MusikWelt: This Is No Fairytale

Carach Angren


„This Is No Fairytale“ ist eher Hörspiel als reines Musik-Album, stellenweise gewinnt man sogar den Eindruck, der narrative Part und die Lyrics wären der Band leichter gefallen, als die Musik. Aus dieser Sicht ist auch mein Gesamteindruck zu verstehen. Rein musikalisch mögen für den einen oder anderen Metal-Fan die 6 Punkte überzogen erscheinen. Hätte ich nur die Musik bewertet, hätte ich tatsächlich maximal 5 gegeben. Aber der „Gesamteindruck“ ist eben genau das – der Versuch, das Werk als Ganzes zu bewerten. Und da zeigt sich für mein Dafürhalten, dass Carach Angren ihre Version von „Hänsel und Gretel“ überzeugend und herausragend erzählen. Und sich dadurch Extra-Punkte verdienen, weil ich das Album allein wegen der Geschichte so gerne höre (und von der ersten Hälfte auch musikalisch begeistert bin).

Gesamteindruck: 6/7


Ein pechschwarzes Hörspiel.

Carach Angren* aus den Niederlanden haben sich im extremen Metal-Bereich eine ganz eigene Nische geschaffen. Musikalisch sind sie einigermaßen vergleichbar mit Cradle Of Filth und Dimmu Borgir, lyrisch gehen ihre Konzeptalben in Richtung Horror, Märchen, unheimliche Geschichten und dunkle Legenden – all das vertont in wahnwitzigen, überbordenden Kompositionen. Dazwischen wird der klanggewordene Wahnsinn immer wieder durch finster gesprochene (eher: gekrächzte) Passagen unterbrochen, intensiv dargeboten durch den charismatischen Frontmann Dennis „Seregor“ Droomers. An dieser eher hilflosen Beschreibung sieht man schon, wie schwer die Musik von Carach Angren zu fassen ist. Es genügt zu sagen, dass die Songs immer düster und böse, meist ausladend inszeniert und vertont, oft vertrackt, dabei gleichzeitig aber stets gut hörbar sind. Strophe-Refrain-Strophe-Strukturen sucht man vergeblich, was aber nicht heißt, dass die Stücke sich jedem Verständnis durch Otto-Normal-Hörer entziehen. Einmaliges Hören reicht jedoch selten aus, damit sich die Songs irgendwo im Hirn festkrallen können.

Nun aber zur 2015er-Platte „This Is No Fairytale“. Der Titel deutet es schon an – das geschminkte Trio bittet diesmal zur Märchenstunde in der es mitnichten froh und munter zugeht. Die Geschichte ist angelehnt an „Hänsel und Gretel“, also ein ohnehin schon sehr düsteres Werk. Die Version von Carach Angren ist vollends geeignet, Alpträume auszulösen: Drogen und Gewalt, Missbrauch und Mord, Wahnsinn und Kannibalismus sind so ungefähr die Eckpunkte. Selbstredend gönnen die Holländer ihren Zuhörern in ihrer Variante des klassischen Stoffs auch kein Happy End.

Wer der Geschichte von „This Is No Fairytale“ folgen möchte, muss – wie bei Konzeptalben üblich – die Songs in der richtigen Reihenfolge hören. Standesgemäß beginnt ein Märchen mit den Worten „Es war einmal…“ (Englisch: „Once upon a time…“). Passiert auch hier, wobei das Intro „Once Upon A Time“ nur die instrumentale Umsetzung dieses klassischen Märchen-Auftaktes ist. Die passenden Worte sind dann auch gleich die ersten des bereits vorab bekannten Stückes „There’s No Place Like Home“. Hier zeigt sich sofort: Carach Angren sind auf ihrem vierten Album ein ganzes Stück brutaler geworden. Das hat einerseits mit dem Songwriting zu tun, andererseits wurde an der Produktion gefeilt, wodurch sich die klangliche Transparenz erhöht hat. Damit kommen Details noch stärker zur Geltung – was gelegentlich den Nachteil hat, dass die Musik den Hörer regelrecht zu erschlagen droht. Glücklicherweise schafft die Band zumindest in der ersten Albumhälfte immer die Wanderung auf dem schmalen Grat zwischen Bombast und Song-Dienlichkeit. Was ebenfalls schnell auffällt: Seregor ist bemüht, seine Stimme dem härteren Songwriting anzupassen und dringt zeitweise in Regionen vor, die in der Regel dem Death Metal vorbehalten sind. Mir gefällt es, die Texte werden dadurch noch verständlicher, was bei der ausgefeilten Lyrik von Carach Angren nur ein Pluspunkt sein kann.

Vom Songwriting her hat man vor allem in der ersten Albumhälfte (die ich persönlich als die etwas Stärkere einschätze) das Gefühl eines Hörspiels. Die Songs sind natürlich immer noch schwarzmetallisch angehaucht (man höre z. B. die flirrenden Gitarren in „Two Flies Flew Into A Black Sugar Cobweb“). Allerdings enthalten die Stücke auch immer wieder quasi-narrative Passagen, unterlegt mit passender Musik. Um zu verstehen, was ich meine, kann man sich beispielsweise den Mittelteil von „When Crows Tick On Windows“ anhören. So richtig Gruselstimmung kommt übrigens bei „Dreaming Of A Nightmare In Eden“ auf: Hier erzählt Seregor mit seiner unheimlichsten Krächz-Stimme, unterlegt von schauriger Instrumentierung den Teil des Märchens, in dem die Protagonisten an das Knusperhäuschen kommen. Speziell wie die Hexe ihren berühmten Satz zum Besten gibt („Nibble, nibble, gnaw…“), hier natürlich in düster abgewandelter Form, lässt einem förmlich die Haare zu Berge stehen. Diesen Track würde ich tatsächlich als Kernstück der Platte ansehen, zumindest was den narrativen Teil betrifft. Fast hat man den Eindruck, als hätte die Band gern mehr oder weniger die gesamte Platte in diesem Stil aufgenommen – ein Gefühl, das man auch von anderen Werken der Holländer kennt.

Es soll bei aller Euphorie aber auch nicht verhehlt werden, dass die Stücke ab der Hälfte des Albums musikalisch ein wenig abfallen und mehr von der erzählten Geschichte als von der Musik leben. Speziell bei „Possessed By A Craft Of Witchery“ gelingt es nicht so perfekt wie im ersten Teil des Albums, das Stück trotz Komplexität gut hörbar zu halten. Dadurch wirkt der Track zwar sehr theatralisch, letztlich aber zu zerfahren, um sich als Hörer festhalten zu können. Der Grund ist in meinen Ohren, dass hier versucht wurde, mit der Lead-Gitarre Story-unterstützend zu arbeiten, was mir im Endeffekt viel zu verfrickelt klingt. Letztlich ist dieses Lied dadurch meiner Ansicht nach das musikalisch schwächste (oder besser: am schwierigsten zu hörende) auf dem Album. Ähnliches gilt für „Killed And Served By The Devil“, das einem Doublebass-Overkill gleicht und nur dann wirklich gut ist, wenn Carach Angren das Tempo etwas herausnehmen. Auch „The WItch Perished In Flames“ kann mich musikalisch nicht sonderlich überzeugen. Nur das finale, wieder mit schwarzem Hörspielcharakter aufwartende „Tragedy Ever After“ versöhnt auch von der Musik her wieder – vom unerwarteten Story-Twist am Ende ganz zu schweigen.

