SpielWelt: F.E.A.R. 2: Project Origin

Schon der erste Teil der „F.E.A.R.“-Serie hat mich enttäuscht – einerseits, weil ich nach vielen Top-Wertungen in einschlägigen Magazinen ein Meisterwerk erwartet habe, das der Shooter aus dem Jahr 2005 aus verschiedenen Gründen beileibe nicht war. Andererseits – und das fand ich fast noch schlimmer – straft „F.E.A.R.“ seinen Namen Lügen: Abgesehen von kleineren, auf Jump-Scares beruhenden Momenten, gab es keinen Grund zur Furcht. Wer genauer wissen will, was ich von „F.E.A.R.“ halte, kann das übrigens in der entsprechenden Rezension lesen. Im Folgenden versuche ich zu erklären, warum es Teil 2 leider nicht besser macht und sogar noch eine Spur schwächer ist.

Gesamteindruck: 3/7


Furchteinflößend geht anders.

„F.E.A.R.“ steht als Wort im Englischen nicht nur für „Furcht“, sondern ist gleichzeitig die Abkürzung für die Spezialeinheit First Encounter Assault Recon“. Im ersten Teil der gleichnamigen Spiele-Serie war man Mitglied eben jener Truppe und kämpfte gegen Replikanten, die eigene Psyche und die unheimliche Alma Wade. Teil 2 trägt das Akronym zwar ebenfalls im Titel, allerdings gehört man diesmal zu „Dark Signal“, einer – Überraschung! – Spezialeinheit der U.S. Army. Mit den „F.E.A.R.“-Soldaten hat man also nichts zu tun, begegnet ihnen auch im gesamten Spiel nicht. Der Zusammenhang mit Teil 1 ist eher lose, im Prinzip sieht man einen Teil der Ereignisse aus „F.E.A.R.“ aus einer anderen Perspektive, bevor sich das Spiel zu einer eigenständigen Erzählung bzw. Fortsetzung entwickelt.

Die Handlung in Kurzfassung
Als Teil der Spezialeinheit Dark Signal hat Michael Becket rund 30 Minuten vor den abschließenden Ereignissen aus „F.E.A.R.“ den Auftrag, Genevieve Aristide, Chefin der Armacham Technology Corporation, in Sicherheit zu bringen. Im Zuge dessen stellt sich nach und nach stellt heraus, dass das gesamte Team von Dark Signal ohne es zu wissen in verschiedene Geheimprojekte bzw. Experimente jener Firma involviert war. Dadurch entstand eine gefährliche Verbindung zu Alma Wade, die neben Soldaten, Sicherheitskräften und unheimlichen Kreaturen Jagd auf Becket & Co. macht.  

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Zunächst: Ich habe mir relativ schwer getan, die Handlung von „F.E.A.R. 2“ zusammenzufassen. In meiner Erinnerung war schon die Story von Teil 1 verwirrend, hier wird nochmal eine Schippe drauf gelegt. Es gibt zwar einmal mehr überall im Spiel verteilt Tablets zu finden, die einen Teil der Ereignisse erklären, der Rest erfolgt über Dialoge im Spiel (der eigene Charakter spricht übrigens kein Wort) und Zwischensequenzen. So richtig kommt man aber dennoch nicht mit, was bei mir von Anfang an verhindert hat, dass ich richtig in die Story hineinkippen konnte, wie man so schön sagt. Interessanterweise gibt es ein Tablet mit Erklärungen zu verschiedenen Programmen und Experimenten, die immer wieder im Spiel vorkommen – das findet man aber erst irgendwann gegen Ende, sodass man sich vorher mehr oder weniger selbst zusammenreimen muss, wofür z. B. Project Harbinger steht. Nichts gegen Spiele, die ein bisschen Hirnschmalz verlangen, aber das war mir dann doch zu umständlich und zu wirr. Schade eigentlich, denn die Geschichte um unmoralische Experimente und deren Folgen hätte sicher viel Potenzial gehabt.

Von dämlichen Gegnern und anderen Problemen.

