Edguy
Als „Age of the Joker“ drei Jahre nach dem schwachen „Tinnitus Sanctus“ (2008) auf den Markt geworfen wurde, hatte ich keine Erwartungen, hatte ich mit Edguy doch spätestens seit „Rocket Ride“ (2006) abgeschlossen. Entsprechend kann man meine damaligen Hördurchgänge von „Age of the Joker“ locker an einer Hand abzählen und ich musste mich für diese Rezension erstmals überhaupt intensiv damit beschäftigen. Und, soviel sei vorweggenommen: In voller Länge werde ich dieses Album wohl nie wieder hören…
Gesamteindruck: 2/7
Negativbestätigung.
Das 9. Studioalbum von Edguy ist die logische Fortsetzung des Kurses, den die Hessen bereits auf den unmittelbar vorangegangenen „Rocket Ride“ und „Tinnitus Sanctus“ eingeschlagen hatten. Leider. Heißt: Auch auf „Age of the Joker“ gibt es über weite Strecken eine Art AOR in Anlehnung an Acts wie Deep Purple (die ja zu den ganz großen Favoriten von Edguy-Chef Tobias Sammet gehören) auf die Ohren. Soll von mir aus so sein, hat aber mit der Musik, mit der man Ende der 1990er auch international zu einer echten Größe aufgestiegen ist, nichts mehr zu tun. Ob man das als Hörer:in goutiert ist freilich jedem/jeder selbst überlassen – ich persönlich kann damit leider überhaupt nichts anfangen und unter diesem Gesichtspunkt ist das Folgende auch zu lesen.
Unabhängig vom Genre sei außerdem angemerkt, dass man dem einen oder anderen Song deutlich anzuhören meint, dass Meister Sammet eigentlich viel lieber ein Avantasia-Album gemacht hätte (speziell die Schlussnummern „Behind the Gates of the Midnight World“ und „Every Night Without You“ sowie der Stampfer „Faces in the Darkness“ sprechen eine eindeutige Sprache). Blöd nur, dass jenes Projekt damals seinerseits bereits am absteigenden Ast war. Zu allem Überfluss vermute ich, dass genau diese Doppelbelastung Tobias Sammet die Kreativität (und zum Teil auch die Stimme) geraubt und sich damit negativ auf beide seiner Betätigungsfelder ausgewirkt hat. Spekulation? Mag sein, dennoch muss ich es so drastisch sagen: Aus meiner Sicht war bei Edguy bereits 2004 (mit „Hellfire Club“) und bei Avantasia 2008 (mit „The Scarecrow“) die Luft raus. Erholt hat sich bis dato (August 2022) keine der beiden Formationen (Edguy sind derzeit ohnehin seit geraumer Zeit „on hold“, was auch immer das heißen mag).
Glänzt zu keiner Zeit.
Nun aber zu „Age of the Joker“, das mit „Robin Hood“ ungünstig in seine mehr als einstündige Laufzeit startet: Der Opener ist mit über 8 Minuten deutlich zu lang (speziell der Spoken Word-Teil ist verzichtbar), hat zwar einen okayen Refrain, ist unterm Strich aber vor allem höchst unspektakulär. Was gleich hier auffällt und sich durchzieht: Die Gitarren sind viel zu leise, dafür gibt es bei den Keyboards einen heftigen Deep Purple-Einschlag. Dagegen wäre grundsätzlich nichts einzuwenden, nur sind Edguy in Sachen Songwriting halt mitnichten Deep Purple, was in Kombination mit der Erwartungshaltung an ehemalige Melodic Metal-Heroen zur bescheidenen Gesamtwertung führt.
Ich würde nun gern schreiben, dass es nach diesem klassischen Fehlstart besser wird – und ja, im ersten Moment hat man dieses Gefühl tatsächlich. Nur liegt das eher an der mangelhaften Qualität von „Robin Hood“ und weniger daran, dass Edguy sich songwriterisch steigern. So oder so: Der zweite Track, „Nobody’s Hero“, wäre definitiv der bessere Einstieg gewesen, wobei man auch hier nicht mal dann Metal findet, wenn man ihn mit der Lupe sucht. Und so geht es weiter und reiht sich eine nichtssagende Nummer an die nächste. Aufgehorcht habe ich an wenigen Stellen: „Rock of Cashel“ hat einen schönen Instrumentalteil mit geiler, irgendwie mittelalterlich anmutender Melodie und Maiden-Gitarren (wäre aber auf alten Edguy-Scheiben auch nur B-Ware gewesen). Am besten geht mir „The Arcane Guild“ ins Ohr, das tatsächlich wie eine klassische Melodic Metal-Nummer klingt. Wobei auch hier gilt: Was auf „Age of the Joker“ positiv hervorsticht wäre früher höchstens Durchschnitt gewesen…
Auf den Rest möchte ich eigentlich gar nicht mehr eingehen. Kein einziger (!) Track ist mir trotz einer Vielzahl an Versuchen nachhaltig im Gedächtnis geblieben, was man fast schon als katastrophales Fazit bezeichnen muss (vor der World of Shame bewahrt das Album nur, dass Edguy technisch niemand ans Bein pinkeln kann). Aber was soll man machen? Dass „Pandora’s Box“ ein bisschen mit Western und Country experimentiert, kann eventuell am Titel festmachen, dass „Every Night Without You“ eine Ballade sein muss, ist auch klar. Aber der Rest? Wie klingt „Breathe“? Wie „Two Out of Seven“? Ich weiß einfach nicht, wie diese Songs klingen. Und das ist im Endeffekt auch schon alles, was man über „Age of the Joker“ wissen muss. Schade – neben „Rocket Ride“ ist das damit der bislang schwächste Versuch der Hessen.
Gesamteindruck: 2/7
No | Titel | Länge | Note |
1 | Robin Hood | 8:26 | 2/7 |
2 | Nobody’s Hero | 4:33 | 4/7 |
3 | Rock of Cashel | 6:20 | 4/7 |
4 | Pandora’s Box | 6:47 | 3/7 |
5 | Breathe | 5:05 | 2/7 |
6 | Two Out of Seven | 4:29 | 3/7 |
7 | Faces in the Darkness | 5:24 | 4/7 |
8 | The Arcane Guild | 5:00 | 5/7 |
9 | Fire on the Downline | 5:48 | 3/7 |
10 | Behind the Gates to Midnight World | 8:58 | 4/7 |
11 | Every Night Without You | 4:52 | 1/7 |
1:05:42 |
Edguy auf „Age of the Joker” (2011, Nuclear Blast):
- Tobias Sammet − Vocals
- Jens Ludwig − Lead Guitars, Dobro
- Dirk Sauer − Rhythm Guitars
- Tobias Exxel − Bass
- Felix Bohnke − Drums
2 Gedanken zu “MusikWelt: Age of the Joker”