***

* Exkurs: Wie bei vielen Gruppen, die sich nach irgendwelchen Orten oder Namen aus der Mythologie von J.R.R. Tolkien benannt haben, ist auch hier der Bandname vollkommen unpassend (abgesehen vom exotischen Klang natürlich). Tolkien-Themen sucht man vergebens – genau wie z. B. bei Amon Amarth und Gorgoroth oder – um nicht nur Bands zu nennen – bei Dimmu Borgir-Schreihals Shagrath.


Track – Titel – Länge – Wertung

  1. Once Upon A Time – 1:37 – 5/7
  2. There’s No Place Like Home –  4:32 – 5/7
  3. When Crows Tick On Windows – 6:19 – 7/7
  4. Two Flies Flew Into A Black Sugar Cobweb – 7:49 – 6/7
  5. Dreaming Of A Nightmare In Eden – 2:38 – 7/7
  6. Possessed By A Craft Of Witchery – 6:11 – 3/7
  7. Killed And Served By The Devil – 4:09 – 4/7
  8. The Witch Perished In Flames – 5:47 – 3/7
  9. Tragedy Ever After – 5:22 – 6/7

Gesamteindruck: 6/7 


Carach Angren auf “This Is No Fairytale” (2015):

  • Seregor – Vocals, Guitars
  • Ardek – Orchestrations, Keyboards
  • Namtar – Drums

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BuchWelt: Die Zeitmaschine

H. G. Wells


Wie man es von den klassischen Science-Fiction-Autoren gewohnt ist, hat auch H. G. Wells eine wundervolle Art, seine Geschichte dem Leser näherzubringen. Das liest sich auch heute, weit über 100 Jahre nach der Erscheinung des Buches, immer noch fantastisch. Manchem mag der Stil altmodisch und damit etwas holprig erscheinen, mir persönlich gefällt er sehr gut und hebt sich erfrischend von den modernen Schriftstellern ab. Für die Höchstwertung reicht es aber dennoch nicht ganz, da trotz des geringen Umfangs von ca. 160 Seiten ein paar Längen enthalten sind. Gelesen haben sollte man „Die Zeitmaschine“ aber auf jeden Fall – nicht nur als Fan klassischer Science Fiction.

Gesamteindruck: 6/7


Kritische Auseinandersetzung mit der Zukunft.

Gerade die klassische Science Fiction hat oft mit dem Problem zu kämpfen, dass ihre Visionen bereits von der Zukunft eingeholt wurden. Das keineswegs negativ zu werten, gerade weil die Vorstellungen der alten Meister oft sehr prophetisch waren. Vor allem Jules Verne und eben H. G. Wells waren echte Visionäre und vieles traf bereits so ein, wie von ihnen vorhergesagt. Manche Voraussagen erwiesen sich im Nachhinein aber auch als falsch – dem beugt Wells im Falle der „Zeitmaschine“, anders als im „Krieg der Welten“, sehr gut vor, indem er weite Teile der Handlung nicht in eine nahe, sondern in eine unvorstellbar weit entfernte Zukunft verlegt. So wird nicht so bald zu erkennen sein, was von den Ideen des Autors wirklich eintrifft und was sich als „falsch“ erweist.

Wie dem auch sei, es gibt es auch in diesem Buch hier ein paar echte Sensationen zu lesen (unter anderem wird zum Beispiel mit der Behauptung, die Zeit sei die vierte Dimension Einstein zumindest ansatzweise vorweggenommen). Ein weiterer Teil der Faszination, die von diesem Roman nach wie vor ausgeht beruht auf den relativ stark ausgeprägten, gesellschaftskritischen Ansätzen. Wells veranschaulicht in „Die Zeitmaschine“ sehr deutlich, wie aus den Fehlern seiner eigenen Zeit der spätere Niedergang der menschlichen Zivilisation hervorgeht, der schließlich in Barbarei und Versklavung endet. Eine indirekte Kritik an der Unterdrückung der Menschen zu Wells Zeit – und heute, in Zeiten menschenunwürdiger Produktionsbedingungen nach wie vor hochaktuell.

Sprachlich empfinde ich den Abschnitt der Geschichte am gelungensten, in dem der Autor seinen namenlosen Protagonisten weitere Jahrtausende nach der eigentlichen Handlung weiter in die Zukunft reisen lässt. Die Trostlosigkeit der dort beschriebenen Welt ist dermaßen anschaulich, dass einen das Bild praktisch tagelang nicht mehr loslässt.

Gesamteindruck: 6/7


Autor: H. G. Wells
Originaltitel: The Time Machine
Erstveröffentlichung: 1895
Umfang: 160 Seiten (deutsche Printausgabe)
Gelesene Sprache: Deutsch
Version: Taschenbuch


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A Cure for Wellness
A. I. Rising
Abraham Lincoln Vampirjäger
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Battleground – Helden im Feuersturm
Being John Malkovich
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Stille Wåsser
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Zwei
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FilmWelt: Near Dark – Die Nacht hat ihren Preis

„Near Dark – Die Nacht hat ihren Preis“ ist eine Mischung aus Horrorfilm, Western, Road-Movie und Liebesfilm, die von den Grundvoraussetzungen her bestens ausgestattet ist und mit großteils ambitionierten Schauspielern aufwartet. Leider machen eine Story, die auf Nummer sicher geht und ein wenig durchdachtes Drehbuch dem Erfolg einen Strich durch die Rechnung. Damit sind maximal vier Punkte möglich, von denen einer nur aus Nostalgiegründen vergeben wird. Von einem „frühen Meisterwerk“ der Regisseurin kann aus meiner Sicht leider keine Rede sein.

Gesamteindruck: 4/7


Trotz Nostalgiebonus eher bescheiden.

So ist das mit der Nostalgie… Vor vielen Jahren hat man einmal einen Film im Fernsehen gesehen – und aus irgendeinem Grund, der vielleicht gar nichts mit dem Film selbst zu tun hat, hat man das Gefühl, dass er ausgezeichnet war. Nach langer Zeit, in der man nicht an den Streifen gedacht, sogar den Namen vergessen hat, sieht man ihn zufällig im Geschäft oder im Netz und greift zu. Die Vorfreude ist groß und auch die ersten Minuten sind durchaus in Ordnung, nach dem Ansehen regiert allerdings die große Enttäuschung und man merkt: Nur eine nostalgisch verklärte Sicht hat den Film so toll erscheinen lassen, wie er in Wirklichkeit nie war.

