahezu perfektem Niveau.

Gesamteindruck: 6/7


Fantasy-Klassiker (nicht nur) für Kinder.

Über dieses Buch gibt es eigentlich nichts Negatives zu sagen – vor allem, wenn man ein Kind ist oder sich zumindest daran erinnert, wie es war, „Die unendliche Geschichte“ in jungen Jahren zu lesen. Vor allem der erste Teil, den viele auch durch den gleichnamigen Film kennen dürften, kann auf ganzer Linie überzeugen. Hier hat Michael Ende perfekte Arbeit geleistet und eine Welt geschaffen, in der man sich alles so plastisch vorstellen kann, wie es selbst in den besten Fantasy-Werken nicht allzu oft vorkommt. Für Kinder handelt es sich hierbei um ein schönes Märchen, das in einen nachvollziehbaren Rahmen verpackt wurde. Die Charaktere und ihre Handlungen sind zumindest im ersten Abschnitt leicht verständlich, die grenzenlose Welt Phantásiens wirkt sehr einladend. Einziger kleiner Nachteil am Buch ist – paradoxerweise – seine Länge. Die 475 Seiten dürften etwas einschüchternd wirken und tatsächlich ist es so, dass dem Autor vor allem im zweiten Teil stellenweise etwas die Luft ausgeht, was eine gewisse Anstrengung beim Fertiglesen zur Folge hat. Dennoch ist das Buch allen jungen Lesern bzw. Eltern, die eine schöne Geschichte für ihren Nachwuchs suchen, uneingeschränkt zu empfehlen, nicht zuletzt weil es zum Lesen anderer Bücher animiert und die Fantasie auf angenehme Art und Weise stark anregt.

An dieser Stelle ist auch eine kurze Kritik für erwachsene Leser angebracht. Nachdem ich dieses Werk jetzt nach langer Zeit (dürfte zehn bis 15 Jahre her sein) wieder einmal zur Hand genommen habe, finde ich nach wie vor kaum etwas daran auszusetzen. So ist dieses Buch die wohl beste „Meta-Geschichte“, die ich kenne. Die beiden Ebenen der Handlung („wirkliche“ Welt und Phantásien) nähern sich darin immer weiter an bis schließlich ein Wechsel von der einen in die andere möglich wird. Diesen Ansatz der zwei Welten und dem daraus resultierenden Verlust der Fähigkeit, in die „Wirklichkeit“ zurückzukehren (Stichwort: Eskapismus) finde ich sehr gelungen. Auch dass es vielleicht irgendwo ein verstecktes Reich gibt, das nur durch unsere Fantasie bestehen kann, und das zerstört wird, wenn die Menschen keine Vorstellungskraft mehr besitzen, halte ich für einen faszinierenden Gedanken.

Wo viel Licht ist, ist aber auch Schatten. So bleiben meiner Meinung nach nahezu alle Charaktere der Geschichte (bis auf den Hauptprotagonisten) sehr flach, was ziemlich merkwürdig anmutet, aber wahrscheinlich an ihrer großen Zahl liegt. Dennoch hätte ich mir etwas tiefere Figuren gewünscht. Zum zweiten ist die Geschichte selbst doch oberflächlicher, als man es vom Lesen in der Kindheit her in Erinnerung hat. Der Umfang des Buches ergibt sich hauptsächlich aus der Vielzahl der darin vorkommenden Lebewesen und Schauplätze – deren äußere Beschreibungen allerdings sehr gut gelungen sind. Interessanter zu lesen ist eigentlich die zweite Hälfte des Buches, die auch ein wenig philosophischer und dunkler daher kommt. Hier findet man interessante Ansätze zur Problematik der Allmacht. Einige Episoden darin kann man mit Recht als Füller bezeichnen, ich persönlich fühle mich dadurch aber weniger gestört. Lediglich die Entwicklung der Hauptfigur in eine gänzlich unsympathische Richtung scheint mir viel zu dick aufgetragen.

Nachdem das Buch aber eindeutig für jüngere Leser geschrieben ist, sehe ich in diesen Schwierigkeiten, die ich als Erwachsener mit Teilen davon habe, keinen Grund zu einer schlechteren Bewertung. 6 Punkte für ein Buch, dass man eigentlich gelesen haben muss, und das man auch immer wieder lesen kann.
Gesamteindruck: 6/7


Autor: Michael Ende
Originaltitel: Die unendliche Geschichte
Erstveröffentlichung: 1979
Umfang: 480 Seiten
Gelesene Sprache: Deutsch
Gelesene Version: Hardcover


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FremdWelt: Montagsfrage (1)

Beim Surfen auf diversen Blogs findet man immer wieder interessante Dinge. Mich interessiert es beispielsweise, Fragen zu beantworten – und auch die Antworten Anderer zu lesen. Ein Blog, auf dem eine „Montagsfrage“ gestellt wird, habe ich unlängst entdeckt: „Buchfresserchen“ nennt sich das Ding, dessen Startseite hier zu finden ist. Mal sehen, ob ich regelmäßig dazu komme, die Montagsfrage zu beantworten.