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Abgesehen von diesen Schwierigkeiten könnte ich hier eine Kopie meiner Rezension zu „F.E.A.R.“ reinstellen, denn die Kritikpunkte unterscheiden sich im Endeffekt überhaupt nicht, manches ist sogar schlechter geworden. Vor allem trifft das auf die K.I. zu: Die Gegner suchen zwar immer mal wieder Deckung, im Endeffekt laufen sie einem aber doch vor die Flinte, ohne dass man was dazu tun muss. Das hat in Teil 1 meiner Erinnerung nach besser funktioniert. „F.E.A.R. 2“ wird durch diese Dämlacke auf dem mittleren Schwierigkeitsgrad …ähem… erschreckend einfach; das auch, weil man aufgrund des Level-Designs einerseits fast immer ganz genau weiß, wann ein Angriff erfolgen wird, andererseits die Feinde immer in ähnlich großen Wellen/Gruppen auftauchen. Ob man alle besiegt hat ist übrigens auch ganz leicht zu merken: So lange sich noch einer in der Nähe befindet, gibt es die übliche Kampf-Musik, hat man alle besiegt, dringt kaum noch ein Ton aus den Kopfhörern.

A pro pos Kopfhörer: Hatte ich eine falsche Einstellung am Start oder kommt dieses Spiel wirklich weitgehend ohne Musik aus? Denn abgesehen von der Untermalung während der Feuergefechte konnte ich nicht viele Melodien ausmachen. Sehr merkwürdig – der restliche Sound ist allerdings gut, reicht von perfekt intonierter Sprachausgabe über unheilvolle Geräusche bis hin zur passenden Untermalung für die seltenen Jump-Scares. Und gleich auch noch ein Wort zur Grafik: Ich weiß jetzt nicht, ob das Spiel 2009 auf dem Stand der Technik war – ich finde jedenfalls es sieht noch gut aus, allerdings nur solange man nicht zu nahe an gewisse Objekte herantritt. Dann wird’s schnell hässlich-pixelig. Insgesamt passt die Optik aber.

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Nach diesem kleinen Exkurs zu den Äußerlichkeiten kommen wir nun zu weiteren Kritikpunkten, die mir das Vergnügen an „F.E.A.R. 2“ ordentlich vergällt haben. Dass die Gegner nicht sehr helle  sind wäre ja noch zu verschmerzen gewesen, das Problem haben ja auch ganz andere Kapazunder der Spiele-Szene. Blöd ist aber auch, dass die Kollegen nicht gerade in vielen Ausführungen auftreten, wobei ich da schon eine Verbesserung zu Teil 1 zu erkennen meinte. Weitere Dinge, die mich massiv gestört haben: Die extrem linearen Levels, die keine einzige Abweichung vom vorgegebenen Weg erlauben, die fehlende Möglichkeit, frei zu speichern, die völlige Ausblendung von Schleich-Elementen sowie die geringe Auswahl an Waffen, von denen man zu allem Übel recht wenige mitführen darf. Zusammengenommen führt all das zur schlechten Gesamtwertung. Hinzufügen möchte ich noch, dass „F.E.A.R. 2“ an einem Leiden krankt, der mich schon am Vorgänger gestört hat: Das Spiel erzeugt zu keinem Zeitpunkt wirklich Furcht. Man erschreckt sich zwar gelegentlich, das kommt aber viel zu selten vor, ist oft auch noch ziemlich vorhersehbar. Die Psycho-Elemente sind vorhanden, werden aber einfach nicht gekonnt eingesetzt. Schade – denn so ist „F.E.A.R. 2“ wie schon sein Vorgänger nicht mehr als ein einfacher, kaum aus der Masse herausragender Shooter. Und sogar als solcher hat er für mein Dafürhalten grobe Mängel, sodass ich nicht mehr als 3 von 7 Punkten vergeben kann.