Lange Einführung, kurzer Sinn: „Near Dark – Die Nacht hat ihren Preis“ habe ich irgendwann einmal gesehen und der Film wurde in meiner Erinnerung zum Klassiker. Warum das so war kann ich bis heute nicht verstehen. Objektiv betrachtet ist der Film von Kathryn Bigelow (u. a. „Strange Days“ und „Zero Dark Thirty“) zwar gar nicht schlecht, das Zeug zum Klassiker hat er definitiv nicht.

Beginnen wir aber mit dem Positiven: Der Film aus dem Jahre 1987 ist ein Vampirfilm, der stilistisch und auch von der Handlung her stark an den wesentlich bekannteren und erfolgreicheren „The Lost Boys“ (ebenfalls 1987) erinnert. Wobei in „Near Dark“ das Wort „Vampir“ und seine Synonyme kein einziges Mal ausgesprochen wird. Ist auch nicht notwendig – die Bilder sprechen ja für sich. Die Optik entspricht dem in den 1980er Jahren offensichtlich sehr beliebten „moderner Western“-Setting, dementsprechend wird die Vampir-Gang als eine Art „Outlaws“ portraitiert. Die Bilder sind sehr gut gelungen, alles wirkt stimmig und wurde wunderbar fotografiert. Zu beachten ist die teilweise recht explizite Gewaltdarstellung, insbesondere wenn Vampire dem Sonnenlicht ausgesetzt werden. Der Soundtrack stammt von den Elektro-Pionieren Tangerine Dream und entspricht im Wesentlichen dem, was man von einem Film dieser Epoche erwartet. Spektakulär geht anders, aber immerhin gibt es wesentlich schlechtere Filmmusik.

Zu den Charakteren ist zu bemerken, dass der Film abgesehen von kleinen Andeutungen keinerlei Wert auf tiefe Einblicke legt. Man erfährt nichts Relevantes über die Hintergrundgeschichte der Protagonisten – alle sind einfach so, wie sie sind. Die Vampirbande ist – mit einer Ausnahme – eine Gang von sadistischen, gefühllosen Outlaws, die von ihren Schauspielern zumindest gut verkörpert werden. Was das betrifft ist eigentlich alles im grünen Bereich, speziell Bill Paxton als Cowboy-Vampir „Severen“ und Lance Henriksen als Ober-Blutsauger „Jesse Hooker“ können überzeugen.

Woran es letztlich krankt ist die Story, die einerseits absolute Standardkost ist, andererseits unter einem relativ trägen Drehbuch leidet, wodurch sich letztlich wohl auch die Schauspieler nicht richtig in Szene setzen können. Im Prinzip ist es das Übliche: Ein Mensch verliebt sich in einen Vampir, wird selbst zum Vampir, weigert sich, sein neues „Leben“ zu akzeptieren (also: zu töten um nicht zu verhungern), wird schließlich doch Teil der Vampirgesellschaft und wird dann noch vor die Wahl der Rückkehr in ein menschliches Leben gestellt. All das wird stark komprimiert und passiert ohne jegliche Überraschungsmomente, bis hin zum erwartungsgemäß kitschigen Finale. Mehr ist es nicht – wer möchte, kann noch die Themen der körperlichen und psychischen Abhängigkeit in den Film interpretieren, aber auch dazu gibt es besseres Material.

Gesamteindruck: 4/7


Originaltitel: Near Dark
Regie: Kathryn Bigelow
Jahr: 1987
Land: USA
Laufzeit: 94 Minuten
Besetzung (Auswahl): Adrian Padar, Jenny Wright, Lance Henriksen, Bill Paxton, Jeanette Goldstein


Filmvorschau (englisch)


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Avernum 2
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Bad Mojo Redux
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Beneath a Steel Sky
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Böse Nachbarn – Rache ist ein süßes Spiel
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Call Of Cthulhu – Dark Corners Of The Earth
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E

The Elder Scrolls III: Morrowind
The Elder Scrolls IV: Oblivion
The Elder Scrolls V: Skyrim
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Fallout
Fallout 2
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FTL: Faster Than Light (Advanced Edition)
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G

Gemini Rue – Verschwörung auf Barracus
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Gothic II (+ AddOn: Die Nacht des Raben)
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Gothic 3 – Götterdämmerung (Originalversion)

Gothic 4 – ArcaniA
Guitar Hero: World Tour

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The Kite
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Layers of Fear
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The Lost Crown: A Ghost-Hunting Adventure

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Penumbra: Black Plague
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Risen
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S

Sanitarium – Der Wahnsinn ist in Dir
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S.T.A.L.K.E.R.: Shadow Of Chernobyl
Star Trek: 25th Anniversary
Star Trek: Judgment Rites
Star Wars: TIE Fighter
Star Wolves
SteamWorld Dig
Das Schwarze Auge: Drakensang
The Swindle

U

Ultima I: The First Age of Darkness
Ultima II: The Revenge of the Enchantress
Ultima III: Exodus
Ultima IV: Quest of the Avatar
Ultima V: Warriors of Destiny
Ultima VI: The False Prophet
Ultima VII: The Black Gate
Ultima VII Part 2: Serpent Isle
Ultima VIII: Pagan
Ultima IX: Ascension
Ultima Underworld: The Stygian Abyss
Ultima Underworld II: Labyrinth of Worlds
Ultima, Worlds of: The Savage Empire
Ultima: Worlds of Adventure 2: Martian Dreams
The Uncertain: Last Quiet Day

V

The Vanishing of Ethan Carter
Vollgas

W

Waking Mars
The Whispered World
The Witcher
The Wolf Among Us
Worlds of Ultima: The Savage Empire

SpielWelt: FTL: Faster Than Light (Advanced Edition)

Ein Spiel, an dem ich nichts auszusetzen finde. Schon seit Wochen sitze ich täglich davor und merke nicht, wie die Zeit verfliegt. Da gehen schon mal mehrere Stunden drauf, in denen man nichts tut, als fizzelige Männlein und Weiblein auf kleinen Quadraten hin und her zu scheuchen. Anfangs habe ich sogar vom Spiel geträumt, es hat mir einfach keine Ruhe gelassen. Laufend habe ich mir vorgestellt, wie ich es noch besser machen könnte – nur, um dann in der Realität mein Raumschiff bereits nach zwei Sektoren explodieren zu sehen. Besser hätten es die Entwickler mit so einfachen Mitteln nicht machen können – Kickstarter sei Dank, da ist diesmal etwas wirklich Großes entstanden. Zumindest für das frustfreie Publikum, das nicht auf Grafik-Overkill angewiesen ist.