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Liest du Bücher einzeln nacheinander oder auch mehrere parallel?

Ich lese Bücher grundsätzlich nacheinander. Alles andere hat sich als nicht zielführend erwiesen. Gerade bei komplexeren Büchern ist es so, dass ich die Ablenkung durch ein völlig anderes Thema als sehr störend empfinde – vor allem natürlich, weil ich oft nicht mehr genau weiß, wo ich aufgehört habe. Also nicht auf welcher Seite, aber inhaltlich. Speziell wenn beide (oder mehrere) parallel gelesene Bücher sehr komplex sind.

Eigentlich geht das bei mir sogar noch weiter. Momentan lese ich gerade „Midnight Tides“ (Band 5 der Serie „Malazan Book of the Fallen“ von Steven Erikson). Sehr vielschichtig, sehr komplex. Außerdem spiele ich gerade „The Elder Scrolls V: Skyrim„. Ebenfalls im Fantasy-Bereich angesiedelt. Das sind zwei parallele Freizeittätigkeiten, die mit Fantasy zu tun haben – und schon hier ist die Überschneidung fast zu viel für mich. Wenn aktuell auch noch „Game of Thrones“ im Free-TV laufen würde, wäre das schon fast ein Overkill.

Oder: „Midnight Tides“ ist ja Band 5 einer Serie, die im Original (und so lese ich sie auch) aktuell aus 11 Bänden besteht. Ich tue mir schon schwer, quasi-parallel zur Serie etwas Anderes zu lesen. Sprich: Ich werde voraussichtlich nach Band 5 direkt mit Band 6 weitermachen, ohne ein anderes Buch dazwischen zu lesen. Weil es mir lieber ist, wenn ich zuerst die Serie abschließen kann, bevor ich mich etwas Neuem widme. Allerdings habe ich zwischen Band 1 und 2 sowie zwischen 4 und 5 jeweils ein anderes (sehr kurzes) Buch gelesen. Das ist aber auch schon alles, wozu ich mich hinreißen lassen kann…

Meine Antwort:

Nein, parallel lesen haut bei mir nicht hin, will ich auch gar nicht. Die Konzentration gilt einem Werk und damit fahre ich ganz gut, denke ich.

BuchWelt: Moon

James Herbert


Alles in allem komme ich bei „Moon“ nicht über eine 3-Punkte-Wertung hinaus. Zu mühsam war das Lesen teilweise, zu belanglos schienen mir einige Beschreibungen. Schade, denn grundsätzlich ist James Herbert eine ansprechende Geschichte gelungen, die lediglich ein wenig mehr Feinschliff gebraucht hätte. Den deutschen Titelzusatz „Der Roman, der Sie nicht schlafen lässt“ halte ich so jedenfalls für einigermaßen übertrieben.

Gesamteindruck: 3/7


Zu viele Nebensächlichkeiten.

Es ist nicht zu leugnen, dass der von vielen als „Klassiker“ angepriesene Roman „Moon“, geschrieben von James Herbert († 2013) seine starken und auch beängstigenden Momente hat. Leider kommen diese – zumindest für meinen Geschmack – viel zu selten vor. Dabei ist die Geschichte grundsätzlich gut gelungen und die Thematik verhältnismäßig unverbraucht. Die Beschreibungen der grauenhaften Ereignisse sind sehr unheimlich, verzichten dabei aber auf übermäßige Effekthascherei. Es ist zwar nach wie vor starker Tobak, jedoch hat man – vor allem aus heutiger Sicht – schon weitaus Detaillierteres zu sehen und zu lesen bekommen. Stilistisch erinnert mich das Ganze ein wenig an James Herberts englischen Landsmann Clive Barker (der freilich rund 10 Jahre jünger ist und dessen erstes Werk folgerichtig erst kurz vor der Veröffentlichung von „Moon“ erschien), wenngleich dieser doch ein wenig knapper formuliert. Trotzdem ein gutes Zeichen.