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Gesamteindruck: 3/7


Genre: Ego-Shooter
Entwickler: Monolith Productions
Publisher: Warner Bros.
Jahr:
2009
Gespielt auf: PC


 

FilmWelt: Der Kreis

50 Menschen erwachen ohne zu wissen, wie sie dort hingekommen sind und was sie dort sollen, in einem dunklen Raum. Zu sehen sind nur sie selbst und ein Kreis aus Lichtern und Pfeilen am Boden sowie ein merkwürdiges Gerät in der Mitte. Die Regeln müssen sie bald auf die harte Tour lernen: Wer seinen Platz verlässt, stirbt; wer einen anderen Menschen berührt, stirbt. Und: Alle zwei Minuten stirbt jemand, der keine dieser Regeln gebrochen hat – allerdings können sie beeinflussen, wer als jeweils Nächster ins Gras beißen muss. Doch wie soll man unter völlig Fremden eine solche Entscheidung treffen? 

Gesamteindruck: 5/7


Die Mehrheit entscheidet.

„Der Kreis“ (im Original „Circle“) aus dem Jahr 2015 ist filmischer Minimalismus par excellence. Im Wesentlichen spielt sich alles in einem einzigen Raum ab, es gibt praktisch nur die 50 Personen, die man gleich zu Beginn sieht. Und auch die Ausstattung ist denkbar spartanisch: Die Szenerie ist komplett dunkel, lediglich ein paar Lichtfelder am Boden und die Figuren sind zu sehen. Schnitte gibt es zwar, längere Kamerafahrten über Teile des Kreises machen jedoch einen ähnlich großen Teil der Optik aus. Und auch zu hören gibt es nicht allzu viel, sieht man von den Dialogen ab. Die Action beschränkt sich auf die Eliminierung von Personen, die sich im zwei-Minuten-Takt abspielt und kurz und schmerzlos erfolgt.

Es passiert also nicht überbordend viel in diesem Film. Wieso zum Teufel sollte man also überhaupt einschalten? Nun, es geht um nicht mehr und nicht weniger als direkte Demokratie in Reinkultur. Mit dem Unterschied, dass derjenige, der die Abstimmung verliert, stirbt. Zugegeben: Diese Konsequenz ist drastisch und überzeichnet, dennoch zeigt „Der Kreis“, wie anfällig für Manipulation und Populismus ein System, in dem alle Beteiligten direkt und anonym abstimmen, sein kann. Immer wieder stellt der Film neue „Helden“ aus seinem zusehends kleiner werdenden Fundus in den Mittelpunkt, die versuchen, den Rest der Gemeinschaft für ihre Ideen zu gewinnen. Die einen machen das aus ehrlicher Überzeugung und moralischen Erwägungen, die anderen starten schlicht einen Versuch, sich selbst irgendwie zu retten. Beiden gemein ist, dass sie unbedingt eine einfache Mehrheit erringen müssen.

Das Problem dabei ist, dass die Entscheidung, die als Gruppe zu treffen ist, immer den Tod eines Individuums zur Folge hat (übrigens auch ein Unentschieden). Wie also bestimmen, wer es wert ist, weiterzuleben? All das wird im Film ausgiebig diskutiert, verschiedene Möglichkeiten werden ausgelotet und umgesetzt – oder verworfen. Und all das unter mörderischem Zeitdruck. Ein wenig erinnert das an eine verschärfte Variante des Spiels „Die Werwölfe von Düsterwald“, bei dem es ja auch darum geht, das Wahlverhalten der Mitspieler entscheidend zu beeinflussen.

Lebt von Dialogen.

Ob man es glaubt oder nicht: „Der Kreis“ ist trotz – oder gerade wegen – seines Minimalismus sehr spannend. Das liegt an guten Dialogen, vor allem aber auch an den Schauspielern, die diese überzeugend vortragen. Übrigens ist die Truppe großteils völlig unbekannt. Mir hat der Film praktisch durchgehend gut gefallen, wobei ich nicht verhehlen möchte, dass die eine oder andere Szene typisch amerikanisch anmutet – für den durchschnittlichen europäischen Zuschauer also höchst klischeehaft daherkommt. Ein richtiges Problem sehe ich darin allerdings nicht, wohl aber an zwei anderen Stellen: Einerseits ist da das Ende des Films, das ich so nicht gebraucht hätte. Ich glaube, ohne konkrete Auflösung wäre eine längere Nachwirkung des Gesehenen möglich gewesen, obwohl die Neugier dann natürlich umso stärker genagt hätte.

