BuchWelt: The Revenant – Der Totgeglaubte

Michael Punke


Der ausgezeichnete Film „The Revenant – Der Rückkehrer“ (2016, Hauptrolle: Leonardo DiCaprio) animierte mich, das (fast) gleichnamige Buch von Michael Punke zu lesen – schließlich basiert der Film auf eben jenem Werk. Leider kann die literarische Vorlage nicht ganz mit dem mithalten, was Regisseur Alejandro Gonzáles Iñárritu auf die Leinwand gezaubert hat.

Gesamteindruck: 4/7


Kurz und geradlinig.

Der Film „The Revenant“ zeigt die brutale, unnachgiebige Natur im nördlichen Amerika des 19. Jahrhunderts. Allein beim Zusehen meint man, die Kälte, die Schmerzen und die Einsamkeit der Rocky Mountains, die der tragische Held empfinden muss, am eigenen Leib zu erfahren. Das ist – wie sich bei der Lektüre der literarischen Vorlage schnell herausstellt – vor allem den beeindruckenden Kamera-Aufnahmen zu verdanken. Wir haben es hier also mit einem jener seltenen Fälle zu tun, in denen die filmische Umsetzung ihr Vorbild tatsächlich übertrifft. Das hätte ich so, vor allem auch in diesem deutlichen Ausmaß, nicht erwartet.

Inhalt in Kurzfassung
1823 steht der Trapper Hugh Glass im Dienste der Rocky Mountain Fur Company. Als er von einem Grizzly attackiert und schwer verwundet wird, beschließen seine Kameraden, ihn zum Sterben zurückzulassen. Zwei Männer sollen bis zum Ende bei ihm bleiben und ihn schließlich beerdigen. Dazu kommt es jedoch nicht, denn die zwei Freiwilligen berauben den Sterbenden seiner Ausrüstung und machen sich aus dem Staub. Glass tut ihnen jedoch nicht den Gefallen, zu sterben, sondern erweist sich als unglaublich zäh. Er macht sich allein und zu Fuß auf den Rückweg, um Rache für das erlittene Unrecht zu nehmen.  

Die Geschichte um Hugh Glass basiert auf wahren Begebenheiten, wie ich schon in meiner Rezension zum Film herausgestellt habe. Zwischen filmischer und literarischer Umsetzung gibt es einige Unterschiede – die Vermutung liegt nahe, dass das Buch den realen Ereignissen näher kommt. Deutlich wird das unter anderem daran, dass der historische Hugh Glass der Quellenlage zufolge keinen Sohn hatte, was im krassen Gegensatz zu der im Film dargestellten Situation steht. Die entsprechenden Flashbacks, die den Film immer wieder in die Länge ziehen, sind einer der größten Kritikpunkte und fehlen im Buch glücklicherweise völlig. Hier bleiben tatsächlich nur zwei Mann beim verletzten Glass zurück, was Berichten zufolge der Wirklichkeit entspricht.

Unabhängig von solchen Feinheiten erzählen Buch und Film allerdings die gleiche Geschichte. Leider ist das Buch dermaßen nüchtern gehalten, dass der Funke nicht so recht überspringen will. Interessant auch, dass trotz des relativ geringen Umfangs von rund 270 Seiten die Lektüre gegen Ende hin immer länger zu werden scheint. Die Jagd von Glass auf seine untreuen Kameraden verfolgt man zunächst noch mit Spannung, im weiteren Verlauf wird sie aber immer ermüdender. Es ist fast, als hätte Autor Michael Punke sich nicht getraut, zu sehr von der überlieferten Legende abzuweichen. Und die ist nun einmal äußerst lückenhaft und vage gehalten, sodass es eigentlich wenig zu erzählen gibt. So ist es auch nicht verwunderlich, dass das (stark vom Film abweichende) Ende kaum zu befriedigen weiß, vermutlich aber eher der Wirklichkeit entspricht.

Nüchterne Erzählweise bringt Abzüge.

Im Nachhinein kann man natürlich schwer sagen, wie sehr der vorherige Genuss des Films die Lektüre beeinflusst hat. Die Story ist an und für sich ja identisch, dem Buch fehlt allerdings der epische Charakter, den der Film aus seinen beeindruckenden Landschaftsaufnahmen zieht. Nun ist ein Buch in solchen Dingen natürlich auf die Vorstellungskraft des Lesers angewiesen; in diesem speziellen Fall ist es aber so, dass das Werk lediglich aus dem sehr geradlinigen Handlungsfaden besteht. Auf Beschreibungen der ungezähmten Natur, die den Film mit all ihrer Gewalt und Schönheit beherrscht, verzichtet der Autor nahezu komplett. Das macht die Lektüre insgesamt überraschend nüchtern, wenn man den Film kennt. Dass die Handlung kurz und geradlinig ist, war mir von vornherein klar – dass sie aber dermaßen „nackt“ serviert wird, finde ich dann doch sehr enttäuschend. Ob ich das ohne den Film anders empfunden hätte? Glaube ich eigentlich nicht, im Gegenteil, ich fürchte sogar, dass mich das Buch dann tatsächlich über weite Strecken gelangweilt hätte und eine noch schwächere Wertung die Folge gewesen wäre. Dass dem nicht so ist, hat meines Erachtens vor allem damit zu tun, dass der Film mir Gesichter und Landschaften serviert hat, die im Buch leider (!) nicht in dieser Ausprägung auftauchen.

Gesamteindruck: 4/7


Autor: Michael Punke
Originaltitel: The Revenant: A Novel of Revenge.
Erstveröffentlichung: 2002
Umfang: ca. 270 Seiten
Gelesene Sprache: Deutsch
Gelesene Version: eBook