Weniger gut gefallen hingegen einige andere Dinge. Zum einen sind die Personen nicht gerade tiefgehend beschrieben, was kein Beinbruch wäre, wenn sie ein wenig klischeefreier wären. Zum anderen ist die Handlung (trotz einer nicht abzusprechenden Originalität) an einigen Stellen sehr dünn und auch vorhersehbar. Am schlimmsten ist für mich jedoch, wie sehr sich Herbert oft in Nebensächlichkeiten verliert. Nun ist weitläufiges „Geschwafel“ an und für sich noch kein Grund für eine schlechtere Bewertung, nur lässt dessen Qualität in „Moon“ doch einiges zu wünschen übrig. Andere Autoren verstehen es besser, den Leser trotz aller Kleinigkeiten, die den Lesefluss unterbrechen, bei der Stange zu halten. So gesehen wäre eine Kurzgeschichte wohl die bessere Alternative gewesen.

Gesamteindruck: 3/7


Autor: James Herbert
Originaltitel: Moon
Erstveröffentlichung: 1990
Umfang: 303 Seiten
Gelesene Sprache: Deutsch
Gelesene Version: Taschenbuch (dzt. nicht verfügbar)


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BuchWelt: Starship Troopers

Robert A. Heinlein


„Starship Troopers“ ist kein „Buch zum Film“. Eigentlich ist der Film mit seiner Überspitzung faschistoider Elemente, die aus dem Roman stammen (dort aber nicht überspitzt sondern „normal“ sind) eine Antithese zu diesem Buch. Unabhängig davon ist der Roman für jeden aufgeklärten Leser, der auch mit anspruchsvoller, stellenweise sehr philosophischer Literatur kein Problem hat ausgesprochen lesenswert. Eine noch höhere Wertung wird lediglich durch einige Längen verhindert, die durch die kaum vorhandene, tatsächliche Handlung entstehen. An manchen Stellen hätte etwas Auflockerung sicherlich gut getan.

Gesamteindruck: 6/7


Stimmt nachdenklich und polarisiert.

Wieso „Starship Troopers“ ein umstrittenes Werk ist, wird auch dem unvoreingenommenen Leser schnell klar werden. Das Buch polarisiert – und zwar aus verschiedenen Gründen. Am meisten dürften diejenigen enttäuscht sein, die zuerst den Film gesehen haben und dann mit falschen Erwartungen an das Buch herangehen (genauso im umgekehrten Fall). Der Film ist praktisch ein reines Action-Feuerwerk ohne nennenswerte Story und ohne Tiefgang und weiß gerade deshalb zu gefallen. Im Gegensatz dazu hat das Buch mehr Tiefe, als so manchem lieb ist. Es finden lange Mono- und Dialoge zum Schulfach „Geschichte und Moralphilosophie“ statt, es wird eine Welt beschrieben, die zum Teil stark an die Erde zu Beginn des 20. Jahrhunderts erinnert. Das herrschende, autoritäre System wird unkommentiert und ohne Widerstand zur Kenntnis genommen, Gewalt und Krieg als einzige Lösung propagiert und die Jugend durch Lehrer zum Militärdienst angestiftet. Weiters werden autoritäre Erziehungsmethoden, öffentliche Bestrafungen und Hinrichtungen und blinder Gehorsam als selbstverständlich hingenommen. Garniert ist das Ganze mit detaillierten Beschreibungen militärischer Ausbildungsmethoden und Taktiken.

Dass dieses System im Buch perfekt funktioniert und als das Non-Plus-Ultra hingestellt wird, ist natürlich ein Ansatzpunkt für Kritik, die wohl vor allem im Erscheinungsjahr des Werkes (1959, deutsche Erstausgabe erst 1979) durchaus verständlich war. Heute ist auch eine andere Lesart möglich: ich sehe das Ganze als eine düstere und beängstigende Dystopie, als eine Art Warnung vor solchen Zuständen. Der Grund dafür ist, dass ich keinen Hinweis darauf sehe, dass Heinlein etwas anderes wollte, als eine mögliche zukünftige bzw. gescheiterte, vergangene Gesellschaftsform zu beschreiben. Natürlich hinterlässt dieser Versuch ein mulmiges Gefühl, aber ich denke, dass das die Absicht des Autors war. Nebenbei bemerkt ist dieses Buch bei weitem nicht das einzige, das in diese Kerbe schlägt. Man kann zum Beispiel durchaus Vergleiche mit „Der Wüstenplanet“ ziehen, das zwar als inhaltlich umstritten, aber moralisch einwandfrei angesehen wird.