Andererseits habe ich ja schon geschrieben, dass es keine konkrete Hauptfigur gibt, sondern immer wieder im Film ein anderer Charakter die Führungsrolle übernimmt. Diese Übergänge sind teilweise ziemlich abrupt; überhaupt bleibt die Frage, wieso jemand, der im letzten Drittel des Films das große Wort führt, bis dahin nichts oder kaum etwas gesagt hat. Das ist nun kein Beinbruch und der Dramaturgie geschuldet (immerhin starten wir hier mit 50 Figuren was schon einen eklatanten Unterschied zu üblichen Gruppengrößen in Filmen ausmacht), sorgt aber in einigen Szenen doch für ein wenig bitteren Beigeschmack. Ob und wie man das hätte besser lösen können? Keine Ahnung, vielleicht hätte eine halb so große Gruppe gereicht.

Wie dem auch sei: „Der Kreis“ ist ein guter Film mit nur ganz kleinen Längen. Sollte jedem, der sich für Psychologie, Meinungsmache, Manipulation und ähnliches interessiert, gefallen. Wer allerdings Horror und/oder Splatter sucht, wie es z. B. in Teilen des ähnlich gelagerten „Cube“ vorkommt, ist hier fehl am Platze.

Gesamteindruck: 5/7


Originaltitel: Circle.
Regie: Aaron Hann, Mario Miscione
Drehbuch: Aaron Hann, Mario Miscione
Jahr: 2015
Land: USA
Laufzeit: ca. 90 Minuten
Besetzung (Auswahl): Allegra Masters, Aimee McKay, Ahley Key, Autumn Federici, Carter Jenkins, Julie Benz, Michael Nardelli, Cesar Garcia



 

SerienWelt: Braunschlag

Es gibt einiges, das ich an „Braunschlag“ mag: Die Charaktere sind herrlich (und vor allem gut gespielt), die Dialoge treffsicher. Das tiefste Niederösterreich wird als Ort der Handlung passend porträtiert, ebenso die Anspielungen auf die Irrungen, Wirren und Niederungen der Lokalpolitik. Die Handlung kann anfangs ebenfalls überzeugen, ist aber gleichzeitig der Knackpunkt, der eine bessere Gesamtwertung verhindert.

Gesamteindruck: 5/7


Gegrüßet seist Du, Maria.

„Braunschlag“ wurde von Kult-Regisseur David Schalko (u. a. „Die 4 da“, „Sendung ohne Namen“, „Altes Geld“), der auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnet, produziert. Die ORF-Serie wurde erstmals 2012 ausgestrahlt und erzählt in 8 Folgen á 45 Minuten mehr oder weniger zusammenhängende, skurrile Geschichte aus dem fiktiven Ort Braunschlag, irgendwo in Niederösterreich. Die Besetzung ist hochkarätig: Die Hauptrollen spielen Robert Palfrader, Nicholas Ofczarek, Nina Proll, Maria Hofstätter und Raimund Wallisch, dazu gibt es ein umfangreiches Ensemble an bekannten Nebendarstellern.

Inhalt in Kurzfassung
Der niederösterreichischen Marktgemeinde Braunschlag droht der Bankrott. Nur noch ein Wunder kann die finanziellen Probleme lösen – was den Bürgermeister und einen Lokalbesitzer auf eine Idee bringt: Warum auf eine Marien-Erscheinung warten, wenn man selbst eine herbeiführen und damit zahlungskräftige Pilger anlocken kann?

