SpielWelt: Ultima IX

Ascension


Nach der Enttäuschung, die im Nachgang zum verunglückten „Ultima VIII: Pagan“ (1994) allenthalben herrschte, sollte mit dem neunten Teil der Saga alles besser werden. Die finale Reise des Avatar würde – so das vollmundige Versprechen von „Ultima“-Schöpfer Richard „Lord British“ Garriott – alles bisher dagewesene in den Schatten stellen und damit die die alten Fans versöhnen. Gleichzeitig sollte das jüngere Publikum, das den Vorgänger trotz aller Bemühungen geschmäht hatte, diesmal auch beherzt zugreifen. Die Ziele waren also hochgesteckt – und das Scheitern damit vorprogrammiert.

Gesamteindruck: 3/7


Ende mit Schrecken.

„Ultima IX: Ascension“ (1999) ist der Abschluss einer Rollenspiel-Serie, die zwei Jahrzehnte lang mit fast jedem Titel sowohl technisch als auch inhaltlich neue Maßstäbe gesetzt hatte. Es gab auf dieser unglaublichen Reise unzählige Höhepunkte, die dafür sorgten, dass der Name „Ultima“ auch über 40 Jahre nach seinem ersten Auftauchen noch mit Ehrfurcht ausgesprochen wird. Ungetrübt ist die Erinnerung an die Abenteuer in Britannia jedoch nicht: Bei „Ultima VIII“ und „Ultima IX“ griffen die Verantwortlichen so arg daneben, dass man noch heute fassungslos den Kopf darüber schütteln muss.

Darum geht’s:
Nachdem der Avatar die Pläne des Guardian durchkreuzt hatte und aus der finsteren Welt von Pagan entkommen war, ereilt den Streiter für das Gute erneut ein verzweifelter Hilferuf: Seine zweite Heimat, das märchenhafte Britannia, scheint endgültig unter die Knute des Bösewichts geraten zu sein. Diesmal wurden die acht Schreine der Tugend geschändet und in ihr Gegenteil verkehrt, was den einst so braven Bürger:innen des Reichs von Lord British gar nicht gut bekommen ist: Statt Tapferkeit herrscht nun Feigheit, Gerechtigkeit ist brutaler Rachsucht gewichen, wer Mitgefühl sucht, findet nur noch Hartherzigkeit usw. Fürwahr eine untragbare Situation – und so macht sich der Avatar auf, den Guardian endgültig in die Schranken zu weisen…

Über die mannigfaltigen Probleme von „Ultima VIII“ habe ich in meiner Rezension detailliert berichtet. Was dort jedoch nicht zur Sprache gekommen ist, sind die Folgen, die das in vielerlei Hinsicht desaströse Spiel nach sich zog. Ich werde hier nun nicht in jedem Detail darauf eingehen, kann ich mangels Einblick in Interna auch gar nicht. Ein paar Punkte möchte ich aber dennoch anreißen, weil sie mir wichtig für ein besseres Verständnis von „Ultima IX“ erscheinen. Wer sich für diesen Versuch, das Spiel in einen erweiterten Kontext zu stellen, nicht interessiert, möge die nächsten Absätze überspringen. Einen Teil der folgenden Infos findet man auf Wikipedia, davon abgesehen ist der Digital Antiquarian eine gute Anlaufstelle (zu gegenständlichem Thema empfehle ich speziell diesen und diesen Beitrag).

„Ultima VIII“ und die Folgen.

„Ultima IX“ kam 1999 auf den Markt – fünf Jahre nach seinem Vorgänger, was den bei weitem größten Abstand zwischen zwei Teilen der Serie darstellt. Dabei war der Grundstein für das Spiel noch während der Entwicklung von „Ultima VIII“, das bekanntlich 1994 erschienen ist, gelegt worden (die Grundzüge der Story sind sogar noch älter). Doch spätestens in jenem Jahr war Richard Garriott, Mitbegründer und Mastermind von Origin Systems, in eine wenig beneidenswerte Situation geraten: Sein Studio war bereits 1992 von Electronic Arts (kurz: EA) aufgekauft worden, was zwar einerseits für stabile Finanzen gesorgt hatte, die teure Entwicklungen erst ermöglichte. Andererseits wurde schnell klar, dass von den neuen Bossen zählbare Resultate erwartet wurden. Eben die erreichte bereits „Ultima VII Part Two: Serpent Isle“ (1993) nur bedingt, was bei EA für ersten Unmut gesorgt haben mag. Origin müsse, so dürfte der Tenor gewesen sein, endlich auch mit „Ultima“ ein jüngeres, zahlenmäßig weit relevanteres Publikum ansprechen – ganz so, wie es die Firma mit ihrem zweiten Zugpferd, der „Wing Commander“-Reihe, schaffte.