Gesamteindruck: 7/7


„…nur…noch…eine…Runde!“

Was man unterRogue-like“ versteht, hat sich mir erst kürzlich erschlossen, als ich im Zuge des Kaufs von „FTL: Faster Than Light“ auf gog.com erstmals auf diesen Begriff gestoßen bin. Altgediente Computer-Spieler mögen mich belächeln, weil ich – auch nicht mehr ganz jung – diese Art von Spielen bis dato nicht kannte. Nun, das hat sich mit „FTL“ geändert, auch wenn dieses Spiel nur einige Elemente von Rogue“ enthält.

Eines davon wird Gelegenheitsspieler schier verzweifeln lassen: „permadeath“, ein Relikt aus der Computersteinzeit. Bedeutet: Stirbt der Spieler (in diesem Fall: explodiert das Raumschiff), muss man von vorne beginnen. Zwischendurch zu speichern ist nicht möglich, automatische Speicherpunkte existieren nicht, lediglich wenn man das Spiel verlässt, kann man an gleicher Stelle weitermachen. Auch die klassischen „Continues“ oder „Leben“ der (Jump n‘ Run)-Klassiker sucht man hier vergebens. Darauf sollten sich alle, die leicht die Geduld mit einem Spiel verlieren, einstellen – weiß man das nicht und kann man damit nicht umgehen, wird „FTL“ sehr schnell sehr frustrierend.

Aber auch abgesehen davon gibt sich „FTL“ alle Mühe, casual gamern (wie man das auf neudeutsch wohl nennt), den Spaß zu verderben. Zunächst ist die Story nicht von schlechten Eltern: Man muss mit seinem Raumschiff wichtige Dokumente an das Flottenkommando liefern und kämpft sich zu diesem Zweck durch acht Sektoren. Ja, das ist wirklich alles, mehr gibt es dazu nicht zu sagen, komplexer ist die Hintergrundgeschichte nicht. Präsentiert wird das Ganze aus der Vogelperspektive aus der man auf das eigene Raumschiff (und das etwaiger Gegner) blickt, das grafisch sehr einfach gestaltet ist. Ebenso die Besatzung – viel mehr als die Köpfe der winzigen, pixeligen Männchen („Lemmings lässt grüßen!) kann man von oben nicht erkennen; immerhin kann man die Spezies der Mannschaftsmitglieder recht gut unterscheiden. Aufgeteilt ist das Schiffsinnere in eine Anzahl an Räumen, die aus kleinen Quadraten bestehen, in die jeweils eine Figur passt. Zur Optik ist noch zu sagen, dass zumindest die Weltraum-Hintergründe recht annehmbar gezeichnet sind, wenngleich sie sich häufig wiederholen. Explosionen, Laserbeschuss, Sonneneruptionen u. ä. sind rudimentär, erfüllen aber ihren Zweck.

Zwei Komplimente muss man den Entwicklern aber in Hinblick auf die Präsentation dennoch machen: Erstens ist der Soundtrack perfekt, viel besser hätte man es nicht machen können. Musik, Waffen- und Alarmgeräusche: Alles super und ausgesprochen passend. Zweitens: Die Bedienung ist kinderleicht – das ist bei der Einfachheit des Spielprinzips zwar zu erwarten, aber dennoch sollte man erwähnen, dass die Entwickler die Steuerung sehr gut hinbekommen haben. Vor allem für die Übersichtlichkeit gebührt den Programmierern ein Lob: Das Spiel benötigt einen gewissen Grad an Mikromanagement und fordert, dass man diverse Anzeigen ständig im Auge behält. Das geht problemlos von der Hand, wenn man sich eingewöhnt hat.

Nun aber zum Spiel selbst – und zum Grund, warum „FTL“ trotz der aufgezählten Punkte eine so gute Bewertung von mir erhält. Ich habe schon geschrieben, dass acht Sektoren zu durchqueren sind, bis man auf den finalen Boss trifft. Klingt erstmal wenig, wird aber relativiert, wenn man bedenkt, dass es in jedem Sektor rund 20 Wegpunkte anzufliegen gibt, an denen jeweils ein Zufallsereignis wartet. Und spätestens hier zeigt sich, wie komplex dieses mit einfachsten Mitteln programmierte Spiel ist.

Die Währung im Spiel ist „Scrap“, also Weltraumschrott. Den bekommt man an manchen (seltenen) Wegpunkten einfach so, meist aber nur durch den Sieg über ein gegnerisches Schiff. Die Crux ist, dass man mit seinen Ressourcen streng haushalten muss, wenn man den Schrott in den gelegentlich anzufindenden Läden in bessere Waffen, Ausrüstung oder neue Crewmitglieder investieren möchte. Oder sollte man doch lieber unterwegs die Energieverteilung bzw. den Energieausstoß des Raumers erhöhen, um z. B. stärkere Türen zu haben? Wäre nicht schlecht, weil man gelegentlich geentert wird und damit Feinde ein- bzw. aussperren und durch Druckabfall ersticken könnte. Andererseits fehlen einem durch das Upgrade der Türen vielleicht die Mittel, um im nächsten Laden ein Transporter-System zu kaufen und damit selbst andere Schiffe zu entern. Oder, eine andere Entscheidung, vor der man dauernd steht: Soll man den Sektor so schnell wie möglich durchqueren, eventuell weil das Schiff schon schwer beschädigt ist? Oder doch lieber so viele Wegpunkte wie möglich anfliegen, damit man „Scrap“ bekommt und sich die Reparatur leisten kann? Sollte man dem auf der Karte angezeigten Notruf folgen, in der Hoffnung, dort eine tolle Belohnung zu erhalten? Oder kann es sich dabei um eine Falle handeln und man verbraucht durch einen eventuellen Umweg nur Ressourcen ohne etwas Vernünftiges dafür zu bekommen?

Erschwert werden diese Entscheidungen durch zwei Faktoren: Einerseits ist Treibstoff ebenfalls eine Ressource die ausgesprochen knapp ist. Geht der Sprit aus, schafft man es nicht mehr zu Exit-Wegpunkt des Sektors. Das bedeutet zwar nicht das unmittelbare Spielende, weil man warten oder einen Notruf absetzen kann – der kann aber wiederum nicht nur Freunde, sondern auch Gegner anlocken, gegen die es dann wieder zu kämpfen gilt. Andererseits ist Warten oft auch keine Option – man wird nämlich ständig von der gegnerischen Flotte verfolgt, was auf der Übersichtskarte des jeweiligen Sektors sehr schön dargestellt wird. Holt einen die Flotte ein, heißt es kämpfen – und zwar gegen wirklich harte Gegner.