Der gelernte Österreicher fühlt sich in „Braunschlag“ schnell zu Hause. Vor allem, wenn er selbst aus der Provinz kommt, wird er viele der gezeigten Charaktere wiedererkennen. Das reicht vom Bürgermeister über den Dorfwirt bis hin zu den hiesigen Polizisten. Die Figuren sind natürlich überspitzt dargestellt – wobei, wenn ich es mir recht überlege, ist die Überzeichnung gar nicht so groß, wie man als Außenstehender vielleicht meinen könnte. Korruption im Westentaschenformat, Protektionismus und ähnliche Phänomene sind nun nichts, was David Schalko hätte extra für „Braunschlag“ erfinden müssen. Selbiges gilt für die Handlung: Ich glaube, dass sich die Mär vom selbst erfundenen Wunder so oder so ähnlich tatsächlich irgendwo in unserem Land abgespielt haben könnte. Dass die Charaktere überzeugen, ist auch den großteils sehr pointierten und witzigen Dialogen zu verdanken, die sich mit grobschlächtigem Wortwitz abwechseln. Um beides zu verstehen ist die Kenntnis ur-österreichischer Gegebenheiten (und auch des Dialekts) allerdings hilfreich – wenn nicht sogar Pflicht, denn die Serie lebt zu einem Gutteil von ihrer mit reichlich Lokalkolorit angehauchten Darstellung.

Überzeugt nicht durchgängig.

Leider reicht es trotz der genannten positiven Aspekte nicht für eine bessere Wertung. Grund ist, dass „Braunschlag“ auf mich wirkt, als hätten die guten Ideen für maximal fünf Folgen gereicht. Die Serie umfasst allerdings acht Episoden, was meiner Meinung nach eine gewisse Verwässerung zur Folge hat, unter der „Braunschlag“ letztlich als Ganzes leidet. Die Geschichte rund um das Wunder und dessen Folgen ist tadellos erzählt, ebenso sind die Beziehungen der Hauptfiguren untereinander gut ausgearbeitet. Nach einigen Folgen wird die Handlung allerdings zunehmend abstrus und verlässt den eigentlich sehr realistischen Pfad. Das finde ich persönlich schade, weil es bei mir das Gefühl hinterlassen hat, dass David Schalko nicht so richtig wusste, wie er „Braunschlag“ vernünftig zu Ende führen sollte. Stimmt vermutlich nicht und er wollte es genau so, wie er es umgesetzt hat – das ändert aber nichts daran, dass ich mich bis ungefähr Folge 5 extrem gut unterhalten gefühlt habe, danach leider nicht mehr so richtig. Das liegt übrigens auch an dem einen oder anderen Nebenstrang, auf den ich hätte verzichten können. Nicht, weil er per se nicht brauchbar wäre, sondern weil es dort an Tiefgang fehlt.

Fazit: „Braunschlag“ ist gut und hat durchaus das Zeug zur kleinen Kultserie. So richtig überzeugend finde ich die ORF-Produktion als Ganzes aus genannten Gründen jedoch nicht, sodass es für immer noch sehr gute 5 Punkte reichen muss.

Gesamteindruck: 5/7


Originaltitel: Braunschlag.
Idee: David Schalko
Land: Österreich
Jahr: 2012
Episoden: 8
Länge: ca. 45 Minuten
Gesehen auf: Netflix
Haupt-Besetzung: Robert Palfrader, Nicholas Ofczarek, Maria Hofstätter, Nina Proll, Raimund Wallisch, Christopher Schärf, Simon Schwarz, Manuel Rubey, Sabrina Reiter



 

SpielWelt: Avernum 3

„Avernum 3“ unterscheidet sich technisch wenig von seinen Vorgängern „Avernum“ und „Avernum 2“. Heißt: Einfachste Optik und Akustik treffen auf eine durchdachte, lebendige und von Beginn an frei begehbare Welt, die sich im Spielverlauf durchaus verändert. Es gibt eine Vielzahl an Quests, die es ohne großartige Hilfen und Komfortfunktionen zu lösen gilt. Story und Handlung sind wie schon bei den Vorgängern über weite Strecken des Spiels gelungen, allerdings hat man erstmals das Gefühl, dass Entwickler und Publisher Spiderweb Software bei der Dimensionierung der Spielwelt ein wenig überambitioniert zu Werke gegangen ist. Dennoch: Rollenspiel-Puristen bringt auch der dritte Ausflug nach Avernum viele, viele Stunden an Vergnügen.

