BuchWelt: Jenseits des blauen Horizonts (Gateway – Teil 2)

Frederik Pohl


Ein Stärke von „Gateway“ (und ähnlich gelagerten Romanen á lá „Solaris“ oder „Picknick am Wegesrand“) ist die greifbare Hilflosigkeit der Menschheit angesichts einer Technologie, die sie nicht verstehen kann, aber trotzdem ungeschickt zu nutzen versucht. Mit anderen Worten: Gerade das, was man NICHT erfährt, macht einen großen Teil des Reizes solcher Geschichten aus. Leider hat Autor Frederik Pohl dieses Prinzip im zweiten Teil der „Gateway-Trilogie“ (die eigentlich keine ist, aber das ist ein anderes Thema) teilweise über Bord geworfen.

Gesamteindruck: 4/7


Bleibt weit hinter der Klasse von „Gateway“ zurück.

„Gateway“ (1976) war meiner Ansicht nach ein Meisterwerk. Natürlich ist man bei solchen Büchern (oder auch Filmen, die ähnlich gelagert sind) immer ein wenig hin- und hergerissen: Gebe ich mich mit dem Gelesenen zufrieden und überlasse den Rest meiner Fantasie? Oder hätte ich gerne ein oder mehrere Folgewerke, die wenigstens ein paar der rätselhaften Ereignisse erklären? Man ist versucht zu sagen, dass es nur natürlich ist, mehr zu wollen, auch wenn man noch zu einer Generation gehört, in der das eigene Vorstellungsvermögen wohl etwas besser trainiert war, als das heute der Fall ist. Nur ist es meist leider so, dass dieses Mehr, das man gelegentlich bekommt, einigermaßen enttäuschend ist. So auch im Falle von „Jenseits des blauen Horizonts“ (1980), dem 2. Teil der „Gateway-Trilogie“.

Eine direkte Fortsetzung von „Gateway“ ist dieses Buch eigentlich nicht, hat es doch – zumindest zum Teil – andere Protagonisten, als sein Vorgänger. Im Prinzip ist „Jenseits des blauen Horizonts“ dreigeteilt. Zunächst beobachtet der Leser aus der Außenperspektive (also nicht in der Ich-Form) die Erlebnisse einer Familie, die auf die lange Reise in die Oortsche Wolke geschickt wurde, wo sie ein großes Hitschi-Artefakt untersuchen und zur Erde bringen soll. Dass das nicht ohne Probleme abläuft, ist klar. Dieser Part des Romans entspricht grob gesagt einer klassischen Abenteuergeschichte, einer Art Robinsonade, in der sich wagemutige Menschen auf die Reise zu unbekannten Ufern machen. Mit dem, was Frederik Pohl dem Leser in „Gateway“ vorgelegt hat, hat das weder stilistisch noch inhaltlich oder von der Intensität her viel zu tun – was aber nicht heißt, dass die Story schlecht ist. Mir hat sie sogar sehr gut gefallen, auch wenn die Handlung alles in allem ein wenig dünn ist.

Der zweite Teil des Buches war für mich persönlich wesentlich interessanter. Hier beschäftigt sich Pohl erneut in der Ich-Form mit Robinette Broadhead, dem Helden von „Gateway“, der dank der in Band 1 geschilderten Geschehnisse zu großem Reichtum gekommen ist. Auch in „Jenseits des blauen Horizonts“ ist Broadhead Dreh- und Angelpunkt von wissenschaftlichen und philosophischen Betrachtungsweisen, wobei in diesem Buch eindeutig erstere dominieren. Wenn sich der Protagonist mit seinem Computerprogramm „Albert Einstein“ über die Natur des Universums unterhält und über die Hitschi spekuliert, erinnert das sehr stark an „Gateway“, was ich als ausgesprochen positiv empfinde. Leider wird Broadhead als Figur nicht wirklich weiterentwickelt, was sehr schade ist.

Am problematischsten ist für mich aber der dritte Teil von „Jenseits des blauen Horizonts“ (wobei gesagt werden muss, dass eine so scharfe Abgrenzung wie ich sie in dieser Rezension treffe, im Buch nicht stattfindet – dort fließen die Teile eher kapitelweise ineinander, wenn man so will). Hier versucht Pohl, die Hitschi ein wenig zu erklären. Das wäre kein Problem, wenn er Menschen über die Außerirdischen spekulieren ließe. Er macht es aber, und das ist nach „Gateway“ ungewohnt, aus der Perspektive des „allwissenden Erzählers“. Heißt: Der Leser kann die Hitschi direkt beobachten, erhält Einblick in ihre Pläne und kann sich erstmals vorstellen, wie sie aussehen. Das entzaubert meines Erachtens den ganzen Mythos und schadet mehr, als es durch Befriedigung der Neugier nutzt.

Nimmt man all das zusammen, bleibt am Ende festzuhalten, dass „Jenseits des blauen Horizonts“ grundsätzlich recht spannend und flüssig zu lesen ist. Von der knappen Eleganz und der dystopischen Stimmung von „Gateway“ ist das Buch allerdings weit entfernt. Allein das rechtfertigt bereits eine nicht ganz so tolle Wertung. Aber die Entzauberung des Mythos, der die Hitschi in „Gateway“ noch umgibt, ist der eigentliche Grund für meine Kritik. Das wäre meines Erachtens nicht notwendig gewesen – und jeder, der bisher nur „Gateway“ gelesen hat (gibt es so jemanden überhaupt?) sollte sich ernsthaft überlegen, es dabei zu belassen.

Eine Anmerkung noch, weil ich das Gefühl habe, dass einige Bewertungen im Internet einen Punkt berühren, ohne ihn richtig herauszuarbeiten: Dass man an „Jenseits des blauen Horizontes“ überhaupt Freude haben kann (vor allem was das letzte Drittel des Buches betrifft) bedingt ein Mindestmaß an Interesse für Astrophysik – mehr noch, als bereits in „Gateway“ notwendig ist. Wer sich noch nie mit Begriffen wie „Schwarzes Loch“, „Zeitdilation“, „Relativität“ usw. beschäftigt hat, wird spätestens zu diesem Zeitpunkt nur noch Bahnhof verstehen und das Buch entnervt in die Ecke werfen. Ich selbst interessiere mich als Laie sehr für diese Themen, entsprechend gut hat mir die literarische Auseinandersetzung damit gefallen – jeder, der kein Interesse für Kosmologie hat, wird mit dem Buch absolut keine Freude haben.

Gesamteindruck: 4/7gateway-trilogie


Autor: Frederik Pohl
Originaltitel: Beyond the Blue Event Horizon.
Erstveröffentlichung: 1980
Umfang: ca. 320 Seiten
Gelesene Sprache: Deutsch
Gelesene Version: E-Book, in: Die Gateway-Trilogie.


 

 

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2 Gedanken zu “BuchWelt: Jenseits des blauen Horizonts (Gateway – Teil 2)

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