Erschwerend für Science-Fiction-Fans kommt hinzu, dass Heinlein bis auf einige unerhebliche Ausnahmen völlig auf futuristische Elemente verzichtet. Technische Beschreibungen und Erklärungen findet man selten – der Roman ist eher ein rein philosophisches Werk. Dass diese Einschränkung, in Verbindung mit den fragwürdigen moralischen Ansichten der fiktiven Welt einigen Lesern nicht gefallen wird, liegt auf der Hand. Ich persönlich fühlte mich weder vom einen noch vom anderen gestört – technische Science Fiction gibt es zur Genüge und der Rest regt schon sehr stark zum Nachdenken an.

Gesamteindruck: 6/7


Autor: Robert A. Heinlein
Originaltitel: Starship Troopers
Erstveröffentlichung: 1959
Umfang: 160 Seiten
Gelesene Sprache: Deutsch
Gelesene Version: Taschenbuch


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BuchWelt: Der Club der toten Dichter

N. H. Kleinbaum

Was häufig herauskommt, wenn Filme nach exzellenten Buchvorlagen gedreht werden, weiß man. „Der Club der toten Dichter“ ist einer der wesentlich selteneren umgekehrten Fälle – den Film gab es zuerst, das Buch erschien danach. Das ändert aber nichts daran, dass das Original, also der hervorragende Film mit Robin Williams, die Nachveröffentlichung, also das Buch von N. H. Kleinbaum, bei weitem übertrifft.

Gesamteindruck: 2/7


Enttäuscht auf ganzer Linie.

Zunächst ist anzumerken, dass „Der Club der toten Dichter“ weit davon entfernt ist, wirklich schlecht zu sein. Es liest sich sogar sehr angenehm und ist – nicht nur durch die niedrige Seitenzahl – auch für ungeübte Leser keine Herausforderung. Der Schreibstil ist sehr einfach gehalten, teilweise sogar zu einfach, was dem filmischen Vorbild so gar nicht entspricht. Worüber man noch hinwegsehen könnte, wenn es nicht ein paar grobe Defizite gäbe.

Nancy H. Kleinbaum scheint sich beim Schreiben des Buches darauf verlassen zu haben, dass die Leser den Film kennen – anders ist es nicht zu erklären, dass auf jegliche Beschreibung der Charaktere verzichtet wird. Das beginnt beim Aussehen der Personen, das höchstens kurz angerissen wird und endet bei den  Charaktereigenschaften, die die Figuren unverwechselbar machen. Im Endeffekt fehlt damit jeglicher Tiefgang, die Personen wirken wie flache Abziehbilder der Filmvorlage. Die Autorin schafft es nicht einmal beim Lehrer, also dem charakterstärksten Element, so etwas wie tiefergehende Sympathie durch den Leser auszulösen. Dass auch nähere Beschreibungen der Schule und der Umgebung fehlen, ist dagegen schon fast verschmerzbar, kommt aber natürlich ebenfalls erschwerend hinzu.

Warum gibt es trotz dieser Kritikpunkte zwei Punkte von mir? Nun, die Geschichte selbst ist natürlich über jeden Zweifel erhaben. Es kommt stellenweise auch im Buch durchaus Spannung auf und gelegentlich fühlt man sogar ein wenig mit den Figuren mit. Wichtig wäre es aber gerade bei diesem Stoff gewesen, dieses Gefühl dauerhaft beim Leser zu erzeugen. Die Personen tragen dramatische Gedichte vor – in solchen Situationen muss einfach auch die Lektüre Emotionen auslösen, genau wie es der Film schafft. Tut sie aber leider nur in ungenügendem Ausmaß, von daher gibt es leider keinen Grund für eine bessere Bewertung.

Gesamteindruck: 2/7


Autorin: N. H. Kleinbaum
Originaltitel: Dead Poets Society
Erstveröffentlichung: 1989
Umfang: 160 Seiten
Gelesene Sprache: Deutsch
Gelesene Version: Taschenbuch


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SpielWelt: Alien: Isolation

Viel gibt es nicht, was meiner Ansicht nach an diesem Spiel auszusetzen ist. Sound, Grafik, Atmosphäre stimmen. Zu großen Teilen löst „Alien: Isolation“ vor allem eines beim Spieler aus: Nackten, puren Terror. Und das mit relativ einfachen Mitteln – ganz wie das filmische Vorbild. Ein paar kleinere Mängel gibt es natürlich (vorwiegend betrifft das die Bedienung), aber grundsätzlich finde ich nichts, was eine niedrigere Wertung rechtfertigen würde. Wer Lust auf Weltraum-Horror abseits der plakativen Gewalt von „Dead Space“ hat, sollte hier auf jeden Fall zugreifen. Für alle, die Action brauchen, ist „Alien: Isolation“ hingegen so gut wie gar nicht geeignet – um die hohe Punktezahl zu verstehen, muss man es tatsächlich schaffen, sich richtig auf das Geschehen einzulassen. Nur so entfaltet das Spiel seine volle Wirkung.