Unter diesen Voraussetzungen wurde „Ultima VIII“ programmiert, ein Spiel, das mit technischen Problemen in bisher ungekanntem Ausmaß zu kämpfen hatte und das schlechterdings kaum noch etwas mit dem Kern der „Ultima“-Marke zu tun hatte. Man kann aus heutiger Sicht sogar darüber streiten, ob „Pagan“ überhaupt ein Rollenspiel war – oder doch eher ein Action-Adventure. Nach diesem Fehlschlag – denn nichts anderes war es in kommerzieller Hinsicht – war die Not bei Origin natürlich groß: Das ausgegebene Ziel, einen neuen Markt zu erschließen, war verfehlt worden, gleichzeitig waren die Unmutsbekundungen der alten Fans nicht mehr zu überhören. Zu allem Überfluss hatte man den EA-Konzern im Genick, der, trotz Mitschuld am „Pagan“-Debakel, endgültig die Geduld zu verlieren und den Geldhahn zuzudrehen drohte.

Dass unter solchem Druck kaum ein erfolgreiches Resultat zustande kommen kann, sollte eigentlich allen Beteiligten bewusst gewesen sein. Dennoch kam es, wie es kommen musste: „Ascension“ verbrachte zunächst geschlagene fünf Jahre in der Entwicklung bis es Ende 1999 in einer völlig indiskutablen Version auf den Markt geworfen wurde. Danach gab es hektische Versuche, zu retten, was zu retten war – inklusive einer bis dahin beispiellosen Rückrufaktion. Geholfen hat es nichts – bis heute sind die abschließenden „Ultima“-Teile spektakuläres Anschauungsmaterial für verschiedene Fehlentwicklungen in der Games-Branche. Die Folgen sind bekannt: Alle weiteren „Ultima“-Projekte wurden umgehend eingestellt und Origin bald darauf – Richard Garriott hatte inzwischen das Weite gesucht – von EA geschlossen.

In der Entwicklungshölle.

Doch warum dauerte es überhaupt so lange, bis das Spiel auf den Markt kam? Die Erklärung ist simpel und kompliziert zugleich: Mit den Arbeiten an „Ascension“ hatte Origin begonnen, bevor der Misserfolg des Vorgängers abzusehen war. Programmiert wurde in der für „Ultima VIII“ geschriebenen Engine, man wollte also den klassischen, isometrischen Rollenspiel-Look beibehalten. Daran änderte sich auch nichts, als die ersten kritischen Stimmen zu „Pagan“ zu den Entwickler:innen durchdrangen. Zu Herzen nahm man sich einen Teil des Feedbacks dennoch: „Ultima IX“ sollte, so der Plan, zwar optisch an den Vorgänger erinnern, insgesamt aber deutlich traditioneller sein. Die berüchtigten Hüpf-Passagen wurden gestrichen, dafür sollten Rollenspiel-Elemente wie Charakter-Entwicklung, Party und eine interaktivere Spielwelt zurückkehren. Außerdem wurde der Handlungsort entgegen der ursprünglichen Pläne („Ascension“ sollte in der Heimat des Guardian spielen) nach Britannia verlegt, wo sich die alten Gefährt:innen wieder dem Avatar anschließen würden.

Die Implementierung dieser Anpassungen dauerte eine Zeit, in der die echte Welt freilich nicht stillstand. Was logisch klingt, hatte gravierende Folgen, denn inzwischen war klar geworden, dass moderne 3D-Grafik gekommen war, um zu bleiben. Das führte dazu, dass eine relativ weit gediehene Version von „Ultima IX“ in der Tonne landete und man technisch bei Null begann. In der nächsten Iteration – es gab damals sogar schon Screenshots – sollte der Avatar in einer „Tomb Raider“-artigen Third-Person-Ansicht Britannia bereisen. Ob diese frühe 3D-Variante von „Ascension“ gut oder schlecht geworden wäre, weiß niemand, denn 1996 musste die Produktion für längere Zeit unterbrochen werden: Die Beta-Phase von „Ultima Online“ war überraschend erfolgreich verlaufen und Origin musste praktisch die gesamte „Ultima“-Belegschaft auf die Fertigstellung des Online-Ablegers ansetzen.