Man steht in „FTL“ also ständig unter Druck. Neben der Taktik, also unmittelbaren Kämpfen und Entscheidungen, welche Wegpunkte man als nächstes anfliegt (noch dazu müssen auch dort immer wieder harte Entscheidungen á lá „Kämpfe ich gegen die Piraten oder lasse ich mich bestechen?“ getroffen werden), gilt es auch, strategisch zu denken. Für das Vorankommen (und vor allem gegen den übermächtigen Endgegner) spielt es nämlich eine große Rolle, wie man das eigene Schiff weiterentwickelt, welchen Systemen man ein Upgrade spendiert, welche Waffen man kauft. Und auch Mikromanagement ist für den Erfolg wichtig: Crewmitglieder unterschiedlicher Rassen haben verschiedene Fertigkeiten, die sich im Laufe des Spiels langsam weiterentwickeln und sollten entsprechend eingesetzt werden. Der Spezialist für Schutzschilde sollte z. B. nach Möglichkeit an seiner Station bleiben und nicht plötzlich als Pilot eingesetzt werden. Und letztlich gilt es auch noch, die Stationen und ihren Energiebedarf im Auge zu behalten – speziell in den Kämpfen ist das überlebenswichtig. Und auch hier sind die Entscheidungen hart – lässt man die Besatzung lieber die angeschlagenen Schilde reparieren? Oder den Antrieb, damit man sich mittels Sprung an den nächsten Wegpunkt retten kann? Soll man einem Besatzungsmitglied befehlen, seine Station zu verlassen, um bei der Reparatur zu helfen – wohlwissend, dass die verwaiste Station dann weniger Leistung bringt? Und was ist mit dem gegnerischen Schiff, das ebenso wie das eigene in verschiedene Räume bzw. Stationen unterteilt ist? Greift man die Schilde an? Die Waffen? Oder den Sauerstoff-Generator? Je nachdem, wird auch die gegnerische Mannschaft mit Reparaturen beschäftigt sein – oder auch nicht. Übrigens können die Kämpfe, die prinzipiell in Echtzeit ablaufen, jederzeit pausiert werden, um der Crew Aufträge zu erteilen, die Waffen neu auszurichten und ähnliche Tätigkeiten durchzuführen – mithin die einzige Gnade, die die Entwickler dem Spieler zugestehen.

Wie man sieht, hat „FTL“ trotz des auf den einfachen Äußeren und auf den ersten Blick geringen Umfangs eine unglaubliche Spieltiefe. Und auch wenn die Entscheidungen sich nach einiger Zeit ähneln weil man immer besser weiß, was zu tun ist, wird es nicht so schnell langweilig. Die Langzeitmotivation ist enorm. Man will es einfach jedes Mal noch besser machen und endlich dem Endgegner die vernichtende Niederlage beibringen, je schneller, desto besser. Und doch tut Übermut selten gut: Man kann auch im hundertsten Spiel noch nach dem dritten Sprung sterben, weil man Pech hat und der Gegner ausgerechnet im Asteroidenfeld mit einem Glückstreffer die Schilde ausgeschaltet hat, die Gesteinsbrocken dadurch andere wichtige Systeme beschädigen und man es nicht rechtzeitig schafft, Reparaturen durchzuführen. Solche Dinge ärgern – wecken aber, zumindest bei mir, den Ehrgeiz, es immer und immer wieder zu probieren.

Dafür sorgen letztlich auch verschiedene Schiffstypen, mit denen man sich am Spiel versuchen kann und die man nach und nach freischaltet. Auch die neuen Rassen und Fähigkeiten in der „Advanced Edition“ sorgen für hohen Wiederspielwert, selbst für „FTL“-Veteranen. Ich sehe hier tatsächlich keinen Grund, einen Punkt abzuziehen – Höchstwertung für eine Perle, die aufgrund ihres Independent-Status leider nie die verdiente Aufmerksamkeit bekommen wird.

Gesamteindruck: 7/7


Genre: Strategie/Rogue-like
Entwickler: Subset Games
Jahr: 2012
Gespielt auf: PC


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MusikWelt: World’s Only Female Tribute To Iron Maiden

The Iron Maidens


Live hat die Band sicherlich ihre Qualitäten und bei den Konzerten dürfte ordentlich die Post abgehen, wie der Mitschnitt von „Remember Tomorrow“ auf diesem Album zeigt. Als Studioaufnahme braucht eine solche Platte jedoch kein Mensch, daher kann ich beim besten Willen nicht mehr als wohlwollende drei Punkte für die ausgezeichnet geschriebenen Songs vergeben. Wer schon immer mal wissen wollte, wie Iron Maiden mit weiblichen Vocals klingen, kann ja ein Ohr riskieren. Dass sich jemand das Ganze öfter als einmal anhört, kann ich mir schwer vorstellen.

Gesamteindruck: 3/7


Nicht mehr als eine werkgetreue Umsetzung.

The Iron Maidens sind eigenen Angaben zufolge die einzige weibliche Iron Maiden-Coverband der Welt. Dementsprechend befinden sich auf ihrem Debütalbum ausschließlich nachgespielte- und -gesungene Lieder der britischen Heavy-Metal-Legende. Bei einem solchen Album kommen natürlich zwangsläufig die Fragen nach der Qualität der Umsetzung und nach dem Sinn des Ganzen auf.

Qualitativ gibt es grundsätzlich so gut wie nichts zu bemängeln. Die Band geht technisch einwandfrei zu Werke und covert die oftmals doch recht anspruchsvollen Stücke originalgetreu. Wenn der Gesang nicht wäre, würde man wohl nicht viel Unterschied zu den Originalen feststellen. Auch die Songauswahl ist gelungen, wenngleich nicht sonderlich überraschend. Die wichtigsten Standards der frühen bis mittleren Phase von Iron Maiden sind vertreten, lediglich „Children Of The Damned“ ist für ein Best of- bzw. Cover-Album ein wenig untypisch. Die Produktion ist ebenfalls gutklassig, es wird ganz gut Druck erzeugt, im Vergleich zum Vorbild wurden die Instrumente zugunsten des Gesangs etwas zurück geschraubt. Und genau am Gesang von Aja „Bruce Lee Chickinson“ Kim (seit 2010 nicht mehr in der Band) scheiden sich natürlich die Geister. Das liegt nicht unbedingt an der Sängerin, die eine durchaus gefällige Hard-Rock-Stimme hat, sondern einfach daran, dass den Songs ohne Bruce Dickinson (bzw. Paul Di’Anno) das letzte Stück ihrer Magie fehlt. Verhehlt werden soll auch nicht, dass ein paar Songs gesangtechnisch tatsächlich nicht das Gelbe vom Ei sind (am auffälligsten bei „Killers“ und „Aces High“).

Damit sind wir auch schon bei der Frage nach dem Sinn einer solchen Compilation. Natürlich ist es legitim, seinen Vorbildern zu huldigen, dennoch fragt man sich unwillkürlich, wozu man eine Platte mit originalgetreuen Coverversionen braucht, die bis auf den Gesang keinerlei Unterschied zu den Originalen aufweisen – noch dazu wo dieser Gesang trotz aller hörbaren Bemühungen naturgemäß nicht an das Vorbild herankommt. Der Zuhörer nickt und singt zwar sofort mit, aber das liegt einzig und allein daran, dass man die Stücke genauso schon tausendmal gehört hat. Da finde ich persönlich die Cover-Bemühungen von Maiden United und den Hellsongs wesentlich spannender. Wobei deren unkonventioneller Ansatz sicher nicht das Ziel der Iron Maidens ist.