Gesamteindruck: 6/7


Wie die Mutter so die Tochter.

Ellen Ripley, Heldin aus den Alien-Filmen, hat eine Tochter namens Amanda. Dieses Faktum war mir persönlich nicht bekannt, bevor ich erstmals das Spiel „Alien: Isolation“ gestartet habe. Tja, wieder was gelernt, noch dazu etwas Wichtiges, spielt man doch in diesem Survival Horror-/Stealth-Game eben diese Amanda Ripley. All das wird im hervorragend gestalteten Intro erklärt, in dem sich Kenner der Alien-Materie sofort heimisch fühlen werden.

Und da sind wir auch schon beim Thema: Nicht nur das Intro könnte 1:1 aus einem der Filme stammen – auch das Spielgeschehen selbst versetzt einen sofort in das von Ridley Scott geschaffene Universum. Man kann es gar nicht genug hervorheben: Selten ist die Umsetzung eines Film-Franchise auf die Welt der Computerspiele so liebevoll und detailgetreu gelungen. Das betrifft zunächst einmal den Sound: Den Programmierern ist es gelungen, die Original-Sprecher aus dem ursprünglichen Alien-Film zu gewinnen. Das kommt speziell in der englischen Version zur Geltung, in der Synchronisation ist zumindest die Sprecherin von Sigourney Weaver (alias „Ellen Ripley“) wieder mit dabei. Aber auch Musik und Geräuschkulisse tragen sehr stark zum typischen Alien-Feeling bei.

Der zweite Punkt, der besticht, ist die Optik. Die Grafik ist meines Erachtens sehr gut. So ganz bin ich da nicht up-to-date, aber für meinen Geschmack sieht das Spiel wirklich fantastisch aus. Lediglich das Alien selbst gefällt mir nicht ganz so gut – aber das war schon beim Film so, zumindest wenn man es in seiner ganzen Pracht sehen konnte. Von daher entspricht es auch im Spiel genau der Vorlage. Abgesehen davon sind es aber besonders die optischen Details, die so richtig Lust machen, sich die Filme mal wieder anzusehen – und natürlich auch: zu spielen. Als Beispiele seien die weiß gepolsterten Korridore genannt, die vollkommen veraltet wirkenden Monochrom-Bildschirme, der unvermeidliche Bewegungsmelder oder auch das weiße „Blut“ der Androiden. Solche Details könnte man Hunderte nennen – es reicht aber zu sagen, dass hier echte Könner und Kenner am Werk waren.

All das sind letztlich aber Äußerlichkeiten. Es zählt, was das Spiel „kann“. Und auch das ist meiner Ansicht nach eine ganze Menge. Zunächst muss man sich jedoch von der Vorstellung verabschieden, hier durch offensives Spiel auch nur irgendetwas zu erreichen. Gut, man kann den einen oder anderen menschlichen Gegner und auch die Androiden ausschalten – bestenfalls allerdings mit einem Angriff von hinten, also möglichst risikolos. Beim Alien geht das nicht. Das Monster ist unsterblich, eine Attacke ist also sinnlos, lediglich etwas verlangsamt kann die Bestie dadurch werden. Umgekehrt tötet das Alien den Spieler bei Blickkontakt so gut wie immer sofort. Mit Glück überlebt man die Attacke oder kann in letzter Sekunde bspw. einen Molotov-Cocktail (der einen oft genug auch selbst erledigt) in Richtung Feind werfen. Meist misslingt das aber. Dadurch ist man gezwungen, zu schleichen, sich zu verstecken und allerlei Dinge zu basteln, die das Alien ablenken. Als Spieler tut man auch gut daran, die Umgebung genau zu beobachten bzw. – noch wichtiger – der Geräuschkulisse zu lauschen. So bekommt man ein gutes Gefühl dafür, wo das Alien gerade ist, was aber diverse plötzliche Schockmomente nicht verhindert, in denen man entweder stirbt oder sich panisch in einem Kasten versteckt, aus dem man sich buchstäblich minutenlang nicht mehr raustraut. Man sieht es daran schon: Das Spiel kann – wenn man sich darauf einlässt – der pure Terror sein.