Als man 1997 die Arbeit an „Ultima IX“ wieder aufnahm, stellte sich heraus, dass a) maßgebliche Mitarbeiter:innen die Firma verlassen hatten und b) die Grafik-Engine erneut ziemlich alt aussah, weil sie die mittlerweile aufgekommene Hardware-Beschleunigung nicht unterstützte. Eine vernünftige Lösung für diese Probleme hätte vor allem Zeit gebraucht – die hatte man aber nicht, weil EA den ohnehin schon massiven Druck noch weiter verstärkte. Und so kam es, dass die Engine in Windeseile erhebliche Anpassungen durchlief, bevor man endlich an die Ausgestaltung der Spielwelt schreiten konnte. Die nahm wiederum so viel Zeit in Anspruch, dass das entsprechende Feintuning und die üblichen Testprozeduren bis zur Veröffentlichung im November 1999 nur mehr sehr eingeschränkt stattfinden konnten.

Und so kam es, dass Origin von EA gezwungen wurde, ein Spiel zu veröffentlichen, dessen Zustand – man kann es in alten Reviews nachlesen – jeder Beschreibung spottete: Neben unzähligen Bugs und Fehlern waren die Hardware-Anforderungen dermaßen hoch, dass ein Gutteil an potenziellen Interessent:innen von vornherein ausgeschlossen wurde. Schlechterdings musste eine Vielzahl der vollmundig angekündigten Features – und auch weite Teile der komplex angelegten Story – gestrichen werden, um die notwendige Rechenpower nicht noch mehr ausufern zu lassen. Angesichts niederschmetternder Kritik sah man sich gezwungen, eine paar Monate später eine erträgliche (aber keineswegs fehlerfreie) Version nachzuschieben – ein irrsinniger Aufwand, wenn man bedenkt, dass das Patchen über das Internet damals noch nicht möglich war. Eine Randnotiz zur deutschen Fassung: Wer ohnehin vorgehabt hatte, auf die Lokalisierung zu warten, war klar im Vorteil, denn die Fassung für den hiesigen Markt wurde im Zuge des allgemeinen Desasters direkt um einige Monate verschoben und war dann einigermaßen bugfrei.

Gutes und Ambivalentes.

Ich denke, es ist aus obigem Text herauszulesen: „Ultima IX“ hatte mit einer Vielzahl von Problemen zu kämpfen, die in weiten Teilen bis heute bestehen, denn nach der Schließung von Origin wurde der Support der Marke ebenfalls ad acta gelegt. Bevor wir zu diesen unerfreulichen Dingen kommen, möchte ich jedoch mit den positiven Aspekten beginnen. Vorausgeschickt sei, dass ich vor rund 20 Jahren bereits einen ersten Versuch mit „Ultima IX“ unternommen habe. Weit bin ich nicht gekommen, viel mehr als zwei oder drei Stunden werden es nicht gewesen sein. Spannend ist aus meiner Sicht, dass das Spiel 2024 vom ersten Moment an einen deutlich besseren Eindruck auf mich gemacht hat, als ich angesichts meines abgebrochenen Erstkontakts und der allseitigen Entrüstung über die Qualität erwartet hatte.

Den größten Pluspunkt von „Ascension“ kann man nicht sehen, sondern hören: Musik, Sprachausgabe und Soundeffekte sind vom Feinsten und können auch mit modernen Produktionen mithalten. So verfügt z. B. jede Siedlung über eine eigene Musik, die erstaunlich gut zum jeweiligen Szenario passt. Nein, ich muss mich korrigieren: Die Städte und Dörfer in der unmittelbaren Umgebung der acht Schreine haben sogar jeweils zwei Melodien – vor der Wiederherstellung der Tugenden ertönt ein düsteres Thema, das die negative Stimmung perfekt untermalt, hat man den Schrein befreit, gibt es deutlich positivere Musik zu hören. Das ist schon ganz großes Kino. Aber auch für Reisen, Dungeons etc. hält „Ultima IX“ die passende Untermalung bereit, sodass ich hier fast nichts zu meckern habe (sieht man von gelegentlichen Aussetzern ab, die aber eher der Technik geschuldet sein dürften). Die Effekte sind, auch wenn sie nicht ganz so begeistern wie die Musik, ebenfalls gelungen. Für großes Aufsehen sorgte damals ferner die Sprachausgabe, die nicht nur im Intro, sondern durchgehend zur hören ist (und das auch außerhalb der Dialoge). Gut auch, dass es gelungen ist, Richard Garriott davon abzuhalten, sein alter ego Lord British erneut selbst zu sprechen – hier waren die unguten Erinnerungen an seine Performance in den vorangegangenen Spielen wohl noch zu präsent. Abzüge in der B-Note gibt es, weil teilweise die Betonung der Sprecher:innen nicht zur Situation passt (was bis heute ein häufiges Problem von Spielen ist).