Track – Titel – Länge – Wertung

  1. The Number Of The Beast – 5:02 – 3/7
  2. 2 Minutes To Midnight – 6:09 – 4/7
  3. Children Of The Damned – 4:42 – 2/7
  4. The Trooper – 4:12 – 3/7
  5. Wasted Years – 5:06 – 4/7
  6. Killers – 5:05 – 2/7
  7. Aces High – 5:17 – 1/7
  8. Phantom Of The Opera – 7:17 – 3/7
  9. Run To The Hills – 3:55 – 3/7
  10. Hallowed Be Thy Name – 6:41 – 3/7
  11. Remember Tomorrow (Live) – 5:26 – 5/7

Gesamteindruck: 3/7 


The Iron Maidens auf “World’s Only Female Tribute To Iron Maiden” (2005):

  • Aja „Bruce Lee Chickinson“ Kim – Vocals
  • Sara „Mini Murray“ Marsh – Guitars, Backing Vocals
  • Josephine „Adrienne Smith“ Draven – Guitars
  • Wanda „Steph Harris“ Ortiz – Bass
  • Linda „Nikki McBurrain“ McDonald – Drums

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SpielWelt: Gemini Rue – Verschwörung auf Barracus

Ein gelungenes Spiel, das zeigt, welche Bedeutung Story und Atmosphäre wirklich haben – gerade weil die Grafik wie aus der Computer-Steinzeit wirkt, wird noch deutlicher, wie wenig Seele viele moderne Spiele haben.

Gesamteindruck: 5/7


Kein Augenschmaus, dafür ein Spiel mit Herz und Seele.

Wenn „retro“ in ist, müsste sich Gemini Rue – Verschwörung auf Barracus verkaufen wie warme Semmeln. Die Grafik erinnert an die seligen 1990er Jahre, aber nicht an das Ende dieser Epoche, sondern an deren Anfang. Sogar die – (für manche) noch glorreicheren – 1980er schimmern in Bezug auf die Optik deutlich durch. Die Animationen verdienen kaum ihren Namen, die Figuren als „pixelig“ zu bezeichnen wäre ein Kompliment. Immerhin sind die Hintergründe sehr schön gezeichnet und fangen die Stimmung gut ein. Gleich mehrere Schritte zurück in die Vergangenheit macht auch die Bedienung, die sämtliche Komfort-Funktionen, die man seit gefühlten Jahrzehnten gewohnt ist, außen vor lässt. Ein Menü mit den rudimentären Funktionen „Ansehen“, „Benutzen“, „Treten“ (!) und „Sprechen“, dargestellt in simplen Piktogrammen, die schwer zu erkennen sind, reicht für dieses Spiel aus. Lediglich zwei technische Aspekte von „Gemini Rue“ gemahnen nicht an die Computer-Steinzeit: Die ausgezeichnete musikalische Untermalung (ok, die gab es früher auch, allerdings nicht am PC) und die – speziell für eine Indie-Produktion – unfassbar professionelle Sprachausgabe. Diese zwei Punkte gehen problemlos als höchster Standard durch.

Und trotz all der genannten „Mängel“ verdient „Gemini Rue“ locker fünf Punkte. Das Spiel schafft nämlich etwas, wovon viele Software-Riesen mit ihren Hochglanz-Produkten nur träumen können: eine interessante, packende Story zu erzählen und eine Welt zu kreieren, die den Spieler voll und ganz gefangen nimmt. Die düstere, bedrückende Atmosphäre ist ein weiterer Pluspunkt, der schwer beschrieben werden kann, der einfach erlebt werden muss. Um das zu schaffen, muss man dem Spiel natürlich trotz des auf den ersten Blick „hässlichen“ Äußeren eine Chance geben.

Kleine Abzüge gibt es, weil die Charaktere nicht so ausgefeilt sind, wie sie hätten sein können. Das ändert zwar nichts an der Sympathie, die man für die tragischen Figuren empfindet, ist aber doch ein wenig störend. Dass das Spiel sehr geradlinig ist, stört mich hingegen weniger. Wer allerdings Möglichkeiten sucht, den Spielverlauf durch eigene Entscheidungen zu beeinflussen, ist hier fehl am Platz – wenn man deshalb weitere Punkte im Gesamteindruck abzieht, kann ich es gut verstehen. Genauso verhält es sich mit der Bedienung – das Menü an sich ist schon in Ordnung, wenn es auch merkwürdig ist, dass es nur in Verbindung mit einem klickbaren Punkt auf dem Bildschirm geöffnet werden kann. Die Steuerung in den Kampfsequenzen ist hingegen viel zu komplex und umständlich. Zum Glück gibt es sehr wenige Kämpfe, sodass man für dieses Problem nichts abziehen muss.

Gesamteindruck: 5/7


Genre: Adventure
Entwickler: Joshua Nuernberger
Jahr: 2011
Gespielt auf: PC


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MusikWelt: Tokyo Warhearts

Children Of Bodom


Diese 45 Minuten waren damals aufregender als so manches, was andere Bands auf Doppel-Live-CDs packen. Ich persönlich ziehe dieses Album auch heute noch dem wahrlich nicht schlechten „Stockholm Knockout Live“ vor, weil mir die „alten“ Songs doch um einiges besser gefallen als die späteren Groover. Ohne Wenn und Aber: „Tokyo Warhearts“ verdient die volle Punktzahl, jeder, der den Aufstieg von Children Of Bodom damals mitverfolgt hat, wird das bestätigen können.

Gesamteindruck: 7/7


Grandioses, frühes Live-Dokument.

Dieses Album aus dem Jahr 1999 gehört zu den Exemplaren, bei denen man sich vom Cover nicht abschrecken lassen darf. Die Godzilla und Reaper-Zeichnung im knallbunten Comicstil wirkt erst nach Anhören des Albums kultig. Allerdings sind das ohnehin nur Äußerlichkeiten, Children Of Bodom-Fans wissen ja, was sie erwartet.

Es gibt mehrere Punkte, die für den Kauf dieser Platte sprechen. Zum einen ist das natürlich der druckvolle Sound, der praktisch keinen Unterschied zu den Studioalben und auch nicht zum wesentlich neuerem und vermutlich auch teurer produziertem Live-Output „Stockholm Knockout Live“ (2006, als DVD auch unter „Chaos Ridden Years – Stockholm Knockout Live“ bekannt) erkennen lässt. Das ist keine Selbstverständlichkeit, aber genauso und nicht anders muss es bei einer Band mit dem Sound von Children Of Bodom sein. Ein weiterer Punkt auf der Habenseite sind die technischen Fähigkeiten der damals sehr jungen Truppe aus Finnland, die selbst zu diesem frühen Zeitpunkt ihrer Karriere bereits nahezu perfekt waren. Durch die präzise Spielweise und dem wie erwähnt exquisiten Sound kommen die melodischen Death Metal-Hymnen bestens zur Geltung.