Neben der ständigen Gefahr durch das Alien ist es vor allem die Klaustrophobie in der zwar großen, aber auch sehr engen Station, die den Spieler zum Wahnsinn treibt. Tatsächlich gibt es Phasen, in denen man es kaum aushält – plötzlich austretende Dampfwolken sorgen beinahe für einen Herzinfarkt, dauernd knarzt und knirscht es im Gebälk usw. Erinnert ein wenig an „Dead Space“ (auch die immer wieder auftauchenden Logbucheinträge, die nach und nach das Schicksal der Station enthüllen), ohne jedoch dermaßen plakativ auf Gewalt zu setzen.

Die Hintergrundstory von „Alien: Isolation“ ist nun nicht wahnsinnig spannend – das hat sie durchaus mit dem Film gemeinsam. Sie ist eigentlich nur ein grobes Rahmenprogramm mit dessen Hilfe der Spieler eben durch die Station „Sevastopol“ geführt wird. Und „geführt“ ist der richtige Ausdruck – viel Handlungsfreiheit gibt es nicht. Leider. Ich gehe zwar davon aus, dass der Grusel nur so in dieser Dichte möglich war – aber das könnte man durchaus als negativ werten, wobei es ähnlich gelagerte Spiele wie „Dead Space“ oder „System Shock“ auch nicht anders machen. Ein weiterer Punkt, der nicht optimal gelöst ist, ist die Steuerung. Umständlich, wie man sich im Menü Gegenstände zusammenbauen und die dann ausrüsten muss – das wäre sicher einfacher gegangen. Tutorials oder Ähnliches gibt es übrigens nicht – man muss schon selbst herausfinden, wie beispielsweise Konsolen zu knacken sind.

Zwei andere Dinge, die oft als negativ empfunden werden, möchte ich noch ansprechen: Erstens gibt es kein freies Speichern, was ich auch bei anderen Spielen als durchaus nervig empfinde. So auch hier – meist sind die Speichermöglichkeiten zwar durchaus gut verteilt, allerdings gibt es gelegentlich Sequenzen, die man oft wiederholen muss. Sehr ärgerlich und eigentlich gar nicht zwingend notwendig – das Alien bewegt sich ja vollkommen zufällig durch die Station, ist kaum vorherzuberechnen. Daran hätte auch freies Speichern nicht viel geändert – aber sei’s drum, das trägt zusätzlich zum Horror bei. Zweitens muss man sich schon auf das eher bedächtige Spielprinzip einlassen, damit sich der schiere Terror, den das Spiel auslösen soll, nicht in Frust verwandelt. Wer nicht gern langsam durch dunkle Korridore tappt (Rennen ist möglich, lockt aber Feinde an), wird mit „Alien: Isolation“ nicht viel Freude haben. Mich persönlich hat das zu keiner Sekunde gestört – daher kann es nur eine sehr hohe Wertung für dieses einzigartige Spiel geben.

Gesamteindruck: 6/7


Genre: Survival Horror/Stealth
Entwickler: The Creative Assembly / Sega
Jahr: 2014
Gespielt auf: PC


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MusikWelt: Ensiferum

Ensiferum


Das selbstbetitelte Debüt der „Schwertträger“ aus Finnland atmet mit jeder Note unglaubliche Frische, unbändige Kreativität und viel zu selten gehörte Spielfreude. Garniert mit dem Gefühl des Hörers, dass hier etwas Großes entsteht – zu Recht, wie die weitere Karriere von Ensiferum gezeigt hat. Auf „Ensiferum“ gibt es im Endeffekt tatsächlich nur Hymnen. Sogar der schwächste Song des Albums ist immer noch 5 von 7 Punkten wert. Viel besser kann man sein Debüt eigentlich nicht abliefern.

Gesamteindruck: 7/7


Hymnen für die Schlacht.

Zugegeben, die Überschrift zu dieser Rezension lehnt sich an den Manowar-Klassiker „Battle Hymns“ an. Grund dafür ist ganz einfach, dass man auch beim Genuss des selbstbetitelten Debüts von Ensiferum vom ersten Takt an heroisches Schlachtengetümmel und große Helden alter Zeiten vor sich sieht.

Bereits der Opener „Hero In A Dream“ zeigt (nach dem üblichen Intro) deutlich, wie viel Gespür die Finnen für eingängige Hymnen mit einem gehörigen Schuss Heldenpathos haben. Eine Hochgeschwindigkeitsnummer mit tollen Riffs, einem leicht mitsingbaren Refrain und einer unwiderstehlichen Melodie. Vor allem das Keyboard wurde gut, d. h. ohne negativ aufzufallen, integriert. Auch der Chor im Mittelteil ist bestens gelungen, insgesamt also ein perfekter Einstieg in die Platte. In dieselbe Kategorie, nämlich „perfekt“, fällt auch der am anderen Ende des Albums stehende und mittlerweile zum Klassiker avancierte „Battle Song“, bei dem vor allem das extrem schnelle Bassspiel zu Beginn begeistert. Auch sehr schnell und ausgezeichnet gemacht: „Windrider“, bei dem elegante, akustische Zwischenteile für die notwendige Abwechslung sorgen.