Optisch muss man sagen, dass die 3D-Optik deutlich schlechter gealtert ist, als der Pixellook älterer Teile. Wer darüber nicht hinwegsehen kann (oder die 1990er nicht selbst als Spieler:in miterleben durfte) wird sich daher über folgenden Satz wundern: Man sieht heute noch, wieso die Grafik von „Ascension“ 1999 ein echter Augenöffner war. Es gibt abwechslungsreiche Landschaften mit Bergen, Tälern und sanften Hügeln, verschiedene Klimazonen, jede Siedlung hat außerdem ihren eigenen, charakteristischen Look. Doch damit nicht genug: Wetter- und Lichteffekte sind auf einem Niveau, das nach wie vor beifälliges Nicken abringt. Dennoch ein Wort der Warnung für jüngere Spieler:innen: Der Zauber existiert zwar noch, wird aber durch die großen Bildschirme, die es damals noch nicht gab, deutlich getrübt. Und ja, mir ist völlig klar, das aktuelle Spiele viel besser aussehen – aber ich weiß dennoch zu schätzen und kann erkennen, warum die opulente Grafik von „Ultima IX“ damals so manche Redaktion die technischen Mängel geflissentlich hat übersehen lassen.

Etwas ratlos hat mich hingegen die Handlung von „Ultima IX“ zurückgelassen: Die Idee, der Guardian hätte Britannia erobert und müsse nun vertrieben werden, ist zwar nicht rasend innovativ – immerhin hat sie aber Potenzial für eine spannende Geschichte. Dass der Bösewicht dazu die Tugenden, auf denen das britannische Gesellschafts- und Wertesystem basiert, in ihr Gegenteil verkehrt hat, ist zumindest ein netter Twist, auch wenn ich nicht umhin komme, hier Anleihen an „Ultima V: Warriors of Destiny“ (1988) zu erkennen. Warum aus diesen vielversprechenden Ansätzen nicht mehr gemacht wurde, kann man weiter oben nachlesen; das Ergebnis ist jedenfalls bekannt: „Ascension“ ist ein sehr lineares Spiel, man weiß fast immer genau, was zu tun ist, weil der Ablauf zur Befreiung einer Tugend immer demselben Schema folgt. Die Story wird dadurch nur selten vorangetrieben. Wie denn auch – sie ist ja nicht sonderlich ausgeprägt, das Ziel ist von Beginn an klar. Und der Weg dorthin, der immer eine traditionelle Stärke von „Ultima“ war, verläuft deutlich weniger verschlungen, als man erwartet hätte. Dazu passt auch, dass sich der finale Kampf alles andere als episch anfühlt. Viel schlimmer ist aber, dass die an sich interessante Auflösung der Story um den Guardian irgendwann im letzten Drittel des Spiels in einem Nebensatz erwähnt wird. Schade um so viel verschenktes Potenzial.

Die Problemfelder.

Wie schon bei der Berichterstattung zu „Ultima VIII“ nimmt mich die Haltung der zeitgenössischen Spiele-Magazine wunder: Einerseits gab es in fast allen Heften im deutschsprachigen Raum Sonderkästen, in denen die ärgerlichsten, peinlichsten und lustigsten Fehler des Spiels genannt wurden, darunter einige echte Plot-Stopper. Und auch der gewaltige Hardware-Hunger, der „Ultima IX“ auf praktisch jedem damals gebräuchlichen Rechner unspielbar machte, wurde erkannt und ungewohnt deutlich in den Reviews angesprochen. All das hielt die Redaktionen jedoch nicht davon ab, hohe Wertungen zu vergeben. Geschuldet kann das letztlich nur den oben genannten Schauwerten sein, über die „Ascension“ fraglos verfügt(e). Außerdem, so der damalige Tenor, hoffe man auf Nachbesserungen, die zumindest die ständigen Abstürze und übelsten Fehler beseitigen würden. Kurzum: Man ließ sich von einem großen Namen blenden und war deutlich verständnisvoller, als es Leser:innen von objektivem Journalismus erwarten dürfen.