Gesamteindruck: 4/7


Schöne, neue Welt.

„Avernum 3“ aus dem Jahre 2003 ist – wie schon seine unmittelbaren Vorgänger – Teil eines Remakes der „Exile“-Trilogie (1995-1997) und als solcher gleichzeitig Schlusspunkt des als „Avernum: First Trilogy“ bekannten Shareware-Triumvirats (2005 bis 2009 folgte die „Second Trilogy“ als Abschluss der Serie). So viel in gebotener Kürze zur geschichtlichen Einordnung – zu kaufen gibt es „Avernum“ in Bausch und Bogen (die Teile 1 bis 6 sowie das außerhalb des Canons liegende Zwischenspiel „Blades of Avernum“) bei gog.com. Für derzeit wohlfeile 10,79 Euro erhält man hunderte (!) Stunden Spielspaß, wobei das Vergnügen stark davon abhängt, wie sehr man sich in dieses äußerlich wenig anspruchsvolle, spielerisch aber umso komplexere Universum hineinversetzen kann. Ich kann sowohl Begeisterung als auch eher verhaltene Reaktionen (bis hin zu völliger Ablehnung) verstehen.

Die Handlung in Kurzfassung
Zehn Jahre ist es her, dass die Bewohner des unterirdischen Gefängnisses Avernum das Imperium in seine Schranken gewiesen und zurück an die Oberfläche getrieben haben. Direkt nach jener abgewehrten Invasion haben die Averniten begonnen, selbst einen Feldzug vorzubereiten – einerseits, um die ständige Bedrohung durch das Imperium zu beseitigen, andererseits um endlich ihren düsteren Kerker zu verlassen. Doch niemand in Avernum weiß, was eigentlich an der Oberfläche vor sich geht. Daher werden Kundschafter ausgesandt, die so viele Informationen wie möglich zurück in die Unterwelt bringen sollen…  

Der erfahrene „Avernum“-Recke findet sich auch im dritten Teil der Serie schnell zurecht: Zunächst gilt es, mindestens einen Charakter zu erstellen – dazu bedient man sich entweder vorgefertigter Helden oder vergibt nach eigenem Gutdünken Punkte für Haupt- und Nebenfähigkeiten, passt Klasse, Rasse und Talente an. Dieser Vorgang ist einigermaßen komplex – gilt es doch zu überlegen, welche Fähigkeiten sich ergänzen könnten, wenn man eine ganze Gruppe (vier Charaktere sind das Maximum für die eigene Party) erstellt. Aber auch die Aufnahme von NPCs ist möglich, ebenso kann man sich mit allen möglichen Party-Kombinationen bis hin zum Alleingang mit einer einzigen Spielfigur an „Avernum 3“ versuchen.

Hat man diese Prozedur, die jeder Fan altmodischer Rollenspiele so sehr liebt, überstanden, geht es mit einer kurzen Zusammenfassung der bisherigen Ereignisse los – diesmal übrigens nicht in schnöder Textform, sondern in Spielgrafik (und durchaus mit Humor, wohlgemerkt). Das als Intro zu bezeichnen wäre zu viel – eine Neuerung gegenüber den Vorgängern ist es aber doch. So richtig merkt man aber erst im Spiel selbst, was sich sonst noch so gegenüber den Vorgängern getan hat. Im direkten Vergleich ist das gar nicht so wenig – denn „Avernum“ und „Avernum 2“ glichen sich letztlich wie ein Ei dem anderen, sieht man von ganz geringfügigen Verbesserungen ab (z. B. gab es in „Avernum“ noch nicht einmal ein Questlog).

(Fast) ein Augen- und Ohrenschmaus.