Auch über die Songauswahl lässt sich nichts Negatives sagen. Einzig am typischen Instrumental, „War Of Razors“ scheiden sich – wie immer die Geister. Wenn man vor der Bühne steht und das Zusammenspiel von Alexi Laiho und Janne Wirman sieht und auch den Spaß, den die beiden an diesem Duell haben, mitbekommt, ist das durchaus in Ordnung. Auf CD ist es zwar nett, aber so richtig will der Funke nicht überspringen. Ähnlich ist es mit dem Intro, das halt „da“ ist, weil es sein muss.

Alle anderen Songs sind hingegen ausnahmslos hohe Punktzahlen wert. Vor allem die Live-Versionen von „Silent Night, Bodom Night“, „Warheart“, „Touch Like Angel Of Death“ und „Downfall“ sind extrem gut gelungen und der jeweiligen Studio-Variante aufgrund der rohen Energie teilweise sogar überlegen. Viel Auswahl gab es nach erst zwei Studioalben natürlich nicht, aber es lässt sich sehr gut erkennen, das sowohl „Something Wild“ (1998) als auch „Hatebreeder“ (1999) nahezu ohne Ausfälle auskamen. Das gelang den Finnen in dieser Perfektion meiner Ansicht nach bisher nur bis „Follow The Reaper“ (2001), aber das ist ein anderes Thema.

Einziger Wermutstropfen in Bezug auf „Tokyo Warhearts“ ist die geringe Spielzeit der CD (etwa 45 Minuten). Vermutlich waren Children Of Bodom bei diesem Konzert nur Vorgruppe… Ich hätte mir ansonsten noch zumindest „Red Light In My Eyes“ auf der Tracklist gewünscht.


Track – Titel – Länge – Wertung

  1. Intro – 1:25 – 3/7
  2. Silent Night, Bodom Night – 3:24 – 7/7
  3. Lake Bodom – 4:08 – 7/7
  4. Warheart – 4:07 – 7/7
  5. Bed Of Razors – 4:35 – 7/7
  6. War Of Razors – 2:11 – 4/7
  7. Deadnight Warrior – 3:32 – 6/7
  8. Hatebreeder – 4:30 – 7/7
  9. Touch Like Angel Of Death – 5:53 – 7/7
  10. Downfall – 4:48 – 7/7
  11. Towards Dead End – 6:11 – 7/7

Gesamteindruck: 7/7 


Children Of Bodom auf “Tokyo Warhearts” (1999):

  • Alexi „Wildchild“ Laiho – Vocals, Lead Guitars
  • Alexander Kuoppala – Rhythm Guitars
  • Henkka T. Blacksmith – Bass
  • Jaska Raatikainen – Drums
  • Janne „Warman“ Wirman – Keyboards

Anspieltipp: Silent Night, Bodom Night

MusikWelt: Unsung Heroes

Ensiferum


„Unsung Heroes“ wäre gar nicht so schlecht. Wäre da nicht die zweite Albumhälfte, die völlig verkorkst ist. Fast klingt das Album so, als hätte man irgendwo noch eine Handvoll klassischer Ensiferum-Stücke gefunden, die man gerne auf ein Album packen würde. Gute Idee, aber das restliche Material auf der Platte passt leider nicht in diese Kategorie. Oder war es umgekehrt? Man hatte gute Song-Ideen für ein paar starke Nummern, musste aber, um auf Album-Länge zu kommen, noch ein paar ausrangierte Songs bzw. Songteile dazu nehmen? So oder so: „Unsung Heroes“ ist zwar dank der starken ersten Halbzeit kein Totalausfall – das schwächste Ensiferum-Album bisher ist es aber dennoch.

Gesamteindruck: 4/7


Geht in der zweiten Hälfte völlig k.o.

Die Finnen Ensiferum hatten meiner Ansicht nach bis zum Vorgänger von „Unsung Heroes“ („From Afar“, 2009) drei Meisterwerke abgeliefert. Angesprochenes „From Afar“ war auch noch sehr, sehr stark, brauchte aber – von einigen Ausnahmen abgesehen – den einen oder anderen Durchlauf mehr, um so richtig zu zünden. „Unsung Heroes“ (2012) fällt gegenüber diesem beeindruckenden Backkatalog allerdings deutlich ab. Dafür gibt es meines Erachtens zwei Hauptgründe.

Grund Nummer 1 hat etwas mit der Produktion zu tun. Das Album ist vom Klang her zwar nicht wirklich schlecht, dennoch klingt es ein wenig lasch. Im Zusammenhang mit dem Songwriting, vor allem in der zweiten Hälfte der Platte, wirkt sich das tatsächlich deutlich hörbar aus. Noch dazu ist der Mix für mein Dafürhalten sub-optimal, speziell was die Stimme von Petri Lindroos betrifft, die meines Erachtens sehr kraftlos aus den Boxen kommt. Das wirkt fast so, als hätte der Frontmann etwas an seinem Gesangsstil geändert, was aber – so glaube ich zumindest – tatsächlich mehr am Mix als an ihm selbst liegt. Noch dazu wurden offenbar sehr viele Spuren verwendet und eine Menge an Details in die Songs eingebaut – allein aus diesem Grund wäre meiner Meinung nach eine „andere“ Produktion besser gewesen.

Grund Nummer 2 ist wesentlich gravierender: Die Hälfte der zehn Songs entfachen bei weitem nicht die Wirkung, die man sich von einer Band wie Ensiferum erwartet und erhofft. Dabei geht „Unsung Heroes“ sehr gut und durchaus typisch los. „Symbols“ ist ein schönes Intro und wesentlich besser als vieles, was man in diesem Bereich sonst oft zu hören bekommt. Gleich darauf folgt mit „In My Sword I Trust“ das Highlight und der mit Abstand stärkste Song der Platte. Die typische Kombination aus gegrowlter Strophe, clean gesungener Bridge und im Chor gebrülltem Refrain – das ist ein veritabler, eingängiger Hit, der so auch auf jeder anderen Platte der Band locker hätte stehen können. Auch der auf dieses Feuerwerk folgende Titelsong hat seine Momente – zumindest wird das dem Hörer nach mehreren Durchläufen klar, beim ersten Versuch zündet „Unsung Heroes“ noch nicht. Dann lernt man die exzellente Gitarrenmelodie und den guten Gesang jedoch zu schätzen, auch wenn das Stück keinen klassischen Ohrwurm-Charakter hat. Abgerundet wird der tolle Auftakt des Albums dann noch durch „Burning Leaves“, das eher im Midtempo-Bereich angesiedelt ist und mit Hymnenhaftigkeit punkten kann. Auch hier: Die Kombination Strophe/Bridge/Refrain ist wunderbar abgestimmt und einmal mehr von herausragender Gitarrenarbeit unterlegt. Wobei das Stück nicht ganz so stark wie die zwei Lieder davor ist – und man erstmals das Gefühl hat, dass es Ensiferum hier mit der Song-Länge etwas übertreiben und ein wenig schneller zum Punkt kommen könnten. Aber sei’s drum, insgesamt können die ersten vier Stücke auf „Unsung Heroes“ definitiv überzeugen.