Wer „Ultima IX“ im Jahr 2024 installiert, wird einem Teil der technischen Schwierigkeiten, die das Spiel 25 Jahre zuvor geplagt haben, nicht mehr begegnen. Es gibt aber durchaus Probleme, die nie behoben wurden (wobei manche davon nichts mit der Technik zu tun haben und daher auch mit weiteren Patches nicht hätten bereinigt werden können). Eine kurze Übersicht dazu:

  • Technische Mängel. Die 1999 veröffentlichte Urfassung von „Ascension“ war praktisch unspielbar. Zwar stellen die Hardware-Anforderungen heute kein Problem mehr dar, wohl aber die unsaubere Programmierung, die selbst moderne Rechner ab und an noch ins Schwitzen bringt. Und: Immer wieder hat mich das Spiel auch anno 2024 noch ohne Kommentar direkt auf den Windows-Desktop geworfen, was in einem Fall den Verlust von mindestens einer Stunde Spielzeit nach sich zog; häufiges Speichern verschiedener Spielstände ist also Pflicht. Ferner brauchte ich an einer Stelle die Komplettlösung, weil es nicht möglich war, einen NPC anzusprechen, ohne das Spiel zum Crash zu bringen. Dazu kommen unzählige Grafik- und Physikfehler über die man meist aber eher lachen kann als weinen muss.
  • Wenig Rollenspiel-Feeling 1. Wer ein Rollenspiel startet, möchte das Gefühl haben, direkt in einer Welt zu sein, die nach bestimmten Gesetzen funktioniert und in sich logisch und konsistent ist. Ist das Spiel Teil einer Serie, kommt hinzu, dass es auch mit seinen Vorgängern einigermaßen logisch verknüpft sein sollte. Im Falle von „Ascension“ ist beides überaus schlampig umgesetzt: So reagieren beispielsweise NPCs – wenn überhaupt – nur in Nebensätzen auf die Taten des Avatar. Sich tugendhaft zu verhalten, immer ein Herzstück der „Ultima“-Reihe, ist nicht notwendig, es gibt keine weitreichenden Entscheidungen zu treffen und man hat generell kaum jemals das Gefühl, sich in einer Welt mit reicher Geschichte (die man innerhalb des Kanons ja zum Gutteil selbst mitgestaltet hat) zu befinden. Klar, auch die alten „Ultima“-Spiele hatten oft Probleme mit der inneren Logik, so ausgeprägt wie in „Ascension“ war das Problem aber nie zuvor.
  • Mangelhaftes Design und Balancing. Man merkt immer wieder, dass das Spiel an vielen Stellen nicht zu Ende gedacht wurde. Beispielsweise wird die Immersion ständig gebrochen, weil Monster und sonstige Gegner:innen respawnen, sobald man sich umdreht. Oder weil mitten im gut bewachten Britain ein Bandit an der immer gleichen Stelle steht – natürlich ohne, dass es Wachen oder andere NPCs stört. Andere Probleme, die grob in diese Kategorie passen: Die Kämpfe sind wahlweise zu schwer oder zu leicht, im arg begrenzten Inventar gibt es keine Möglichkeit, Tränke, Zutaten o. ä. zu stapeln, es gibt im Spiel selbst keine Informationen über Attribute von Waffen, Rüstungen etc., der Handel ist durch die schnelle Anhäufung unermesslicher Reichtümer sinnfrei, die Magie schön anzusehen aber so gut wie nie sinnvoll einzusetzen. Insgesamt wirkt nichts organisch miteinander verbunden, sondern so als hätten die Entwickler:innen gerade genug Zeit gehabt, gewisse Eckpunkte auszugestalten – nicht jedoch, um das „Dazwischen“ mit Leben zu füllen.
  • Steuerung. Die Steuerung erinnert an das in „Ultima Underworld: The Stygian Abyss (1992) etablierte System, heißt: Fast alles ist mit der Maus zu bedienen, die Tastatur kommt selten zum Einsatz. Neben genannten Problemen ist vor allem das Laufen per Maustaste wohl die größte Hürde für Neueinsteiger:innen, wobei hier zu bedenken ist, dass die heute etablierte WASD-Belegung damals noch keine allgemeine Konvention war. Das ändert freilich nichts daran, dass sich der Avatar eher hakelig und unpräzise steuert (das ging in „Underworld“ tatsächlich besser von der Hand).
  • Linearität. Generell wurde in der „Ultima“-Hauptreihe spätestens mit „Serpent Isle“ die Bewegungs- und Handlungsfreiheit früherer Titel stark reduziert. In „Ultima VIII“ war kaum noch zu übersehen, dass das Spiel nur in einer bestimmten Reihenfolge lösbar war, in „Ultima IX“ stößt man gefühlt noch schneller an die unsichtbaren Grenzen der Welt. Die sind erst nach Lösen einer bestimmten Aufgabe zu überwinden. Heißt: Das Spiel schreibt exakt vor, in welcher Reihenfolge die Schreine zu befreien sind, eine Abweichung ist nicht möglich. Warum diese Stringenz notwendig war, dürfte klar sein: Jede andere Herangehensweise hätte zusätzliche (teure) Dialoge und andere, zeitaufwändige In-Game-Veränderungen notwendig gemacht, die man auf die Schnelle unmöglich hätte implementieren und testen können. Insofern muss man fast froh über die Linearität sein, auch wenn das für erfahrene „Ultima“-Kämpen ein schwacher Trost sein mag.
  • Wenig Rollenspiel-Feeling 2. Wie „Ultima VIII“ macht auch der Nachfolger mehr den Eindruck eines Action-Adventures als den eines Rollenspiels. Man klappert Orte ab und löst dort das eine oder andere Rätsel – zum Teil übrigens erschreckend schlecht designet bzw. aufgrund fehlender Hinweise praktisch nicht lösbar. Schwierige, weitreichende Entscheidungen sind nicht zu treffen. Es gibt weder ein Rufsystem noch Erfahrungspunkte, sodass es letztlich völlig egal ist, wie man spielt. Wer Adventures mag wird allerdings auch keine Freude mit „Ascension“ haben, denn dafür gibt es dann zu viele lästige Kämpfe und viel zu viel Leerlauf zwischen den Rätseln. So muss man konstatieren, dass das Spiel völlig zwischen den Stühlen sitzt und keine Fraktion richtig befriedigt.