Der erste Hingucker… Verzeihung, Hinhörer, ist der Sound. Nicht, dass „Avernum 3“ nun plötzlich mit einem echten Soundtrack glänzen würde. Allerdings kann man erstmals in der Serie so etwas wie Ambient-Geräuschen lauschen. Im Wesentlichen gibt es dafür vier Szenarios: Städte/Dörfer, Höhlen, Dungeons und Freiluft-Areale. In Ersteren hat man die ständige Lärmkulisse miteinander sprechender Lebewesen, in den Höhlen rieselt und tropft immer irgendwo Wasser, an der frischen Luft hört man Vögel und Insekten, in den Dungeons unheimliches Geflüster und Gebrumme. Zu Begeisterungsstürmen reißen vor allem Höhlen- und Außenbereiche in Sachen Sound nicht hin – beides ist auf Dauer einigermaßen nervig (und kann zur Not auch deaktiviert werden). Die Städte und Dörfer sind in dieser Hinsicht immerhin in Ordnung, so richtig gelungen sind aber die Dungeons. Hier kommt tatsächlich bedrückend-unheilvolle Stimmung auf; das neue Soundgewand ist wirklich eine Bereicherung, wenn man z. B. durch den Turm eines offenbar verrückt gewordenen Zauberers schleicht. Ein abschließendes Wort zum Sound: Einige Kreaturen haben zumindest neue Todesgeräusche spendiert bekommen, insgesamt ist und bleibt die akustische Untermalung jedoch stark ausbaufähig.

Gleiches gilt, wie nach einem Blick auf die Screenshots klar sein sollte, für die Grafik. Hier hat sich im Gegensatz zum Sound grundsätzlich mal gar nichts getan. Aber, ich habe es oben ja erwähnt, „Avernum 3“ spielt sich weitgehend an der Oberfläche ab. Daraus folgt, dass das Spiel vergleichsweise bunt daherkommt – anstelle einheitlich braun-grauer Höhlen gibt es nun Wiesen und Wälder, die saftig grün strahlen. Eine ungewohnte Abwechslung für das an die düstere „Avernum“-Umgebung gewöhnte Auge und einmal mehr ein Beispiel dafür, wie gut man sich als Spieler mit dem Szenario identifizieren kann. Denn wer unmittelbar vorher die Teile 1 und 2 gespielt hat, wird sich ähnlich seinen Spielfiguren verwundert die Augen reiben, wenn er zum ersten Mal die Höhlenwelt verlässt.

Die üppige Landschaft hat übrigens auch ihre Nachteile: Vor allem im relativ dicht bewaldeten Norden der Spielwelt ist die Fortbewegung zwischen den Bäumen dermaßen hakelig und mühsam, dass ich dafür direkt einen Punkt abziehen möchte, so sehr nervt das. Und, auch wenn das jetzt weniger die Grafik per se sondern eher den Aufbau der Welt betrifft: Schön und gut, dass es in „Avernum 3“ deutlich mehr Siedlungen gibt, in denen man seine Vorräte aufstocken kann und hin und wieder auch mal Quests bekommt. Irgendwann vergeht einem aber dann doch ein bisschen die Lust, weil vor allem die kleineren Dörfer immer gleich aussehen. Immerhin sind die Städte sehr individuell gestaltet und weisen verschiedene Besonderheiten auf. Die Unterschiede zwischen Dorf und Stadt erwecken übrigens ein wenig den Eindruck als hätte sich Spiderweb Software mit der Größe von „Avernum 3“ übernommen und sich schwer getan, die riesige Welt mit ausreichend spannenden Inhalten zu füllen.

Geduld ist und bleibt gefragt.