„Abwechslung“ ist auch das Stichwort für die weiteren Stücke: Bei „Token Of Time“ wird das Gaspedal nicht voll durchgetreten, dafür ist der Song wesentlich wuchtiger. Vor allem der Klar- und Chorgesang kann überzeugen. Ähnlich beim in der Mitte des Albums platzierten Zweiteiler „Väinämöinen“, der aus dem gesangstechnisch ein wenig an Amon Amarth erinnernden „Old Man“ und dem etwas ruhigeren „Little Dreamer“ (mit Ausbrüchen im Mittelteil) besteht. Sehr interessant ist auch „Guardians Of Fate“, das mit einem punkigen Beginn überrascht, danach eine schöne Melodie und tollen, rauen Klargesang im Refrain aufweist. „Abandoned“ und „Eternal Wait“ sind hingegen zwei langsame Lieder, wobei ersteres Stück wie ein typischer Vollgas-Kracher beginnt, sich danach aber in einen Stampfer mit Anleihen einer Power-Balladae verwandelt. „Eternal Wait“ ist die erste „richtige“ Ballade der Band und zeigt, wie gut Ensiferum auch in diesem Bereich sein können. Der Song versinkt nicht im Pathos, ist ausreichend heavy und vor allem der aggressive/klare Wechselgesang ist großes Kino.

Viele Haare in der Suppe gibt es also nicht zu finden. Einziger Punkt, an dem sich vielleicht einige harte Kritiker stören werden: Der Gesang, vor allem der Klargesang kommt stellenweise wohl pathetischer als ursprünglich gewünscht aus den Boxen. Auffällig vor allem bei „Treacherous Gods“, das zwar sehr heavy und groovig klingt, im Gesangsbereich aber zugegebenermaßen einen Schritt zu weit geht. Allerdings ist die Humppa-Einlage am Ende wirklich hörenswert, sodass auch hier nicht von einem Ausfall gesprochen werden kann.

Lediglich der Bonus-Track „Goblin’s Dance“ fällt in meinen Ohren ein wenig ab. Das liegt vor allem daran, dass er nicht so recht zum restlichen Material passen will. Das Stück ist sehr Black Metal-lastig, durch die Humppa-Anleihen könnte es sogar auf einer Platte von Finntroll eine gute Figur machen (kein Wunder, ist doch deren Keyboarder Henri „Trollhorn“ Sorvali auf „Ensiferum“ als Gast zu hören).

Ansonsten gibt es aber absolut nichts zu bemängeln, sodass alles andere als die Höchstwertung zu wenig wäre. Der zeitweise gescholtene Gesang bzw. die merkwürdige Betonung mit teilweise starkem, finnischem Akzent und die manchmal seichten Reime und Texte empfinde ich bei diesem Debüt eher als sympathisch als störend. Das Mitsing-Potential ist sehr hoch, das gesamte Songwriting kann überzeugen – klare Kaufempfehlung.


Track – Titel – Länge – Wertung

  1. Intro – 1:50 – 5/7
  2. Hero In A Dream – 3:40 – 7/7
  3. Token Of Time – 4:16 – 7/7
  4. Guardians Of Fate – 3:34 – 6/7
  5. Old Man (Väinämöinen Part I) – 5:33 – 7/7
  6. Little Dreamer (Väinämöinen Part II) – 5:21 – 6/7
  7. Abandoned – 6:50 – 6/7
  8. Windrider – 5:41 – 7/7
  9. Treacherous Gods – 5:14 – 5/7
  10. Eternal Wait – 5:14 – 6/7
  11. Battle Song – 3:20 – 7/7
  12. Goblin’s Dance (Bonus) – 4:29 – 4/7

Gesamteindruck: 7/7 


Ensiferum auf “Ensiferum” (2001):

  • Jari Mäenpää – Vocals, Guitar
  • Markus Toivonen – Guitar
  • Jukka-Pekka Miettinen – Bass
  • Oliver Fokin – Drums, Percussion
  • Henri „Trollhorn“ Sorvali [Guest]– Keyboards

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MusikWelt: Vulgar Display Of Power

Pantera


Eine abwechslungsreiche und vor allem brettharte Platte, der man eigentlich nur die Höchstwertung geben kann – sowohl im Kontext der Pantera-Historie als auch wegen ihrer Bedeutung für den Metal im Allgemeinen.