Fazit.

Ein Fazit zu finden, fällt mir nicht leicht. Objektiv gesehen ist „Ascension“ schlicht und einfach kein gutes Spiel – und schon gar kein gutes „Ultima“. Beides gilt auch, wenn man die zahlreichen technischen Mängel, den erbärmlichen Veröffentlichungszustand und – aus heutiger Sicht – das Alter des Titels ausblendet. Denn all ist zwar ärgerlich, hat jedoch wenig mit dem zu tun, worauf es bei einem Rollenspiel (und diesem Genre ist der Name „Ultima“ seit jeher verpflichtet) ankommt: Story, Charaktere, Entscheidungen, World-Building. In keiner dieser Kategorien kann „Ascension“ so punkten, wie man es von einem Titel mit derart legendärem Namen erwarten darf.

Was bleibt also? Nun, ein immer noch schön anzusehendes und wunderbar klingendes Spiel in einer Märchenwelt, die Lust darauf macht, sie zu entdecken. Ferner einige Mechaniken die Spaß bringen und das zumindest punktuell aufkommende Gefühl, man wäre in einer Welt mit einer echten Historie (was sich aber vermutlich nur „Ultima“-Veteranen erschließt). Die eine oder andere unterhaltsame Teilaufgabe gibt es auch noch – ob das alles aber genug ist, um über 40 Stunden in das Spiel zu versenken, wage ich nicht zu beurteilen. Ich selbst habe es zumindest nicht bereut, so richtig genossen habe ich den letzten Ausflug nach Britannia aber auch nicht.

Gesamteindruck: 3/7


Genre: Rollenspiel
Entwickler:
Origin Systems
Publisher: Electronic Arts
Jahr:
1999
Gespielt auf: PC


Screenshots aus „Ultima IX: Ascension“ – Copyright beim Entwickler!

Ein Gedanke zu “SpielWelt: Ultima IX

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