Als Spieler musste man für „Avernum“ immer schon viel Geduld mitbringen – und eine gewisse Ader für den sehr eigenwilligen und altbackenen Stil mitbringen, der noch dazu ohne jegliche Komfortfunktionen auskommt. „Avernum 3“ bildet natürlich keine Ausnahme, wenngleich man hier erstmals ein einigermaßen aufgeräumt wirkendes Journal bekommt, das es zumindest erleichtert, der Story zu folgen. Das Questlog kennt man aus dem Vorgänger, verbessert wurde es allerdings nicht. Und auch sonst wurden gewisse … hmmm… Eigenheiten, die stark frustrieren können, nicht behoben. So ist es weiterhin nicht möglich, Effekte von Zaubersprüchen, die man sich kaufen möchte, direkt beim Händler abzurufen. Eine Vergleichsmöglichkeit von Waffen und Rüstungen gibt es nicht – und dass es mittlerweile ein zusätzliches Rüstungsmodell gibt, hilft nur bedingt, wenn weiterhin alle Varianten (u. a. Stahl, Bronze) einzelner Harnisch-Klassen optisch nicht unterscheidbar sind.

Nicht zu unterschätzen  ist auch, dass trotz riesiger Spielwelt nach wie vor keine Gesamtkarte existiert. Automapping gibt es zwar schon seit Teil 1, aber eine Übersicht? Fehlanzeige, man kann immerhin bei gewissen Händlern Karten der einzelnen Regionen kaufen. Das ist vor allem in Hinblick auf die zahlreichen Nebenquests angeraten, weil man sonst im schlimmsten Fall stundenlang versucht, seinen Questgeber wiederzufinden. Kein Witz – im Log werden zwar Personen- und Ortsnamen genannt, merken, wo sich die bewusste Stadt ungefähr befindet, muss man sich jedoch selbst. Das ist unglaublich mühsam, vor allem, wenn man das Spiel mal ein paar Tage ruhen lässt. Erwähnt sei in diesem Zusammenhang auch noch, dass das Spiel wenig bis gar kein Feedback gibt, was das Gelingen mancher Quests zur reinen Glückssache verkommen lässt. Solche und ähnliche Kleinigkeiten gibt es zu Hauf, darüber sollte sich jeder im Klaren sein, der „Avernum“ nicht schon im Vorhinein wegen der Screenshots verdammt.

Von Längen und einem durchwachsenen Finale.

Apropos „verdammen“: Nach rund 10 Stunden Spielzeit wollte ich tatsächlich zu einer wüsten Tirade gegen „Avernum 3“ ansetzen. Der Grund: Während ich bei beiden Vorgängern von Beginn an einerseits in die Story gezogen wurde, andererseits immer recht klar war, was als nächstes zu tun war, wird Teil 3 sehr schnell unübersichtlich. Der Anfang ist noch in Ordnung, sobald man aber die riesige, offene Welt der Oberfläche betritt, wird es zäh. „Explore the Surface“, lautet der Auftrag – was in Ordnung wäre, aber irgendwie verschwindet der rote Faden recht schnell und man weiß nicht so genau, wohin man sich wenden und was man dort tun soll. Das legt sich nach ein paar weiteren Spielstunden, aber dass die Story zwischendurch so viel an Fahrt verliert, mag schon ein Grund sein, wieso der eine oder andere aufgeben könnte.

Ich habe das natürlich nicht gemacht – und siehe da, irgendwann nach diesem zwischenzeitlichen Hänger, den man so von den Vorgängern überhaupt nicht kennt, wird auch „Avernum 3“ wieder höchst spannend und interessant. Leider setzt sich das nicht bis zum Ende fort. Die finalen Stunden sind extrem kampflastig, wahre Horden von Gegnern müssen eliminiert werden – eine Alternative steht nicht zur Verfügung. Das ist schade, denn bis zu diesem Zeitpunkt hat „Avernum“ nie auf Masse statt Klasse gesetzt. Hier ist es aber so; und dass die Auflösung letztlich auch nicht so gelungen ist, wie man sich das gewünscht hätte, passt zum langwierigen Endgame. Zusammengenommen sorgen die genannten Kritikpunkte dafür, dass „Avernum 3“ – obwohl grundsätzlich nach wie vor ein gutes Rollenspiel – der bis zu diesem Zeitpunkt schwächste Teil der Serie ist.

Gesamteindruck: 4/7


Genre: Rollenspiel
Entwickler: Spiderweb Software
Publisher: Spiderweb Software
Jahr:
2002
Gespielt auf: PC