Danach geht es leider bergab. „Celestial Bond“ ist zwar in Ordnung, erinnert von der Machart her ein wenig an „Tears“ (auf „Iron“, 2004), ohne jedoch dessen Qualität zu erreichen. Ob man es mag, liegt wohl an der Grundsatzfrage, ob man bei Ensiferum eine Sängerin hören möchte oder nicht. Mich stört der Frauengesang überhaupt nicht, aber das Songwriting sollte halt auch passen, und das ist im Falle von „Celestial Bond“ eher mittelprächtig. Oder, anders gesagt: Würde bei Nightwish super passen, funktioniert bei Ensiferum aber auf diese Weise nicht sonderlich gut. „Retribution Shall Be Mine“ ist als Kontrastprogramm bretthart und schnell – was aber aufgrund der Produktion nicht so zur Geltung kommt, wie es wohl beabsichtigt war. Abgesehen davon klingt der Song als wäre ein stimmiger Refrain schlicht vergessen worden. Rasant ist zwar grundsätzlich gut, aber „nur rasant“ können andere auch, im Falle von „Retribution Shall Be Mine“ fehlt ein Alleinstellungsmerkmal, weil es den typischen Heldenrefrain nicht gibt. Nach diesem schnellen „Zwischenspiel“ folgt mit „Star Queen“ der zweite Teil von „Celestial Bond“. Auch dieses Stück hat balladeske Züge, diesmal mit Männergesang, was es anstatt in Richtung Nightwish eher in Richtung Sonata Arctica tendieren lässt. Hätte meiner Ansicht nach nicht unbedingt sein müssen. Danach gibt’s mit „Pohjola“ nochmal etwas auf die Ohren – und zwar auf Finnisch. Den Refrain kann man trotzdem mitgröhlen – ansonsten ist das Stück mit seinem schwülstigen Opern-Chor aber nicht so toll. Noch dazu ist es (inklusive Spoken-Word-Teil, der ein wenig an Rhapsody Of Fire erinnert) länger als notwendig. Wäre nach drei oder vier Minuten Schluss gewesen, wäre das kein Problem – aber mehr als sechs Minuten? Dafür ist der Song nicht spannend genug. Vorletztes Stück auf dem regulären Album ist mit „Last Breath“ ist eine weitere Ballade – über die man aber am besten den Mantel des Schweigens hüllt, wenn man bedenkt, wie gut Ensiferum in diesem Bereich sein können. Bei „Last Breath“ lassen von der Gesangslinie her Primordial ein wenig grüßen; mehr Positives fällt mir dazu nicht ein.

Das wäre aber alles zu verschmerzen, wenn da nicht der Abschlusstrack wäre. 17 Minuten dauert „Passion Proof Power“ und ist damit bis dato der längste Song, den Ensiferum geschrieben haben. Es gibt sicher Leute, die dieses Werk für das Nonplusultra halten, es abwechslungsreich, durchdacht und episch finden. Verstehen kann ich das nicht – für mich wirkt „Passion Proof Power“ zusammenhanglos, überkompliziert und – traurig aber wahr – kaum vernünftig hörbar. Der Song beinhaltet diverse Versatzstücke, die man auf diesem Album speziell aus der zweiten Hälfte bereits kennt: Ein wenig Sonata Arctica hier (Teile der Keyboards, merkwürdiger Lead-Gitarren-Sound), ein bisschen Nightwish da (Teile des Gesangs), garniert mit einer Prise Rhapsody Of Fire (Theatralik/Dramatik). Leider greifen diese Parts nicht so ineinander, dass man sagen könnte, dass am Ende das ureigene Ensiferum-Gefühl herauskommt. Einerseits fehlt es dafür an Eingängigkeit, andererseits hat man zwar viele unterschiedliche Zutaten vermengt, die aber einfach nicht zusammenfinden wollen.

Zu erwähnen ist auch noch der kurze Gastauftritt, den Die Apokalyptischen Reiter in „Passion Proof Power“ haben – auch, weil man dadurch (und durch das recht lange Intro des Songs) die Spielzeit des Songs ein wenig relativieren kann. Grundsätzlich ist es aber ein netter Gag, den Thüringern eine kleine (deutsche!) Sprechrolle zu geben. Dass sie es dabei tatsächlich schaffen, die Band Ensiferium zu nennen, ist schon fast ein Klassiker. Wäre interessant zu wissen, ob das so geplant war.

Auf der Limited Edition von „Unsung Heroes“ findet sich mit „Bamboleo“ übrigens eine Cover-Version der Gipsy Kings. Naja, Cover haben bei Ensiferum Tradition, warum also nicht. Die Aufregung war bei Erscheinen des Albums dennoch groß – zu Unrecht, wie ich finde. Die Auswahl des Cover-Songs zeugt meiner Ansicht nach durchaus von Humor. Gut eingespielt wurde das Stück auch. Kein Grund sich zu beschweren also, ist ja nicht so, dass das mehr als ein kleiner Bonus für die Fans ist.


Track – Titel – Länge – Wertung

  1. Symbols – 1:51 – 5/7
  2. In My Sword I Trust – 5:20 – 7/7
  3. Unsung Heroes – 5:54 – 6/7
  4. Burning Leaves – 6:03 – 5/7
  5. Celestial Bond – 4:15 – 3/7
  6. Retribution Shall Be Mine – 4:27 – 3/7
  7. Star Queen (Celestial Bond Part II) – 5:55 – 4/7
  8. Pohjola – 6:05 – 4/7
  9. Last Breath – 4:29 – 3/7
  10. Passion Proof Power – 17:00 – 1/7
  11. Bamboleo (Gipsy Kings-Cover) – 3:45 – 5/7

Gesamteindruck: 4/7 


Ensiferum auf “Unsung Heroes” (2012):

  • Petri Lindroos – Vocals, Guitar, Backing Vocals, Banjo
  • Markus Toivonen – Guitar, Vocals, Backing Vocals, Banjo, Shaman Drum
  • Sami Hinkka – Bass, Vocals, Backing Vocals
  • Janne Parviainen – Drums, Shaman Drum
  • Emmi Silvennoinen – Keyboards, Hammond, Backing Vocals

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