Gesamteindruck: 7/7


Wichtiger Teil von „Dimebag“ Darrells Vermächtnis.

Gemeinsam mit dem Vorgänger „Cowboys From Hell“ (1990) und (zumindest teilweise) dem Nachfolger „Far Beyond Driven“ (1994) bildet „Vulgar Display Of Power“ (1992) das alles überstrahlende Dreigestirn im Schaffen von Pantera. Die – auch musikalisch belanglosen – Peinlichkeiten aus den 1980ern sind heute zu Recht bereits in Vergessenheit geraten und dem Großteil des Materials ergeht es nicht viel besser…

Der Klassikerstatus von „Vulgar Display Of Power“ kann an mehreren Punkten festgemacht werden. Erstens ist Phil Anselmos Gesang eine Klasse für sich – egal ob die Songs rasend schnell, bedrohlich stampfend oder sogar balladesk-verträumt aus den Boxen kommen – seine Stimme passt in allen Lagen perfekt zur Musik. Dass Pantera als Band zu einem nicht unbeträchtlichen Teil von Anselmos Vocals gelebt haben, wird klar, wenn man sich das Line-Up ansieht. Erst als dieser sicherlich sehr schwierige Charakter 1987 an Bord kam, wuchs die Truppe zu einem ernstzunehmenden Faktor im Metalbereich heran – die drei anderen Bandmitglieder waren von Anfang an dabei, konnten den Durchbruch aber nicht erzwingen. Gerüchten zufolge ist auch der langsame, aber unaufhaltsame Abstieg der Band Ende der 1990er auf den Sänger zurückzuführen – wobei man sagen muss, dass Pantera live bis zum endgültigen Zerwürfnis (2003) eine Macht waren.

Ein weiteres Indiz für die Klasse des Albums ist – natürlich – die Basis, auf die dieser Gesang gelegt wird. Selten gab und gibt es eine Band zu hören, die einen derartigen Groove zustande bringt. Vor allem in den harten und nahezu hymnischen Midtempo-Bereichen ist die Brutalität der Texaner schwer zu erreichen. Grund dafür ist die begnadete Rhythmusfraktion um Ausnahme-Gitarrist „Dimebag“ Darrell Abbott (R.I.P. 2004), dessen Riffs und Zusammenspiel mit seinem Bruder Vinnie Paul (Schlagzeug) und auch Bassist Rex Brown ihresgleichen suchen.

Als letzten – und beileibe nicht unwichtigsten – Punkt kann sollte man das Songwriting nennen. Auf „Vulgar Display Of Power“ befinden sich elf Songs, unter denen es keinen Totalausfall gibt. Wenn man nach Schwächen sucht, wird man meiner Ansicht nach lediglich bei „Live In A Hole“ und „By Demons Be Driven“ (beide irgendwie nichtssagend) fündig. Alle anderen Stücke sind eindeutig gehobenste Qualität – vor allem „A New Level“, „Fucking Hostile“, „Rise“ (als pfeilschneller Kontrapunkt zu „This Love“) und das schon erwähnte „Hollow“ wissen zu gefallen. Die Über-Hymne „Walk“ braucht nicht extra erwähnt zu werden, ebensowenig der legendäre Opener „Mouth For War“. Interessant und ungewöhnlich klingt hingegen „No Good (Attack The Radical)“ mit seinem Sprechgesangs-Teilen.


Track – Titel – Länge – Wertung

  1. Mouth For War – 3:01 – 6/7
  2. A New Level – 3:37 – 6/7
  3. Walk – 3:14 – 7/7
  4. Fucking Hostile – 4:26 – 7/7
  5. This Love – 3:26 – 6/7
  6. Rise – 3:53 – 5/7
  7. No Good (Attack The Radical) – 3:27 – 5/7
  8. Live In A Hole – 3:38 – 4/7
  9. Regular People (Conceit) – 3:47 – 5/7
  10. By Demons Be Driven – 4:28 – 4/7
  11. Hollow – 3:33 – 7/7

Gesamteindruck: 7/7 


Pantera auf “Vulgar Display Of Power” (1992):

  • Phil Anselmo  – Vocals
  • „Dimebag“ Darrell Abbott (†) –Guitars, Backing Vocals
  • Rex Brown – Bass, Backing Vocals
  • Vinnie Paul Abbott – Drums

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